Dienstag, 7. Oktober 2014

Von Analogie und Gradualität – oder: erste Schlüsselbegriffe für Lösungsansätze der Familiensynode

Vielleicht wird man rückblickend von diesem Tag sagen – der die Auseinandersetzung mit dem naturrechtlichen Denkansatz wie mit der Berufung des Menschen zu Christus in Bezug auf die Familie (also die Kapitel III und IV des I. Teiles des 'Instrumentum laboris') vorsah –, dass an eben diesem Dienstagvormittag bereits die Schlüsselgedanken bewegt wurden, die für die offenen pastoralen Fragen der Familiensynode richtungsweisend werden sollten.
 
 
Denn am zweiten Sitzungstag der Synode wurde – gemäß Sitzungsprotokoll in Anwesenheit von 184 Synodalen mit dem Papst ein breiter Bogen geschlagen, der von der Bedeutung der Sexualität als besonderem Kennzeichen ehelicher Spritualität (ein australisches Ehepaar brachte diese Lebenswirklichkeit in die Synode ein) bis hin zur Auseinandersetzung mit eheähnlichen und anderen Lebensgemeinschaften reichte. Und auf Letztere bezogen, wurde über das 'Prinzip der Gradualität' eine Möglichkeit angesprochen, auch eine breite Vielfalt partnerschaftlich gelebter Familienformen wertschätzend und zugleich in Bezug auf die hohen normativen Ideale von Ehe und Familie in den Blick zu nehmen. Betonte das Apostolische Schreiben  'Familiaris consortio' das 'Gesetz der Gradualität' (FC 34) noch im Sinne des moralischen Wachsens ehelichen Lebens , wird dieser Begriff der 'Gradualität' nunmehr zur wertschätzenden Verhältnisbestimmung der pluralisierten Partnerschaftsformen in Bezug auf die Ehe verwendet. Deutlich wird darin die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass das Leitbild der auf Ehe bezogenen Familie nur dann glaubhaft seine orientierende Kraft entfalten kann, wenn es auch bezogen auf weitere gesellschaftlich entstandene Familienformen gedacht wird. Am Ideal der Ehe gemessen 'unvollkommene' Lebensgemeinschaften  sollen mit dem Respekt betrachtet werden, 'dass in ihnen Treue und Liebe und Elemente der Heiligung und Wahrheit vorhanden' seien. (vgl. Zusammenfassung der Generaldebatte des Montagnachmittags unter dem Datum des 7.10.2014)

Der Generalsekretär der Synode Kardinal Lorenzo Baldisseri ergänzte im Pressegespräch am Mittag mündlich, dass dieses Prinzip der Gradualität auch mit dem auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil gewonnenen Selbstverständnis der Katholischen Kirche begründet worden sei. Wie in der Konstitution über die Kirche (und ebenso auch im Ökumenismusdekret) festgehalten wurde, dass auch außerhalb des Gefüges der Kirche „Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden seien“ (LG 8), so könne in einer Analogie auch von eheähnlichen Gemeinschaftsformen wertschätzend gesagt werden, dass in ihnen – in derselben Begrifflichkeit im Protokoll der Debatte des Montagnachmittag ausgedrückt – 'Elemente der Heiligung und Wahrheit enthalten seien', die sie positiv auf die Ehe bzw. die in der Ehe begründeten Familie bezogen sehen lassen. Ein weitgehender Gedanke, der ebenfalls auf der Linie der Aussagen Kardinal Marx' liegt, der in seinem Statement in der Synodenaula nach eigenen Aussagen sich auch für die Anerkennung der in homosexuellen Partnerschaft über Jahre gelebten Liebe und Treue ausgesprochen habe, die ja nicht "alles nichts" seien.

Die Argumentation für die Generaldebatte des dritten Synodentages zu den 'Pastoralen Herausforderungen und den kritischen Situationen in der Familie', um welche Themen im Vorfeld der Synode die größten Auseinandersetzungen erfolgt waren, scheinen mit diesen Gedanken schon vorbereitet, mit denen die Synode in die entscheidende Phase übergeht, das Leben in allen Facetten und auch den Brüchen wahrzunehmen. Die Predigt Papst Franziskus' in der heutigen Frühmesse im Gästehaus Santa Marta bringt diese Geschichten, die das Leben schreibt, bereits warmherzig ins Wort, in denen Gottes Liebe uns barmherzig suchend entgegenkommt:
Each one of us has a story: a story of grace, a story of sin, a story of journey, many things […]. And it’s good to pray with our story," to recognize our failures and how, despite our sin and infidelity, God continues to seek us out, call us back and offer his grace." (www.catholicreview.org, dt. Übersetzung bei Radio Vatikan)