Freitag, 27. März 2020

Urbi et Orbi  in 'ohrenbetäubender Stille' - 
oder:  Segenszuspruch in der Corona-Krise
(Tagesschau vom 27.3.2020)

"Tiefe Finsternis hat sich auf unsere Plätze, Straßen und Städte gelegt; sie hat sich unseres Lebens bemächtigt und alles mit einer ohrenbetäubenden Stille und einer trostlosen Leere erfüllt, die alles im Vorbeigehen lähmt: Es liegt in der Luft, man bemerkt es an den Gesten, die Blicke sagen es. […]  
In unserer Welt, die du noch mehr liebst als wir, sind wir mit voller Geschwindigkeit weitergerast und hatten dabei das Gefühl, stark zu sein und alles zu vermögen. In unserer Gewinnsucht haben wir uns ganz von den materiellen Dingen in Anspruch nehmen lassen und von der Eile betäuben lassen. Wir haben vor deinen Mahnrufen nicht angehalten, wir haben uns von Kriegen und weltweiter Ungerechtigkeit nicht aufrütteln lassen, wir haben nicht auf den Schrei der Armen und unseres schwer kranken Planeten gehört. Wir haben unerschrocken weitergemacht in der Meinung, dass wir in einer kranken Welt immer gesund bleiben würden. […]  
Es ist nicht die Zeit deines Urteils, sondern unseres Urteils: die Zeit zu entscheiden, was wirklich zählt und was vergänglich ist, die Zeit, das Notwendige von dem zu unterscheiden, was nicht notwendig ist. Es ist die Zeit, den Kurs des Lebens wieder neu auf dich, Herr, und auf die Mitmenschen auszurichten. […]
Der Herr fordert uns heraus, und inmitten des Sturms lädt er uns ein, Solidarität und Hoffnung zu wecken und zu aktivieren, die diesen Stunden, in denen alles unterzugehen scheint, Festigkeit, Halt und Sinn geben. "



(ZDF heute - Andacht vom 27.3.2020 in voller Länge)


Die Ansprache von Papst Franziskus: in voller Länge:


Samstag, 7. März 2020

„Für  eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ – oder: Über die heute veröffentlichte Themenstellung der XVI. Bischofssynode im Jahr 2022

Mit einer knappen Ankündigung des Sekretärs der Bischofssynode Kardinal Lorenzo Baldisseri wird heute das Thema der XVI. Bischofssynode für das Jahr 2022 von Seiten des Vatikanischen Presseamtes bekannt gegeben, das zuletzt im Blog-Beitrag vom 12.2.20 als Markenkern des Pontifikats von Papst Franziskus bezeichnet worden ist. 
Der Dreizeiler im italienischen Original birgt dabei alle Sprengkraft das Antlitz der Kirche mit ihren beinahe 1,3 Milliarden Gläubigen auf Zukunft hin zu verändern. Er ist eine Sensation und zugleich der deutlichste Hinweis darauf, wie Papst Franziskus als Reformpapst in die Geschichte der katholischen Kirche eingehen wird.  "Synodalität und Kirchenreform" – zugleich Buchtitel dieses Blogs – werden über die in Kürze erscheinende Konstitution zur Kurienreform Praedicate evangelium die Kirche nicht nur in Deutschland rund um den Synodalen Weg beschäftigen, sondern die katholische Kirche als ganze bestimmen… und weiter im Sinne ihrer Zukunftsfähigkeit verändern. 

Wie bereits im Blog-Beitrag vom 8. Februar 2016 und seitdem immer wieder als ‚ceterum censeo‘  hervorgehoben wird „sich die Kirche auf dem synodalen Weg an dem Gleichgewicht, an der Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung messen müsse[n], wenn sie die Herausforderung der heutigen Zeit annehmen wolle. Diese formale Feststellung ist tatsächlich aus meiner Sicht das Hauptergebnis des […bisherigen] synodalen Prozesses. Und es markiert noch nicht einmal ein Ergebnis im eigentlichen Sinn, sondern einen Zwischenstand, wie Papst Franziskus in seiner als historisch bezeichneten Rede am Ende der zweiten Synodenwoche am 16. Oktober 2015 andeutete:
"Wir sind auf halbem Weg, auf einem Teil des Weges. Wie ich bereits gesagt habe, ist es in einer synodalen Kirche 'nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen. In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen 'Dezentralisierung' voranzuschreiten' (Evangelii gaudium 16)." (Ebd.)
Nach der Jugendsynode im Jahr 2018 und der Amazonassynode des Jahres 2019, in deren Vorlauf am 2. März 2018 auch eine in der öffentlichen Diskussion bislang völlig unbeachtete und in der deutschen Schriftfassung 100 Seiten umfassende Stellungnahme der Internationalen Theologischen Kommission über „Die Synodalität im Leben und Sendung der Kirche“ und die im selben Jahr am 15. September in Kraft getretene Apostolische Konstitution Episcopalis Communio  (nach der laut Art. 18 Synodenabschlussdokumente bereits mit der Annahme durch Papst Franziskus Teil des ordentlichen Lehramtes geworden sind) erschienen sind, wird nun die synodale Kirche, die Synodalität als solche im Jahr 2022 zum Thema der Generalversammlung der Bischofssynode. Im Blick auf das Pontifikat von Papst Franziskus wird es damit quasi die Aufgipfelung der Ausrichtung seines Pontifikates und die Manifestierung der „Bekehrung" des Papstamtes“ (vgl. EG 32), von der Papst Franziskus seit seinem ersten im Jahr 2013 veröffentlichten Lehrschreiben Evangelii gaudium gesprochen hat.

Und im Blick auf den Synodalen Weg der deutschen Ortskirche ist das Motto „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ schon jetzt eine stärker nicht zu wünschende Bekräftigung und die beste Bestätigung auf dem Weg!
"Es ist dieser Weg der Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet." (Papst Franziskus am 17.10.2015)


 


Donnerstag, 5. März 2020

Sogar zwei Fußnoten! – oder: Was Querida Amazonia mit dem Synodalen Weg, seinen Arbeitsforen und dem neuen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zu tun hat
Da brauchte es schon einer Lesehilfe aus Rom, um zwei Fußnoten aufzumerken, die für das Verständnis des nachsynodalen Schreibens der Amazonassynode und den Synodalen Weg gerade auch aus deutscher Sicht von Bedeutung sind. Vielleicht ist es meiner Aufmerksamkeit entgangen, aber vor dem Grußwort des Apostolischen Nuntius in Deutschland Erzbischof Dr. Nikola Eterović zu Beginn der heute zu Ende gegangenen Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Mainz (2.-5. März 2020) habe ich in keinem Kommentar den Hinweis auf die doppelte Fußnote wahrgenommen. Zweimal zitiert Papst Franziskus im vierten Kapitel in Nummer 66 von Querida Amazonia sein Schreiben an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland vom 29. Juni 2019  und zwar an der Stelle, wo es um die Inkulturation geht. 
"[D]ie Kirche hat ein vielgestaltiges Gesicht »nicht nur aus einer räumlichen Perspektive [...], sondern auch aus ihrer zeitlichen Wirklichkeit heraus« […]. Die Jahrtausende alte Tradition bezeugt das Wirken Gottes in seinem Volk und hat die Aufgabe, »das Feuer am Leben zu erhalten, statt lediglich die Asche zu bewahren«.
Genau mit diesem letzten Zitat – Überschrift meines Blog-Beitrags zum Synodenende der Amazonassynode – hatte Papst Franziskus auch in seiner Abschlussansprache ganz zum Schluss pointiert das reformorientierte Anliegen seines Pontifikates unterstrichen. Und eben darum geht es auch beim Synodalen Weg. Der auf der Vollversammlung der DBK-Frühjahrsvollversammlung neu gewählte Bischof Dr. Georg Bätzing bezieht das Anliegen des Papstes um Evangelisierung deshalb auch auf den Synodalen Weg, dem er – in Personalunion ist er mit Prof. Thomas Sternberg Präsident des Synodalen Weges – seine volle Unterstützung zusagt: 
"Dafür stehe ich ganz und gar." Er habe nicht vor, die Ausrichtung des kirchlichen Reformprozesses zu verändern, da dessen "Akzente richtig gesetzt" seien. Als durch sein Amt künftiges Mitglied des Synodalpräsidiums wolle Bätzing "zurückhaltend in Einzelpositionen" sein. Er sei überzeugt davon, dass der Synodale Weg zu "einem neuen Miteinander von Laien und Bischöfen in der deutschen Kirche" führe, betonte der neue DBK-Vorsitzende. Der Synodale Weg diene letztendlich dem Ziel, das Evangelium in die Welt hinaus zu tragen und Menschen "in einer ganz und gar von Freiheit gezeichneten gesellschaftlichen Situation" Orientierung zu bieten." (katholisch.de vom 3.3.2020)
Das in ersten Reaktionen in Deutschland meist enttäuscht und kritisch wahrgenommene nachsynodale Schreiben Querida Amazonia liest er ähnlich der Einschätzung in diesem Blog vom 12.2.2020  gerade auch bezogen auf alle Themenstellungen des Synodalen Weges – in einem anderen Licht als ein ihn dazu befragender Journalist.
"Ich lese das ganz anders als Sie", antwortet er. Was der Papst zur Inkulturation des Glaubens in die jeweilige Gesellschaft geschrieben habe, ermutige ihn. Und dass er nichts über den Zölibat und die Diakoninnenweihe gesagt habe, heiße ja nicht, dass man darüber nicht reden dürfe." (SZ vom 4.3.2020)
Neben Zölibat und der "Thematik Frau in der Kirche" für Bischof Bätzing die "dringendste Zukunftsfrage" (Ebd.) seiner Amtszeit  stehen ebenso die anderen Themen von Macht und Gewalt, Klerikalismus und die Sexualmoral für ihn oben an. Und unter diesen drängenden Fragen insbesondere die Thematisierung und Neubewertung von Sexualität und Geschlechtergerechtigkeit, bei denen bei der Befragung im Zuge der Familiensynoden der Jahre 2014 und 2015 am deutlichsten wurde, wie groß die Kluft zwischen Lebenswelt und Lehre der Kirche ist. Als Leiter des Arbeitsforums 'Leben in gelingenden Beziehungen. Liebe und Sexualität' ist er gerade auch diesen Themen eng verbunden:
"In unserem Papier, das wir bei der Synodalversammlung vorgelegt haben, sehen wir durch die "Theologie des Leibes" von Johannes Paul II. bereits Veränderungen. Die Enzyklika "Amoris laetitia" hat dann die Tür noch einmal weit geöffnet. Das heißt für mich: Es gibt Spielraum und Öffnungen in der Lehre. Wir müssen nun schauen, wie wir diese Lehre in ihrer Substanz so formulieren können, dass sie wirklich noch einmal zu einem Orientierungswissen für Menschen und nicht als diese ewige Verbotsmoral wahrgenommen wird. Und das betrifft auch den Umgang mit Homosexuellen und ihre Lebensweise. Da muss sich etwas ändern." (katholisch.de vom 3.3.2020)
Vielversprechend! Und aus meiner Sicht ebenfalls ein positiver nach viel zu langem Zaudern, das als zermürbendes Hinhalten empfunden wurde –, lang erwarteter, erster Schritt: die Vereinbarung eines verbindlichen Procederes bei der Zuerkennung jetzt deutlich erhöhter finanzieller Mittel gegenüber Betroffenen sexuellen Missbrauchs durch Kleriker der katholischen Kirche  selbst wenn die infrage stehenden Beträge im Grundsatz nach den Beratungen im Plenum aller Diözesen geringer ausgefallen sind, als dies Betroffenen-Initiativen gefordert hatten. 
Dabei werde "ein unabhängiges Entscheidungsgremium eingesetzt, das die Leistungshöhe verbindlich festsetzt und für eine zentrale Auszahlung an die Betroffenen zuständig ist. Das sei eine "qualitative Verbesserung" zur Situation zuvor, so Ackermann. Außerdem würden die Zahlungen solidarisch unter den Bistümern finanziert. Ferner werde sichergestellt, dass die Leistungen steuerfrei seien und nicht mit anderen Sozialleistungen verrechnet würden. Jede Diözese müsse selbst bestimmen, aus welchen Mitteln die Zahlungen geleistet würden, heißt es in dem Grundsatzpapier." (katholisch.de vom 5.3.2020)
"Man möchte eigentlich weglaufen“, sagte der neu gewählte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in seinem allerersten Interview angesichts der vielen Aufgaben und Drucksituationen von innen – bezogen auch auf die offenkundigen Spannungen im deutschen Episkopat – und von außen mit den Aufgaben der Inkulturation und der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals mitsamt allen seinen systemischen Faktoren. Auf der anderen Seite will man sich aber auch den Voten der Mitbrüder stellen“, fügt er im selben Atemzug an. Auch von deren Seite und damit beinahe von allen Seiten ist die Wahl des neuen Vorsitzenden auch eine Bestätigung der Ausrichtung für den Synodalen Weg eine Bekräftigung einer "Kirche im Aufbruch" (EG 20, 24, 46), die Kardinal Marx in seiner letzten Predigt in seinem Amt als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz - Papst Franziskus zitierend - für die deutsche Ortskirche einforderte. Die Synodalität ist ein inneres Moment des Reformprozesses. Mit den Worten Bischof Bätzings zum Synodalen Weg gesagt:
"Was sich nicht verändert, ist mein positiver Blick auf den Synodalen Weg. Ich halte ihn wirklich für eine große Chance des Zusammenwirkens und des miteinander Übens, wie man synodal auf dem Weg sein kann. Das will der Papst von uns." (katholisch.de vom 3.3.2020)