Samstag, 5. September 2020

Fratelli tutti – Fünf Regionenkonferenzen des Synodalen Wegs beraten in Zeiten von Corona in Berlin, Dortmund, Frankfurt, Ludwigshafen und München 

 

(Bild: © privat)

"Fratelli tutti" der Titel der heute bekannt gewordenen dritten Enzyklika von Papst Franziskus könnte auch gut als pointierte Überschrift für die Arbeitsatmosphäre der Regionenkonferenzen des Synodalen Wegs stehen, die statt der Coronabedingt abgesagten Plenumskonferenz an diesem Wochenende mit jeweils ca. 50-70 Personen in Berlin, Dortmund, Frankfurt, Ludwigshafen und München stattgefunden haben

"Bei allen spürbaren verschiedenen Sichtweisen, Perspektiven und Schwerpunkten lässt sich eine entspannte, aufmerksame Atmosphäre feststellen. Die Redner nehmen kritisch wie würdigend aufeinander Bezug, die Beiträge bleiben konstruktiv und um Austausch bemüht. Direkte Angriffe untereinander bleiben aus." (katholisch.de vom 4.9.2020)

Gemeinsam mit der Themenstellung der neuen Sozialenzyklika des Papstes im Blick auf die globalen Herausforderungen der Pandemie ist allen Regionalkonferenzen auch der Themenschwerpunkt am Vormittag: "Die Corona Pandemie – Herausforderungen für den Synodalen Weg". Ohnmachtserfahrungen angesichts des Lockdowns und Fragen zur kirchlichen Systemrelevanz in dieser Zeit, ihre ureigentliche Kompetenz in der Begleitung Alter, Kranker, sozial Benachteiligter wie in Fragen von Tod, Krankheit und Leid wurden ebenso angesprochen wie neue Weisen und Formen kirchlichen Lebens: in digitalen und Live-Streaming-Angeboten und Gottesdienstformaten wie in einer plötzlich in ihrer Bedeutung wieder neu in den Vordergrund rückenden Familienkatechese und –pastoral. Corona war und ist auch FamilienZeit und löst – Ironie und Paradoxie der letzten Monate – das Motto der diesjährigen Familiensonntags-Kampagne ‚Familie als Lernort des Glaubens‘ in einem Maße ein, wie das die Autor*innen der nur zum Download bereitstehenden 78 S.-Arbeitshilfe und ihre Auftraggeber in der Kommission 'Ehe und Familie' der Deutschen Bischofskonferenz wohl nicht für möglich gehalten hätten. Aber diese Entwicklungen helfen der Kirche in Deutschland in Zeiten von Corona nur bedingt:

"Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas - alle Probleme, die die Kirche sowieso schon hat, werden durch das Virus nur noch größer und drängender: der Priestermangel, die Glaubwürdigkeitskrise, die Kirchenaustritte, der Ausschluss von Frauen aus Ämtern." (SZ vom 5.0.2020)

"Fratelli tutti" – der Titel könnte auch für die Männerkirche stehen, die am Nachmittag der Regionalkonferenzen mit einem ersten Diskussionspapier aus dem Synodalforum ‚Frauen in Diensten und Ämtern‘ thematisiert wurde.

(Arbeitstext des Synodalforum III)
Obwohl die Textvorlage sich vornehmlich auf die Möglichkeiten beschränkt, die Frauen unter den derzeitigen Bedingungen schon offenstehen, standen doch die grundsätzlichen Anfragen nach Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche und Ämtern nicht nur mit Reformbewegungen u.a. von Maria 2.0 vor den Türen. Es handelt sich nach den Worten der Vorsitzenden des Präsidiums des Synodalen Wegs um die Zukunftsfrage der Kirche in Deutschland.


Karin Kortmann, die als Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) im Präsidum des Synodalen Weges ist, sagte: 

"Die Frauenfrage ist die existenzielle für die Kirche. Wenn wir diese Frage nicht substanziell geklärt wird, dann werden meiner Einschätzung nach noch viel mehr Menschen die Kirche verlassen." (katholisch.de vom 4.9.2020)

Nicht minder existentiell für die Relevanz der Kirche für das Leben der Menschen heute wird eine zeitgemäße Sexualmoral und Sexualpastoral am späteren Nachmittag eingeschätzt. Elf Voten hatte das Synodalforum „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“, in dem ich selber mitarbeiten darf, für die Regionalkonferenzen als Blitzlicht des derzeitigen Beratungsstandes eingebracht. 

(Die Voten des IV. Synodalforums im Überblick)

Die ‚Knackpunkte‘ der Wertschätzung nicht heterosexueller Paare, der Vielfalt und Individualität sexueller Orientierungen sowie die für die traditionelle Sexualmoral konstitutive Weitergabe des Lebens kamen ebenso zur Sprache wie Zeugnisse von Synodal*innen, die ihre von der heterosexuellen Norm abweichende sexuelle Orientierung in den Regionalkonferenzen, aber auch in den Synodalforen selbst in authentischer Weise einbrachten und bringen.

Zwei von insgesamt 4 Foren kamen in den Regionenkonferenzen zu einer ersten Präsentation, die ebenso wie die beiden weiteren zu 'Macht und Gewaltenteilung in der Kirche' und 'Priesterliche Existenz heute' auch und gerade mit der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Katholischen Kirche Deutschlands zusammenhängen. In der Frankfurter Regionalkonferenz wurde unterstrichen, dass Sexuelle Bildung im Sinne der vorgestellten Thesen auch zölibatär lebende Menschen in der Kirche ebenso betreffen und betreffen müssen wie die Achtung sexueller Selbstbestimmung als Ordnungsprinzip einer zukunftsfähigen Sexualethik: neue, auch an humanwissenschaftlichen Erkenntnissen orientierte Kategorien, die im Katechismus der Katholischen Kirche noch vergeblich gesucht werden und als Vertiefung der bisherigen Sexualmoral und Sexualpädagogik verstanden werden dürfen. 


Dass die Auseinandersetzung über alle genannten Zukunftsfragen hinweg weiterhin konstruktiv und brüder- bzw. besser geschwisterlich verlaufen mögen, lässt im Blick auf die auch in Deutschland mit hohen Erwartungen verbundene Enzyklika Fratelli tutti‘ auch das 'e sorelle' mitdenken. Gott möge geben, dass die Anliegen der Frauen – anders als in einer Instruktion der Kleruskongregation unlängstin ihr bereits mitgedacht werden,


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