Donnerstag, 23. Dezember 2021

"Wie wollt ihr in der Kirche eigentlich Weihnachten feiern?" – Zukunftsfrage des Synodalen Wegs in Deutschland und die Weihnachtsansprache 2021 von Papst Franziskus

Screenshot Vatican News 23.12.2021
"Wie wollt ihr in der Kirche eigentlich Weihnachten feiern und ein Kind in die Krippe legen, wenn auf der anderen Seite klar ist: Angesichts eures Umgangs mit den Verbrechen sexualisierter Gewalt könnt und wollt ihr das Kind gar nicht schützen?"

Über ein Jahr ist es her, seit der Kölner Pastoralreferent Peter Otten diese an ihn gerichtete Frage in seinem Blog auf die katholische Kirche und ihren Missbrauchsskandal bezog. Ein Jahr später scheint sie an Aktualität nichts verloren zu haben. Gerade einmal vier Tage wird es an diesem Heiligabend her sein, dass in einem internen Hearing für die Synodenmitglieder der Orientierungstext – das ist derjenige Text, der alle Grundtexte der Synodalforen des Synodalen Wegs präludiert – und sein seit der ersten Lesung auf letzten Synodalversammlung unverändert gebliebener Absatz Nr. 43 an den Anfang und den Mittelpunkt der aktuellen Diskussion gestellt wurde:

(43) Der Aufschrei der Opfer sexualisierter Gewalt ist ein wahres Zeichen der Zeit. Der Aufschrei lenkt die Aufmerksamkeit auf furchtbares Unheil – nämlich auf jahrzehntelange Gewaltverhältnisse, in denen Priester, Ordensleute und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre geistliche wie administrative Macht über Kinder und Jugendliche missbrauchten. Der Aufschrei der Opfer ist aber auch ein Zeichen des Heils: das Aufbegehren der Überlebenden widersagt dem System sexualisierter Gewalt. Es drängt die Kirche in die heilsame Krise einer Läuterung. Es drängt sie als Ganze zur Umkehr (Lumen gentium 9). Diesen Aufschrei zu hören und ihm durch die beherzte Erneuerung kirchlichen Lebens Taten folgen zu lassen, kann selbst zum Zeichen der Zeit werden. 

Der Aufschrei der Opfer sexualisierter Gewalt 

Der Bezug auf diese Zeichen und den Anlass des Synodalen Wegs darf nicht auf halbem Weg des Synodalen Wegs vergessen werden. Das ist besonders jetzt wichtig sich zu vergegenwärtigen, weil der Synodale Weg ansonsten in einer Flut von Handlungstexten in der Gefahr steht, viele über lange Zeit in der Kirche zurückgehaltene Reformanliegen  höher zu priorisieren als die Themen, die am Anfang des Synodalen Wegs standen. In der Tat erscheint es so:

"In seinem Kern ist der Synodale Weg ein Prozess „nachholender Entwicklung“. Er will die kognitiven und lebensweltlichen Dissonanzen, die sich zwischen einigen neueren institutionellen und lehramtlichen Spezifica der römisch-katholischen Kirche und den Plausibilitäten eines bürgerlichen Lebens in einer freiheitlichen Demokratie aufgebaut haben, auflösen oder wenigstens mildern"

Der Synodale Weg in Deutschland und der Weltkirche

Aber jenseits aller nachholenden Entwicklung, auf die Rainer Bucher in einem Beitrag auf feinschwarz.net hinwies, ist gerade die Zäsur des Missbrauchsskandals und die Erkenntnis der darin zu Tage tretenden systemischen Ursachen aus meiner Sicht die Stelle, die der Synodale Weg der Kirche in Deutschland als ein zentrales "Zeichen der Zeit" und damit Ressource erster Ordnung in den „vielgestaltigen Reichtum des Volkes Gottes“ und den Synodalen Weg der Weltkirche eintragen kann. Papst Franziskus bezog sich heute mit diesen Worten der Weihnachtsansprache an die römische Kurie explizit auch auf den seit dem 17. Oktober 2021 gestarteten Synodalen Prozess auf Ebene der Weltkirche: auf die die Gemeinschaft konstituierenden Teile der Weltkirche - und wie die Kurie in Rom ihr in Demut zu dienen habe und sie in „die Lage versetzen (könne), uns zu begegnen und zuzuhören, Dialog zu führen und zu unterscheiden“ (Ebd.).

Gebe Gott zu Weihnachten 2021, dass der Synodale Weg der Kirche in Deutschland den Ausgangspunkt seines Weges nicht aus dem Blick verliert, wie ZDK auf seiner Vollversammlung am 20.11.21 anmahnte; dass man nicht weiter „am ‚Umgang mit den Verbrechen sexueller Gewalt in der Kirche ablesen kann: Die können und wollen das Kind gar nicht schützen‘ (Kölnische Rundschau 13.12.20).“ – wie bereits vor genau einem Jahr in diesem Blog zitiert.




Sonntag, 21. November 2021

"Es gibt systemische Ursachen, wir brauchen systemische Lösungen!“– oder: Warum der Synodale Weg „die Überprüfung seiner Beschlussvorlagen mit der Vereinbarkeit mit den Empfehlungen MHG-Studie“ vorsehen muss.

Als „Chef der Täterorganisation“ bekannte sich der derzeitige Apostolische Administrator Weihbischof Rolf Steinhäuser für das Erzbistum Köln in einem Bußgottesdienst am 18.11.21 im Kölner Dom. Nur zwei Tage später beschrieb der Münsteraner Historiker Thomas Großbölting auf der Herbstvollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in Berlin die systemischen Ursachen, wie die Katholische Kirche zur „Täterinstitution“ wurde. Das zusammen mit Klaus Große Kracht vorgestellte erste Resümee der Studie zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Münster bestätigt die bereits im Jahr 2018 ermittelten Ergebnisse der MHG-Studie.

Screenshot Live-Präsentation ZDK-Herbstvollversammlung am 20.11.21

"Insbesondere vier mögliche Risikofaktoren, die die in der Studie erfassten sexuellen Übergriffe begünstigt haben, werden in der Studie benannt: 1. Zölibat, 2. Sexualmoral / Haltung zu, Umgang mit Homosexualität, 3. Klerikalismus (Ausnutzung der Machtposition) sowie 4. unzureichende Voraussetzungen für emotionale und sexuelle  Persönlichkeitsentwicklung in der Priesterausbildung / fehlende bzw. unzureichende Begleitung der Geistlichen im Hinblick auf zölibatäres Leben" (Dörnemann/Leimgruber 2022, 16-17).

Es brauche nach Großböltings Ansicht keiner weiteren Studien, um dieses Ergebnis noch weiter in Frage zu stellen oder zu bekräftigen. Man müsse auch vor dem Erscheinen seiner zweibändig ausfallenden Forschungsstudie für das Bistum Münster anfangen die Konsequenzen daraus zu ziehen. Eine Buße jedenfalls, die die Augen vor den systemischen Ursachen des Missbrauchsskandals verschließen würde, wäre leer, da ohne ohne wirkliche Bußfertigkeit und wirkliche Umkehr. Und bevor die Ursachen nicht in den Blick kommen und angegangen werden, kann es auch keine ernst gemeinte Aufarbeitung geben, ja wird die "tief katholische Prägung" des Missbrauchsskandals fortgeschrieben, perpetuiert. Die juristische Aufarbeitung stelle nur ein „ethisches Minimum“ (Großbölting/Große Kracht, s. Screenshot oben), ja aus Sicht des ZDK- und Mitglieds des Deutschen Ethikrates Andreas Lob-Hüdepohl  „nicht einmal ein ethisches Minimum“ dar. Und der neu gewählte Vize-Präsident des ZDKs und Bochumer Neutestamentler Thomas Söding brachte es auf die Kurzformel:

 "Es gibt systemische Ursachen, wir brauchen systemische Lösungen!“ (ebd.)

Deshalb ist es so immens wichtig, ja für die katholische Kirche in Deutschland von geradezu existenzieller Bedeutung die systemischen Ursachen des Missbrauchsskandals in den Blick, ja in Angriff zu nehmen. Und von daher zielt der Beschluss der ZDK-Herbstvollversammlung, an der ich das erste Mal auch persönlich teilnehmen konnte, ins Zentrum des Synodalen Wegs der katholischen Kirche in Deutschland: dass „die Beschlüsse der Synodalversammlung auf Ihre Vereinbarkeit mit den Empfehlungen MHG-Studie zu prüfen“ sind.

"Das ZdK empfiehlt dem Erweiterten Synodalpräsidium darum, zusätzlich zu der obligatorischen Evaluationsphase (vgl. Satzung des Synodalen Wegs) über die Möglichkeit externer Expert*innen zu beraten, die beauftragt werden, die Beschlüsse der Synodalversammlung auf Ihre Vereinbarkeit mit den Empfehlungen MHG-Studie zu prüfen" (ebd.).

Eine Evaluation durch externe Fachexpertise würde ernst nehmen, was schon ein Autor der MHG-Studie im Jahr 2019 sagte:

"Die Täterorganisation kann keine Aufarbeitung machen. Das wissen wir als organisationssoziologischen Studien. Das müssen unabhängige Institute sein“ (Harald Dreßing im Interview mit Christiane Florin, Deutschlandfunk vom 1.7.2019).

Auf jeden Fall ist es mit Bußgottesdiensten - so sehr sie eine Umkehr zum Ausdruck bringen - allein nicht getan, wenn man nicht wider besseren Wissens auf Dauer „Chef der Täterorganisation“ auf bleiben will.



Sonntag, 17. Oktober 2021

Für eine synodale Kirche! Zum Start der ersten Phase des Synodalen Weges 2021 - 2023 in den Ortskirchen zur XVI. Bischofssynode 

Der dreijährige, als weltweiter Prozess über die Jahre 2021, 2022 und 2023 geplante synodale Weg zur XVI. Bischofssynode, der am vergangenen Wochenende (9./10. Oktober 2021) in Rom eröffnet wurde, startet ab dem heutigen Tag in den Ortskirchen rund um den Globus.

"Erneuerungs- und Reformprozesse in mehreren Ländern der Erde – so auch der Synodale Weg in Deutschland   haben deutlich gemacht, dass es einen gestiegenen Gesprächsbedarf zu Gegenwart und Zukunft der Kirche gibt, der keinen Aufschub mehr erlaubt." (Erzbistum Köln)

In einer ersten Etappe zwischen Oktober 2021 und März 2022 sollen Gläubige, aber auch Ausgetretene weltweit ihre Stimme in den Bistümern einbringen können, damit vor Ort das Bewusstsein für ihre Anliegen geschärft wird und ihre Fragen und Eingaben über die jeweiligen Bischofskonferenzen auch gebündelt nach Rom getragen werden. Dabei geht es im Grundsatz um die Einübung des als Zielvorgabe bereits vor sechs Jahren ausgerufenen Selbstverständnis der katholischen Kirche als einer synodalen Kirche und die damit verbundenen Fragen:

„Die grundlegende Fragestellung“…

"Eine synodale Kirche, die das Evangelium verkündet, „geht gemeinsam“: wie verwirklicht sich dieses „gemeinsame Gehen“ heute in Ihren Teilkirchen? Welche Schritte lädt der Geist uns ein, zu gehen, um in unserem „gemeinsam Gehen“ zu wachsen?" (Vorbereitungsdokument 26)

…in 10 Themenfeldern

„Um dabei zu helfen, dass Erfahrungen ans Licht kommen und um in reicherer Weise zur Konsultation beizutragen, werden […] zehn Themenfelder benannt, in denen verschiedene Facetten der 'gelebten Synodalität' zum Ausdruck kommen“, wobei diese „an die unterschiedlichen Kontexte vor Ort angepasst und nach und nach ergänzt, erklärt, vereinfacht und vertieft werden“ (Ebd., 30) müssen:

I. DIE WEGGEFÄHRTEN

"In der Kirche und in der Gesellschaft gehen wir Seite an Seite auf der gleichen Straße. Wer sind in Ihrer Teilkirche diejenigen, die „gemeinsam gehen“? Wenn gesagt wird „unsere Kirche” – wer gehört dazu? Wer bittet darum, gemeinsam zu gehen? Wer sind die Reisegefährten, auch außerhalb des kirchlichen Sprengels? Welche Personen oder Gruppen werden absichtlich oder tatsächlich außen vorgelassen?

II. ZUHÖREN

Das Zuhören ist der erste Schritt. Es erfordert aber, ohne Vorurteile, offenen Geistes und Herzens zu sein. Wem gegenüber hat Ihre Teilkirche eine „Bringschuld des Zuhörens“? Wie wird den Laien, besonders den Jugendlichen und den Frauen, zugehört? Wie wird der Beitrag der gottgeweihten Frauen und Männer integriert? Welchen Raum hat die Stimme der Minderheiten, der Ausgestoßenen und der Ausgeschlossenen? […]

III. DAS WORT ERGREIFEN

Alle sind eingeladen, mit Mut und Freimut [Parrhesie] zu sprechen, d.h. Freiheit, Wahrheit und Liebe zu integrieren. Wie wird innerhalb der Gemeinschaft und ihrer Organe ein freier und authentischer kommunikativer Stil gefördert, ohne Doppeldeutigkeit und Opportunismus? Wie sieht es im Hinblick auf die Gesellschaft aus, deren Teil wir sind? Wann und wie gelingt es, das zu sagen, was Ihnen am Herzen liegt? Wie funktioniert die Beziehung zu den Medien (nicht nur der katholischen)? […]

IV. FEIERN

Ein „gemeinsames Gehen” ist nur möglich, wenn es im gemeinsamen Hören auf das Wort Gottes und in der Feier der Eucharistie gründet. Auf welche Weise inspirieren und orientieren tatsächlich das Gebet und die Feier der Liturgie das „gemeinsame Gehen“? Wie wird die aktive Teilnahme aller Gläubigen an der Liturgie und am Heiligungsdienst gefördert? […]

V. MITVERANTWORTUNG IN DER SENDUNG

Die Synodalität steht im Dienst der Sendung der Kirche, an der teilzuhaben alle Glieder berufen sind. Alle sind missionarische Jünger. Auf welche Weise wird jeder Getaufte aufgerufen, Protagonist der Sendung zu sein? Wie unterstützt die Gemeinschaft die eigenen Mitglieder, die in einem Dienst in der Gesellschaft engagiert sind […]?

VI. IN DER KIRCHE UND IN DER GESELLSCHAFT DIALOG FÜHREN

Der Dialog ist ein Weg der Beständigkeit, der auch Schweigen und Leiden umfasst, aber in der Lage ist, die Erfahrungen der Menschen und der Völker aufzugreifen. Welches sind die Orte und die Modalitäten des Dialoges im Inneren unserer Teilkirche? Wie wird mit den unterschiedlichen Sichtweisen, mit Konflikten und Schwierigkeiten umgegangen? […]

VII. MIT DEN ANDEREN CHRISTLICHEN KONFESSIONEN

Der Dialog unter Christen verschiedener Konfessionen, vereint in der einen Taufe, hat im synodalen Weg einen besonderen Rang. Welche Beziehungen werden mit den Schwestern und Brüdern der anderen christlichen Konfessionen unterhalten? Welche Bereiche sind umfasst? Welche Früchte sind durch dieses „gemeinsame Gehen“ gereift? Welche Schwierigkeiten sind entstanden?

VIII. AUTORITÄT UND TEILNAHME

Eine synodale Kirche ist eine Kirche der Teilhabe und der Mitverantwortung. Wie werden die zu verfolgenden Ziele, die einzuschlagenden Wege und die zu erfolgenden Schritte festgelegt? Wie wird innerhalb unserer Teilkirche die Autorität ausgeübt? Wie sieht die Praxis der Teamarbeit und der Mitverantwortung aus? Wie werden die laikalen Dienste und die Übernahme von Verantwortung durch die Gläubigen gefördert? […]

IX. UNTERSCHEIDEN UND ENTSCHEIDEN

In einem synodalen Stil wird durch Unterscheidung auf der Basis eines Konsenses entschieden, der aus dem gemeinsamen Gehorsam gegenüber dem Geist hervorgeht. Durch welche Prozeduren und mit welchen Methoden wird unterschieden und wo werden Entscheidungen getroffen? Wie kann das verbessert werden? Wie wird die Teilnahme an Entscheidungen innerhalb hierarchisch strukturierter Gemeinschaften gefördert? […]

X. SICH IN DER SYNODALITÄT BILDEN

Die Spiritualität des „gemeinsamen Gehens“ ist dazu berufen, Bildungsprinzip der menschlichen und christlichen Person, der Familien und der Gemeinschaften, zu werden. Wie werden die Menschen ausgebildet, besonders diejenigen, die innerhalb der christlichen Gemeinschaft verantwortliche Stellen einnehmen, um sie zu befähigen, „gemeinsam zu gehen“, sich gegenseitig zuzuhören und miteinander in Dialog zu treten? […] (Ebd.)

Ziel der ersten Phase des weltkirchlichen synodalen Weges bis März 2022 ist es, „einen umfassenden Prozess der Konsultation zu fördern, um den Reichtum der gelebten Erfahrung von Synodalität in ihren verschiedenen Ausdrucksformen und Facetten zusammenzutragen.“ (Ebd., 31)

Eine Zusammenfassung, welche jede Teilkirche am Ende dieser ersten Phase als Ergebnissicherung zu synthetisieren hat, soll „maximal zehn Seiten“ umfassen und gleichwohl mehr sein als weitere „Dokumente zu produzieren“. Sie soll vielmehr Ausdruck des Zuhörens einer synodal verfassten Kirche sein und – wie schon zu Beginn der Jugendsynode am 6.10.2019 gesagt – dabei helfen:

Träume aufkeimen zu lassen, Prophetien und Visionen zu wecken, Hoffnungen erblühen zu lassen, Vertrauen zu wecken, Wunden zu verbinden, Beziehungen zu knüpfen, eine Morgenröte der Hoffnung aufleben zu lassen, voneinander zu lernen und eine positive Vorstellungswelt zu schaffen, die den Verstand erleuchtet, das Herz erwärmt, neue Kraft zum Anpacken gibt“. (Ebd.)

Samstag, 9. Oktober 2021

 „...bisogna fare una Chiesa diversa“ – Offizieller Start des Synodalen Wegs „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission“ der XI. Versammlung der Bischofssynode (2021-2023)

Mit einer Eröffnungsfeier in der vatikanischen Synodenaula hat heute bereits der am 10. Oktober 2021 mit einer Messe auf weltkirchlicher Ebene startende, zweijährige und mehrstufige Synodale Prozess der XI. Versammlung der Bischofssynode begonnen.

Screenshot Vaticanmedia 9.10.21

Nach einführenden Beiträgen des burkinischen Jesuiten Paul Béré und der spanischen Theologin Cristina Inogés Sanz zur Synodalität fokussiert Papst Franziskus die Zielsetzung des ebenfalls als „Synodaler Weg“ bezeichneten Prozesses, indem er die Schlüsselworte im Titel auf das Zweite Vatikanische Konzil zurückführt. Schon Papst Paul VI.  hatte „die vom Konzil verkündeten Hauptlinien in eben diesen beiden Worten – Gemeinschaft und Mission“  zusammengefasst. (vgl. Angelus,11. Oktober 1970). Drei Risiken auf dem Weg stellt er dabei drei Chancen gegenüber:

Wider die Risiken eines Formalismus, des Intellektualismus und der Immobilität

Wider einen rein äußerlichen Formalismus geht es Franziskus bei dem nun ansetzenden Synodalen Prozess um einen „Weg echter geistlicher Unterscheidung“. Dabei schade ein Intellektualismus, „die Synode zu einer Art Studiengruppe werden zu lassen […] und sich dabei von der Wirklichkeit […] zu lösen“ und insbesondere die "Versuchung der Immobilität" (Vatican News, 9.10.21):

"Da »es immer so gemacht wurde« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 33), dieses Wort ist Gift für das Leben der Kirche, wenn man sagt: „Das wurde schon immer so gemacht“, und man ändert besser nichts. Wer sich in diesem Horizont bewegt, gerät, auch ohne es zu bemerken, in den Irrtum, die Zeit nicht ernst zu nehmen, in der wir leben. Das Risiko besteht, dass am Ende alte Lösungen für neue Probleme angewendet werden: ein Zusammenflicken mit neuem Stoff, woraus am Ende ein noch schlimmerer Riss entsteht (vgl. Mt 9,16). Daher ist es wichtig, dass der Synodale Weg wirklich ein solcher ist, dass er ein Prozess im Entstehen ist; er möge von unten ausgehen und in verschiedenen Phasen die Ortskirchen in eine leidenschaftliche und konkrete Arbeit einbeziehen, die einen Stil der Gemeinschaft und der Partizipation prägt, der auf die Mission ausgerichtet ist." (Ebd.)


...und mit den Chancen der Offenheit, des Zuhörens und der Nähe

Mit der Vision eines "offenen Ortes", wo sich alle zu Hause fühlen und teilhaben können, beschreibt Papst Franziskus eine von drei Chancen der nächsten drei Jahre. Die Synode biete „die Chance, eine hörende Kirche zu werden […]:  Schließlich haben wir die Chance, eine Kirche der Nähe zu werden […]: eine Kirche, die sich nicht vom Leben trennt, sondern sich der Zerbrechlichkeit und Armut unserer Zeit annimmt, um die Wunden zu behandeln und die niedergeschlagenen Herzen mit dem Balsam Gottes wiederherzustellen. Vergessen wir nicht, wie Gott uns hilft: mit Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit.“ (Ebd.)

...hin zu einer Kirche, die divers ist.

Das Zukunftsbild einer synodalen Kirche beschreibt Papst Franziskus mit den als „heilige Erinnerung“ bezeichneten Worten französischen Konzilstheologen Yves Congar, OP:

«Non bisogna fare un’altra Chiesa, bisogna fare una Chiesa diversa» (Vraie et fausse réforme dans l'Eglise, Milan, 1994, 1939).

«Il ne faut pas construire une autre Église, il faut construire une Église différente» (Vraie et fausse réforme dans l'Eglise, Milan, 1994, 1939). 

»Man muss nicht eine andere Kirche machen, man muss eine Kirche machen, die verschieden ist« (Ebd.)

Diese "heilige Erinnerung" an den Wert der Unterschiedenheit, Vielfältigkeit und Diversität, eine "Chiesa diversa", ist für Papst Franziskus „die Herausforderung“ (Ebd.)

"Rufen wir inständiger und häufiger den Geist um eine Kirche an, »die verschieden ist«, die für die Neuheit offen ist, die Gott ihr eingeben will, und hören wir ihm demütig zu, gehen wir zusammen folgsam und mutig, wie er, der Schöpfer der Gemeinschaft und der Mission, es wünscht.“ (Ebd.)

Zu hören ist dabei – das macht der Erzbischof von Luxemburg und Generalrelator der Bischofssynode Kardinal Jean-Claude Hollerich im Anschluss an Papst Franziskus deutlich – ebenso auf diejenigen, die nicht oder nicht mehr Teil der Kirche sind, um auch von Ihnen zu lernen, wie sich Kirche auf Zukunft hin ausrichten muss.


Papst Franziskus schließt zum weltkirchlichen synodalen Auftakt mit einer ebenso hoffnungsvollen wie – angesichts der benannten Risiken - auch besorgten Anrufung des Heiligen Geistes:

"Bewahre uns davor, eine museale Kirche zu werden, die schön, aber stumm ist, die viel Vergangenheit, aber wenig Zukunft besitzt. Komm unter uns, auf dass wir uns in der synodalen Erfahrung nicht von Ernüchterung überwältigen lassen, die Prophetie nicht verwässern, nicht darin enden, alles auf unfruchtbare Diskussionen zu reduzieren. Komm, Geist der Liebe, öffne unsere Herzen für das Hören." (Ebd.)

 

Samstag, 2. Oktober 2021

Der Weg entgeht beim Stehen und der Weg entsteht beim Gehen: Zur 2. Synodalversammlung von #SynodalerWeg

Screenshot Synodalversammlung 2
Als große „Täuschung“ wurde der Synodale Weg in der Zeit der Vorbereitung der Zweiten Synodalversammlung von Seiten des Bonner Kirchenrechtlers Norbert Lüdecke bezeichnet.

Er sei nur "betreutes Diskutieren" ohne Konsequenzen. […] Es würde Spielraum vorgetäuscht, wo keiner sei“. (Katholisch.de vom 28.7.2021)

Im Erleben der Synodalversammlung (30.09.-2.10.21 im Congress Center der Messe Frankfurt) und der diese spiegelnden Presseresonanzen erweist sich der suggestive Buchtitel anderthalb Jahre nach der 1. Synodalversammlung seinerseits als „Täuschung der Gläubigen“, wenn ein „Paradigmenwechsel“ im Handlungstext „Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ des Synodalforums IV festgestellt wird.

"Ich möchte dem Forum gratulieren, sagte der Vorsitzende des Bundes Katholischer Unternehmer, Ulrich Hemel, bei der Debatte über den Grundlagentext zur Sexualmoral. 'Ich empfinde das, was wir hier heute machen als eine Sternstunde unserer Kirche hier in Deutschland.'" (Katholisch.de vom 1.10.2021)

„Leider entgeht oft der Weg beim Stehen“, sagte Kai Moritz aus einer Betroffenenperspektive sexuellen Missbrauchs am zweiten Tag der Synodalversammlung und kritisierte mit diesem Bonmot die weiterhin in vielen Diözesen wahrnehmbare Nichtbefassung mit den Reformanliegen des Synodalen Weges, die zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Mittelpunkt aller vier Synodalforen stehen. Und dass „der Weg beim Gehen entsteht“ ist ein Eindruck, der bei den meisten Synodalen bei der 1. Lesung von drei Grundlagentexten aus drei Foren und zahlreicher Handlungstexte aus zwei Foren spürbar wird. Erfahrbar wird dies in der Ablehnung der vor einem Monat publizierten Alternativtexte und insbesondere auch in der engagierten Befassung mit dem Grundlagentext des Forums I Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag.

Das „Grundsatzpapier favorisiert eine neue Ordnung der Machtstrukturen. Beispiele sind Gewaltenteilung auf allen Ebenen, mehr Mitsprache der Basis bei der Berufung von Amtsträgern und eine Zulassung von Frauen zu Weiheämtern.“ (Domradio, 1.10.2021)

Die Annahme der Ausrichtung der Grundlagentexte I und IV mit über Zweidrittelmehrheit erfolgt im Blick auf das vergleichsweise kurze Grundsatzpapier „Priesterliche Existenz heute“ des Synodalforums II mit der Auflage der eingehenden Überarbeitung. Die diesem Votum und einigen anderen umfänglicher diskutierten Handlungstexten – etwa zur Thematik Synodalität nachhaltiger stärken – vorausgehende inhaltliche Auseinandersetzung ist zugleich auch der Grund, eine Streckung des Synodalen Wegs mit insgesamt fünf Synodalversammlungen ins Auge zu fassen. Der Vorsitzende bringt es am Morgen des dritten Synodentages ins Wort:

"Wir haben gemerkt, dass es mehr Zeit und Möglichkeit geben muss, über die Änderungsvorschläge zu diskutieren und zu beraten."

Es bedeutet zugleich: „Der Reformdialog der katholischen Kirche Deutschlands wird voraussichtlich verlängert. Das Präsidium des Synodalen Wegs schlägt den 212 Teilnehmenden am Samstag auf der Vollversammlung in Frankfurt vor, eine zusätzliche fünfte Versammlung Anfang 2023 anzusetzen.“ (Domradio, 2.10.21)

Dass am Ende der Synodalversammlung die Anzahl der anwesenden stimmberechtigten Personen ausschlaggebend dafür ist, die Sitzung am Samstagnachmittag um eine Stunde zu verkürzen, und damit einen zusätzlichen Grund für die Streckung des Synodenweges gibt, macht diesen Vorschlag schon beinahe unausweichlich.

Die gute Botschaft aus Frankfurt aber ist: Der Synodale Weg geht weiter. Der Weg entsteht beim Gehen, aber er entgeht beim Stehen.

Reformdialog "Synodaler Weg" - 
Was muss sich in der katholischen Kirche ändern? - 
Video vom 2.10.21 von Sebastian Kister, HR.


Dienstag, 7. September 2021

Rückenwind aus Rom – oder: ein Meilenstein für den Synodalen Weg auf orts- und weltkirchlicher Ebene

Screenshot Vatican News vom 7.9.21

Das Fortschreiten des Synodalen Weges – mit Rückenwind aus Rom durch die Veröffentlichung zweier Vorbereitungsdokumente für die im Oktober beginnende zweijährige Weltsynode – kann nur überraschen, wer die Ankündigung des Synodalen Prozesses auf Ebene der Weltkirche nicht ernst genommen hat. Ausdrückliche Würdigung erfahren im heute von Seiten des Sekretariates der Bischofssynode vorgestellten Schreibens "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung" auch die verschiedenen synodalen Prozesse und Wege auf ortskirchlicher Ebene, wie z.B. in Lateinamerika, Irland, Australien und der deutschen Ortkirche. 

Lob aus Rom

Für den Synodalen Weg des gemeinsam von Deutscher Bischofskonferenz und ZDK getragenen Synodalen Wegs kommt dieses Lob aus Rom gerade zur rechten Zeit: Nicht nur, dass neben der 2. Synodalversammlung auch die Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe Ende September vor der Tür steht, auch wegen eines – mir als Berater eines Forums etwas erratisch anmutenden (weil ja alle Argumente eingebracht werden konnten und, so nicht selbstwidersprüchlich, auch in den Grundtexten von drei Foren aufgenommen und in ihnen mit über Zweidrittelmehrheit abgestimmt wurden) – Versuchs eine Plattform „Synodaler Beiträge“ am Synodalen Weg vorbei zu platzieren. Dabei ist ein auf orts- und weltkirchlicher Ebene abgestimmter Synodaler Weg unter größtmöglicher Beteiligung aller die Richtung eines Aggiornamento, in der sich die Kirche synodal erneuern will:

"Mit dem weltweiten Prozess will der Papst die katholische Kirche synodaler machen: Einzelne, Gruppen und Verantwortliche sollen stärker aufeinander hören und mehr Menschen beteiligt werden." (katholisch.de vom 7.9.2021)

Meilenstein auf dem Synodalen Weg

Das vatikanische Vorbereitungsdokument zur Weltbischofssynode sei ein "Meilenstein auf dem Synodalen Weg: weltweit und für die Kirche in Deutschland" heißt es deshalb unisono von Seiten der Präsidenten des Synodalen Wegs Bischof Georg Bätzing und Thomas Sternberg:

"Dass aus dem Vatikan heraus formuliert wird, Synodalität stelle für die Kirche einen Königsweg dar, gibt mir Hoffnung, dass wirklich auf den Glaubenssinn des Volkes Gottes gehört wird." (ZDK.de vom 7.9.21)
©DBK.de

Ein ermutigender Rückenwind aus Rom für die 2. Synodalversammlung, die vom 30.09. bis 2.10.21 in Frankfurt stattfindet, und eine deutliche Richtungsansage des weltweiten Synodalen Wegs, der vom 9. bis 10.10 2021 feierlich in Rom bzw. am 17. Oktober in jeder Teilkirche noch einmal gesondert eröffneten Synodalen Wegs auf weltkirchlicher Ebene.


Freitag, 4. Juni 2021

An einem „toten Punkt“ der Kirche: das Rücktrittsgesuch von Kardinal Reinhard Marx – oder: "Ein Wendepunkt aus dieser Krise kann aus meiner Sicht nur ein 'synodaler Weg' sein".*

(Tagesschau24 vom 4.6.2021)

Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München und Freising, in einer persönlichen Erklärung zum Brief vom 21. Mai 2021 an Papst Franziskus:

"Ich habe am 21. Mai 2021 den Heiligen Vater gebeten, meinen Verzicht auf das Amt des Erzbischofs von München und Freising anzunehmen, und meine weitere Verwendung in seine Entscheidung gegeben. Der Papst hat mir nun mitgeteilt, dass dieser Brief veröffentlicht werden kann, und dass ich meinen bischöflichen Dienst bis zu seiner Entscheidung weiterhin ausüben soll.

In den letzten Monaten habe ich immer wieder über einen Amtsverzicht nachgedacht, mich geprüft und versucht, im Gebet und im geistlichen Gespräch durch „Unterscheidung der Geister“ eine richtige Entscheidung zu treffen. Ereignisse und Diskussionen der letzten Wochen spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle.

In den letzten Jahren wurden mir wiederholt Fragen gestellt, die mich seitdem begleiten und mich immer wieder neu herausfordern. Ein amerikanischer Reporter fragte mich in einem Gespräch über die Missbrauchskrise in der Kirche und die Ereignisse des Jahres 2010: „Eminence, did this change your faith?“ Und ich antwortete: „Yes!“ Im Nachgang wurde mir deutlicher, was ich gesagt hatte. Diese Krise berührt nicht nur das Feld einer notwendigen Verbesserung der Administration – das auch -, es geht mehr noch um die Frage nach einer erneuerten Gestalt der Kirche und einer neuen Weise, heute den Glauben zu leben und zu  verkünden. Und ich fragte mich: Was bedeutet das für dich persönlich?

Die von der MHG-Studie und dann in der Vereinbarung der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) angeregten und geforderten Aufarbeitungsprozesse sind ja in verschiedenen Bistümern auf dem Weg. Untersuchungen der Akten und Nachforschungen über mögliche konkrete Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit, einschließlich der Frage nach den jeweiligen Verantwortlichkeiten, sind unverzichtbare Bausteine der Aufarbeitung, aber sie umfassen nicht das gesamte Feld einer umfassenderen Erneuerung. Durchgängig haben die bisher vorliegenden Untersuchungen und Gutachten deutlich gemacht, dass es auch um „systemische“ Ursachen und strukturelle Gefährdungen geht, die angegangen werden müssen. Beides muss zusammen gesehen werden. Deshalb habe ich mich sehr eingesetzt für das Projekt des Synodalen Weges, der die von der MHG-Studie und anderen identifizierten Punkte aufgreift und theologisch vertieft. Dieser Weg muss weitergehen! 

Die andere Frage wurde mir unter anderem in der Pressekonferenz der Deutsche Bischofskonferenz nach der Vorstellung der MHG-Studie im September 2018 gestellt: ob angesichts der Präsentation der Studie einer der Bischöfe Verantwortung übernommen und seinen Rücktritt angeboten habe. Diese Frage habe ich mit „Nein“ beantwortet. Und auch hier habe ich im Nachgang immer stärker gespürt, dass diese Frage nicht einfach beiseitegeschoben werden kann.

Aber die oben erwähnten Fragen bleiben. Ich bin 42 Jahre Priester und fast 25 Jahre Bischof, davon fast 20 Jahre Ordinarius eines jeweils großen Bistums, und natürlich werde ich mich möglichen Fehlern und Versäumnissen in einzelnen konkret zu prüfenden Fällen auch meiner Amtszeiten stellen, die dann entsprechend angeschaut und nach objektiven Kriterien bewertet werden müssen. Es kann aber – so denke ich – nicht ausreichen, die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme zu beschränken auf aus den Überprüfungen der Aktenlage hervorgehende vor allem kirchenrechtliche und administrative Fehler und Versäumnisse. Ich trage doch als Bischof eine „institutionelle Verantwortung“ für das Handeln der Kirche insgesamt, auch für ihre institutionellen Probleme und ihr Versagen in der Vergangenheit. Und habe ich nicht auch durch mein Verhalten negative Formen des Klerikalismus und die falsche Sorge um den Ruf der Institution Kirche mit befördert? Vor allem aber: Ist der Blick auf die Betroffenen sexuellen Missbrauchs wirklich immer zentrales Leitmotiv gewesen? Erst seit 2002, und konsequenter seit 2010, haben wir diese Orientierung wirklich übernommen, und es ist auch viel in Gang gekommen, aber wir sind dabei noch lange nicht am Ziel. In diesem Zusammenhang ist auch die Gründung der Stiftung „Spes et Salus“ zu sehen, die dazu beitragen soll, die Anliegen und Bedürfnisse von Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen.

Mit Sorge sehe ich, dass sich in den letzten Monaten eine Tendenz bemerkbar macht, die systemischen Ursachen und Gefährdungen, oder sagen wir ruhig die grundsätzlichen theologischen Fragen, auszuklammern und die Aufarbeitung auf eine Verbesserung der Verwaltung zu reduzieren.

(Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender Deutschen Bischofskonferenz, warnt in den Tagesthemen am 4.6.21:«Alle, die denken, dass die Kirche aus dieser massiven Krise herauskommen könnte durch ein paar Schönheitsreparaturen äußerlicher Art, juridischer Art, verwaltungsmäßig, die täuschen sich. Wir haben solches Systemversagen wahrgenommen. Darauf kann es nur systemische Antworten geben, die fundamental sind. Diese Botschaft sendet Kardinal Marx heute sehr deutlich aus. Die stärken uns im begonnenen Synodalen Weg, denn genau diese Arbeit vollzieht sich dort.»)  

Die Bitte um Annahme des Amtsverzichtes ist eine ganz persönliche Entscheidung. Ich möchte damit deutlich machen: Ich bin bereit, persönlich Verantwortung zu tragen, nicht nur für eigene mögliche Fehler, sondern für die Institution Kirche, die ich seit Jahrzehnten mitgestalte und mitpräge. Neulich wurde gesagt: „Aufarbeitung muss wehtun.“ Mir fällt dieser Schritt nicht leicht. Ich bin gerne Priester und Bischof und hoffe, auch in Zukunft für die Kirche arbeiten zu können. Mein Dienst für diese Kirche und die Menschen endet nicht. Aber um eines notwendigen Neuanfangs willen möchte ich Mitverantwortung für die Vergangenheit übernehmen. Ich glaube, dass der „tote Punkt“, an dem wir uns im Augenblick befinden, zum „Wendepunkt“ werden kann. Das ist meine österliche Hoffnung und dafür werde ich weiter beten und arbeiten."

(Quelle: Erzbistum München-Freising) 


Zitat aus dem Brief vom 21. Mai 2021 an Papst Franziskus

Aktualisierung am 10.6.2021 mit dem Schreiben des Papstes vom 10.6.2021 über die Ablehnung des Rücktrittgesuchs und einer ersten Stellungnahme von Kardinal Marx, in der er diese auf auf die "Erneuerung der Kirche" bezieht:
(Screenshot: ZDF vom 10.6.2021)

                                                 


Freitag, 21. Mai 2021

Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission: Dreijähriger Synodaler Weg zur XVI. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode in den Jahren 2021, 2022 und 2023

Beginn eines kirchlichen Abenteuers

„Der Vatikan hat zur Vorbereitung der nun für 2023 geplanten Bischofssynode einen weltweiten synodalen Prozess geplant. […] Die ganze Kirche werde im kommenden Oktober einen "synodalen Weg" beschreiten […]. Aus einem am Morgen bekannt gewordenen Schreiben des Generalsekretärs der Bischofssynode, Kardinal Mario Grech, an die Bischöfe, geht hervor, dass bereits im Oktober dieses Jahres die Beratungen in Rom und in den Ortskirchen beginnen sollen. Sie sollen der Kirche dabei helfen, "durch eine greifbare Erfahrung der Synodalität" zusammenzuwachsen, hieß es darin. Der synodale Prozess werde ein "kirchliches Abenteuer" werden“. (Vaticannews 21.5.2021)

 

Drei Phasen Synodaler Prozess: Beteiligung aller Getaufter

„Der Prozess besteht aus drei Phasen: Einer diözesanen, einer kontinentalen und einer weltkirchlichen. […] Am 9. und 10. Oktober fällt der Startschuss in Rom, am 17. Oktober folgt die Eröffnung in den Ortskirchen. Von Oktober 2021 bis April 2022 sollen auf der Grundlage von Dokumenten, Fragebögen und Handreichungen aus dem Vatikan Anhörungen in den Diözesen abgehalten werden. […] "Das Ziel dieser Phase des Prozesses ist es, das Volk Gottes zu beteiligen. Der synodale Prozess geschieht, indem allen Getauften, die Träger des Glaubenssinns der Gläubigen sind, zugehört wird", so Grech. Nach dem diözesanen Prozess sollen die Bischofskonferenzen die Ergebnisse beraten und ihre Ergebnisse zwischen September 2022 und März 2023 in kontinentalen Bischofstreffen beraten, auf deren Grundlage die Arbeitsdokumente der Synode entstehen. Wie bereits zuvor angekündigt, tagt dann im Oktober 2023 die Bischofssynode in einer einmonatigen Sitzungsperiode." (Vaticannews 21.5.2021)

 

Zwei Synodale Wege – ein Ziel

„Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, sieht den angekündigten weltweiten synodalen Prozess und den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland als "zwei verschiedene Wege, die ein gemeinsames Ziel haben". In einer ersten Reaktion […] kündigte Bätzing an, dass die Erfahrungen des Synodalen Wegs auch in den weltkirchlichen Prozess eingebracht werden. […] "Wie nie zuvor wird das Volk Gottes in die Vorbereitung und den Weg der Weltbischofssynode einbezogen. Diese neue Form von Synodalität wird, so hoffe ich, einen starken Impuls und dynamische Kräfte freisetzen, um dem Thema der Synode, 'Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission', gerecht zu werden".“ (Katholisch.de 21.5.2021)



Sonntag, 16. Mai 2021

"Kommt und seht!" (Joh 1,39) oder: Die Verwirklichung vieler Wunder und Gnaden Gottes hängt von dem Vertrauen ab, mit denen sie erwartet und erbetet werden.

 (Link zur Predigt / zum Gottesdienst: https://ogy.de/Oekt )

"Gott hat viele seiner Verheißungen an das Vertrauen gebunden, das Menschen ihm entgegenbringen.  
Die Verwirklichung vieler Wunder und Gnaden Gottes hängt von dem Vertrauen ab, mit denen sie erwartet und erbetet werden.  
Man muss sich auf jeden Fall in die Verfassung bringen, dass die Dinge nicht daran scheitern, dass wir sie Gott nicht zugetraut haben." (Alfred Delp)

Beginn und Ende einer programmatischen Predigt beim 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt von Stadtdekan Dr. Johannes von und zu Eltz, Frankfurt.







Samstag, 8. Mai 2021

Wie die #Liebegewinnt – oder: #SynodalerWeg und Kurienreform als letzte Chancen 

Schon vor zwei Jahren habe ich ähnlich geschrieben, wie ich es auch heute noch einmal schreibe: Dass das erstmals schon kurz nach der Jugendsynode unter dem Namen Praedicate evangelium bekannt gewordene Dokument zur Kurienreform nun endlich zum Fest der Heiligen Peter und Paul am 29. Juni diesen Jahres in Kraft gesetzt werden sollte. Wie zuletzt am 3. Januar 2021 in diesem Blog wiederholt, wird die neue Konstitution Praedicate evangelium die derzeit geltende und in vielfacher Weise in die Jahre gekommene Kirchenverfassung Pastor Bonus von 1988 ablösen.  

"Sie wird nach den bisherigen Ankündigungen den subsidiären Auftrag der Kurie in Rom, aber darüber auch die Anteilnahme der Teilkirchen an der Lehrautorität der Kirche herausarbeiten." (4.11.2018)

Es geht dabei auch darum, Papst Franziskus in seinem Reformanliegen der Synodalität zu stärken, das – wie zuletzt im ebenso ansatzlosen wie erratischen Responsum ad dubium vom 15.3.2021 geschehen – von Kongregationen ohne Approbation des Papstes auf den letzten Metern unterlaufen wird: Eben weil Ortskirchen – wie in Deutschland nach der „Zäsur“ des Missbrauchsskandals – Reformanliegen aufgreifen und synodal beraten und gerade diese Synodalität in der Lehrentwicklung im Zentrum des Denkens und Handelns von Papst Franziskus steht. Aber nicht nur die Synodalität  Thema der Weltbischofssynode 2022  wird diskreditiert, sondern auch der Papst als Person beschämt und – wohl bewusst in Kauf genommen oder beabsichtigt - in seiner Amtsführung ebenso massiv beschädigt. Wie er gegenüber Vertrauten über den Vorgang als "sehr verletzt" wahrgenommen wurde, bestätigt ebenfalls, dass das Reformprojekt der Kurienreform jetzt auch wirklich drängt. Und es ist dabei noch immer – oder noch einmal mehr  genau so, wie es Kardinal Oswald Gracias, Mitglied des K7-Kardinalsrats, Ende Oktober 2018 sagte.

"Ohne auf Details einzugehen deutete Kardinal Gracias als Stoßrichtung der Reform einen Dienst an den Ortskirchen, also der Kirche in den einzelnen Ländern, an. 'Die Anfangsidee war es, den Ortskirchen zu helfen, indem wir dem Heiligen Vater helfen', so Gracias. 'Jetzt ist die Idee, dem Heiligen Vater zu helfen, indem die Ortskirchen unterstützt werden.' Das sei 'eine entscheidende Änderung', so der Erzbischof von Mumbai (Bombay) und Vorsitzende der Indischen Bischofskonferenz.“ (KNA vom 31.10.2018)

Letztgültig ist dies auch der Plot im Hintergrund, warum der Vorsitzende der Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing auf den Synodalen Weg verweist, wenn er auf die besagte römische Note der Glaubenskongregation zu sprechen kommt. Denn im Forum „Liebe leben in gelingenden Beziehungen“, das erstmals im September dieses Jahres erste Ergebnisse der dann anderthalbjährigen Beratungen vorlegen wird, geht es genau auch um die Themen der Würdigung unterschiedlicher sexueller Orientierungen und die Möglichkeit von Segensfeiern. Und aus demselben Grund verweist er in Bezug auf die vielen rund um den 10. Mai veranstalteten Segnungsgottesdienste für Liebende auf denselben Zusammenhang, da die synodalen Beratungsthemen ja nur als synodal abgestimmte Vorschläge Chancen haben, in der Weltkirche eingebracht zu werden.

Aber nicht nur die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, dessen Tiefpunkte – wie derzeit gerade die Kölner Ortskirche zeigt – wohl immer noch nicht erreicht sind, sondern auch der Synodale Weg wie die Kurienreform, wegen der Papst Franziskus in sein Amt gewählt wurde, sind je für sich eine ‚Letzte Chance‘. Aber dessen sind sich die Befürworter wie Gegner des Synodalen Wegs wie der Kurienreform gleichermaßen bewusst. Der K7-Kardinalsrat beriet am 6.5.2021 kirchenrechtlich-praktische Konsequenzen, die letztlich auch die kurialen Kongregationen synodal einbinden werden. Kurz vor dem 29. Juni trifft er sich wieder. Es geht um's Ganze!

Alles in der sicheren Hoffnung, dass die #Liebegewinnt! 



Donnerstag, 8. April 2021

5 Jahre Amoris laetitia – Erinnerung an meine AL-Lieblingsstelle

 

Meine Erinnerungen anlässlich „5 Jahre Amoris laetitia“ hatte ich bereits auf Fragen für ein Interview gegeben, das am 19.3.2021 – dem Jahrestag der Unterzeichnung durch Papst Franziskus - in diesem Blog und tags zuvor in der Bistumspresse.de veröffentlicht wurde. Dass ich noch gerne danach gefragt worden wäre, welche Ziffer des Schreibens für mich die wichtigste sei, dachte ich danach mehrfach. Dass gerade heute auf den Tag vor 5 Jahren das Schreiben veröffentlicht wurde – ich muss gestehen, dass ein Beitrag auf katholisch.de mir dies erst in den frühen Morgenstunden wieder ins Bewusstsein rief – lässt mich noch einmal die Gefühle erleben, die ich damals hatte…. und auch meine Ziffer zitieren.

Etwas früher als vor der Pressefreigabe um 12:00 Uhr las ich das Dokument bereits am Vormittag quer und begann damit, in der Suchfunktion das Wort „Freundschaft“ einzutragen. 19 Treffer werden angezeigt; aber entscheidend: Freundschaft in Bezug auf Ehe davon allein 14 Mal. Wahrscheinlich werde ich nach wie vor einer der wenigen Theolog*innen sein, der sich darüber freut – damals kamen mir Freudentränen , hatte ich selbst so viel rund um die Freundschaftskategorie selbst geschrieben – in diesem Blog etwa am 14.2.2015 (manchmal erschien es mir, ich schreibe ihn nur deshalb) – in den Synodensprachen übersetzt, via Twitter unter den Hashtags in die Welt gesendet... Und so war es natürlich auch „mein Thema“ im Blog-Eintrag vom 8.4.2016. In AL 123 – derselben Ziffer 123, in der auch in der Summa contra gentiles von Thomas von Aquin das auf Aristoteles zurückgehende Zitat steht – wird die Ehe als „größte Freundschaft“ bezeichnet und in der Folge als „besondere Freundschaft“ (AL 125) charakterisiert. 

"Nach der Liebe, die uns mit Gott vereint, ist die eheliche Liebe die » größte Freundschaft «. [Thomas von Aquin, Summa contra Gentiles, III, 123; vgl. ARISTOTELES, Nikomachische Ethik, 8,12 (ed. Bywater, Oxford 1984, S. 174)] Es ist eine Vereinigung, die alle Merkmale einer guten Freundschaft hat: Streben nach dem Wohl des anderen, Gegenseitigkeit, Vertrautheit, Zärtlichkeit, Festigkeit und eine Ähnlichkeit zwischen den Freunden, die sich im Laufe des miteinander geteilten Lebens aufbaut. Doch die Ehe fügt alldem eine unauflösliche Ausschließlichkeit hinzu, die sich in der festen Absicht ausdrückt, das gesamte Leben miteinander zu teilen und aufzubauen.“ (AL 123)

 

Mit der Wertschätzung der Ehe als einer besonderen Form der Freundschaft (vgl. AL 120, 123, 125, 126, 127, 133, 142, 156, 267) „erfährt die Ehetheologie der katholischen Kirche eine Weiterentwicklung in mehrfacher Hinsicht. Auf diese Weise wird zugleich eine integrale Sicht auf unterschiedliche Formen verschiedener Partnerschaften in einer graduellen Perspektive möglich. Denn neben der besonderen Art Freundschaft ehelicher Liebe vermag es der Freundschaftsgedanke, auch einen wertschätzenden Blick auf weitere eheähnliche Partnerschafts- und neue Familienformen zu ermöglichen, die in der gewählten Perspektive der Analogie der Liebe nun auch wahrnehmbar werden. Mit dem Neuverständnis der Ehe als eine „besondere Form der Freundschaft“ (AL 207) wird die Ehepartnerschaft zugleich als spezifische Ausformung in einem Kontinuum von Freundschafts- und Partnerschaftsbeziehungen gesehen wie hervorgehoben.“ (Dörnemann 2017, 196)

 

Und dieser Blick ermöglicht in neuer Weise eine "Gradualität in der Seelsorge" (AL 293):

"Der Blick Christi, dessen Licht jeden Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9; Gaudium et spes, 22), leitet die Pastoral der Kirche gegenüber jenen Gläubigen, die einfach so zusammenleben oder nur zivil verheiratet oder geschieden und wieder verheiratet sind. In der Perspektive der göttlichen Pädagogik wendet sich die Kirche liebevoll denen zu, die auf unvollkommene Weise an ihrem Leben teilhaben: […] Wenn eine Verbindung durch ein öffentliches Band offenkundig Stabilität erlangt – und von tiefer Zuneigung, Verantwortung gegenüber den Kindern, von der Fähigkeit, Prüfungen zu bestehen, geprägt ist –, kann dies als Chance gesehen werden, sie zum Ehesakrament zu begleiten, wo dies möglich ist." (AL 78)

Vielleicht bietet ja das Aktionsjahr zu Amoris laetitia, das in das Weltfamilientreffen im Jahr 2022 münden wird, Gelegenheit über die Freundschafts-Kategorie die „Pädagogik der Liebe“ (AL 211) breiter ins Bewusstsein zu heben. Auf dass  AL 123 bekannter und theologisch rezipiert werde!