Sonntag, 16. Juni 2024

"Bekehrung des Papsttums" und "Synodalität" - oder: "Die Menschen müssen sehen können, dass sich das Handeln der Kirche vor Ort verändert."

Die drei in der vergangenen Woche herausragenden Nachrichten aus katholischer (und deutscher) Perspektive waren die Veröffentlichung eines theologischen Konsens- und Reformpapiers für ein Neuverständnis des päpstlichen Primats, die Teilnahme und der Beitrag des Papstes beim G7-Gipfel der führenden Regierungschefs der Welt und die Fortsetzung des Synodalen Wegs mit der zweiten Zusammenkunft des Synodalen Ausschusses an diesem Wochenende. Alle drei Themen führen zurück auf eine – in diesem Blog wohl meistzitierte – Rede Papst Franziskus‘ vom 17. Oktober 2015 bei der abgekürzt als Familiensynode bekannten XIV. Generalversammlung der Bischofssynode, die auf alle Aspekte zu sprechen kommt. 

ogy.de/Synod24

Bereits bei dieser Rede im Rahmen eines Festakts aus Anlass von 50 Jahren Bischofssynode reflektierte Papst Franziskus mit Eigenzitaten aus seinem ersten Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium auf ein Neuverständnis des Papsttums (EG 32), das er nun in noch deutlicheren Worten als „Bekehrung des Papsttums“ bezeichnet. Die auch im jetzt neu vorgelegten Konsenspapier „Der Bischof von Rom“ des Dikasteriums für die Einheit der Christen an zentraler Stelle aufgenommenen Zitate aus der Ökumene-Enzyklika Johannes Pauls II. finden sich bereits auch hier:

„Als Bischof von Rom weiß ich sehr wohl, und habe das in der vorliegenden Enzyklika erneut bestätigt, dass die volle und sichtbare Gemeinschaft aller Gemeinschaften, in denen kraft der Treue Gottes sein Geist wohnt, der brennende Wunsch Christi ist. Ich bin überzeugt, diesbezüglich eine besondere Verantwortung zu haben, vor allem wenn ich die ökumenische Sehnsucht der meisten christlichen Gemeinschaften feststelle und die an mich gerichtete Bitte vernehme, eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet“ (Ut unum sint 95).

Und im direkten Anschluss der Rede findet sich die Ausweitung der sozialethischen Verantwortung des Papstamtes für die gesamte Menschheit ausgedrückt, mit welcher auch die Teilnahme von Papst Franziskus beim G7-Gipfel und sein Beitrag zu den Chancen und Gefahren künstlicher Intelligenz einzuordnen ist.

„Unser Blick weitet sich auch auf die ganze Menschheit. (…) Als Kirche, die gemeinsam mit den Menschen unterwegs ist, die an den Mühen der Geschichte Anteil hat, pflegen wir den Traum dass die Wiederentdeckung der unverletzlichen Würde der Völker und der Dienstcharakter der Autorität auch den Gesellschaften helfen kann, um sich auf Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit zu stützen, um eine bessere und würdigere Welt für die Menschheit zu bauen und für die Generationen, die nach uns kommen (EG 186-192, Laudato Si’ 156-162).

Verbunden ist dieses neue Selbstverständnis des Papsttums mit einem diesem zugrundeliegenden synodalen Verständnis der Kirche, das Franziskus in derselben Rede aus Anlass von 50 Jahren Bischofssynode zuvor ausführt und mit denselben Worten des Blog-Beitrags vom 17.10.2015 widergegeben werden soll:

Papst Franziskus hebt am Ende des Festaktes (…) die Bedeutung und Charakteristika der 'Synodalität' auf den drei Ebenen der Orts-, Teil- und Weltkirche heraus. Für die Umsetzung (...) wird von besonderer Bedeutung sein, dass Papst Franziskus die von ihm bereits im Lehrschreiben Evangelii Gaudium (...) angesprochene stärkere Bedeutung der Teilkirchen 'cum et sub Petro' auf Zukunft hin noch höher einschätzt. Man müsse noch weiter darüber nachdenken, jene Strukturen, die Zwischenebenen der Kollegialität gemäß der frühkirchlichen Ordnung zu erneuern. Mit dem Hinweis, dass die Hoffnung des Konzils, dass solche Einrichtungen helfen, den Geist der bischöflichen Kollegialität zu erhöhen, noch nicht vollständig realisiert seien, kommt er zu einer zentralen Stelle seiner Rede, die mit anhaltendem Applaus bedacht wurde:

„Wir sind auf halbem Weg, auf einem Teil des Weges. Wie ich bereits gesagt habe, ist es in einer synodalen Kirche "nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen. In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen 'Dezentralisierung' voranzuschreiten" (EG 16).“ (Radio Vatikan 17.10.2015)

Um ebendiese Formen der Dezentralisierung und die Wahrnehmung des synodalen Auftrags vor Ort geht es auch beim Synodalen Weg der Kirche in Deutschland. Beim zweiten Treffen des Synodalen Ausschusses, der einen für das Jahr 2026 vorgesehenen Synodalen Rat vorbereiten soll, wurden drei Kommissionen gewählt, die sich mit der „Synodalität als Strukturprinzip der Kirche“, der „Evaluation und Monitoring der Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weges“ und der „Weiterentwicklung der Initiativen des Synodalen Weges beschäftigen.

Gradmesser für den Erfolg der synodalen Neuausrichtung der Kirche in Deutschland wird sein, was Bischof Bätzing im Rahmen dieser Zusammenkunft des Synodalen Ausschusses wie schon nach der letzten V. Synodalversammlung im März vergangenen Jahres sagte:

"Die Menschen müssen sehen können, dass sich das Handeln der Kirche vor Ort verändert."


 

Mittwoch, 22. Mai 2024

Ohne die Begriffe „Segen“ oder „Synodaler Rat“ explizit zu verwenden, „wäre eine größere Entscheidungsbefugnis der jeweiligen Ortskirchen hilfreich. – Die Eingabe der Deutschen Bischofskonferenz zum 2. Teil der Weltsynode zur Synodalität im Oktober 2024

Screenshot Katholisch.de vom 22.5.2024
(Screenshot katholisch.de vom 22.5.24)
Unter Einbeziehung der Rückmeldungen aller 27 Diözesen Deutschlands, des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (allerdings ohne Zitat) und eines explizit zitierten Verbandes (der KDFB) wurde heute die bereits vor einer Woche an das Synodensekretariat zurückgesandte Eingabe der Deutschen Bischofskonferenz zum 2. Teil der Weltsynode zur Synodalität veröffentlicht. Sie konstatiert einerseits das – von der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) dieses Jahr offen gelegte – erschreckende Resümee der geringen Glaubwürdigkeit der Katholischen Kirche wie der fortschreitenden Entkirchlichung der Gesellschaft in Deutschland und – am deutlichsten in dem Zitat aus der Rückmeldung der Diözese Mainz –, dass im Sinne der vielfach geteilten Reformanliegen Synodalität als „Entscheidungsbefugnis der jeweiligen Ortskirchen hilfreich“ wäre. Ohne den wohl von Seiten des Vatikans mit der Erklärung Fiducia supplicans aus der Diskussion der Weltsynode herausgezogenen Begriffs des „Segens“, aber auch ohne die auf dem Synodalen Weg gewählte Begrifflichkeit eines „Synodalen Ausschuss“ oder des „Synodalen Rates“ zu verwenden, wiederholt die Eingabe der DBK „die auf dem Synodalen Weg erarbeiteten Positionen“, die einen von der breiten Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken geteilten Reformbedarf feststellen. Hierbei werden benannt:

- der verantwortungsvolle und synodal rückgebundene Umgang mit Leitungsvollmacht;

- die Stärkung des Aspekts der Gewaltenteilung in der Kirche; 

- die stärkere Implementierung von Rechenschaftspflichten der Amtsträger;

- die stärkere Beteiligung des Volkes Gottes an der Auswahl von Amtsträgern;

- die Zulassung von Laien zum Predigtdienst;

- die Überprüfung der Zölibatsverpflichtung von Priestern;

- der Zugang von Frauen zu Leitungspositionen;

- die bessere Einbindung von Frauen in der theologischen und pastoralen Ausbildung;

- die Öffnung des Diakonats für Frauen;

- die Diskussion über die Festlegungen im Lehrschreiben Ordinatio sacerdotalis;

- die Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre zur Anthropologie;

- die Weiterentwicklung der kirchlichen Sexuallehre;

- die Integration von LGBTQ+ -Personen in die Kirche.

Die ebenfalls heute veröffentlichte Stellungnahme des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (erarbeitet vom Hauptausschuss des ZDKs) ist – wie gesagt – überraschender Weise nicht in der Eingabe der Deutschen Bischofskonferenz explizit zitiert. Und auch in dieser fehlen die Begriffe und Reformanliegen des „Segens“ oder der Praxis von „Segensfeiern“, die andererseits in einer von der Gemeinsamen Konferenz von DBK und ZDK bereits seit Monaten – wider Erwarten ohne  Rückbindung an den zwischenzeitlich ja bereits im November vergangenen Jahres eingerichteten Synodalen Ausschusseingesetzten Arbeitsgruppe beraten werden.

Es bleibt die Hoffnung, dass die Weltsynode im Sinne der Eingabe der DBK „eine größere Entscheidungsbefugnis der jeweiligen Ortskirchen“ im Sinne der Synodalität der Katholischen Kirche festschreiben möge und auf diesem Wege sowohl die Formen des Segens wie der konkreten synodalen Strukturen innerhalb der Bischofskonferenzen freigeben möge. Dass auch das heiße Eisen des Frauendiakonats dazugehören könnte, ist seit einem gestern veröffentlichten Interview von Papst Franziskus wohl ebenso unwahrscheinlich geworden, wie dies schon im Februar hinsichtlich der etwaigen Thematisierung des Segensthemas prognostiziert wurde.


Donnerstag, 2. Mai 2024

 „Wir müssen die Kunst der geistlichen Unterscheidung ständig verfeinern“ – Im Zugehen auf die 2. Sitzung der Weltsynode ein Resümee des Priestertreffens vom 29. April bis 2. Mai in Sacrofano / Rom


Über 300 Priester aus aller Welt – drei davon aus Deutschland – waren zum Priestertreffen im Zugehen auf die zweite Sitzung der XVI. Versammlung der Bischofssynode im Oktober 2024 eingeladen. Und das obige Zitat aus einem Beitrag des tschechischen Theologen und Priesters Tomáš Halík scheint mir tatsächlich eine Art Resümee dieser Tage zu sein, das auf Ebene der Weltkirche gilt, aber in den Pfarreien vor Ort seinen Anfang nehmen muss. Papst Franziskus hob die geistliche Unterscheidung und das über die erste Sitzung der Weltsynode im Oktober des vergangenen Jahres eingeübte „Gespräch im Heiligen Geist“ auch in seinem heute veröffentlichten Schreiben an die teilnehmenden Priester hervor.
 

"Ich empfehle euch von ganzem Herzen, die Kunst der gemeinschaftlichen Unterscheidung zu erlernen und zu praktizieren und dafür die Methode des „Gesprächs im Heiligen Geist“ zu nutzen, die uns im Verlauf der Synode und bei der Durchführung der Vollversammlung selbst so hilfreich war. Ich bin sicher, dass ihr damit nicht nur in den Gemeinschaftsstrukturen, wie dem Pastoralrat der Pfarrei, sondern auch in zahlreichen anderen Bereichen viele Früchte ernten könnt. Wie der Synthese-Bericht in Erinnerung ruft, ist die Unterscheidung ein Schlüsselelement des pastoralen Wirkens einer synodalen Kirche: »Es ist wichtig, dass die Praxis der Unterscheidung auch im pastoralen Bereich in einer den jeweiligen Kontexten angemessenen Weise umgesetzt wird, um die Konkretheit des kirchlichen Lebens zu erhellen. Sie wird es ermöglichen, die in der Gemeinschaft vorhandenen Charismen besser zu erkennen, Aufgaben und Ämter weise zu übertragen und pastorale Wege im Licht des Geistes zu planen, die über die bloße Planung von Aktivitäten hinausgehen« (2, l)."

Neben der Bezugnahme auf den Synthese-Bericht sticht ein weiteres Mal das Zitat hervor, das auch am Ende des vorausgegangenen Blog-Beitrags stand und das seit dem Jahr 2015 mehr und mehr zu einem ceterum censeo des derzeitigen Pontifikats geworden ist, „den Weg der Synodalität einzuschlagen, der»das [ist], was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet«.



Freitag, 15. März 2024

How to be a synodal Church on mission? – Themenstellungen und Arbeitsgruppen der XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode (2.-27. Oktober 2024)

Screenshot Vaticanmedia 14.3.24
Screenshot aus der Pressekonferenz / Vaticanmedia 14.3.24

Mit den in der Pressekonferenz des Sekretariats für die Synode vom 14. März vorgestellten Dokumenten konkretisiert sich der Weg zum zweiten Teil der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode (2.-27.10.24) und weist auch schon darüber hinaus.

Überraschend werden von Papst Franziskus insgesamt zehn in Studiengruppen zu erarbeitende Themenfelder aus dem Synthese-Papier (RdS) benannt, die über das Ende der Weltsynode hinausgehen und so bis mindestens Juni 2025 an Ergebnissen weiterarbeiten sollen. Über die schon im Dezember herausgehobenen Themen sind dies:

1.           Einige Aspekte der Beziehungen zwischen den katholischen Ostkirchen und der lateinischen Kirche (RdS 6)

2.           Das Hören auf den Schrei der Armen (RdS 4 und 16)

3.           Die Mission in der digitalen Welt (RdS 17)

4.           Die Revision der Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis in einer missionarischen synodalen Perspektive (RdS 11)

5.           Einige theologische und kirchenrechtliche Fragen im Zusammenhang mit bestimmten Formen des Dienstes (RdS 8 und 9)

6.           Die Revision der Dokumente, die die Beziehungen zwischen den Bischöfen, dem gottgeweihten Leben und den kirchlichen Gemeinschaften regeln, in einer synodalen und missionarischen Perspektive (RdS 10)

7.           Einige Aspekte der Gestalt und des Dienstes des Bischofs (insbesondere: Kriterien für die Auswahl der Kandidaten für das Bischofsamt, die richterliche Funktion des Bischofs, die Art und Durchführung der Ad limina-Besuche) in einer synodalen und missionarischen Perspektive (RdS 12 und 13)

8.           Die Rolle der Päpstlichen Beauftragten (Nuntien und Ständige Beobachter, Anm.) in einer missionarischen synodalen Perspektive (RdS 13)

9.           Theologische Kriterien und synodale Methoden für eine gemeinsame Unterscheidung von kontroversen lehrmäßigen, pastoralen und ethischen Fragen (RdS 15)

10.         Die Rezeption der Früchte des ökumenischen Weges in der kirchlichen Praxis (RdS 7) (Übersetzung nach Vaticannews vom 14. März 2024)

Aber auch wenn die Laufzeit der Studiengruppen über die Bischofssynode im Herbst hinausgeht, sollen doch schon auch im Herbst bereits Zwischenergebnisse aus den Studiengruppen in die Synodalen Beratungen eingebracht werden, die ihrerseits die Arbeit der Studiengruppen bestimmen werden. Zugeordnet sind diese Arbeitsgruppen – an dieser Stelle die neue Kurienordnung Praedicate Evangelium Nr. 33 umsetzend, worauf eigens hingewiesen wird – einzelnen Dikasterien der Kurie, die vom Synodensekretariat koordiniert werden. 

Auch wenn - wie zuletzt am 11. Februar in diesem Blog angesprochen - aus europäischer Perspektive konkrete Beratungsergebnisse, z.B. zu Fragen des Zugangs zum Priesteramt (vorgesehen in der 4. Studiengruppe), zur Frage des Frauendiakonats (vorgesehen in der 5. Studiengruppe) oder zu drängenden anthropologische Fragestellungen (vorgesehen in der 9. Studiengruppe) als Gradmesser des synodalen Prozess angesehen werden, ist doch schon die synodale Zuarbeit aller Kuriendikasterien der erste Hinweis für die Umgestaltung der Generalversammlung der Bischofssynode in Richtung auf ihr Hauptthema „Für eine synodale Kirche“. Die Statements aller Beteiligten der Pressekonferenz machen dies deutlich, wie es etwa besonders in dem Statement von Sr. Simona Brambilla vom Dikasterium für die Ordensleute herausgestellt wird, das in einem Extra-Kommuniqué des vatikanischen Presseamtes veröffentlicht wurde.

Die parallel zur zweiten Sitzung der XVI. Bischofssynode und darüber hinaus weiterlaufenden Studiengruppen entlasten die Bischofsversammlung zu den vielen aufgeworfenen und vielleicht im Herbst noch neu hinzukommenden Themenstellungen Positionierungen oder gar Entschließungen verabschieden zu müssen. Sie machen es vielmehr möglich, das eigentliche Thema der Synode, die Synodalität auf den unterschiedlichen Ebenen der Kirche im wahrsten Sinn durchzubuchstabieren, das ja die Grundlage für die Umsetzung der o.g. Einzelthemen der Studiengruppen bildet bzw. bilden wird. Ein weiteres in der Pressekonferenz vom 14. März vorgestelltes Papier des Sekretariats der Synode lenkt den Fokus auf diese Fragen unter dem Titel: „How to be a synodal Church on mission?“, aus dem bereits die Struktur und der Ablauf der synodalen Beratungen der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode im Herbst ablesbar werden.

Dieses Dokument macht deutlich, dass in fünf vom Synodensekretariat berufenen Arbeitsgruppen die Rückmeldungen aus den lokalen Bischofskonferenzen – die bis zum 15. Mai 2024 eingehen sollen – für das Vorbereitungsdokument (Instrumentum laboris) der zweiten Synodenrunde aufbereitet werden sollen. Sie verfolgen die folgenden Themen:

- Das synodale missionarische Antlitz der Ortskirche

- Das synodale missionarische Antlitz der kirchlichen Gruppierungen 

- Das synodale missionarische Antlitz der Universalkirche

- Die synodale Methode

- Der „Ort" einer synodalen missionarischen Kirche

Mehr und mehr zeichnet sich das Design einer synodalen Kirche ab, einer „Synodalität, welcher der Weg ist, den
 Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet.  





Montag, 12. Februar 2024

Beginn einer „Reformation im Geist der Synodalität“ – Aus Anlass der Ankündigung des Rücktritts von Papst Benedikt XVI. am Rosenmontag vor 11 Jahren

Heute am Rosenmontag vor elf Jahren machte der damalige Papst Benedikt XVI. zur Überraschung aller seinen Rücktritt vom Papstamt bekannt. Und niemand hätte erwartet, dass er mit der dadurch ermöglichten Wahl seines Nachfolgers Papst Franziskus, die sich am 14. März dieses Jahres ebenfalls zum elften Mal jährt, eine „Reformation im Geist der Synodalität“ einleiten würde. 

Copyright IMAGO / Christoph Hardt/Alamy Stockfoto
Karneval–Motivwagen des Kölner Rosenmontagszugs 2024 über die Blindheit der
Kirche im Umgang mit Missbrauchsfällen, der mit konkreten Vorwürfen auch Papst
emeritus Benedikt XVI. bis in sein Sterbejahr nachging.     (© XChristophxHardtx) 

Auch wenn der Reformstau in der Katholischen Kirche insbesondere im Zuge der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals deutlich größer ist, als die mit der Wahl von Franziskus synodal seit den beiden Familiensynoden der Jahre 2014/15 bereits in Angriff genommenen Reformvorhaben ausweisen, können sich die Ergebnisse sehen lassen:

Schon zwei bzw. drei Jahre nach seiner Wahl und der besagten Doppelsynode konnte man von keinem Paar der Welt mehr sagen, dass es in einem Zustand der Todsünde lebe (wodurch die Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten möglich wurde). Und seit Ende des vergangenen Jahres kann hinzugefügt werden, dass entsprechend der Erklärung Fiducia supplicans alle Paare in vormals sogenannten 'irregulären' Situationen“ (AL 297), ja ausdrücklich auch gleichgeschlechtliche Paare vom Segen der Kirche nicht mehr ausgeschlossen sind. Darüber hinaus sind zahlreiche andere „Heiße-Eisen-Themen“ ebenfalls angegangen worden: Ein Ausgleich hinsichtlich der noch bis vor einem Jahrzehnt die katholische Welt wie keine zweite beschäftigende Frage hinsichtlich der Fragen der Empfängnisregelung (AL 222), die Thematisierung der Fragen des Zugangs von viri probati (im Leben erfahrenen und verheirateten Männern) zum Priesteramt auf der Amazonassynode 2019, die nun auch im zweiten Teil der XVI. ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode dieses Jahres in der Beratung auf weltkirchlicher Ebene wiederaufgenommen werden. Sensationeller Weise könnte auch die Möglichkeit des Frauendiakonats auf der Tagesordnung stehen, die zuletzt vor einer Woche vom 5.7. Februar auch den Kardinalsrat beschäftigte. Alle diese „Themen größter Relevanz“ wurden bereits am 11. Dezember 2023 von Seiten des Vatikans hervorgehoben. Sie sollen mit besonderer Vorbereitung des Synodalbüros, der Dikasterien und externer Expertinnen und Experten in die Beratungen des zweiten Teil der Weltsynode zur Synodalität im Oktober einfließen :

„Es handelt sich um Themen von großer Bedeutung, von denen einige auf der Ebene der Gesamtkirche und in Zusammenarbeit mit den Dikasterien der Römischen Kurie behandelt werden müssen, wie zum Beispiel die Vorstudie im Hinblick auf die Aktualisierung des CIC und des CCEO (Synthesebericht, Kap. 1 Buchst. r), der Ratio fundamentalis über die Ausbildung der geweihten Amtsträger (Kap. 11 Buchst. j), des Dokuments Mutuae relationes (Kap. 10 Buchst. g); oder die Vertiefung der theologischen und pastoralen Forschungen über den Diakonat und insbesondere über den Zugang der Frauen zum Diakonat (Kap. 9 Buchst. n), usw.“(Ebd.) 

Nicht (mehr) zur Diskussion steht hingegen dasjenige Thema, das – zumindest in jeder Pressekonferenz des ersten Teils der Weltsynode (mehrheitlich von außen an die Synodenversammlung herangetragen) – immer wieder auch im Mittelpunkt stand: das Thema des Umgangs mit LGBTIQ-Personen und die oben schon angesprochene Frage der Möglichkeit eines Segens. Diese Fragestellungen hatte das Dikasterium für die Glaubenslehre bereits mit einem Handstreich mit der am 18. Dezember 2023 veröffentlichten Erklärung Fiducia supplicans weltkirchlich in gewisser Weise abgeräumt – nicht ohne weltweit ein nicht breiter zu denkendes und auseinandergehendes Echo zu erzeugen. 

Nach den teils auch strikt ablehnenden Äußerungen aus einigen Teilen der Weltkirche wie z.B. von Seiten des Verbands der afrikanischen Bischofskonferenzen (SECAM) nehmen sich die zu Beginn überschwänglich positiven Reaktionen deutscher Bischöfe vor dem Hintergrund einer intensiveren Lektüre der Erklärung und den am 4. Januar 2024 nachgeschobenen erläuternden Hinweisen derzeit deutlich zurückgenommener oder verhalten aus, wenn etwa darauf gehofft wird, dass die nun erneuerte pastorale Praxis auch zu einer Weiterentwicklung der Lehre führt – waren doch die Neubewertung der Homosexualität und die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt neben dem Segensthema Hauptanliegen des Synodalen Wegs in Deutschland in gleich drei Handlungstexten.

Eine weitere Thematisierung dieser Fragen steht nun im Herbst 2024 auf weltkirchlicher Ebene aller Voraussicht nach nicht mehr an. Dafür ist der Weg umso freier für einige weitere Themen, die nach dem im Dezember veröffentlichten Fahrplan im März diesen Jahres – einhergehend mit dem 11-jährigen Jubiläum des Pontifikats von Papst Franziskus – feststehen bzw. endgültig bestätigt werden. Alle diese Reformvorhaben 'im Geist der Synodalität' hätte Papst em. Benedikt XVI. mit der Ankündigung seines Rücktritts am Rosenmontag des Jahres 2013 sicher nicht absehen können. Ausgelöst hat sie der erst Ende des vorletzten Jahres verstorbene Papst em. Benedikt XVI. dadurch zweifellos dennoch  insbesondere durch den mit Papst Franziskus neu einziehenden schöpfungstheologischen Ansatz in Lehrverkündigung und -entwicklung, der bis in die jüngste Erklärung Fiducia supplicans als Wasserzeichen seines Pontifikats wahrzunehmen ist.

 

Donnerstag, 21. Dezember 2023

"Segen und Liebe Gottes schließen alle Menschen ein"* –  Zur Erklärung „Fiducia supplicans“ des Dikasteriums für die Glaubenslehre vom 18.12.2023

Todos, todos, todos“ sagte Papst Franziskus Anfang August mehrfach während des Weltjugendtages in Portugal über eine Kirche, die allen Menschen offensteht. „Die Kirche mit offenen Türen für alle, alle, alle“ wiederholte Franziskus erneut auch zu Beginn der Weltbischofssynode Anfang Oktober in Rom.

Doch queere Menschen erleben im Verbot der Segnung homosexueller Partnerschaften diese offenen Türen nicht wirklich. Wenn die Kirche beinahe alles, Kerzen, Gegenstände, ja sogar Zäune segnen könne, aber den Segen manchen Menschen allein aufgrund ihrer sexuellen Identität, Lebensform und einer moralischen Bewertung vorenthalte, dann ist dies diskriminierend. Mit diesem Verständnis räumt das vom Dikasterium für die Glaubenslehre unter dem Titel „Mit flehendem Vertrauen“ mit expliziter Unterstützung von Papst Franziskus auf. Mit dem veröffentlichten Schreiben „über die pastorale Sinngebung von Segnungen“ wird eine „Art von Segen vorgeschlagen, der allen gespendet werden kann, ohne etwas zu verlangen“ (FS 27). Papst Franziskus, aus einer Katechese über den Segen (2020) zitierend führt die Erklärung aus: 

„Es ist Gott, der segnet. Auf den ersten Seiten der Bibel finden wir eine ständige Abfolge von Segen. Gott segnet, aber auch die Menschen bringen ihren Lobpreis zum Ausdruck, und bald erkennt man, dass der Segen eine besondere Kraft besitzt, die den, der ihn empfängt, sein Leben lang begleitet und das Herz des Menschen dafür bereit macht, sich von Gott verändern zu lassen [...]. Wir sind also für Gott wichtiger als alle Sünden, die wir begehen können, denn Er ist Vater, Er ist Mutter, Er ist reine Liebe, Er hat uns für immer gesegnet. Und er wird nie aufhören, uns zu segnen.“

Bischof Georg Bätzing hat bereits am Tag der Veröffentlichung der Erklärung deren Bedeutung unterstrichen: Dass sie erlaube, „dass Paaren, die etwa aufgrund einer Scheidung nicht die Möglichkeit zur kirchlichen Trauung haben, und gleichgeschlechtlichen Paaren ein Segen gespendet werden kann.“ Die Praxis der Kirche kenne eine Vielzahl von Segensformen, sodass es gut sei, dass dieser Schatz für die Vielfalt von Lebensmodellen nun gehoben werde. [...]

Zugleich müssen wir – mit den Worten einer Stellungnahme von Kardinal Marx gesprochen – ernstnehmen, die Erklärung und ihren Geist auch in unsere Kultur zu übersetzen. Hier wird es gelten, an die Ergebnisse und Handlungstexte des Synodalen Wegs der Kirche in Deutschland anzuknüpfen und sie im Licht der neuen Erklärung in die pastorale Praxis zu übersetzen: Dass wirklich auch für alle Menschen – ohne jede Form der Diskriminierung und Abqualifizierung – erfahrbar wird, dass der Segen und die Liebe Gottes alle Menschen einschließt – und die Kirche diesen Segen auch „vor Ort“ in einem würdigen Rahmen weitergibt. Ein wichtiger Schritt ist damit getan, auch wenn es noch nicht der letzte sein darf.


* erstveröffentlicht (ohne Verlinkungen) auf https://bistumlimburg.de/beitrag/segen-und-liebe-gottes-schliessen-alle-menschen-ein/



Sonntag, 29. Oktober 2023

mit Weitsicht auf den Horizont blicken“ – Ermutigungen und Mahnungen der Abschlusspredigt der Weltsynode für den weiteren synodalen Prozess und in Deutschland

Screenshot Vaticannews 29.10.23

Mit einer Predigt zum Tagesevangelium Mt 22, 34–40 und der darin behandelten Frage nach dem wichtigsten Gebot setzt Papst Franziskus quasi einen Schlussakkord auf die zurückliegenden vierwöchigen Beratungen der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode:

Auch wir, die wir in den lebendigen Strom der Tradition eingetaucht sind, fragen uns: Was ist das Wichtigste? Was ist die treibende Mitte? Worauf kommt es am meisten an, so sehr, dass es das allem zugrundeliegende Prinzip ist? (…) Am Ende dieses Wegabschnitts, den wir zurückgelegt haben, ist es wichtig, auf das „Prinzip und Fundament“ zu schauen, von dem aus alles beginnt und wieder neu beginnt: Gott mit dem ganzen Leben zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst.“ (press.vatican 29.10.2023)

Gottesliebe setzt Papst Franziskus ineins mit der „Bewegung des Herzens“ der Anbetung, die bedeutet „im Glauben anzuerkennen, dass nur Gott der Herr ist und dass unser Leben, der Weg der Kirche und die Wendungen der Geschichte von der Zärtlichkeit seiner Liebe abhängen.“ Mit der Aufnahme eines Zitats des verstorbenen Kardinals Carlo Maria Martini wendet sich Papst Franziskus gegen alle Versuche und Versuchungen, „‘Gott kontrollieren‘ und in seine Schemata“ zu zwängen,

„»der nicht so gemacht ist, wie ich ihn mir vorstelle, der nicht von dem abhängt, was ich von ihm erwarte, der also meine Erwartungen durchkreuzen kann, gerade weil er lebendig ist. Die Bestätigung dafür, dass wir nicht immer die richtige Vorstellung von Gott haben, ist, dass wir manchmal enttäuscht sind: Ich habe dies erwartet, ich habe mir vorgestellt, dass Gott sich so verhalten würde, aber ich habe mich geirrt. Auf diese Weise begeben wir uns wieder auf den Weg des Götzendienstes, wenn wir wollen, dass der Herr nach dem Bild handelt, das wir uns von ihm gemacht haben« (I grandi della Bibbia. Esercizi spirituali con l’Antico Testamento, Florenz 2022, 826-827). (Ebd.)

Gottes Handeln – so Franziskus weiter – „ist jedoch immer unvorhersehbar, geht darüber hinaus“. In Bezug auf die Synodenversammlung hebt Papst Franziskus das „Gespräch des Geistes“ hervor, indem die „liebevolle Gegenwart des Herrn erfahren“ werden konnte:

„Wir haben einander zugehört, und vor allem haben wir durch die reiche Vielfalt unserer Geschichten und Empfindungen hindurch auf den Heiligen Geist gehört. Heute sehen wir noch nicht die volle Frucht dieses Prozesses, aber wir können mit Weitsicht auf den Horizont blicken, der sich vor uns auftut“. (Ebd.)

Weitsicht auf den Horizont: Der Synoden-Synthesebericht

Eben dieser Horizont wird konkret auch in der Anlage des gestern als Abschlussbericht und zugleich als Vorbereitungsdokument für die nächste synodale Phase verabschiedeten Synthesepapiers der Synode sprachlich ausgeleuchtet und mit weiteren Raum- und Weg-Metaphern illustriert:

„In jedem der drei Teile werden in jedem Kapitel Konvergenzen, zu behandelnde Fragen und Vorschläge, die sich aus dem Dialog ergeben haben, zusammengetragen. Die Konvergenzen zeigen die Fixpunkte auf, an denen sich die Reflexion orientieren kann: Sie sind wie eine Landkarte, die es uns ermöglicht, uns auf dem Weg zu orientieren und uns nicht zu verirren. Die zu behandelnden Fragen sammeln die Punkte, bei denen wir erkannt haben, dass es notwendig ist, das theologische, pastorale und kanonische Studium fortzusetzen: Sie sind wie Kreuzungen, an denen wir innehalten müssen, um die Richtung besser zu verstehen, die wir einschlagen müssen. Die Vorschläge hingegen zeigen mögliche Wege auf, die zu beschreiten sind: einige werden vorgeschlagen, andere empfohlen und wieder andere mit mehr Nachdruck und Entschlossenheit gefordert.“ (Relazione di sintesi; eigene Übersetzung)

Änderung der Sexualmoral?

Bereits gestern und auch heute wird neben anderen Themen vor allem die „Änderung der Sexualmoral“, die die Synode mit breiter Mehrheit beschlossen habe, als wichtiges Ergebnis in den Titelzeilen deutschsprachiger Presseberichte herausgestellt. Allerdings kommt der Begriff "Sexualmoral" als solcher nur im Abschnitt 16g vor, in der Menschen angesprochen werden, die in ihrer Erfahrung von Einsamkeit die Treue zum Lehramt und der kirchlichen Sexualmoral leben. Tatsächlich beziehen sich die Presseberichte näherhin auch konkret auf die Abschnitte 15 b und 15g, in denen es aber zunächst weniger um moralische als um anthropologische Fragen der Sexuellen Identität und Orientierung geht und auch weitere Themen mit angesprochen werden, die das vertiefte Gespräch mit den Wissenschaften notwendig machen.

15g) Einige Themen wie die Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung, das Ende des Lebens, schwierige Ehesituationen und ethische Fragen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz sind nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche umstritten, weil sie neue Fragen aufwerfen. Manchmal reichen die anthropologischen Kategorien, die wir entwickelt haben, nicht aus, um die Komplexität der Elemente zu erfassen, die sich aus der Erfahrung oder dem Wissen der Wissenschaften ergeben, und erfordern eine Verfeinerung und weitere Untersuchungen. Es ist wichtig, sich die nötige Zeit für diese Überlegungen zu nehmen und unsere besten Kräfte darauf zu verwenden, ohne sich zu vereinfachenden Urteilen hinreißen zu lassen, die den Menschen und dem Leib der Kirche schaden. Das Lehramt hat bereits viele Hinweise gegeben, die darauf warten, in geeignete pastorale Initiativen umgesetzt zu werden. Selbst dort, wo weitere Klarstellungen erforderlich sind, zeigt uns das Verhalten Jesu, das wir im Gebet und in der Bekehrung des Herzens verinnerlicht haben, den Weg nach vorn.“ (Ebd.; eigene Übersetzung)

Notwendigkeit Sexueller Bildung 

Wenn ich darauf hinweise, ist das keine Spitzfindigkeit, sondern es hat zwei wichtige Gründe, die auch mit meiner eigenen Profession als Dogmatiker und Religions- und Sexualpädagoge zu tun haben. Zum einen sind die Fragen rund um Sexualität eben nicht einfach nur oder ausschließlich ein Thema der Moraltheologie und Ethik, sondern ebenso sehr der Anthropologie und Dogmatik, der Pastoraltheologie und (Religions)Pädagogik, der christlichen Sozialwissenschaften, der biblischen Theologie etc. und damit ein gemeinsames Thema bald aller theologischen Disziplinen im Gespräch mit ihren jeweiligen Bezugs-, Human- und Kulturwissenschaften. Und zum anderen führt das alleinige Stieren auf eine „Änderung der Sexualmoral“ dazu, dass Abschnitte des Syntheseberichtes, die auf eine Verstärkung der Anstrengungen in der Sexualerziehung zielen, im wahrsten Sinn unbeachtet bleiben. Dabei heißt es in 14g konkret auf die Sexuelle Bildung bezogen:

14g) „Wir empfehlen, das Thema der affektiven und sexuellen Erziehung zu vertiefen, um die Jugendlichen auf ihrem Wachstumsweg zu begleiten und die affektive Reifung derjenigen zu unterstützen, die zum Zölibat und zur gottgeweihten Keuschheit berufen sind; die Ausbildung in diesen Bereichen ist eine notwendige Hilfe in allen Lebensabschnitten.“ (Ebd.; eigene Übersetzung)

M.a.W.: „Es braucht ein Ja zur Sexualerziehung“, wie ein Titel eines kurz vor Weltsynodenbeginn veröffentlichten Beitrags in der Herder Korrespondenz lautet. Und es braucht in Deutschland als nächstes auch endlich statt eines weiteren Jahres des Zuwartens auf eine Änderung der Sexualmoral auf Ebene der Weltkirche einer Bearbeitung und Umsetzung des bereits im Rahmen des Synodalen Wegs erarbeiteten, vorliegenden, aber auf unbestimmte Zeit aufgeschobenen Handlungstextes „Sexualpädagogische Begleitung und Förderung sexualpädagogischer Konzepte in allen pädagogischen und pastoralen Einrichtungen“!

Eliminierung von Missbrauchsursachen

Dieser zur Eliminierung von Missbrauchsursachen in Deutschland grundlegende Text hat bisher noch nicht* den Status einer schriftlichen Dokumentation im Zuge der geplanten Print-Publikationen von ZDK und DBK erhalten. Von daher – um auf die heutige Predigt von Papst Franziskus zum Abschluss der zurückliegenden synodalen Etappe zurückzukommen – muss die Rezeption der Ergebnisse der Synode vor allem in einen Selbstauftrag und in ein erneuertes, vertieftes Engagement vor Ort münden, will man den anstehenden Aufgaben nicht ausweichen.

„Heute sehen wir noch nicht die volle Frucht dieses Prozesses, aber wir können mit Weitsicht auf den Horizont blicken, der sich vor uns auftut: Der Herr wird uns leiten und uns helfen, eine synodalere und missionarischere Kirche zu sein, die Gott anbetet und den Frauen und Männern unserer Zeit dient und hinausgeht, um allen die tröstliche Freude des Evangeliums zu bringen.“ (press.vatican 29.10.2023)

 


 * Nachtrag vom 18.11.23: Eine Veröffentlichung aller noch nicht beschlossenen Handlungstexte des Synodalen Wegs ist in Nachfolge einer Buchpublikation aller beschlossenen Texte jetzt ebenfalls angekündigt worden.

Samstag, 28. Oktober 2023

„...am Anfang eines Lernprozesses": Zweidrittelmehrheit für das Abschlussdokument der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode „Eine synodale Kirche in der Sendung“

Screenshot vaticanmedia 28.10.23
Nach der abendlichen Schlussabstimmung 
am 28.10.23 in der Synodenaula Paul VI.

Noch gestern dämpfte der seit Synodenbeginn als Geistlicher Begleiter den Synodenverlauf prägende Dominikanerpater Timothy Radcliffe die Erwartungen hinsichtlich konkreter Ergebnisse:

Many people watched this synod with massive expectations of changes. They look to see how to be the future of the church will be changed. And I think this is perhaps not always looking for the right thing. It's a synod that gathers to see how we can be church in a new way, rather than what decisions need to be taken: How we can be a church that listens to each other across cultures and listens to the traditon across time. 
And this is something only slowly learning to do: Learning how to take decisions together, how to listen to each other. So, we are really at the beginning of a learning process. (Vaticanmedia 27.10.23; eigene Übertragung*Übersetzung s. unten) 

 Wir lernen, auf welche Art wir Entscheidungen miteinander treffen. Wir sind noch am Anfang eines Lernprozesses.(Ebd.) 

Zweidrittelmehrheit für das Abschlussdokument  

P. Giacomo Costa SJ, Kardinal Jean-Claude Hollerich und
Kardinal Mario Grech im spätabendlichen Pressebriefing.

Doch tatsächlich wurde mit mehr als einer Zweidrittelmehrheit (mit 336 Ja- und 10 Nein-Stimmen) das 
zusammenfassende Abschlussdokument „Eine synodale Kirche in der Sendung von der  XVI. Generalversammlung der Bischofssynode  einschließlich einiger Reform- und Zukunftsthemen angenommen. Mit Ausblick auf den zweiten Teil der Synode im Jahr 2024 bietet der Text Überlegungen und Vorschläge zu Themen wie der Rolle der Frauen und der Laien, dem Amt der Bischöfe, dem Priestertum und dem Diakonat, der Bedeutung der Armen und Migranten, der digitalen Mission, der Ökumene und dem Missbrauch. Zwar ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit angenommen, aber 'umstrittener' mit jeweils unter 300 Stimmen waren einzig die Absätze zum "Diakonat der Frau" (9j mit 277 Ja-Stimmen, 9n mit 279 Ja-Stimmen und 11i mit 285 Ja-Stimmen) und zum Zölibat der Weltpriester (11f mit Ja-291 Stimmen). 

Vierzig Seiten umfasst das Dokuments insgesamt. Es entstand „während alte und neue Kriege in der Welt wüten, mit dem absurden Drama unzähliger Opfer (...) Der Schrei der Armen, derer, die zur Migration gezwungen sind, derer, die Gewalt erleiden oder unter den verheerenden Folgen des Klimawandels leiden, ist unter uns laut geworden, nicht nur durch die Medien, sondern auch durch die Stimmen vieler, die mit ihren Familien und Völkern persönlich von diesen tragischen Ereignissen betroffen sind“, heißt es im Vorwort des Dokuments. 

Die Inhalte des Syntheseberichts wurden in drei Teilen zusammengefasst. Der erste Teil widmet sich dem "Angesicht einer synodalen Kirche", der zweite Teil der "Gemeinschaft der Bezeugenden" und der dritte Teil der "Verbundenheit im Aufbau der Gemeinschaft". 

Morgen wird in der Messe zum Abschluss der XVI. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode darauf Bezug genommen werden, dass "Hunderttausende von Worten" als Samen für die kommenden elf Monate bis zum Beginn des zweiten Teil der Synode im Oktober 2023 anzusehen sind, "die in den Boden der Kirche gesät werden. Sie werden in diesen Monaten in unserem Leben, in unserer Vorstellungskraft und in unserem Unterbewusstsein wirksam sein. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werden sie Früchte tragen" (Vaticannews 23.10.23), wie dies Thimothy Radcliffe am Montag zu Beginn der letzten Synodenwoche ausdrückte. Die Art und Weise wie der Kommunikationsprozess geübt wurde, wird die anstehende Phase der Insemination in der Methode des "Gesprächs im Geist" gewiss prägen und hätte für Thimothy Radcliffe auch das Potential gesellschaftliche Bedeutung erlangen: 

I think this process of learning to listen to each other, to be with each other is of extraordinary importance today. We live in a world with going violence, and the collapse of communication, wether in the Middle East, Ukraine, many parts of Africa, and even within our own countries, my own country in the west or in the United States, where you see polarization, the collapse of communication. Somehow, we have to learn how to talk to each other and listen to each other. So my hope ist that this Synod will not just to be helpful healing for the Church but also for humanity.“ (Vaticanmedia 27.10.23; eigene Übertragung*Übersetzung s. unten) 


* Übersetzung des obigen Zitates:

Mittwoch, 25. Oktober 2023

„Der Weg der Synodalität, den Gott von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet" - Zur Bedeutung des "Schreibens an das Volk Gottes" der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode 

Screenshot vaticannews 25.10.23

Überraschender Weise wurde am Montag das für diesen Tag zur Veröffentlichung angekündigte „Schreiben an das Volk Gottes“ in der Synodenversammlung nur verlesen und zwar mit großem Applaus bedacht, dann aber nach Beratungen in den 35 Tischrunden und Sprachzirkeln und nachfolgenden Wortbeiträgen aus den verschiedensten Richtungen und einer weiteren Modifrist bis 18:00 Uhr am Montagabend einer neuen Redaktionsphase überantwortet – wie Paolo Ruffini in der Pressekonferenz am 23.10.23 berichtete –, so dass sie erst am heutigen Tag zur Abstimmung vorgelegt und am Nachmittag veröffentlicht werden konnte. 

Das wäre als redaktionelle Reminiszenz vielleicht keines gesonderten Absatzes in diesem Blog wert, wenn nicht schon die Verschiebung über den gestrigen arbeitsfreien Tag der Synode hinaus Anlass zu wilden Spekulationen mit Auslassungen über ein vermeintliches „Chaos“ und eine „Krise“ auf der Weltsynode gegeben hätte. Wahrscheinlich hätte ein weiteres, aber leider Pausentags bedingt ausgefallenes Pressebriefing die ins Kraut schießenden Mutmaßungen über den Synodenverlauf noch einfangen können. So wird es vor dem breiten und lauten Klangteppich die „Botschaft“ heute als solche nicht so einfach haben wie sonst bei Bischofssynoden, auch wenn die „Botschaften der Bischofssynode“ bislang immer als letztveröffentlichte Schreiben der Generalversammlungen viel weniger im Fokus standen als die jeweiligen Abschlussdokumente.

Zum Verständnis des "Schreibens an das Volk Gottes"

Dass die „Botschaft an das Volk Gottes“ nun auf die wichtigsten Gedanken bezogen dem Abschlussdokument vorausgeht, wird einmal mit dem vorläufigen Status des 1. Teils der Bischofssynode zur Synodalität zu tun haben, die ja im Oktober 2024 fortgesetzt wird. Und zum anderen soll über die vielen im Schlussdokument umkreisten Einzelthemen nicht die Grundbotschaft als solche verloren gehen bzw. zu kurz kommen, die der Synodalversammlung wichtiger ist, als vielen einzelnen Punkte, an denen die Synode „von außen“ gemessen wird und die auch im Schreiben selbst als „Fragen und Herausforderungen benannt werden.

Zum Verständnis der „Botschaft an das Volk Gottes“ ist es darüber hinaus wichtig zu wissen, dass sie in der Tradition aller vorangegangenen Bischofssynoden steht und 'tröstende' (consolative) und 'ermutigende' (exhortative) Teile enthält und immer in der inkludierenden Wir-Form geschrieben wird, die bei dieser Bischofssynode ein zu den Bischöfen um 54 Laiinnen und Laien, Priester und Ordensleute erweitertes Quorum von 365 Synodalen umfasst. Eine breite Mehrheit von 136 Synodalen (bei 12 Nein-Stimmen) stimmte für den jetzt veröffentlichten Text, den trotz oder wegen der gemeinsamen Verabschiedung gewiss manche als nicht weit genug gehend beurteilen werden – und das je mehr, wie nicht zwischen den zwei Dokumentenarten (Botschaft und Abschlussdokument) unterschieden wird bzw. unterschieden werden kann.

Zentrale Inhalte der "Botschaft an das Volk Gottes"

Zu Beginn des „Schreibens an das Volk Gottes“ wird an die Wegstrecke seit Synodenbeginn vor zwei Jahren erinnert. Es sei seitdem ein langer Prozess des Zuhörens und der Unterscheidung" gewesen, der für das ganze Volk Gottes offen war und niemanden ausschloss.“ Dabei wird die jetzt zu Ende gehende Versammlung, die am 30. September in Rom begann, als „eine wichtige Etappe in diesem Prozess“ beschrieben. „Vor dem Hintergrund einer krisengeschüttelten Welt – im Hinblick auf die Kriege weltweit und insbesondere aktuell im Nahen Osten und der Ukraine – war es mit dem Fokus auf die Synodalität der Kirche und einer daraufhin veränderten Zusammensetzung der Synodenplenums und der Stimmberichtigten „eine vielerlei Hinsicht war es eine noch nie dagewesene Erfahrung“: 

„Zum ersten Mal waren auf Einladung von Papst Franziskus Männer und Frauen aufgrund ihrer Taufe eingeladen, an einem Tisch zu sitzen und nicht nur an den Diskussionen, sondern auch an den Abstimmungen dieser Bischofssynode teilzunehmen. Gemeinsam, in der wechselseitigen Entsprechung unserer Berufungen, Charismen und Ämter, haben wir intensiv auf das Wort Gottes und die Erfahrungen der anderen gehört. Mit der Methode des Gesprächs im Geist teilten wir demütig den Reichtum und die Armut unserer Gemeinschaften auf allen Kontinenten und versuchten zu erkennen, was der Heilige Geist der Kirche heute sagen will.“ (Vaticannews vom 25.10.23)

"Und jetzt?"  oder: Wie es weiter geht

Und jetzt? Wir hoffen, dass die Monate bis zur zweiten Session im Oktober 2024 es allen ermöglichen werden, konkret an der Dynamik der missionarischen Gemeinschaft teilzuhaben, auf die das Wort „Synode“ hinweist. (…) Die Herausforderungen sind vielfältig und die Fragen zahlreich: Der zusammenfassende Bericht der ersten Session wird die erzielten Übereinstimmungen verdeutlichen, die offenen Fragen hervorheben und aufzeigen, wie die Arbeit fortgesetzt werden kann.“ (Ebd.)

Die Botschaft an das Volk Gottes schließt mit einem Zitat, das auch in diesem Blog seit dem 17.10.2015 – aus der Ansprache anlässlich des 50. Jahrestags der Bischofssynode im Rahmen der zweiten Familiensynode – immer wieder zitiert wurde und mit dem das Pontifikat von Papst Franziskus dauerhaft verbunden sein wird:

„Die Welt, in der wir leben und die zu lieben und ihr zu dienen wir aufgerufen sind, auch in ihren Widersprüchen, verlangt von der Kirche die Stärkung der Synergien in allen Bereichen ihrer Sendung. Es ist genau der Weg der Synodalität, den Gott von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet.“ (Ebd. bzw. Papst Franziskus am 17. Oktober 2015)

Aufgrund der Verzögerungen durch die Abstimmung des „Schreibens an das Volk Gottes“ im Synodenplenum am heutigen Nachmittag wurde die abschließende Beschlussfassung des Abschlussdokumentes auf den Samstag verschoben, so dass der morgige Freitag nochmals ganz den Beratungen des Entwurfs des Abschlusstextes in Kleingruppen und der Plenardiskussion gewidmet werden kann.