Donnerstag, 9. Februar 2023

"United in diversity", "the beauty of 360°" and "the new style to be a church" at #SynodPrague2023

Heute ist die kontinentale Phase Europas des weltweiten synodalen Prozesses nach fünftätigen Beratungen zu Ende gegangen. Am Ende wurde ein für heute angekündigtes 20-Seiten ‚draft-document‘ verlesen, das aber nicht verteilt wurde und in den nächsten zwei Wochen redaktionell fertiggestellt werden soll. Die deutsche Delegation blickt mit einer anerkennenden, aber auch konstruktiv-kritischen Perspektive auf den Verlauf und das Ergebnis der Beratungen:

"Die Synodalversammlung der europäischen kontinentalen Etappe des weltweiten, von Papst Franziskus angestoßenen synodalen Prozesses, hat für uns viele Erkenntnisse gebracht. Wir konnten erfahren, wie sich die Kirche in den Ländern Europas auf den Weg macht, um mehr und mehr zu einer synodalen Kirche zu finden." (DBK-Pressemeldung vom 9.2.23)

Der verlesene Entwurf des auf Englisch verfassten Abschlusstextes bringt in vielfältigen Formulierungen den synodalen Charakter, den „neuen Stil Kirche zu sein“ ins Wort. „United in diversity“, „Unity means not uniformity“ und „Diversity is not a problem but an asset“ heißt es einerseits durchgängig, nicht ohne zugleich auf die damit verbundenen Spannungen hinzuweisen. Insofern kann die deutsche Delegation der „beauty of 360°“ auch nur bedingt etwas abgewinnen. Denn es wurde bereits in der kontinentalen Phase der Weltsynode deutlich, „dass es erhebliche Unterschiede zwischen Grundhaltungen bei uns und in Ländern mit anderen Kulturen gibt.“ 

Obwohl - was für die Schweizer Delegierte Tatjana Disteli vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre -"alle Tabu-Themen […] auf den Tisch" kamen, bezeichnet auch der  Basler Bischof Felix Gmür das verlesene Abschlussdokument als "vage", weil die „Konflikte hätten klarer benannt werden sollen.“ Im Unterschied zu der bis vor kurzem oft zitierten Einschätzung die Pluralität der Meinungen als „kostbares, aus vielen berechtigten Besorgnissen und ehrlichen, aufrichtigen Fragen zusammengesetztes Polyeder“ (AL 4) zu verstehen, heißt es auch in dem Statement der deutschen Delegation am Ende der Versammlung deutlich nüchterner:

„Offenkundig erleben und gestalten wir in Europa in den jeweiligen kulturell geprägten Kontexten die Wirklichkeit unterschiedlich, das heißt in Ungleichzeitigkeit und Dezentralität. (DBK-Pressemeldung vom 9.2.23)

Die Fragen, auf die die Stellungnahme hinweist, werden dennoch auch und gerade die entscheidenden der Weltsynode der Synodalität werden:

„Es bedarf auf weltkirchlicher Ebene der Klarheit und Transparenz, Vielfalt und Einheit neu zu vermitteln. An welchen Orten in welchen synodalen Strukturen künftig beraten und entschieden werden soll, gilt es neu zu entdecken. Wie wird Diversität als Reichtum erkannt, wo zerstören Gegensätze die Einheit? Wer entscheidet diesbezüglich und auf welche Weise?(Ebd.)
Kontinentalversammlung nicht als einmalige Veranstaltung*

Dass dabei auf dem synodalen Weg der Weltkirche die Theologie eine wichtige Rolle spielen muss, da „eine kirchliche Lehre ohne angemessene theologische Begründung […] auf Dauer keine Rezeption“ finden würde, wird auch auch vom Rat der Bischofskonferenzen (CCEE) in Schlussbemerkungen vom 11.2.2023  und der Einforderung einer "Theologie und der Hermeneutik der Synodalität" geteilt.

Die Vorsitzenden der europäischen Bischofskonferenzen, die im Nachgang der Synode noch zwei Tage länger in Prag tagten, hielten in ihren „Schlussbemerkungen“ darüber hinaus fest, dass die Kontinentalversammlung für Europa für sie eine neue Weise gewesen sei „Kirche zu leben, gemeinschaftlich Erkenntnisse zu gewinnen und die Zeichen der Zeit zu verstehen.“ Und sie blicken insgesamt – wie schon die deutsche Delegation – auch strukturell auf den kommenden synodalen Prozess:

"Konkret gesprochen: Wir wollen nicht, dass diese Kontinentalversammlung eine einmalige Veranstaltung bleibt. Sie soll regelmäßig stattfinden, und sie soll auf der synodalen Methode beruhen, die unsere Strukturen und Verfahren auf allen Ebenen durchdringt. Auf diese Weise werden wir die Probleme angehen können, denen wir in Zukunft verstärkte Aufmerksamkeit widmen müssen: die Unterstützung der Opfer, die Stärkung der Rolle von jungen Menschen und Frauen, das Lernen von marginalisierten Gruppen und ähnliches." (CCEE 11.2.2023)

Neu ist schon jetzt die gemeinsam über alle Bischofskonferenzen vertretene Überzeugung, „Spannungen aus einer missionarischen Perspektive zu betrachten“ und nicht wie früher „als Quelle lähmender Angst“. Und Einigkeit besteht auch formal über das Lösungsziel:

„die Wahrheit des Evangeliums in ihrer ganzen Fülle zu verkünden“ und dabei „Einheit in der Vielfalt zu finden und der Versuchung der Uniformität zu widerstehen.“ (CCEE 11.2.2023)


* Nachtrag vom 11.2.2023 



 

Montag, 6. Februar 2023

Beginn der kontinentalen Phase Europas der Weltsynode 2021-2024 und die Eingaben der Delegation aus Deutschland

(Screenshot der Twitter-Meldung des Synodalen Wegs vom 6.2.23)
Gestern hat in Prag die die kontinentale Phase Europas der Weltsynode in Prag  begonnen. Insgesamt 590 Delegierte von 39 Bischofskonferenzen haben mit ihren Beratungen begonnen, von denen 200 präsentisch in Prag der Konferenz beiwohnen und weitere 390 online zugeschaltet sind. Noch bis Donnerstag, 9.2.2023 widmen sie sich in der Gesamtgruppe der Beantwortung dreier Fragen, die aus dem Arbeitsdokument für die kontinentale Etappe vorgesehen sind „diesen Prozess des Zuhörens, des Dialogs und der Unterscheidung voranzutreiben" und zum Beratungsende in ein etwa 20 Seiten umfassendes Ergebnispapier fließen sollen. 

Die Eingaben der deutschen Delegation wurden heute in einem Statement durch den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing und die Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Irme Stetter-Karp auch in ihrer Eigenschaft als Präsidentin und Präsident des Synodalen Wegs gemeinsam vorgetragen. 

Bischof Georg Bätzing betont darin, dass die „Situationen, in denen wir in Europa leben unterschiedlich sind. 

Wir brauchen überzeugende Antworten, wie wir in diesen Situationen das Evangelium neu entdecken und verkünden können. Aber wir dürfen keine Sonderwege gehen. Wir gehen gemeinsam den Weg, den Gottes Geist unsere Kirche führt: an vielen Orten, mit vielen Menschen, in vielen Formen. Es ist ein Kairos der Kirche, ihre Synodalität zu entdecken und zu gestalten.

Auf die erste Frage des Arbeitsdokumentes, welche Einsichten am intensivsten in Einklang mit den konkreten Erfahrungen und Gegebenheiten der Kirche in Europa stehen, stellt Bischof Bätzing fest, dass „die Erfahrungen unsere Kirche einen, auch wenn die Antworten noch nicht feststehen.

   Wir hören, dass Frauen mehr Teilhabe und Mitwirkung erwarten – und dass dies ein Anliegen der ganzen Kirche ist. 
          Wir hören, dass die Gläubigen eine Stimme haben wollen, wenn ihre Angelegenheiten beraten und entschieden werden.
          Wir hören, dass nach neuen Formen gesucht wird, das Priesteramt zu gestalten. 
          Wir hören, dass die Stärkung der Ökumene ein Herzensanliegen der ganzen katholischen Kirche ist.
          Wir hören, dass die Kirche für Menschen offenstehen soll, deren Lebensweise nicht den Normen des Katechismus entspricht, auch den queeren Personen.
          Wir hören und verstehen diese Anliegen. Ich teile sie ganz persönlich. Ich sehe meine Aufgabe als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz darin, sie in den weltweiten Prozess einzubringen, der die Kirche erneuern soll."

Auf die zweite Frage, welche wesentlichen Spannungen oder Divergenzen aus europäischer Sicht besonders wichtig sind und welche Probleme oder Fragenstellungen auf den nächsten Etappen des Prozesses in Angriff genommen und berücksichtigt werden sollten, fügt Irme-Stetter Karp an:

„Die katholische Kirche darf nicht nur auf sich selbst schauen. Europa wird von einem mörderischen Krieg gefährdet. Weltweit gibt es verheerende Kriege und Bürgerkriege, die schlimmes Leid verursachen. Wir brauchen hier in Prag ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern der Kriege, ein Zeichen der Hoffnung auf Frieden. Wir brauchen es nicht nur in der Form von Deklarationen. Wir brauchen es in der Weise, wie wir Kirche sind. Wir brauchen Wege, unsere Schuld aufrichtig zu bekennen und unsere Einheit zu stärken. Wir brauchen Wege, in denen wir Geschlechtergerechtigkeit verwirklichen. Wir brauchen Wege, Menschen willkommen zu heißen. Unser Ziel ist es, den Klerikalismus zu überwinden und die gemeinsame Verantwortung für die Verkündigung des Evangeliums zu stärken. Wir brauchen keine Uniformität. Wir brauchen Einheit in Vielfalt.“

Die dritte Frage, über welche Prioritäten, wiederkehrenden Themen und Handlungsaufforderungen man sich mit anderen Ortskirchen in der ganzen Welt austauschen und welche auf der ersten Sitzung der Synodenversammlung im Oktober 2023 diskutiert werden können, 

"führt zu einer Antwort, die Realismus mit Glaube, Hoffnung und Liebe verbindet. Wir dürfen den systemischen Missbrauch nicht verdrängen. Das sind wir den Betroffenen schuldig. Wir können uns auf die Charismen besinnen, die Gaben, die Dienste und Energien des Geistes, die alle Gläubigen in die Kirche einbringen. Wir brauchen eine Klärung, was wir unter Synodalität verstehen: im Sehen, im Urteilen und im Handeln. Das gemeinsame Priestertum aller steht nicht im Widerspruch zum Priestertum des Dienstes – und umgekehrt. Gemeinsames Beraten erleben wir schon jetzt im synodalen Prozess. Wie kommen wir auch in einem gemeinsamen Prozess zu Entscheidungen?"

Das Statement von Irme Stetter-Karp und Bischof Georg Bätzing kann am Schluss - mit einer ausdrücklichen Bezugnahme auf Papst Franziskus und seinen Brief zu Beginn des Synodalen Wegs - auch als Replik auf die römische Kritik am Synodalen Weg und seiner Arbeitsweise und der beabsichtigten Einrichtung eines Synodalen Rates in der Nachfolge des Synodalen Wegs gelesen werden:

"Wir stimmen Papst Franziskus zu: Synodalität dient der Evangelisierung.  Synodalität ist ein spiritueller Prozess, der klare Formen findet. Papst Franziskus hat klargestellt: Synodalität muss „von unten“ beginnen, immer wieder neu; dann erst gibt es die „Synodalität von oben“. Die Bischöfe tragen die Leitungsverantwortung: nicht einsam, sondern gemeinsam, verbunden mit dem ganzen Volk Gottes."