Freitag, 27. Januar 2023

Von kritischen Äußerungen des Papstes, einem grundverschiedenen Verständnis von Synodalität und einer möglichen Rückfalloption für den Synodalen Weg

(Screenshot: katholisch.de vom 27.01.2023)

Konnte man die kritischen Stellungnahmen aus Rom – von dem absenderlosen Schreiben vom 21.07.2022 über die schriftlich nachgearbeiteten Vorträge der beteiligten Kurienkardinäle beim interdikasteriellen Gespräch vom 18. November 2022 bis zum letzten, am 23.01.23 veröffentlichten Schreiben aus dem Staatssekretariat des Vatikans – nicht eindeutig mit der Meinung des Papstes ineins setzen, dessen Brief vom 29.06.2019 zu Beginn des Synodalen Wegs noch als grundsätzliche Bestätigung für die angebrochene "Zeitenwende" verstanden werden konnte, belegt ein am Mittwoch bekannt gewordenes, ausführliches Interview, wie kritisch Papst Franziskus über den deutschen Synodalen Weg insgesamt denkt. Er sei „nicht hilfreich“, werde „von Eliten durchgeführt“,  sei „Ideologie“ gefährdet und müsse wieder „in die Kirche integriert“ werden.

War sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Anfang Januar noch sicher, dass es „kein Stoppschild des Papstes für Synodalen Weg“ gebe, lassen die nun das "in forma specifica" approbierte und zur Übermittlung angeordnete Schreiben bekräftigenden, abwertenden Worte keinen Zweifel daran, dass das wiederholte Nein zum Synodalen Weg und seinen Ergebnissen nicht auch von Papst Franziskus selbst geteilt wird. Und so diplomatisch am Montag noch das Festhalten an einem Dialog auf Augenhöhe zur Ausräumung von Missverständnissen als Lösungsweg formuliert wurde, so enttäuscht-kritisch fällt nun heute auch die persönliche Reaktion von Bischof Bätzing – ebenfalls in einem Interview – auf die Worte des Papstes aus.

"Warum hat der Papst nicht mit uns darüber gesprochen, als wir im November bei ihm waren? (Die Welt vom 27.1.2023)

Tatsächlich war die Anwesenheit des Papstes beim erwähnten interdikasteriellen Treffen, bei dem die Diskussion des Synodalen Wegs auf dem Programm stand, vorgesehen gewesen, das dieser zur Überraschung aller Teilnehmenden nicht wahrgenommen hatte. Die Position des Papstes war so hinter den kritischen Beiträgen der Präfekten der Dikasterien für die Bischöfe und die Glaubenslehre nicht klar herauszulesen gewesen. Um so deutlicher zeichnet sich für Bätzing jetzt ein unterschiedliches Verständnis von Synodalität ab.

 "Der Papst versteht darunter ein breites Sammeln von Impulsen aus allen Ecken der Kirche, dann beraten Bischöfe konkreter darüber, und am Ende gibt es einen Mann an der Spitze, der die Entscheidung trifft. Das halte ich nicht für die Art von Synodalität, die im 21. Jahrhundert tragfähig ist", so Bätzing. Die deutschen Bischöfe suchten dagegen im Rahmen des geltenden Kirchenrechts eine Möglichkeit des "wirklichen gemeinsamen Beratens und Entscheidens". (zitiert nach katholisch.de vom 27.1.2023)

Ob und wie sich im Rahmen des vor vier Tagen beschriebenen Willens zum fortgesetzten Dialog noch ein gemeinsam abgestimmter Weg finden wird, den Synodalen Weg mit seinen Ergebnissen und Entscheidungen zur synodalen Weiterarbeit in den weltkirchlichen Prozess der Weltsynode zu integrieren oder aber für Deutschland eine schon jetzt ausgesprochene "Rückfalloption" einer mit wichtigen neuen Aufgaben versehenen Gemeinsamen Konferenz von Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZDK) – wie bereits seit der Würzburger Synode (1971-1975) bewährt – eine Weiterführung des Synodalen Wegs nach der fünften und abschließenden Synodalversammlung Anfang März 2023 ermöglichen könnte, wird die entscheidende Frage der nächsten Wochen sein.


Montag, 23. Januar 2023

Klarstellung aus Rom und Fortsetzung des Dialogs zur Einrichtung eines Synodalen Rats

Brief aus dem Staatsekretariat des Vatikans vom 16.1.2023

Das Schreiben aus dem Staatssekretariat des Vatikans – mit Unterschriften der bereits beim interdikasteriellen Gesprächs anwesenden Kurienkardinäle der Dikasterien für die Bischöfe und die Glaubenslehre im Rahmen des Ad-limina-Besuchs der deutschen Bischöfe im November 2022 in Rom – war angekündigt und erwartet worden. Am Ende des heutigen Treffens des Ständigen Rats der deutschen Bischofskonferenz wurde das Schreiben von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, das auch von Papst Franziskus zur Übermittlung gutgeheißen wurde*, bekannt gegeben und damit zugleich der Anlass des Schreibens veröffentlicht: 

Fünf Mitglieder des 27 Diözesanbischöfe umfassenden Ständigen Rats der Deutschen Bischofskonferenz – die (Erz)Bischöfe aus Köln, Augsburg, Eichstätt, Passau und Regensburg – hatten sich an Rom gewandt mit der Frage, ob der auf der IV. Synodalversammlung des Synodalen Wegs mit Zweidrittelmehrheit (auch der Bischöfe) befürwortete "Synodale Rat" gemäß den Statuten des Kirchenrechts überhaupt möglich sei. 

Konkret geht es in einer zweigeteilten Fragestellung, der der Brief des Staatsekretariates nachgeht – u.a. mit Rekurs auf die Kirchenkonstitution Lumen Gentium des II. Vatikanischen Konzils (LG 21) – um die Bedeutung der Autorität und Leitungshoheit der Ortsbischöfe (die auch nach den Statuten des Synodalen Wegs nicht eingeschränkt ist) und eben die daraus folgende Frage, ob es auch unter der genannten unstrittigen Voraussetzung überhaupt im Grundsatz möglich ist, Synodalität auf allen Ebenen der Teilkirche vor Ort "auf Dauer" zu stellen und ein Gremium einzurichten, dass das Anliegen des Synodalen Wegs der Erneuerung der Kirche fortsetzt und weiterträgt und insofern auch „Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung“ in den Blick nimmt. 

Während der Brief des Staatssekretariates einen solchen Rat nicht nur auf nationaler, sondern auch schon auf diözesaner und pfarreilicher Ebene geradeheraus als illegitim einschätzt, hält die breite Mehrheit der Bischöfe des Ständigen Rates – entsprechend der erwähnten Abstimmung der IV. Synodalversammlung – dagegen, sich mit dem „in der Beschlussfassung enthaltenen Auftrag innerhalb des geltenden Kirchenrechts [zu] bewegen“, wie es heute in dem ebenfalls heute veröffentlichten Antwortstatement der Deutschen Bischofskonferenz heißt. 

Ein Dialog, der aus Sicht der Deutschen Bischofskonferenz nur zusammen mit dem Präsidium des Synodalen Wegs erfolgen kann, aber auch von Seiten des Staatssekretariates gegen Ende des Briefes als solcher zugesichert wird, muss der nächste Schritt der Verständigung sein, will sich der Weg der Synodalität der Kirche als ganzer nicht gegen sich selbst kehren.

* "in forma specifica" wurde das Schreiben von Papst Franziskus approbiert und zur Übermittlung angeordnet. 

Donnerstag, 5. Januar 2023

Verdichteter Moment einer Zeitenwende: Die Beerdigung des ehemaligen Papstes Benedikt XVI. durch seinen Nachfolger und die Neuausrichtung des Papstamtes

(Screenshot: Vatican Media vom 5.1.2022)
Eine Beerdigung eines Papstes durch seinen Nachfolger sucht in der Geschichte noch mehr ihresgleichen wie das zeitgleiche Erscheinen eines amtierenden und eines ehemaligen Papstes in weißer Soutane. Symbolisch ist es auch für die Ablösung eines überkommenen Papst- und Amtsverständisses zu einem neuen, das zugunsten einer heilsamen Dezentralisierung "die Primatsausübung [..] einer neuen Situation öffnet". Dieses Neuverständnis klang zwar schon bei Papst Johannes-Paul II. an, von dem ebendieses am 50. Jahrestag der Bischofssynode aufgenommene Zitat stammt. Und es findet sich auch angedeutet in den heute im Requiem für Benedikt XVI. von Papst Franziskus zitierten Worten seines Vorgängers, der sich der Notwendigkeit des Mittragens und der Fürsorge des Volkes – Zitate aus dessen Predigt zur Amtseinführung im Jahr 2005 – bewusst war. Doch waren die Pontifikate der beiden Vorgänger von Papst Franziskus über Jahrzehnte im Grundsatz doch deutlich an der Ausrichtung der Welt auf den jeweiligen Pontifex gekennzeichnet. Einer „Bekehrung des Papstamtes“ (vgl. EG 32) gleich sieht Franziskus in der Synodalität – der konstitutiven Beteiligung und synodalen Einbeziehung der Ortskirchen und einer subsidiär sich verstehenden Kurie – demgegenüber den neu fortzusetzenden „Weg, den Gott sich von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet“.

Dass gewissermaßen realsymbolisch Papst Franziskus seinen Vorgänger zu Grabe trägt, ist somit ein verdichteter Augenblick: zugleich für die Fortschreibung wie den Übergang zu einem Neuverständnis des Papstamtes, das nunmehr auch ohne den Schatten eines im Hintergrund präsenten Vorgängers wirksam werden kann. Auch dies eine „Zeitenwende“ – mit einem Wort aus dem Brief von Papst Franziskus an die Christen in Deutschland zu Beginn des Synodalen Weg gesagt.