Donnerstag, 21. Dezember 2023

"Segen und Liebe Gottes schließen alle Menschen ein"* –  Zur Erklärung „Fiducia supplicans“ des Dikasteriums für die Glaubenslehre vom 18.12.2023

Todos, todos, todos“ sagte Papst Franziskus Anfang August mehrfach während des Weltjugendtages in Portugal über eine Kirche, die allen Menschen offensteht. „Die Kirche mit offenen Türen für alle, alle, alle“ wiederholte Franziskus erneut auch zu Beginn der Weltbischofssynode Anfang Oktober in Rom.

Doch queere Menschen erleben im Verbot der Segnung homosexueller Partnerschaften diese offenen Türen nicht wirklich. Wenn die Kirche beinahe alles, Kerzen, Gegenstände, ja sogar Zäune segnen könne, aber den Segen manchen Menschen allein aufgrund ihrer sexuellen Identität, Lebensform und einer moralischen Bewertung vorenthalte, dann ist dies diskriminierend. Mit diesem Verständnis räumt das vom Dikasterium für die Glaubenslehre unter dem Titel „Mit flehendem Vertrauen“ mit expliziter Unterstützung von Papst Franziskus auf. Mit dem veröffentlichten Schreiben „über die pastorale Sinngebung von Segnungen“ wird eine „Art von Segen vorgeschlagen, der allen gespendet werden kann, ohne etwas zu verlangen“ (FS 27). Papst Franziskus, aus einer Katechese über den Segen (2020) zitierend führt die Erklärung aus: 

„Es ist Gott, der segnet. Auf den ersten Seiten der Bibel finden wir eine ständige Abfolge von Segen. Gott segnet, aber auch die Menschen bringen ihren Lobpreis zum Ausdruck, und bald erkennt man, dass der Segen eine besondere Kraft besitzt, die den, der ihn empfängt, sein Leben lang begleitet und das Herz des Menschen dafür bereit macht, sich von Gott verändern zu lassen [...]. Wir sind also für Gott wichtiger als alle Sünden, die wir begehen können, denn Er ist Vater, Er ist Mutter, Er ist reine Liebe, Er hat uns für immer gesegnet. Und er wird nie aufhören, uns zu segnen.“

Bischof Georg Bätzing hat bereits am Tag der Veröffentlichung der Erklärung deren Bedeutung unterstrichen: Dass sie erlaube, „dass Paaren, die etwa aufgrund einer Scheidung nicht die Möglichkeit zur kirchlichen Trauung haben, und gleichgeschlechtlichen Paaren ein Segen gespendet werden kann.“ Die Praxis der Kirche kenne eine Vielzahl von Segensformen, sodass es gut sei, dass dieser Schatz für die Vielfalt von Lebensmodellen nun gehoben werde. [...]

Zugleich müssen wir – mit den Worten einer Stellungnahme von Kardinal Marx gesprochen – ernstnehmen, die Erklärung und ihren Geist auch in unsere Kultur zu übersetzen. Hier wird es gelten, an die Ergebnisse und Handlungstexte des Synodalen Wegs der Kirche in Deutschland anzuknüpfen und sie im Licht der neuen Erklärung in die pastorale Praxis zu übersetzen: Dass wirklich auch für alle Menschen – ohne jede Form der Diskriminierung und Abqualifizierung – erfahrbar wird, dass der Segen und die Liebe Gottes alle Menschen einschließt – und die Kirche diesen Segen auch „vor Ort“ in einem würdigen Rahmen weitergibt. Ein wichtiger Schritt ist damit getan, auch wenn es noch nicht der letzte sein darf.


* erstveröffentlicht (ohne Verlinkungen) auf https://bistumlimburg.de/beitrag/segen-und-liebe-gottes-schliessen-alle-menschen-ein/



Sonntag, 29. Oktober 2023

mit Weitsicht auf den Horizont blicken“ – Ermutigungen und Mahnungen der Abschlusspredigt der Weltsynode für den weiteren synodalen Prozess und in Deutschland

Screenshot Vaticannews 29.10.23

Mit einer Predigt zum Tagesevangelium Mt 22, 34–40 und der darin behandelten Frage nach dem wichtigsten Gebot setzt Papst Franziskus quasi einen Schlussakkord auf die zurückliegenden vierwöchigen Beratungen der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode:

Auch wir, die wir in den lebendigen Strom der Tradition eingetaucht sind, fragen uns: Was ist das Wichtigste? Was ist die treibende Mitte? Worauf kommt es am meisten an, so sehr, dass es das allem zugrundeliegende Prinzip ist? (…) Am Ende dieses Wegabschnitts, den wir zurückgelegt haben, ist es wichtig, auf das „Prinzip und Fundament“ zu schauen, von dem aus alles beginnt und wieder neu beginnt: Gott mit dem ganzen Leben zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst.“ (press.vatican 29.10.2023)

Gottesliebe setzt Papst Franziskus ineins mit der „Bewegung des Herzens“ der Anbetung, die bedeutet „im Glauben anzuerkennen, dass nur Gott der Herr ist und dass unser Leben, der Weg der Kirche und die Wendungen der Geschichte von der Zärtlichkeit seiner Liebe abhängen.“ Mit der Aufnahme eines Zitats des verstorbenen Kardinals Carlo Maria Martini wendet sich Papst Franziskus gegen alle Versuche und Versuchungen, „‘Gott kontrollieren‘ und in seine Schemata“ zu zwängen,

„»der nicht so gemacht ist, wie ich ihn mir vorstelle, der nicht von dem abhängt, was ich von ihm erwarte, der also meine Erwartungen durchkreuzen kann, gerade weil er lebendig ist. Die Bestätigung dafür, dass wir nicht immer die richtige Vorstellung von Gott haben, ist, dass wir manchmal enttäuscht sind: Ich habe dies erwartet, ich habe mir vorgestellt, dass Gott sich so verhalten würde, aber ich habe mich geirrt. Auf diese Weise begeben wir uns wieder auf den Weg des Götzendienstes, wenn wir wollen, dass der Herr nach dem Bild handelt, das wir uns von ihm gemacht haben« (I grandi della Bibbia. Esercizi spirituali con l’Antico Testamento, Florenz 2022, 826-827). (Ebd.)

Gottes Handeln – so Franziskus weiter – „ist jedoch immer unvorhersehbar, geht darüber hinaus“. In Bezug auf die Synodenversammlung hebt Papst Franziskus das „Gespräch des Geistes“ hervor, indem die „liebevolle Gegenwart des Herrn erfahren“ werden konnte:

„Wir haben einander zugehört, und vor allem haben wir durch die reiche Vielfalt unserer Geschichten und Empfindungen hindurch auf den Heiligen Geist gehört. Heute sehen wir noch nicht die volle Frucht dieses Prozesses, aber wir können mit Weitsicht auf den Horizont blicken, der sich vor uns auftut“. (Ebd.)

Weitsicht auf den Horizont: Der Synoden-Synthesebericht

Eben dieser Horizont wird konkret auch in der Anlage des gestern als Abschlussbericht und zugleich als Vorbereitungsdokument für die nächste synodale Phase verabschiedeten Synthesepapiers der Synode sprachlich ausgeleuchtet und mit weiteren Raum- und Weg-Metaphern illustriert:

„In jedem der drei Teile werden in jedem Kapitel Konvergenzen, zu behandelnde Fragen und Vorschläge, die sich aus dem Dialog ergeben haben, zusammengetragen. Die Konvergenzen zeigen die Fixpunkte auf, an denen sich die Reflexion orientieren kann: Sie sind wie eine Landkarte, die es uns ermöglicht, uns auf dem Weg zu orientieren und uns nicht zu verirren. Die zu behandelnden Fragen sammeln die Punkte, bei denen wir erkannt haben, dass es notwendig ist, das theologische, pastorale und kanonische Studium fortzusetzen: Sie sind wie Kreuzungen, an denen wir innehalten müssen, um die Richtung besser zu verstehen, die wir einschlagen müssen. Die Vorschläge hingegen zeigen mögliche Wege auf, die zu beschreiten sind: einige werden vorgeschlagen, andere empfohlen und wieder andere mit mehr Nachdruck und Entschlossenheit gefordert.“ (Relazione di sintesi; eigene Übersetzung)

Änderung der Sexualmoral?

Bereits gestern und auch heute wird neben anderen Themen vor allem die „Änderung der Sexualmoral“, die die Synode mit breiter Mehrheit beschlossen habe, als wichtiges Ergebnis in den Titelzeilen deutschsprachiger Presseberichte herausgestellt. Allerdings kommt der Begriff "Sexualmoral" als solcher nur im Abschnitt 16g vor, in der Menschen angesprochen werden, die in ihrer Erfahrung von Einsamkeit die Treue zum Lehramt und der kirchlichen Sexualmoral leben. Tatsächlich beziehen sich die Presseberichte näherhin auch konkret auf die Abschnitte 15 b und 15g, in denen es aber zunächst weniger um moralische als um anthropologische Fragen der Sexuellen Identität und Orientierung geht und auch weitere Themen mit angesprochen werden, die das vertiefte Gespräch mit den Wissenschaften notwendig machen.

15g) Einige Themen wie die Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung, das Ende des Lebens, schwierige Ehesituationen und ethische Fragen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz sind nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche umstritten, weil sie neue Fragen aufwerfen. Manchmal reichen die anthropologischen Kategorien, die wir entwickelt haben, nicht aus, um die Komplexität der Elemente zu erfassen, die sich aus der Erfahrung oder dem Wissen der Wissenschaften ergeben, und erfordern eine Verfeinerung und weitere Untersuchungen. Es ist wichtig, sich die nötige Zeit für diese Überlegungen zu nehmen und unsere besten Kräfte darauf zu verwenden, ohne sich zu vereinfachenden Urteilen hinreißen zu lassen, die den Menschen und dem Leib der Kirche schaden. Das Lehramt hat bereits viele Hinweise gegeben, die darauf warten, in geeignete pastorale Initiativen umgesetzt zu werden. Selbst dort, wo weitere Klarstellungen erforderlich sind, zeigt uns das Verhalten Jesu, das wir im Gebet und in der Bekehrung des Herzens verinnerlicht haben, den Weg nach vorn.“ (Ebd.; eigene Übersetzung)

Notwendigkeit Sexueller Bildung 

Wenn ich darauf hinweise, ist das keine Spitzfindigkeit, sondern es hat zwei wichtige Gründe, die auch mit meiner eigenen Profession als Dogmatiker und Religions- und Sexualpädagoge zu tun haben. Zum einen sind die Fragen rund um Sexualität eben nicht einfach nur oder ausschließlich ein Thema der Moraltheologie und Ethik, sondern ebenso sehr der Anthropologie und Dogmatik, der Pastoraltheologie und (Religions)Pädagogik, der christlichen Sozialwissenschaften, der biblischen Theologie etc. und damit ein gemeinsames Thema bald aller theologischen Disziplinen im Gespräch mit ihren jeweiligen Bezugs-, Human- und Kulturwissenschaften. Und zum anderen führt das alleinige Stieren auf eine „Änderung der Sexualmoral“ dazu, dass Abschnitte des Syntheseberichtes, die auf eine Verstärkung der Anstrengungen in der Sexualerziehung zielen, im wahrsten Sinn unbeachtet bleiben. Dabei heißt es in 14g konkret auf die Sexuelle Bildung bezogen:

14g) „Wir empfehlen, das Thema der affektiven und sexuellen Erziehung zu vertiefen, um die Jugendlichen auf ihrem Wachstumsweg zu begleiten und die affektive Reifung derjenigen zu unterstützen, die zum Zölibat und zur gottgeweihten Keuschheit berufen sind; die Ausbildung in diesen Bereichen ist eine notwendige Hilfe in allen Lebensabschnitten.“ (Ebd.; eigene Übersetzung)

M.a.W.: „Es braucht ein Ja zur Sexualerziehung“, wie ein Titel eines kurz vor Weltsynodenbeginn veröffentlichten Beitrags in der Herder Korrespondenz lautet. Und es braucht in Deutschland als nächstes auch endlich statt eines weiteren Jahres des Zuwartens auf eine Änderung der Sexualmoral auf Ebene der Weltkirche einer Bearbeitung und Umsetzung des bereits im Rahmen des Synodalen Wegs erarbeiteten, vorliegenden, aber auf unbestimmte Zeit aufgeschobenen Handlungstextes „Sexualpädagogische Begleitung und Förderung sexualpädagogischer Konzepte in allen pädagogischen und pastoralen Einrichtungen“!

Eliminierung von Missbrauchsursachen

Dieser zur Eliminierung von Missbrauchsursachen in Deutschland grundlegende Text hat bisher noch nicht* den Status einer schriftlichen Dokumentation im Zuge der geplanten Print-Publikationen von ZDK und DBK erhalten. Von daher – um auf die heutige Predigt von Papst Franziskus zum Abschluss der zurückliegenden synodalen Etappe zurückzukommen – muss die Rezeption der Ergebnisse der Synode vor allem in einen Selbstauftrag und in ein erneuertes, vertieftes Engagement vor Ort münden, will man den anstehenden Aufgaben nicht ausweichen.

„Heute sehen wir noch nicht die volle Frucht dieses Prozesses, aber wir können mit Weitsicht auf den Horizont blicken, der sich vor uns auftut: Der Herr wird uns leiten und uns helfen, eine synodalere und missionarischere Kirche zu sein, die Gott anbetet und den Frauen und Männern unserer Zeit dient und hinausgeht, um allen die tröstliche Freude des Evangeliums zu bringen.“ (press.vatican 29.10.2023)

 


 * Nachtrag vom 18.11.23: Eine Veröffentlichung aller noch nicht beschlossenen Handlungstexte des Synodalen Wegs ist in Nachfolge einer Buchpublikation aller beschlossenen Texte jetzt ebenfalls angekündigt worden.

Samstag, 28. Oktober 2023

„...am Anfang eines Lernprozesses": Zweidrittelmehrheit für das Abschlussdokument der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode „Eine synodale Kirche in der Sendung“

Screenshot vaticanmedia 28.10.23
Nach der abendlichen Schlussabstimmung 
am 28.10.23 in der Synodenaula Paul VI.

Noch gestern dämpfte der seit Synodenbeginn als Geistlicher Begleiter den Synodenverlauf prägende Dominikanerpater Timothy Radcliffe die Erwartungen hinsichtlich konkreter Ergebnisse:

Many people watched this synod with massive expectations of changes. They look to see how to be the future of the church will be changed. And I think this is perhaps not always looking for the right thing. It's a synod that gathers to see how we can be church in a new way, rather than what decisions need to be taken: How we can be a church that listens to each other across cultures and listens to the traditon across time. 
And this is something only slowly learning to do: Learning how to take decisions together, how to listen to each other. So, we are really at the beginning of a learning process. (Vaticanmedia 27.10.23; eigene Übertragung*Übersetzung s. unten) 

 Wir lernen, auf welche Art wir Entscheidungen miteinander treffen. Wir sind noch am Anfang eines Lernprozesses.(Ebd.) 

Zweidrittelmehrheit für das Abschlussdokument  

P. Giacomo Costa SJ, Kardinal Jean-Claude Hollerich und
Kardinal Mario Grech im spätabendlichen Pressebriefing.

Doch tatsächlich wurde mit mehr als einer Zweidrittelmehrheit (mit 336 Ja- und 10 Nein-Stimmen) das 
zusammenfassende Abschlussdokument „Eine synodale Kirche in der Sendung von der  XVI. Generalversammlung der Bischofssynode  einschließlich einiger Reform- und Zukunftsthemen angenommen. Mit Ausblick auf den zweiten Teil der Synode im Jahr 2024 bietet der Text Überlegungen und Vorschläge zu Themen wie der Rolle der Frauen und der Laien, dem Amt der Bischöfe, dem Priestertum und dem Diakonat, der Bedeutung der Armen und Migranten, der digitalen Mission, der Ökumene und dem Missbrauch. Zwar ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit angenommen, aber 'umstrittener' mit jeweils unter 300 Stimmen waren einzig die Absätze zum "Diakonat der Frau" (9j mit 277 Ja-Stimmen, 9n mit 279 Ja-Stimmen und 11i mit 285 Ja-Stimmen) und zum Zölibat der Weltpriester (11f mit Ja-291 Stimmen). 

Vierzig Seiten umfasst das Dokuments insgesamt. Es entstand „während alte und neue Kriege in der Welt wüten, mit dem absurden Drama unzähliger Opfer (...) Der Schrei der Armen, derer, die zur Migration gezwungen sind, derer, die Gewalt erleiden oder unter den verheerenden Folgen des Klimawandels leiden, ist unter uns laut geworden, nicht nur durch die Medien, sondern auch durch die Stimmen vieler, die mit ihren Familien und Völkern persönlich von diesen tragischen Ereignissen betroffen sind“, heißt es im Vorwort des Dokuments. 

Die Inhalte des Syntheseberichts wurden in drei Teilen zusammengefasst. Der erste Teil widmet sich dem "Angesicht einer synodalen Kirche", der zweite Teil der "Gemeinschaft der Bezeugenden" und der dritte Teil der "Verbundenheit im Aufbau der Gemeinschaft". 

Morgen wird in der Messe zum Abschluss der XVI. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode darauf Bezug genommen werden, dass "Hunderttausende von Worten" als Samen für die kommenden elf Monate bis zum Beginn des zweiten Teil der Synode im Oktober 2023 anzusehen sind, "die in den Boden der Kirche gesät werden. Sie werden in diesen Monaten in unserem Leben, in unserer Vorstellungskraft und in unserem Unterbewusstsein wirksam sein. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werden sie Früchte tragen" (Vaticannews 23.10.23), wie dies Thimothy Radcliffe am Montag zu Beginn der letzten Synodenwoche ausdrückte. Die Art und Weise wie der Kommunikationsprozess geübt wurde, wird die anstehende Phase der Insemination in der Methode des "Gesprächs im Geist" gewiss prägen und hätte für Thimothy Radcliffe auch das Potential gesellschaftliche Bedeutung erlangen: 

I think this process of learning to listen to each other, to be with each other is of extraordinary importance today. We live in a world with going violence, and the collapse of communication, wether in the Middle East, Ukraine, many parts of Africa, and even within our own countries, my own country in the west or in the United States, where you see polarization, the collapse of communication. Somehow, we have to learn how to talk to each other and listen to each other. So my hope ist that this Synod will not just to be helpful healing for the Church but also for humanity.“ (Vaticanmedia 27.10.23; eigene Übertragung*Übersetzung s. unten) 


* Übersetzung des obigen Zitates:

Mittwoch, 25. Oktober 2023

„Der Weg der Synodalität, den Gott von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet" - Zur Bedeutung des "Schreibens an das Volk Gottes" der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode 

Screenshot vaticannews 25.10.23

Überraschender Weise wurde am Montag das für diesen Tag zur Veröffentlichung angekündigte „Schreiben an das Volk Gottes“ in der Synodenversammlung nur verlesen und zwar mit großem Applaus bedacht, dann aber nach Beratungen in den 35 Tischrunden und Sprachzirkeln und nachfolgenden Wortbeiträgen aus den verschiedensten Richtungen und einer weiteren Modifrist bis 18:00 Uhr am Montagabend einer neuen Redaktionsphase überantwortet – wie Paolo Ruffini in der Pressekonferenz am 23.10.23 berichtete –, so dass sie erst am heutigen Tag zur Abstimmung vorgelegt und am Nachmittag veröffentlicht werden konnte. 

Das wäre als redaktionelle Reminiszenz vielleicht keines gesonderten Absatzes in diesem Blog wert, wenn nicht schon die Verschiebung über den gestrigen arbeitsfreien Tag der Synode hinaus Anlass zu wilden Spekulationen mit Auslassungen über ein vermeintliches „Chaos“ und eine „Krise“ auf der Weltsynode gegeben hätte. Wahrscheinlich hätte ein weiteres, aber leider Pausentags bedingt ausgefallenes Pressebriefing die ins Kraut schießenden Mutmaßungen über den Synodenverlauf noch einfangen können. So wird es vor dem breiten und lauten Klangteppich die „Botschaft“ heute als solche nicht so einfach haben wie sonst bei Bischofssynoden, auch wenn die „Botschaften der Bischofssynode“ bislang immer als letztveröffentlichte Schreiben der Generalversammlungen viel weniger im Fokus standen als die jeweiligen Abschlussdokumente.

Zum Verständnis des "Schreibens an das Volk Gottes"

Dass die „Botschaft an das Volk Gottes“ nun auf die wichtigsten Gedanken bezogen dem Abschlussdokument vorausgeht, wird einmal mit dem vorläufigen Status des 1. Teils der Bischofssynode zur Synodalität zu tun haben, die ja im Oktober 2024 fortgesetzt wird. Und zum anderen soll über die vielen im Schlussdokument umkreisten Einzelthemen nicht die Grundbotschaft als solche verloren gehen bzw. zu kurz kommen, die der Synodalversammlung wichtiger ist, als vielen einzelnen Punkte, an denen die Synode „von außen“ gemessen wird und die auch im Schreiben selbst als „Fragen und Herausforderungen benannt werden.

Zum Verständnis der „Botschaft an das Volk Gottes“ ist es darüber hinaus wichtig zu wissen, dass sie in der Tradition aller vorangegangenen Bischofssynoden steht und 'tröstende' (consolative) und 'ermutigende' (exhortative) Teile enthält und immer in der inkludierenden Wir-Form geschrieben wird, die bei dieser Bischofssynode ein zu den Bischöfen um 54 Laiinnen und Laien, Priester und Ordensleute erweitertes Quorum von 365 Synodalen umfasst. Eine breite Mehrheit von 136 Synodalen (bei 12 Nein-Stimmen) stimmte für den jetzt veröffentlichten Text, den trotz oder wegen der gemeinsamen Verabschiedung gewiss manche als nicht weit genug gehend beurteilen werden – und das je mehr, wie nicht zwischen den zwei Dokumentenarten (Botschaft und Abschlussdokument) unterschieden wird bzw. unterschieden werden kann.

Zentrale Inhalte der "Botschaft an das Volk Gottes"

Zu Beginn des „Schreibens an das Volk Gottes“ wird an die Wegstrecke seit Synodenbeginn vor zwei Jahren erinnert. Es sei seitdem ein langer Prozess des Zuhörens und der Unterscheidung" gewesen, der für das ganze Volk Gottes offen war und niemanden ausschloss.“ Dabei wird die jetzt zu Ende gehende Versammlung, die am 30. September in Rom begann, als „eine wichtige Etappe in diesem Prozess“ beschrieben. „Vor dem Hintergrund einer krisengeschüttelten Welt – im Hinblick auf die Kriege weltweit und insbesondere aktuell im Nahen Osten und der Ukraine – war es mit dem Fokus auf die Synodalität der Kirche und einer daraufhin veränderten Zusammensetzung der Synodenplenums und der Stimmberichtigten „eine vielerlei Hinsicht war es eine noch nie dagewesene Erfahrung“: 

„Zum ersten Mal waren auf Einladung von Papst Franziskus Männer und Frauen aufgrund ihrer Taufe eingeladen, an einem Tisch zu sitzen und nicht nur an den Diskussionen, sondern auch an den Abstimmungen dieser Bischofssynode teilzunehmen. Gemeinsam, in der wechselseitigen Entsprechung unserer Berufungen, Charismen und Ämter, haben wir intensiv auf das Wort Gottes und die Erfahrungen der anderen gehört. Mit der Methode des Gesprächs im Geist teilten wir demütig den Reichtum und die Armut unserer Gemeinschaften auf allen Kontinenten und versuchten zu erkennen, was der Heilige Geist der Kirche heute sagen will.“ (Vaticannews vom 25.10.23)

"Und jetzt?"  oder: Wie es weiter geht

Und jetzt? Wir hoffen, dass die Monate bis zur zweiten Session im Oktober 2024 es allen ermöglichen werden, konkret an der Dynamik der missionarischen Gemeinschaft teilzuhaben, auf die das Wort „Synode“ hinweist. (…) Die Herausforderungen sind vielfältig und die Fragen zahlreich: Der zusammenfassende Bericht der ersten Session wird die erzielten Übereinstimmungen verdeutlichen, die offenen Fragen hervorheben und aufzeigen, wie die Arbeit fortgesetzt werden kann.“ (Ebd.)

Die Botschaft an das Volk Gottes schließt mit einem Zitat, das auch in diesem Blog seit dem 17.10.2015 – aus der Ansprache anlässlich des 50. Jahrestags der Bischofssynode im Rahmen der zweiten Familiensynode – immer wieder zitiert wurde und mit dem das Pontifikat von Papst Franziskus dauerhaft verbunden sein wird:

„Die Welt, in der wir leben und die zu lieben und ihr zu dienen wir aufgerufen sind, auch in ihren Widersprüchen, verlangt von der Kirche die Stärkung der Synergien in allen Bereichen ihrer Sendung. Es ist genau der Weg der Synodalität, den Gott von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet.“ (Ebd. bzw. Papst Franziskus am 17. Oktober 2015)

Aufgrund der Verzögerungen durch die Abstimmung des „Schreibens an das Volk Gottes“ im Synodenplenum am heutigen Nachmittag wurde die abschließende Beschlussfassung des Abschlussdokumentes auf den Samstag verschoben, so dass der morgige Freitag nochmals ganz den Beratungen des Entwurfs des Abschlusstextes in Kleingruppen und der Plenardiskussion gewidmet werden kann.


Samstag, 21. Oktober 2023

„How to live church in a complete different way“ – Oder: Wie zum Ende von Modul B3 die Erwartungen der Menschen hinsichtlich wahrnehmbarer Veränderungen mit dem Synodalen Weg der Kirche in Deutschland und dem synodalen Prozess der Weltsynode verbunden sind.

„Dass wir müde sind“, stellte Generalrelator Kardinal Jean-Claude Hollerich in seiner Einführung am Mittwoch der 3. Synodenwoche vor den nun beginnenden und abschließenden Beratungen des vierten Modul B3 fest „nach der Arbeit, die wir gemeinsam geleistet haben, die schön, aufregend, aber auch anstrengend war“. Aktuell ging es bis zum heutigen Tag um den Abschnitt des Instrumentum laboris, der der Teilhabe gewidmet ist, genauer um „Teilhabe, Verantwortung und Autorität“ und die Frage: „Welche Prozesse, Strukturen und Institutionen gibt es in einer auf die Sendung ausgerichteten synodalen Kirche?“

„Wir haben am eigenen Leib, oder besser gesagt in unseren Herzen, die Kraft eines so einfachen Instruments wie das Gespräch im Geist erfahren. Wie können wir seine Dynamik in die Entscheidungsprozesse der Kirche auf verschiedenen Ebenen einbringen?“ (Vaticannews vom 18.10.2023)

Bezugnahmen zum Synodalen Weg in Deutschland 

Screenshot vaticanmedia 21.10.23

In der Pressekonferenz am 21. Oktober 2023 stellte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck den Synodalen Weg in Deutschland vor und erläuterte den Anlass und die vier Bereiche, mit denen sich der Synodale Weg in Deutschland über drei Jahre seit dem Jahr 2018 auseinandersetzte: Die Machtfrage, die Priesterfrage, sowie die Sexualmoral und die Rolle der Frauen in der Kirche, die auch ein Thema des Instrumentum laboris und in der Synodalversammlung einschließlich der Zulassung zu Weiheämtern beraten worden sei.  „Wir müssen uns fragen, wie wir das sakramentale Leben der Kirche retten können und wie wir einen Schritt nach vorne machen können“ auch in Bezugnahme auf die Situationen in anderen Teilen der Weltkirche. Auf die Frage nach dem Einfluss der Weltsynode auf den Synodalen Weg in Deutschland verwies Bischof Overbeck, der auch Vize-Präsident der Europäischen Bischofskonferenz COMECE ist, auf den geistlichen Prozess, der die Beratungen in Rom kennzeichne:

„Umgekehrt präge die Weltsynode die spirituelle Dimension für den Synodalen Weg mit ihren Runden Tischen und Momente der Stille sowie allgemein der synodale Stil. Das werde alles auch einen Einfluss auf den Synodalen Weg in Deutschland für die Zukunft haben. (Vaticannews 21.10.2023) 

Powerful process 

In der Pressekonferenz am Tag zuvor, am Freitag, den 20.10.23, unterstrich der Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen CCEE, Erzbischof Gintaras Linas Grušas (Vilnius), dass die kontinentalen Beratungen, die europäischen, nord- und südamerikanischen, ozeanischen und afrikanischen Kontinentalversammlungen das Besondere dieser Weltsynode ausgemacht haben: Es habe in der kontinentalen Phase ein Teilen von Erfahrungen begonnen, das jetzt seit Anfang Oktober in Rom auf Ebene der Weltkirche fortgesetzt worden sei. Mit ähnlichen Worten wie Sr. Patricia Murray gegen Ende der Beratungen von Modul B2 betonte er, dass im Teilen der Denkweisen der verschiedenen beteiligten Personen - Bischöfe, Laien, Theologen, Berater, Frauen und Männer - ein Wandel stattgefunden habe, eine „Bekehrung des Denkens“, ein „Wandel des Lebens“, ein „Wandel der Denkweise“ ("change of live, change of mindset"):

"Es ist ein kraftvoller Prozess ("powerful process"), der die Kirche weiter bewegen und wachsen lässt.“ (Ebd.)

How to live church in a complete different way
Jenseits aller Einzelfragen, die oft nach "schwarz oder weiß", "ja oder nein", "gehen oder stoppen" diskutiert würde, sei - so Erzbischof Grušas - die eigentliche Diskussion dieser Synode „how to live church in a complete different way“, um einen neuen Prozess zu finden... Und es sei die Herausforderung, die Erfahrungen, die hier geteilt worden sind – in den spirituellen Gesprächen (Gespräche im Geist) – weiterzugeben: In die eigene Diözese, das jeweilige Land oder wie in seinem Fall als Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen auf Ebene eines Kontinents. Das sei „die Herausforderung“… wie es schon bei der kontinentalen Phase gewesen sei, als man kein vorgefertigtes Abschlussdokument gehabt habe und erst durch die Eingaben bei der 5-tägigen Kontinentaltagung zu den unerwarteten Früchten der gemeinsamen Arbeit gekommen sei. Es geht insgesamt weniger um direkte Schlussfolgerungen auf Einzelfragen, sondern darum zu lernen als Kirche synodal zu leben, dass sie ihre Früchte haben wird. Der Prozess sei derzeit wichtiger als irgendein konkreter Beschluss auf eine Einzelfrage hin. (Vgl. ebd., eigene Übersetzung).

Aber gleichwohl wissen die Synodenteilnehmenden ebenso, dass die Synode auch an dem Umgang mit den behandelten Einzelfragen gemessen wird. Kardinal Hollerich brachte diese Erwartungshaltung in der erwähnten Einführung zu Modul B3 ganz konkret ins Wort:

„Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass diese Synode anhand der wahrnehmbaren Veränderungen, die sich aus ihr ergeben, bewertet werden wird. Die großen Medien, vor allem die kirchenfernen, interessieren sich für mögliche Veränderungen bei einer sehr begrenzten Zahl von Themen. Ich werde sie nicht aufzählen, weil wir sie alle kennen. Aber auch die Menschen, die uns am nächsten stehen, unsere Mitarbeiter, die Mitglieder der Pastoralräte, die Menschen, die sich in den Pfarreien engagieren, fragen sich, was sich für sie ändern wird, wie sie die missionarische Nachfolge und die Mitverantwortung, über die wir in unserer Arbeit nachgedacht haben, in ihrem Leben konkret erfahren können.“ (Vaticannews vom 18.10.2023)

Es ist zu vermuten, dass die für Montag angekündigte „Botschaft an das Volk Gottes“ mit der Aufnahme der Erwartungen der Menschen weltweit einerseits und mit der Betonung einer sich in einem geistlichen Prozess der Synodalität wandelnden Kirche in eine ähnliche Richtung gehen wird, wie es in den Zitaten von Kardinal Hollerich, Bischof Overbecks und Erzbischof Grušas bereits anklingt.


Dienstag, 17. Oktober 2023

„It’s a call to become a ful human being“ oder: Über „einige der wichtigsten Punkte unserer Synode“ in Modul B2 des Instrumentum laboris

Screenshot Vaticanmedia 16.10.23
Sr. Patricia Murray IBVM 



Mit dem seit dem vergangenen Freitag behandelten Modul B.2 des Instrumentum laboris mit dem Titel „Gemeinsame Verantwortung in der Sendung: Wie können wir Fähigkeiten und Aufgaben im Dienst des Evangeliums besser miteinander teilen?“ berührte die Synodalversammlung nach den Worten des Generalrelators Kardinal Jean-Claude Hollerich „einige der wichtigsten Punkte unserer Synode.“ (Vaticannews 13.10.23)

Eine synodale Kirche hat den "Auftrag das Evangelium zu verkünden“, muss aber zugleich „in den vielfältigen Dimensionen unseres täglichen Lebens zum Ausdruck kommen. Zur Sendung der Kirche gehören das Engagement für eine ganzheitliche Ökologie, der Kampf für Gerechtigkeit und Frieden, die vorrangige Option für die Armen und die Ränder der Gesellschaft sowie die Bereitschaft, offen für die Begegnung mit allen zu sein.“ Auf die Anerkennung und Einbeziehung von Frauen zielten viele Fragen des Moduls, die von Kardinal Hollerich eigens herausgestellt werden: 

„Wie können wir dafür sorgen, dass die Frauen sich als integraler Bestandteil dieser missionarischen Kirche fühlen? Nehmen wir, die Männer, die Vielfalt und den Reichtum der Charismen wahr, die der Heilige Geist den Frauen gegeben hat?“ (Ebd.)

Alle einzelnen Themen und Fragen wurden in dem zuletzt am Sonntag in diesem Blog beschriebenen „Gespräch im Geist“ besprochen, in dem entgegengesetzte und in Spannung zueinander stehende Positionen ausdrücklich erwünscht waren: Um im gegenseitigen Zuhören eine Veränderung der eigenen Position wahrnehmen zu können bis hinein in den abschließenden freien Wortmeldungen am Ende des Moduls B2 im Gesamtplenum. Auch wenn es nach Auskunft der Presseberichte in der Arbeit der Kleingruppen und Generalkongregationen immer über konkrete Themen gesprochen wurde - insbesondere auch zu Fragen von Ämtern von Frauen in der Kirche wie z.B. zum Diakonen-Amt -, machten alle Wortmeldungen der verschiedenen Gäste in den Pressekonferenzen am Samstag, Montag und am heutigen Dienstag deutlich, dass von dieser Synode zur Synodalität noch keine konkreten Antworten zu speziellen Themen zu erwarten sind (zu denen jeden Tag auf‘s neue in den Pressebriefings auch die Frage nach der Einbeziehung von LGBTQ-Menschen gehörte, auch wenn sie eigentlich Thema des vorausgegangenen und bis zum Freitag der vergangenen Synodenwoche behandelten Moduls B.1 war) – und dies nicht nur, weil die Synode ja de facto erst im Oktober nächsten Jahres zu Ende gehen wird.

Time a a gift

Am eindrücklichsten wurde diese Einschätzung in dem Statement der aus Irland stammenden Loretoschwester Patricia Murray begründet, die als erste Frau überhaupt von Papst Franziskus in die Kommission der Erstellung des Abschlussdokumentes berufen wurde. Für Patricia Murray bezeichnet die jetzt bis ins nächste Jahr zur Verfügung stehende Zeit in der Pressekonferenz am 16.10.23 als "ein Geschenk":

"It’s like to entering a school of formation, to learn how to be a synodal." 
"Es ähnelt einem Eintreten in einen Bildungsprozess zu lernen synodal zu sein."

Ein Schlüsselaspekt sei dabei für sie als synodale Person in einer synodalen Kirche zu lernen Freiheit zu haben. Wie jede und jeder habe sie auch ihre eigenen Anliegen mitgebracht. Aber im Zuge des synodalen Prozesses habe sie erfahren, diese mehr und mehr bei Seite lassen zu können: im Gebet zur Erlangung der Freiheit und der Offenheit für die Positionen anderer, um auf diese Weise eine größere Gemeinschaft mit anderen auf dem synodalen Weg zu werden. (…) Es sei nicht nur eine Übung des Kopfes, sondern eine Bewegung, in der die ganze Person involviert sei: eine spirituelle Praxis, die  Lernen, Begleitung, Studium und vor allem das Gebet und das Vertrauen auf Gottes Geist verlangt.“

The call to become a ful human being

Und weil Murray dieses Statement als Antwort auf konkrete Fragen nach Veränderungen in der Kirche geben hatte, fügt sie ebenso selbstkritisch wie ironisch nach, dass dies "eine komplizierte Antwort" gewesen sei, um dann noch einmal ihre Aussage in kürzerer Weise zu pointieren:

 „Wir lernen nicht weniger als die Bedeutung von Bildung kennen für diesen Weg des Lebens, sind vielleicht frustriert und verstehen vielleicht nicht, was eigentlich passiert und wozu wir berufen sind. Doch sind wir dazu berufen die Fülle unseres Personseins zu leben: spirituell, seelisch und emotional. Es ist der Ruf im vollen Sinn Mensch zu sein.“

„It’s a call to become a ful human being.“
 

Sonntag, 15. Oktober 2023

Synodenhalbzeit: Der Erfolg des "Gesprächs im Hl. Geist", das Eingeständnis eines Datenlecks und das "Vertrauen in die Liebe"

Seit Beginn der XVI. Generalversammlung der Bischofsynode vergeht keine Pressekonferenz, in der nicht die neue Art und Weise des am 7.10.23 vorgestellten „Gesprächs im Hl. Geist“ gelobt wird, die durch das geschützte Beratungsambiente und die neue Sitzordnung an runden Tischen in Sprachgruppen ermöglicht wird. Entstanden sei dadurch – in den Worten des Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz Bischof Dr. Georg Bätzing – „eine neue Art des Miteinanders, die dem 'Gespräch im Geist' zugutekommt, dem gemeinsamen Hören voneinander und aufeinander, um miteinander Synodalität erfahren zu können.“ (Predigt am 15.10.23)

Kardinal Christoph Schönborn erläutert in einem Video den methodischen Ablauf dieser auch für ihn neuen synodalen Gesprächskultur auf https://fb.watch/nHfe4Jyv7c/

Im aktuell in der Synodenaula behandelten Modul B2 sind es abermals 35 Tischgruppen, die differiert nach den Sprachgruppen sich einem der von den einzelnen Synodenteilnehmenden selbst gewählten Arbeitsblättern in der Methode des "Gesprächs im Hl. Geist" widmen. So wird etwa das Arbeitsblatt B 2.1 an zehn Tischen, das AB B 2.2 an sieben, AB B 2.3 an sechs, AB B 2.4 an fünf und AB B 2.5 ebenfalls an sieben Tischgruppen bearbeitet. Wie bereits gesagt fließen die sich aus den Gesprächen der Tischgruppen ergebenden Rückmeldungen in den Entwurfstext des Abschlussdokumentes ein, wie dies zuvor am Donnerstag zum Ende des Moduls B1 sowie am vorangegangenen Samstag mit den Rückmeldungen zum Teil A des Instrumentum laboris bereits passiert ist. Eine zu Beginn der 2. Synodenwoche gewählte Kommission von Bischöfen unterstützt seitdem das Synodensekretariat bei der Erarbeitung des Abschlussdokumentes, von dem Paolo Ruffini im Pressebriefing am gestrigen 14.10.23 annahm, dass es ggf. weniger als formelles Abschlussdokument denn als erneutes Arbeitsdokument für den 2. Teil der Weltsynode im Oktober 2024 ausfallen werde.

Schatten von Datenleck und Indiskretionen 

Ein Schatten auf die bisher geübte Vertraulichkeit und Geheimhaltung der synodalen Beratungen wurde durch das im selben Pressebriefing vorgetragene Eingeständnis eines erst zum Ende des Moduls B1 der 2. Synodenwoche geschlossenen Datenlecks geworfen. Allgemeine Dokumente, Bilder und Sitzungsvorlagen waren ebenso wie vertrauliche Unterlagen seit Beginn der Synodenversammlung auf einem ungesicherten Cloud-Server abgelegt worden, um einigen Teilnehmenden mit Passwort-Problemen den Zugang zu den Sitzungsunterlagen zu ermöglichen. Dass hierdurch auch externe Beobachter und Medien Zugang zu vertraulichen Daten und Gruppenlisten bekommen konnten, wurde durch das amerikanische katholische Online-Magazin The Pillar bekannt. Obwohl es sich nicht um Ergebnisberichte für das Gesamtplenum zum Ende der Modulberatungen gehandelt hat, bleibt zu hoffen, dass geleakte Informationen nicht von interessierter Seite gegen die Synode oder Teilnehmende verwendet werden. 

Auch wenn die Tatsache eines ungesicherten Cloud-Servers dem Synodensekretariat selbst anzulasten ist, zeigt die Weitergabe des Zugangslinks nach außen doch auch die Bereitschaft einzelner Synodalen die vereinbarte Vertraulichkeit zu unterlaufen – bis hin zu bewusst eingegangenen Interviews und gezielten Veröffentlichungen zu konkret verhandelten Themen der Synode. 

"Vertrauen in die Liebe"

Zum Verlauf der synodalen Beratungen passend wurde am heutigen Festtag der Hl. Teresa von Ávila überraschend das Apostolische Schreiben "C'est la confiance" über das Vertrauen in die barmherzige Liebe Gottes anlässlich des 150. Geburtstages der Heiligen Therese vom Kinde Jesu und vom Heiligen Antlitz veröffentlicht. An die Synodenmitglieder könnte die Abschnitte 49 und 50 gerichtet ein, „dass, obwohl alle Lehren und Normen der Kirche ihre Bedeutung, ihren Wert, ihr Licht haben, einige dringlicher und grundlegender für das christliche Leben sind.“ Eben darauf habe Theresia ihren Blick und ihr Herz gerichtet.

"Als Theologen, Moraltheologen, Gelehrte der Spiritualität, als Hirten und als Gläubige, müssen wir, jeder in seinem Bereich, diese geniale Einsicht der kleinen Therese noch mehr aufgreifen und die Konsequenzen daraus zu ziehen, theoretisch wie praktisch, lehrmäßig wie pastoral, persönlich wie gemeinschaftlich. Dazu braucht es Mut und innere Freiheit." (Ebd., n. 50)


 

Donnerstag, 12. Oktober 2023

 „Die Menschen nicht mit Labeln, Etiketten versehen, sondern sie annehmen, wie Gott sie liebt“ - Oder: Das Ceterum censeo der 2. Synodenwoche zu Teil B1 des Instrumentum laboris

Die zweite Synodenwoche begann mit einer "Göttlichen Liturgie" in byzantinischem Ritus im Petersdom, in deren Predigt der griechisch-melkitische Patriarch Youssef Absi von Antiochien bereits bereits ein Motiv dieser Synodenwoche, die Seelsorge wiederverheiratet Geschiedener und polygamer Ehen, aufnahm. Dass die Liebe der Kirche gleich der göttlichen Liebe sich allen Menschen zuwenden solle, war auch das Ceterum censeo vieler Beiträge – angefangen von der Eröffnungsrede des Generalrelators Kardinal Jean-Claude Hollerich, über den Beitrag des britischen Dominikanerpaters Timothy Radcliffe (s.o.) bis zu den Beiträgen der Gäste der Pressekonferenzen am Dienstag, Mittwoch und am heutigen Donnerstag, insbesondere auch in den täglichen Berichterstattungen des Präfekten der Kommunikationsdikasteriums Paolo Ruffini und der Sekretärin der Informationskommission der Bischofssynode Sheila Leocádia.

Kirche offen für alle, kein identitärer Verein

Kardinal Hollerich zitierte in seiner Rede zweimal Papst Franziskus in seiner Betonung der für alle Menschen offenen Kirche:

"Alle sind eingeladen, Teil der Kirche zu sein. Beim Weltjugendtag in Lissabon wiederholte Papst Franziskus die Worte "todos...todos". Und in seiner Predigt bei der Eröffnungsmesse unserer Vollversammlung: "tutti... tutti". In tiefer Gemeinschaft mit seinem Vater durch den Heiligen Geist hat Jesus diese Gemeinschaft auf alle Sünder ausgedehnt. Sind wir bereit, das Gleiche zu tun? Sind wir bereit, dies mit Gruppen zu tun, die uns irritieren könnten, weil ihre Art zu sein unsere Identität zu bedrohen scheint? Todos... tutti... Wenn wir wie Jesus handeln, werden wir Gottes Liebe zur Welt bezeugen. Wenn wir das nicht tun, sehen wir aus wie ein identitärer Verein." (Eröffnungsrede Kardinal Hollerichs vom 9.10.23)
screenshot vaticanmedia 4.10.2023

In 35 Tischgruppen wurden in den sechs Synodensprache je eines der fünf Arbeitsblätter aus B1 entsprechend der schon geübten Methode des hinhörenden "Gesprächs im Geiste" bearbeitet, nachfolgend das Ergebnis in die Plenarversammlung eingebracht und durch freie Redebeiträge ergänzt. Wie in der Vorwoche bei Teil A wird auch der redaktionell erarbeitete Entwurf zu B1 nicht veröffentlicht, sondern fließt in den Gesamttext des Abschlussdokumentes ein. Eine Wallfahrt zu den Domitilla- und Calixtus-Katakomben beschloss die Arbeit an diesem für den Synodenverlauf sicher rückblickend zentralen Modul der Beratungen, bevor morgen mit einem erneuten Gottesdienst im Petersdom die Arbeit am nächsten Abschnitt B2 des Instrumentum laboris eröffnet wird.


Samstag, 7. Oktober 2023

Synodalität als Bezeichnung für die "neue Art und Weise, Dinge zu tun und Probleme seitens der Kirche anzugehen": Erste Pressekonferenz mit zwei Synodalen zum Ende der Beratungen zum Teil A des Instrumentum laboris

Screenshot Vaticanmedia 7.10.23

Wie in der ersten Pressekonferenz am Donnerstag, den 5.10.2023 vom Präfekten des vatikanischen Kommunikationsdikasteriums Paolo Ruffini und der Sekretärin der Informationskommission der Bischofssynode Sheila Leocádia Pires angekündigt waren heute mit dem kongolesischen Kardinal Fridolin Ambongo Besungu und der US-amerikanischen Ordensschwester Leticia Salazar erstmals zwei Synodale zum Ende der Beratungen von Teil A des Instrumentum laboris zu Gast beim heutigen Briefing.

Anders als in den vorausgegangenen Synoden werden die Ergebnisse der Beratungen in der Tisch- und Sprachgruppen, der sogenannten "circoli minori", ebenso wenig veröffentlicht wie der vorläufig daraus von der Redaktionskommission erarbeitete Entwurf für den entsprechenden Abschnitt A des Abschlussdokuments. Die Diskretion über die verhandelten Inhalte soll den Beratungsverlauf der Synode schützen und die Bedingungen des Einander Zuhörens und Unterscheidens bereiten. Ermöglichen soll dies die Methode eines "Gesprächs im Hl. Geist", die in der Pressekonferenz kurz erläutert wird.

Das Hören auf das Wort und das Wirken des Geistes

Auf eine kluge Weise führte Kardinal Besungo, der zugleich auch Präsident der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagascar (SECAM) ist, die Frage in der Pressekonferenz nach der Behandlung von LGBTIQ-Themen im Synodenplenum auf das derzeit in Teil A des Instrumentum laboris im Fokus stehende Thema der Synodalität zurück. Die Besonderheit dieser Synode bestehe ja genau darin, "eine neue Art und Weise zu definieren, Dinge zu tun und Probleme seitens der Kirche anzugehen." (Vaticannews 7.10.2023) Darin - so Kardinal Besungo - würde der Herr seiner Kirche den Weg zeigen auch mit den Fragen rund um LGBTIQ umzugehen.

Ausblick in Spannung auf die 2. Synodenwoche

Man muss kein Prophet sein, dass die Frage nach der Integration von LGBTIQ-Menschen, aber auch des Umgangs mit wiederverheiratet Geschiedenen und polygamen Lebensgemeinschaften auch in der nächsten Synodenwoche wieder im Zentrum stehen, werden doch diese Fragen im dann im Fokus stehenden Teil B1 tatsächlich angesprochen, so dass sie Gegenstand der Auseinandersetzung werden. Spätestens am Donnerstag, den 12.10.2023 werden dann die zum Presse-Briefing als nächste aus der Synodalversammlung geladenen Gäste Vertiefendes sagen können, bevor am Nachmittag eine für alle Synodalinnen und Synodalen obligatorische Wallfahrt ansteht. Vielleicht kann auf diese Weise Indiskretionen vorgebeugt und die Vertraulichkeit der Beratungen geschützt und vertieft werden.



Mittwoch, 4. Oktober 2023

„Die Kirche mit offenen Türen, für alle, alle, alle!“ – Die Eröffnung der 3. Phase der XVI. Generalversammlung der Bischofsynode

screenshot vaticanmedia 4.10.23

Mit einem Gottesdienst auf dem Petersplatz mit allen Synodalinnen und Synodalen und einer großen Beteiligung von Gläubigen aus aller Welt hat die 3. Phase der XVI. Generalversammlung der Bischofsynode begonnen. Papst Franziskus nahm in seiner Predigt direkt die von außen an die Synode herangetragenen Spannungen auf. In Bezug auf den heutigen Festtag des Hl. Franziskus stellte er heraus, dass Franz von Assisi „in einer Zeit großer Kämpfe und Spaltungen zwischen weltlicher und geistlicher Macht, zwischen der Amtskirche und häretischen Strömungen, zwischen Christen und anderen Gläubigen, niemanden kritisiert und sich über niemanden hergemacht [hat], sondern nur die Waffen des Evangeliums eingesetzt: die Demut und die Einheit, das Gebet und die Nächstenliebe. Lasst es uns ebenso machen! Machen wir es genauso: Demut und Einheit, Gebet und Nächstenliebe.“ (Vaticannews 4.10.23)

Die Synode ist kein Parlament

 „[W]ir  sind bei der Eröffnung der Synodenversammlung. Und da brauchen wir keinen innerweltlichen Blick, der aus menschlichen Strategien, politischen Überlegungen oder ideologischen Kämpfen besteht. Dass die Synode diese oder jene Erlaubnis erteilt, diese oder jene Tür öffnet - das braucht es nicht. Wir sind nicht hier, um eine parlamentarische Sitzung oder einen Reformplan voranzubringen. Die Synode, liebe Brüder und Schwestern, ist kein Parlament. […] Und wenn das heilige Volk Gottes mit seinen Hirten aus der ganzen Welt Erwartungen, Hoffnungen und auch einige Befürchtungen in Bezug auf die Synode hegt, die wir gerade beginnen, sollten wir uns erneut daran erinnern, dass sie keine politische Versammlung ist, sondern eine Zusammenkunft im Heiligen Geist; [...] ein Ort der Gnade und der Gemeinschaft.“ (Ebd.)

Die Hauptperson ist der Heilige Geist!

In seiner Ansprache zur Eröffnung in der Synodenaula unterstreicht Papst Franziskus seine Gedanken, dass der Geist derjenige ist, "der die Kirche hervorbringt": 

„Er ist es, der die Kirche schafft.“ Er ist „der Protagonist der Synode“. Ihm gegenüber stehe „die am weitesten verbreitete Krankheit in der Kirche: Geschwätz. Und wenn wir nicht zulassen, dass der Heilige Geist uns von dieser Krankheit heilt, wird ein synodaler Prozess kaum gut werden. Zumindest hier drinnen: Wenn du nicht einverstanden bist mit dem, was jener Bischof oder jene Ordensschwester oder jener Laie dort sagt, dann sag es ihm ins Gesicht. Dafür ist es eine Synode. Um die Wahrheit zu sagen, und nicht das heimliche Geschwätz." (press.vatican 4.10.23)

Wider den „Druck von außen“

In seinem eindringlichen Plädoyer für das Wirken des Geistes im Einander Zuhören erinnert Papst Franziskus an die in diesem Blog bereits erwähnten Drucksituationen der vorangegangenen Synoden:

Als die Synode über die Familie stattfand, gab es eine öffentliche Meinung, die von unserer Weltlichkeit herrührte, dass sie dazu da sei, den Geschiedenen die Kommunion zu ermöglichen: Und so sind wir in die Synode hineingegangen. Als es die Synode für das Amazonasgebiet gab, gab es die öffentliche Meinung, den Druck, dass es viri probati geben solle: Wir sind mit diesem Druck hineingegangen. Jetzt gibt es einige Spekulationen über diese Synode: »Was werden sie tun?«, »Vielleicht das Priesteramt für Frauen«..., ich weiß nicht, diese Dinge, die sie draußen sagen.“ (ebd.)

Perspektiven aus der Synodalität 

Wider alle Spekulationen von außen wurde Papst Franziskus in seiner Predigt im Eröffnungsgottesdienst konkret auf seine Erwartungen an die Synode - verbunden mit dem spirituellen Geschehen, gemeinsamer Andacht und Gebet, dem eigentlichen Movens der Synode:

Der offene Blick auf das Fehlen und die Erneuerung der Kirche:

„Unsere Mutter Kirche bedarf stets der Reinigung, der „Reparatur“, denn wir alle sind ein Volk von Sündern, denen vergeben worden ist.“ (Ebd.)

Der Offenheit für das Wirken der Geistkraft:

„Der Heilige Geist bricht dann oftmals unsere Erwartungen, um etwas Neues zu schaffen, das unsere Vorhersagen und unsere Negativität übertrifft." (Ebd.)

Die Offenheit der Kirche für alle Menschen:

„Die Kirche mit offenen Türen, für alle, alle, alle!" (Ebd.)