Samstag, 12. Oktober 2019

Über Höhe- und Tiefpunkte, "die innere Synode und die Synode außerhalb" und das Spüren einer "Aufbruchsstimmung": ein Rückblick auf die erste Woche der Amazonassynode
"Wir nähern uns mit christlichem Herzen und sehen die Realität des Amazonas mit den Augen eines Jüngers, um sie mit den Augen eines Jüngers zu verstehen und zu interpretieren… Und auch mit den Augen der Missionare, denn die Liebe, die der Heilige Geist in uns gelegt hat, treibt uns zur Verkündigung Jesu Christi auf; eine Verkündigung, wir alle wissen, dass sie nicht mit Proselytismus verwechselt werden sollte, aber wir nähern uns, die Amazonas-Realität mit diesem pastoralen Herzen, mit den Augen von Jüngern und Missionaren zu betrachten… Und wir nähern uns den Amazonasvölkern auf Zehenspitzen, respektieren ihre Geschichte, ihre Kulturen, ihren Lebensstil“. (Papst Franziskus in seiner Ansprache zur Eröffnung der Amazonassynode; eigene Übersetzung)
Mit der in diesen Worten ausgedrückten Haltung der Achtsamkeit und Hochachtung vor den Völkern des Amazonasgebietes eröffnete Papst Franziskus zu Wochenbeginn die Amazonassynode, deren Kernthemen im Anschluss – bezogen auf das Vorbereitungspapier der Synode (Instrumentum laboris) – von dem Generalrelator Kardinal Cláudio Hummes noch einmal zusammengefasst wurden: 
a) Die Kirche im Amazonas und ihre neuen Wege; b) Das Gesicht der Kirche Amazoniens: Inkulturation und Interkulturalität im missionarisch-kirchlichen Kontext; c) Die Dienstämter der Kirche im Amazonasgebiet: Priesteramt, Diakonat, weitere Dienste, die Rolle der Frauen; d) Das Handeln der Kirche bei der Pflege des gemeinsamen Hauses: Auf die Erde und die Armen hören; integrale ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Ökologie; e) Die Kirche Amazoniens in der städtischen Realität; f) das Thema Wasser. (Press.vatican.va vom 7.10.2019; eigene Übersetzung) 
Bis Mittwoch und am heutigen Samstag arbeitete die Synode mit jeweils 4-Minuten-Statements der Synodenteilnehmenden im Plenum der Generalversammlung und am Donnerstag und Freitag in Kleingruppen von zwölf Sprachzirkeln zur gemeinschaftlichen Vertiefung und Ausformulierung einzelner Punkte für das Abschlussdokument. Insgesamt gibt es fünf spanische, vier portugiesische, eine englisch-französisch gemischte und zwei italienische Kleingruppen, in denen die Kardinäle Christoph Schönborn und Reinhard Marx einbezogen sind. Anders als bei den drei vorausgegangenen Synoden wird nicht nach dem didaktischen Dreischritt „Sehen, Urteilen, Handeln“ (s. Stichwortverzeichnis) gearbeitet, sondern schon von Anfang an bezogen auf alle Themen des Vorbereitungsdokumentes. 

Wohltuend anders als bei vorausgegangenen Synoden – vor allem im Vergleich zu den Jahren 2014 und 2015, als der Eindruck „einer inneren Synode und einer Synode außerhalb“ und vielfältige Indiskretionen und Verdächtigungen den Synodenverlauf beeinträchtigten, so dass Papst Franziskus das Synodenplenum jetzt bat, den Synodenprozess „wie ein Baby“ zu pflegen –, sind die bisherigen Eindrücke des Synodenverlaufes harmonisch    und dies obwohl auch kontroverse Themen im Hinblick auf neue Zugänge zu Dienstämtern der Kirche, Liturgieformen und die Rolle der Frau diskutiert werden und bei den Pressekonferenzen Tag für Tag auch im Mittelpunkt stehen.
Umso erschreckender, wenn gegen den Synodenverlauf nun wirklich von ganz rechts außen gezündelt wird, indem einmal mehr das österreichische Internet-Nachrichtenmagazin kath.net den ebenfalls österreichstämmigen, in die Informationskommission der Amazonassynode gewählten, langjährigen Bischof von Xingu, Erwin Kräutler, – wider alle Wahrheit und den Wortlaut seines Statements auf der Pressekonferenz  – in populistischer Weise mit der Überschrift zitiert, dass er die indigenen Völker für „zu dumm“  halte, um den Zölibat zu verstehen, als er über die Herausforderung sprach, die zölibatäre Lebensform gegenüber Kulturen zu vermitteln, die diese Lebensform schlichtweg nicht kennen.

Und nicht minder erschreckend auch die zynische Polemik des ehemaligen Leiters der Glaubenskongregation Kardinal Gerhard Müller im Hinblick auf den ökologischen Fokus der Synode, wenn er Papst Franziskus direkt angreift und zu diskreditieren versucht mit der von einem anderen rechtskonservativen Internetmagazin gleich in der Überschrift verbreiteten Verächtlichmachung , dass es nicht seine Aufgabe als Nachfolger Petri sei, „sich um die Wasserqualität des Jordans oder die Vegetation in Galiläa zu kümmern.“

Und Müller schießt mit dieser beißenden Kritik nicht minder gegen die Enzyklika Laudato Si‘, obwohl sie noch zu Zeiten seiner Amtsführung in der Glaubenskongregation veröffentlicht wurde. Tatsächlich stellt Papst Franziskus  in seiner Schöpfungsenzyklika „Menschwerdung, Leben, Sterben und Auferstehung Jesu Christi in einen schöpfungstheologischen Gesamtentwurf“. (s. Blogbeitrag vom 19.8.2015) Ohne die typisch lateinisch-westliche Erlösungslehre mit ihrem Fokus auf der rechtlichen Bereinigung des Gott-Mensch-Verhältnisses und ihrer Frage, wie denn der Einzelne frei von Sünde und Schuld werde, hintanzustellen, orientiert sich das ebenso in der Theologiegeschichte verbürgte kosmologische Erlösungsverständnis der Enzyklika Laudato Si‘ „an dem in Schöpfung und Bibel gleichermaßen zu erkennenden Wirken Gottes, der Wahrnehmung und Wertschätzung alles Geschaffenen“ und der „Verantwortung für das gemeinsamen Haus“. (Ebd.)

Und ebendies ist der Ansatz, das Grundverständnis, der Amazonassynode, wie es Kardinal Hummes zu Synodenbeginn zum Ausdruck gebracht hat, und das die Synode in den nächsten Wochen und die Kirche wahrscheinlich darüber hinaus beschäftigen und prägen wird.
"Unsere Kirche ist sich bewusst, dass ihre religiöse Mission im Einklang mit ihrem Glauben an Jesus Christus unweigerlich die 'Pflege des gemeinsamen Hauses' einschließt." (Press.vatican.va vom 7.10.2019;  eigene Übersetzung)
"Alles ist miteinander verbunden" (LS 16, 91, 117, 138), zitiert Kardinal Cláudio Hummes aus Laudato Si‘, mit welchem Zitat aus der Schöpfungsenzyklika auch Kardinal Marx sein Statement – ebenfalls schon am Synodeneröffnungstag gesprochen– ausklingen ließ.

Dass der Heilige Geist die Synode leiten möge, ist der Wunsch, ist die Bitte zum Gebet und die damit einhergehende Aufforderung zur Parrhesia von Papst Franziskus an alle Synodenteilnehmenden. Das Interview der als Expertin teilnehmenden Misereor-Referentin für Brasilien, Regina Reinart, dass trotz des fehlenden Frauenstimmrechts derzeit „eine Aufbruchsstimmung […] ein Kairos-Moment, ein Moment der Entscheidung“ spürbar sei, stimmt zuversichtlich. 

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