„Ich
wünsche mir hier noch tiefergehende theologische Debatten“, sagte Bischof Heiner Koch am 25.2.15 in einem Doppelinterview mit Bischof Franz-Josef Bode gegenüber dem Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland katholisch.de zu seinen
Erwartungen an die diesjährige Familiensynode. Familienbischof Koch wie der Vorsitzende der Pastoralkommission waren zuvor neben dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx auf der Frühjahrsvollversammlung als Delegierte der Deutschen Bischöfe gewählt worden – und als deren Stellvertreter im Krankheit- oder Verhinderungsfall der Vorsitzende der Jugendkommission, Bischof Karl-Heinz Wiesemann, und der stv. Vorsitzende der Kommission Ehe und Familie, Weihbischof Wilfried Bernhard Theising aus Münster.
Bischof Karl-Heinz Wiesemann, Bischof Franz-Josef Bode, Reinhard Kardinal Marx, Bischof Heiner Koch (v.l.) © KNA |
Seit
dem Beschluss des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz
vom 27.1.2015 sich in allen 27 Diözesen an dem Fragebogen zur
Vorbereitung der Familiensynode im Oktober zu beteiligen, sind alle
Teilkirchen Deutschlands – so gut es jeweils vor Ort möglich gewesen ist – mit ihren diözesanen Gremien und Verbänden
mit den 46 Einzelfragen beschäftigt und praktizieren damit ganz
selbstverständlich, was Papst Franziskus sich für die ganze Kirche
wünscht: Angstfrei und engagiert zu kommunizieren und an die
'existentiellen Peripherien' des Lebens zu gehen, um von dort her das
Evangelium der Familie zu erschließen, wie zuletzt am 14.2.2015 in diesem Blog beschrieben.
Diese neu gewonnene Freiheit,
dass um theologische Fragen vor Ort gerungen und debattiert wird und
auch die Freiheit des Wortes gilt, erlebte ich selbst in fünf
Begleitveranstaltungen in den vergangenen Wochen am eigenen Leibe –
und spürte mit Bewegung und Dankbarkeit, dass an der Basis die von Papst
Franziskus auf den Weg gebrachte ‚Kirche im Aufbruch‘, die die
Auseinandersetzung mit den Fragen der Zeit, die Verheutigung und
Vertiefung der Lehre nicht scheut, lebendig ist. Und die
diözesanweiten Befragungen, die in diesen Tagen in jedem Bistum
ausgewertet werden, fördern sicher Gedanken zu Tage, die die Kirche
braucht, um mutig und gemeinsam weiter voranzuschreiten. Vielleicht ergeben sie
auch neue Impulse zu einer Argumentation der Deutschen Bischöfe
hinsichtlich der schwierigen Frage hinsichtlich der Möglichkeit der
Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten. Den
von der Deutschen Bischöfen hierzu herangezogenen 'Schlüsselgedanken'
der ‚Analogie‘ hatte ich in diesem Blog neben der ‚Gradualität‘
am 19.1.2015 bereits beschrieben und am 14.2.15 den
‚Freundschaftsbegriff‘ ergänzt.
Die
eigentliche pastorale Problemanzeige – noch bevor man einen
'Schlüsselgedanken' zur ‚Lösung‘ anwendet – wird durch den
Vergleich zweier, nur wenige Seiten voneinander entfernt stehender
Sätze in den ‚Überlegungen der Deutschen Bischofskonferenz zur
Vorbereitung der Bischofssynode‘ mit dem Titel ‚Theologische
verantwortbare und pastoral angemessene Wege zur Begleitung
wiederverheiratet Geschiedener‘ (Arbeitshilfe 273 des Sekretariates der
Deutschen Bischofskonferenz) in ihrer Dringlichkeit unabweisbar: Einigkeit
herrscht unter den Bischöfen – wider den Anschein einiger
Pressemeldungen – hinsichtlich der Beschreibung des Wesenselements der
Unauflöslichkeit der Ehe.
„Die Pastoral für Gläubige, deren Ehe gescheitert ist und die zivil geschieden und wiederverheiratet sind, darf bei allem Verständnis für die schwierige Situation, in der sie leben, das Zeugnis der Kirche für die Unauflöslichkeit der Ehe nicht verdunkeln und in der Öffentlichkeit keine Missverständnisse hinsichtlich der kirchlichen Lehre hervorrufen.“ (AH 273, 53)
Dies
unterstrichen, wird aber in dem folgenden Satz
das ausnahmslose Festhalten an dieser Praxis beinahe mit demselben
Wortlaut als 'Verdunkelung' eines noch höheren Wertes gesehen:
„Jedenfalls ist in der gegenwärtigen Situation festzustellen, dass die in Familiaris consortio (Nr. 84) geäußerte Sorge, dass die Zulassung zur Eucharistie von wiederverheiratet Geschiedenen bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung bewirkt, in eine umgekehrte Richtung gegangen ist: Die Nichtzulassung wird als Verdunkelung des Zeugnisses der Verkündigung der Barmherzigkeit gesehen.“ (AH 273, 60)
'Überlegungen der Deutschen Bischofskonferenz zur Vorbereitung der Bischofssynode vom 24. Juni 2014 über "Theologisch verantwortbare und pastoral angemessene Wege zur Begleitung wiederverheirateter Geschiedener", S. 51, 60.
Mit
welchen der genannten oder weiterer guter ‚Schlüsselgedanken‘
man an dieser Stelle weiterkommt, die ‚göttliche Pädagogik' (s. Relatio Synodi Nr. 13) in die heutige Zeit zu tragen, ist die Frage, mit welcher auch
viele andere zentrale Fragen verbunden sind und mit bewegt werden.
Dass die gesamte Kirche hier nach bestem Wissen und Gewissen ringt,
ist das Wünschenswerteste aber auch das Notwendigste, was einer Kirche im
Aufbruch gerade geschehen kann. Und man muss nicht mit der Gabe
prophetischer Rede begabt sein, um auch für die Zeit nach der
diesjährigen Bischofssynode vorauszusagen, dass auch dann die nicht nur von
den Deutschen Bischöfen eingebrachte Erwägung einer unter ganz
bestimmten Umständen möglichen Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten nicht – auch nicht rückblickend – als
‚Häresie‘ bezeichnet wird (wie es das in Österreich
ansässige, private Internetmagazin kath.net in einer Meldung
vom 2.2.2015 Kardinal Josef Cordes gegenüber Walter Kardinal Kasper in den Mund legt). Polarisierende, unter Druck setzende und
tendenziöse Berichterstattungen – wie sie Bischof Stephan Oster unlängst
kennzeichnete – können zwar das Erscheinungsbild der Kirche nach
innen und außen trüben, aber die von Papst Franziskus garantierte
‚Freiheit, die es in der Kirche gibt‘
und die Aufforderung, den synodalen Prozess um der Verheutigung der
Kirche und des Evangelium willen weiterzuführen, weder verhindern,
noch aufhalten, noch grundlegend schwächen.
Nicht
selten fühlte ich mich – u.a. auch bei der Lektüre einiger
anlässlich des zweiten Jahrestages der Wahl von Papst Franziskus
publizierter Zeitungsberichte – an eine Predigt am Silvestertag 2014 von Papst Franziskus erinnert, in welcher er nachdenklich ins Wort brachte,
"dass es für den Herrn einfacher gewesen ist, Israel aus Ägypten herauszunehmen, als Ägypten aus den Herzen der Israeliten."
Dabei ist gerade dies das Evangelium, die frohe Botschaft für unsere Zeit: Den Menschen zu verkünden, "dass dies die Zeit der Barmherzigkeit ist", wie es Papst Franziskus am 28.7.2013 auf dem
Rückflug vom Weltjugendtag in Brasilien ausdrückte. "Das ist die Zeit der Barmherzigkeit", sagte er auch am zweiten Jahrestag seiner Papstwahl,
an dem er völlig überraschend ein Heiliges Jahr der Barmherzigkeit,
beginnend am 8.12.2015, dem 50. Jahrestag des Abschlusses des II.
Vatikanischen Konzils, ausgerufen hat. Wie diese Barmherzigkeit
konkret in die heute Zeit zu übersetzen ist, welche Konsequenzen sie
für die Lehre und die Pastoral der Kirche und für die ‚Mission
der Familie in der gegenwärtigen Zeit‘ hat, dass sie weit mehr ist
als ‚bloßes Gutmenschentum‘, ein ‚Schlupfloch‘, eine
‚billige Gnade‘, darum wird es auf der XIV. Ordentlichen
Bischofssynode vom 4.-25.10.2015 in Rom gehen. Und es heißt neu die "Türen und Fenster zu öffnen, um nahe bei den Menschen zu sein", wie es Rainer Kardinal Woelki aus Anlass des zweiten Jahrestages der Papstwahl in seinem 'Wort des Bischofs - Aggiornamento subito!' am 17.3.2015 ins Wort brachte.
Wir dürfen
gespannt sein, welche von den Ergebnissen des synodalen Prozesses, die
in diesen Tagen in den Diözesen oder den überdiözesanen
Verbänden und Gremien Deutschlands veröffentlicht werden, Impulse für die Lehre
und die Pastoral der Kirche in der Welt geben werden, einer Kirche, die nahe an den Nöten der Menschen von heute ist!
Ausführlichere Umfrageergebnisse sind vom Zentralkomitee der Deutschen Katholiken, den Bistümern Essen und Münster und den Erzbistümern Köln und München-Freising veröffentlicht worden.
Der Blog-Beitrag vom 19.4.2015 widmet sich der Frage der Lehrentwicklung und den unterschiedlichen Veröffentlichungen der Rückmeldungen der Diözesen und überdiözesanen Verbände und Gremien zur Vorbereitung der Familiensynode 2015!