Mittwoch, 8. Oktober 2014

'Hinhorchen', 'Hinschauen', die ' Kunst der Begleitung' und die 'Medizin der Barmherzigkeit'

"Wir brauchen einen wertschätzenden Umgang mit Situationen, die nicht der vollen Realität der sakramentalen christlichen Ehe entsprechen", sagte der Kardinal Schönborn der Wiener Zeitung bereits am 29.9.2014 und ebenso, dass er diesen Gedanken in seinem Redebeitrag bei der Synode hervorheben und im Zusammenhang des Umgangs mit Situationen des Scheiterns thematisieren werde.
 

                         (Bild Synodenaula )




Auch ohne mich auf den Blog zur Familiensynode vorzubereiten, hätte ich diese Nachricht des Wiener Kardinals wahrscheinlich aufgemerkt, schon weil er mich während meiner theologischen Freisemester in Fribourg als damaliger Professor für Dogmatik in seinem weißen Dominikanerhabit auf eben die Fragestellung hingewiesen hat, die seiner Meinung nach im Mittelpunkt der Summa Theologiae des Thomas von Aquin steht und mein Leben seitdem geprägt hat: der Freundschaftsgedanke.

Er gehört dem die Familiensynode vorbereitenden Synodenrat an, hat als Redaktionssekretär an dem im Jahr 1993 erschienenen Weltkatechismus mitgewirkt und kennzeichnete seine Devise in Hinblick auf diese Bischofssynode mit den Worten „Hinschauen“ und durch „ein bisher in dieser Form nicht übliches „Hinhorchen“. (Wiener Zeitung vom am 29.9.2014). Kardinal Schönborn war es auch heute in einem Interview gegenüber Radio Vatikan, der nach seinen bis dato zwei Redebeiträgen auf der Synode das 'Prinzip der Gradualität' ausführte und dabei auch ein Stück weit mehr Einblick in das Denken von Papst Franziskus gab:
Papst Franziskus hat uns erst bei dem Besuch der österreichischen Bischöfe im Jänner im Gespräch gefragt: ‚Wie ist das bei euch, ist das ähnlich wie in Argentinien, dass viele junge Menschen zuerst einmal zusammenleben?‘ [...] „Der Papst hat uns gesagt, dass wir diese Menschen begleiten müssen, Schritt für Schritt in diese Gradualität, damit sie entdecken, was die volle Gestalt des Sakramentes ist. Was die Ehe im Plan Gottes ist. Natürlich gibt es, Gott sei Dank, mehr und mehr junge Leute, die diesen Weg bereits in frühen Jahren durch den Glauben, vielleicht auch durch das Vorbild ihrer eigenen Familien entdecken, und ihn mit ganzem Herzen und mit ganzer Bereitschaft gehen. Viele andere lernen das erst allmählich kennen. Wichtig ist, dass wir sie begleiten - und das meint, so glaube ich, die Rede von der Gradualität, nicht des Gebotes Gottes, sondern der Erfüllung des Gebotes Gottes.“ (Artikel von Radio Vatikan vom 8.10.2014)
Die 'Kunst der Begleitung' war dann auch die Redewendung, die einer der drei Synodenpräsidenten, der Erzbischof von Aparecida in Brasilien, Kardinal Raymundo Assis zu Beginn der nachmittäglichen Beratung über die 'pastoral schwierigen Situationen' ins Wort brachte und sich dabei auf Papst Franziskus und sein Lehrschreiben Evangelii gaudium“ bezog:
Die Kirche wird ihre Glieder – Priester, Ordensleute und Laien – in diese „Kunst der Begleitung” einführen müssen, damit alle stets lernen, vor dem heiligen Boden des anderen sich die Sandalen von den Füßen zu streifen (vgl. Ex 3,5). Wir müssen unserem Wandel den heilsamen Rhythmus der Zuwendung geben, mit einem achtungsvollen Blick voll des Mitleids, der aber zugleich heilt, befreit und zum Reifen im christlichen Leben ermuntert.“ (EG 169)
Dass darin nicht nur ein westeuropäisches Thema berührt ist, brachte Kardinal Assis ins Wort, als er auf die wiederverheiratet Geschiedenen zu sprechen kam. Diese erleben „ihre Erfahrungen als tiefe Wunde in ihrem eigenen Menschsein, in ihrer Beziehung zu anderen und zu Gott“. Ein südafrikanisches Ehepaar wies außerdem auf folgende Situation hin: Durch den Ausschluss von den Sakramenten fühlen sie sich wegen ihrer vergangenen Beziehungen oder Fehler ständig neu für schuldig erklärt. (Vgl.  press.vatican.va und dt. Übertragung von Radio Vatikan vom 8.10.2014)
Bereits in der mittäglichen Pressekonferenz deutete der Pressesprecher Fr. Thomas Rosaci in seiner Zusammenfassung die Hauptpunkte der zuvor geführten Debatte am Mittwoch an. Gekennzeichnet sei die Diskussion durch eine größere Wertschätzung biblischer Sprache gegenüber naturrechtlichem Denken gewesen und bezog sich insbesondere auf eine 'language of mercy' und die durch einige Beiträge ins Wort gebrachte Rede zur Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils von Papst Johannes XXIII. In der 'Medizin der Barmherzigkeit' ('medicine of mercy') werde das Heilmittel nicht nur als 'springboard' für die Wertschätzung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, sondern auch für den Einbezug wiederverheiratet Geschiedener in die Gemeinschaft und Kommunion der Kirche wie auch für die Evangelisierung der Welt gesehen.

Dieser Gedanke des 'Heilmittels der Barmherzigkeit', den Papst Franziskus bezogen auf die Eucharistie schon in seinem Lehrschreiben 'Evangelii gaudium' angesprochen hatte, markierte dann - wie in einem untergründigen roten Faden - auch seine Ansprache auf der Generalaudienz am heutigen Mittwochmittag in Hinblick auf den zur Gemeinschaft führenden Weg und die Zielrichtung der Ökumene:
Liebe Freunde, lasst uns zur vollen Einheit voranschreiten! Die Geschichte hat uns getrennt, aber wir sind auf dem Weg in Richtung Wiedervereinigung und die Kommunion! Und das müssen wir verteidigen! Wir sind alle auf dem Weg zur Kommunion.” (priv. dt. Übertragung )


Dienstag, 7. Oktober 2014

Von Analogie und Gradualität – oder: erste Schlüsselbegriffe für Lösungsansätze der Familiensynode

Vielleicht wird man rückblickend von diesem Tag sagen – der die Auseinandersetzung mit dem naturrechtlichen Denkansatz wie mit der Berufung des Menschen zu Christus in Bezug auf die Familie (also die Kapitel III und IV des I. Teiles des 'Instrumentum laboris') vorsah –, dass an eben diesem Dienstagvormittag bereits die Schlüsselgedanken bewegt wurden, die für die offenen pastoralen Fragen der Familiensynode richtungsweisend werden sollten.
 
 

Montag, 6. Oktober 2014

Im Geist der Synodalität – oder: wie die Bischofssynode begann

'Welch ein Papst', dachte ich bereits heute Vormittag in ferner Erinnerung an das Zweite Vatikanische Konzil, nachdem Papst Franziskus zu Beginn der Synode für alle Synodalen einen „Geist der Synodalität“ beschwor und nochmals eindringlich zu einer offenen, freien Rede aufrief:


                                             (Bild: Synodenaula) 
"Eine Grundbedingung dafür ist es, offen zu sprechen. Keiner soll sagen: ‚Das kann man nicht sagen, sonst könnte ja jemand von mir so oder so denken...’ Alles muss ausgesprochen werden, was jemand sich zu sagen gedrängt fühlt! […] Man muss alles sagen, was man sich im Herrn zu sagen gedrängt fühlt: ohne menschliche Rücksichten, ohne Zögern!“ (Pressemeldung von Radio Vatikan vom 6.10.2014)


Diese Ermutigung gilt den Synodenteilnehmern in erster Linie, aber – das erinnerte ich direkt im Anschluss an diese Meldung – auch jedem Einzelnen von uns. Kardinal Marx sagte in einem am gestrigen 5.10.2014 im Deutschlandradio  Kultur veröffentlichten Interview, das „auch die Wissenschaftler und Theologen und die Bischöfe, die nicht an der Synode beteiligt sind, weiter zu diskutieren, öffentlich zu diskutieren“ aufgefordert sind, damit die vom Papst gewünschte Dynamik des synodalen Prozesses auch Wirklichkeit werden kann. Der Erfolg der Synode hängt auch an uns.

Für die Kirche in Deutschland gilt das insofern besonders, als wir ja nicht nur mit Geldwerten Transparenz zeigen müssen. Wir müssen es auch und gerade mit den wirklichen 'Werten' tun, die ja unser eigentliches, wirkliches Kapital bedeuten. Und wir müssen deutlich machen, woher wir sie nehmen, und vor allem, wie wir sie begründen; indem wir sie kommunizieren, wenn wir sie nicht verraten oder über Sprachlosigkeit gar schon aufgegeben haben.

In den vergangenen Tagen habe ich es auch persönlich so erlebt, dass erst über die Auseinandersetzung mit den Themen, sich die Sprache findet und auch eine Klärung einsetzt. Etwa auf die Gretchen-Frage, ob sich die Lehre der Kirche am Ende der Synode geändert haben werde. Genau diese Frage wurde ich heute in einem Interview für die Aktuelle Stunde des WDR  tatsächlich gefragt. Mal abgesehen davon, dass man es sich leicht machen kann dahingehend, dass man sagt, dass man den Ergebnissen der Synode natürlich nicht vorweggreifen kann, kann doch aus einer Kölner „Fernsichtbrille“ etwas viel Weitergehendes gesagt werden, womit der synodale Gedanke im Sinne des Papstes tatsächlich weitergetragen ist:

Gekommen war das Filmteam aus Anlass der Synode und aufgrund der Freischaltung einer eigenen Themenseite zur Familiensynode und wegen des in der Pressemeldung des Presseamtes des Erzbistums Köln vom 2.10.2014 angezeigten, transparenten Umgangs in Hinblick auf den weiteren Fortgang der von Köln nach Rom getragenen Umfragergebnisse. Die festgestellte Differenz zwischen der kirchlichen Lehre und dem Leben der Katholiken – zugleich der Ansatzpunkt der Synode -, markiert nun aber genau den springenden Punkt, dass die Lehre wieder die Gläubigen erreichen muss, damit sich die Menschen mit ihr und der Kirche identifizieren. Weit jenseits einer richtungslosen Veränderung – oftmals „Anpassung an den Zeitgeist oder den Mainstream“ genannt – muss es um eine Vertiefung der Lehre gehen, in der die Gläubigen sich und ihren Glauben wiedererkennen; die nicht abgehoben, sondern mit ihnen verbunden wahrgenommen werden muss, in der der gestern angesprochene 'Herzschlag der Zeit' wahrnehmbar wird, nach- und widerhallt.

Und genau das zeigte der vom vorbereitenden synodalen Rat als 'Relator' gewählte  Kardinal Erdö an, indem er zunächst den breiten Konsens der Rückmeldungen im Blick auf die mit Ehe und Familie zusammenhängenden Themen in einer insgesamt einstündigen Einführung (ein Orginalvideo aus der Synodenaula!!!), einer ersten Zusammenstellung ('relatio') der schriftlichen Rückmeldungen (noch vor den mit dem heutigen Tag einsetzenden Diskussionen), ins Wort brachte: nämlich dass Ehe und Familie als etwas grundlegend Gutes wahrgenommen werden auch dass die Unauflöslichkeit der Ehe von den Katholiken in der Regel nicht als solche in Frage gestellt ist. Der Ausgangspunkt ist für ihn deshalb zunächst einmal ein rundweg positiver:
Es gibt […] im Innern der Kirche keinen Grund zu einer Katastrophen- oder Resignations-Stimmung. Es gibt ein klares und von der Mehrheit mitgetragenes Glaubenserbe, von dem die Synodenversammlung ausgehen kann.“  (Pressemeldung von Radio Vatikan vom 6.10.2014)
Aber der ungarische Kardinal deutet auch die Richtung an, in der der synodale Weg die nächsten Tage fortschreiten wird: die Gefährdungen der Familie seien anzusprechen, die der Familie feindlich gesonnen sind, in einer Welt der Ungleichheit und der sozialen Ungerechtigkeit. Auch der Ehevorbereitung und der Weise der Begleitung von Menschen in Trennung / Scheidung, die nicht nur auf den Empfang der Sakramente reduziert werden dürfe, müsse ein besonderes Augenmerk gelten. Ein Ausrufezeichen setzte der Relator der Bischofssynode als er im Blick auf die ‚Ehen ohne Trauschein’ darauf hinwies, dass die Kirche die „Gelegenheit nicht verstreichen lassen könne, auch in Konstellationen, die weit von den Kriterien des Evangeliums entfernt sind, den Menschen nahe zu sein“, so Radio Vatikan in derselben PressemeldungUnd dass selbst über homosexuelle Partnerschaften gesprochen werde, deutete Kardinal Marx am Abend gegenüber Radio Vatikan an.

Mehr als eine Reminiszenz auch der Ausblick, dass über die Fragen zur Verfahrensvereinfachung von Annullierungen ungültig geschlossener Ehen hinaus auch die Praxis orthodoxer Kirchen, eine „zweite oder dritte Ehe mit Buß-Charakter zu erlauben“, genauer studiert werden solle, wie es Radio Vatikan in der schon genannten Pressemeldung zusammenfasst. Aufmerken lässt schließlich auch ein Satz hinsichtlich der Fragen rund um Sexualität und verantworteter Elternschaft, dass er im Hinblick auf die Aussagen der Enzyklika „Humanae vitae“ von Papst Paul VI. auf eine „positive Neuformulierung der Botschaft“ setze. (Vgl. ebd.)

Die Erwartungen sind erfüllt, wenn nicht übertroffen. Der Mut und die Entschlossenheit, die großen Themenbereiche anzugehen, ist dem ersten Pressebericht und den Stellungnahmen als Reflex auf den ersten Synodentag anzumerken, die oben angesprochene 'Relatio' veröffentlicht – und die Ausführungen atmen den zu Anfang dieses Posts von Papst Franziskus angesprochenen ‚Geist der Synodalität‘, den er für die Synode geradezu personifizieren will:

Sprecht mit Freimut und hört mit Demut! Und tut dies in aller Ruhe und in Frieden, denn die Synode entwickelt sich immer cum Petro et sub Petro. Die Anwesenheit des Papstes ist eine Garantie für alle.“ (Pressemeldung von Radio Vatikan vom 6.10.2014)

 

Sonntag, 5. Oktober 2014

Was alles neu ist bei der ersten Synode unter der Leitung von Papst Franziskus

                                   (Bild: © Andrea Göppel)

Die kommende Synode ist in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit. Direkt mit dem Beginn setzt Papst Franziskus bei der ersten Bischofssynode unter seiner Leitung Akzente:



Samstag, 4. Oktober 2014

Die Synode ist eine Sensation – oder: um was es geht…

                         (Bild: © Andrea Göppel) 
Diese Synode ist eine Sensation. Denn die Fragen, um die es geht, sind ja im Grunde gar keine offenen, sondern längst entschiedene – an prominenter Stelle nachzulesen –, verbindliche Lehre. Ein bekannter, theologisch nicht so zart besaiteter und handwerklich denkender Freund sagte mir, dass sie 'mit Zement angerührt seien, denn auf alle offenen Fragen gebe es doch eindeutige Antworten'. Und er hat – von dem mehr unangemessenen Wortspiel abgesehen – insofern recht, als die kirchliche Lehre doch eindeutig formuliert ist:

Freitag, 3. Oktober 2014

Was als Ergebnis der Synode schon feststeht...

Dass mir nachgesagt würde, dass ich schon wüsste, wie die Familiensynode ausgeht, hörte ich gestern mit einem Augenzwinkern nach einem Interview für das Kölner Domradio. Für zwei Aspekte stimmt das auch, die aber weder eine Spekulation darstellen noch den Verlauf der Bischofssynode in irgendeiner Weise vorwegnehmen.  

                         (Bild: © Andrea Göppel)
 


Donnerstag, 2. Oktober 2014

Die Spannung könnte nicht größer sein...
 
Die mit Spannung erwartete III. Außerordentliche Bischofssynode zum Thema ‚Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung' beginnt am kommenden Sonntag, den 5.10.2014 in Rom.
 

    (Bild Synodenaula)
 
Mit Beginn der Synode möchte ich mit einem täglich aktualisierten Kommentar  den Verlauf wie den Fortschritt der Bischofssynode dokumentieren. Dabei möchte ich die in den nächsten Wochen veröffentlichten Stellungnahmen in Bezug auf die zugrundeliegenden Dokumente und die mit ihnen zusammenhängenden Fragestellungen einordnen. Eine Sonderseite des Erzbistums Köln hält weitere Informationen auf einer Themenseite zur Familiensynode bereit.