(Screenshot: Die Presse vom 21.12.2019) |
Die Glaubenskongregation und die Kongregation für die Evangelisierung der Völker
seien „zu einer Zeit gegründet, in der es einfacher war, zwischen zwei ziemlich
klar abgegrenzten Bereichen zu unterscheiden: einer christlichen Welt auf der
einen Seite und einer noch zu evangelisierenden Welt auf der anderen. Diese
Situation gehört jedoch der Vergangenheit an.“ Sie seien entsprechend seinem
programmatischen Schreiben Evangelii gaudium aus dem Jahr 2013 neu
auszurichten.
"Die Reform der Strukturen, die für eine pastorale Neuausrichtung erforderlich ist, kann nur in diesem Sinne verstanden werden: dafür zu sorgen, dass sie alle missionarischer werden«" (EG 27).
...„andere 'Landkarten', andere Paradigmen
Die
veränderten Rahmenbedingungen und den Ausgangspunkt der Evangelisierung heute
stellt Papst Franziskus in einer schonungslosen Analyse dar, in der „andere
„Landkarten“, andere Paradigmen, die uns helfen, unsere Denkweisen und Grundeinstellungen
neu auszurichten“, gefragt seien:
"Wir haben keine christliche Leitkultur, es gibt keine mehr! Wir sind heute nicht mehr die Einzigen, die Kultur prägen, und wir sind weder die ersten noch die, denen am meisten Gehör geschenkt wird. Wir brauchen daher einen Wandel im pastoralen Denken, was freilich nicht heißt […]. Das Christentum ist keine dominante Größe mehr, denn der Glaube – vor allem in Europa, aber auch im Großteil des Westens – stellt keine selbstverständliche Voraussetzung des allgemeinen Lebens mehr dar“. (Ebd.)
All
dies führe „zwangsläufig zu Veränderungen und neuen Schwerpunkten in den oben
genannten Dikasterien sowie in der gesamten Kurie.“
"Es geht also um große Herausforderungen und um notwendige Ausgewogenheit. Diese ist oft nicht leicht zu verwirklichen, aus dem einfachen Grund, dass in der Spannung zwischen einer glorreichen Vergangenheit und einer gestalterischen Zukunft, die in Bewegung ist, die Gegenwart liegt, in der es Menschen gibt, die notwendigerweise Zeit zum Reifen brauchen; es gibt historische Umstände, die im Alltag zu bewältigen sind, da während der Reform die Welt und die Ereignisse nicht stillstehen; es gibt rechtliche und institutionelle Fragen, die Schritt für Schritt gelöst werden müssen, ohne magische Formeln oder Abkürzungen." (Ebd.)
...die
Versuchung, sich auf die Vergangenheit zurückzuziehen
Trotz
aller Ungleichzeitigen insistiert Franziskus auf die Unausweichlichkeit der
Veränderung gegenüber einem – auch in den Ortskirchen nicht minder vorherrschenden – überkommenem Denken und dem Festhalten an nicht mehr zeitgemäßer Strukturen.
"In Verbindung mit diesem schwierigen geschichtlichen Prozess besteht immer die Versuchung, sich auf die Vergangenheit zurückzuziehen (selbst unter Verwendung neuer Formulierungen), weil diese beruhigender, vertrauter und sicherlich weniger konfliktgeladen ist. Auch dies gehört jedoch zum Prozess und zum Risiko, bedeutende Veränderungen einzuleiten. Hier muss man vor der Versuchung warnen, eine Haltung der Starrheit anzunehmen. Die Starrheit kommt von der Angst vor Veränderung und übersät am Ende den Boden des Gemeinwohls mit Pflöcken und Hindernissen und macht ihn so zu einem Minenfeld der Kontaktunfähigkeit und des Hasses. Denken wir immer daran, dass hinter jeder Starrheit irgendeine Unausgeglichenheit liegt. Die Starrheit und die Unausgeglichenheit nähren sich gegenseitig in einem Teufelskreis." (Ebd.)
Mit
den schon in früheren Reden zum selben Anlass zitierten Versuchungen und Krankheiten der Kirche – der "Krankheit, sich 'unsterblich', 'immun' oder sogar 'unentbehrlich' zu fühlen", der "Krankheit der geistigen und geistlichen 'Versteinerung'" sowie des „geistlichen Alzheimer“ – knüpft Papst Franziskus an seine Aufsehen erregende
Weihnachtsansprache an die Kurie aus dem Jahr 2014 an, die er – wie die Kirche insgesamt – wieder neu zu einem „lebendigen Körper“ verändern will. Und er zitiert die letzten Worte des im Jahr 2012 verstorbenen Kardinals Carlo Maria Martini.
»Die Kirche ist zweihundert Jahre lang stehen geblieben. Warum bewegt sie sich nicht? Haben wir Angst? Angst statt Mut? Wo doch der Glaube das Fundament der Kirche ist. Der Glaube, das Vertrauen, der Mut. […] Nur die Liebe überwindet die Müdigkeit.« (Ebd.)
Wie der über lange Jahre auf Reformen in der Kirche dringende Mailänder Erzbischof verbindet Papst Franziskus den Aufruf zur Reform mit der Weihnachtsbotschaft, mit „Logik der
Menschwerdung“, weil Christus „unsere Geschichte, die Geschichte eines jeden
von uns angenommen hat.“ Daran erinnere uns Weihnachten. „Die Menschheit also
ist der besondere Schlüssel, mit dem die Reform zu lesen ist. Die Menschheit
ruft auf, fragt an und ruft hervor, das heißt sie ruft dazu auf, hinauszugehen
und die Veränderung nicht zu fürchten.
"Weihnachten ist das Fest der Liebe Gottes zu uns – der göttlichen Liebe, welche die Veränderung inspiriert, leitet und korrigiert und die menschliche Angst, das „Sichere“ aufzugeben, besiegt, um uns neu auf das „Mysterium“ einzulassen." (Ebd.)
Eine Weihnachtsansprache, die in Analyse der Gegenwart wie
der Entschlossenheit zur Veränderung auch auf den Synodalen Weg der
Kirche in Deutschland zu lesen ist.