Fünf
Jahre "Amoris laetitia" - Ran an die heißen Eisen. Interview mit Fußnote* zum Beginn des Amoris laetitia-Aktionsjahres 2021-2022
Auf den Tag vor fünf Jahren unterzeichnete Papst Franziskus das Schreiben „Amoris laetitia“ zu
Ehe und Familie, das am 8.4.2016 veröffentlicht wurde. Auch wenn er die offizielle Lehre der Kirche damals unangetastet ließ, hat das Papier Türen für aktuelle Debatten geöffnet: zum
Beispiel zu wiederverheirateten Geschiedenen oder Homosexualität.
|
Das am heutigen 19.3.2021 beginnende Amoris laetitia- Aktionsjahr endet mit dem Weltfamilientreffen in Rom. |
„Amoris laetitia hat möglich gemacht, was wir
jetzt auch auf dem Synodalen Weg versuchen: Liebe und Sexualität in gelingenden
Partnerschaften nochmal neu auf unsere Gesellschaft hinzudenken“, sagt Holger
Dörnemann. Er leitet die Abteilung „Familien und Generationen“ des Bistums
Limburg und arbeitet als Experte im Forum zu Sexualität und Partnerschaft des
Synodalen Wegs mit. Das Forum diskutiert unter anderem darüber, wie die Kirche
in Zukunft mit homosexuellen Paaren oder wiederverheiratet Geschiedenen umgehen
sollte. Ohne „Amoris laetitia“ wären viele dieser Diskussionen heute so nicht
möglich, schätzt Dörnemann. „Der Papst hat viele heiße Eisen angefasst.“
Vor
fünf Jahren, im Anschluss an zwei Bischofssynoden zu Ehe und Familie,
veröffentlichte Franziskus das Papier, das viele als sein bis dato wichtigstes
Lehrschreiben bezeichneten. Er wolle mehr Barmherzigkeit in der kirchlichen
Morallehre zulassen, sagte er damals. Priester und Bischöfe sollten moralische
Gesetze nicht anwenden „als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von
Menschen wirft“.
In
mehreren Paragraphen widmete er sich sogenannten „unvollkommenen Situationen“,
also Lebensgemeinschaften, die nicht dem katholischen Ideal der Ehe
entsprechen. „Er schaut auf alles, was in der persönlichen Geschichte der
Menschen, der Paarbeziehung und der Familie an Wertvollem da ist – und nicht
nur auf das, was zum Ideal noch fehlt“, fasst Dörnemann das Papier zusammen.
Zum
Beispiel beim Thema Homosexualität. Zwar sei der große Schritt in Blick auf die
Würdigung homosexueller Partnerschaften ausgeblieben, sagt Dörnemann. Aber das
Papier sei auch revolutionär in dem, was nicht drinsteht. Denn obwohl im
Katechismus steht, dass homosexuelle Partnerschaften „in sich nicht in Ordnung
sind“, findet man das in Amoris laetitia nicht.
Das
liegt auf der Linie des Papstes, der grundsätzlich findet, „dass nicht alle
doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches
Eingreifen entschieden werden müssen“, wie er in Amoris laetitia schreibt (AL 3, vgl. AL 37). Priester und Bischöfe forderte er dazu auf „die verschiedenen Situationen
gut zu unterscheiden“. Zum Beispiel bei der Begleitung wiederverheirateter
Geschiedener. In einer Fußnote (AL 351) eröffnete der Papst die Möglichkeit,
diese in Einzelfällen wieder zu Sakramenten zuzulassen; die Entscheidung
darüber überließ er den Ortskirchen. Als eine der ersten habe daraufhin die
Deutsche Bischofskonferenz 2017 in einem Papier die Möglichkeiten des Einbezugs
von Paaren aller Art am Gemeindeleben und an der Eucharistiefeier eröffnet,
sagt Dörnemann.
Dass
Ortskirchen eigenverantwortlich abwägen und entscheiden können, das fordern
auch die Befürworter des Synodalen Wegs. „Ortskirche und Weltkirche müssen
ineinander spielen“, sagt Holger Dörnemann und wünscht sich, pastorale Schritte
in Bezug auf Liebe und Sexualmoral in Zukunft stärker in die Weltkirche
eintragen zu können. Die Offenheit von Amoris laetitia ermutigt dazu. Und die
nächste Bischofssynode im Herbst 2022 in Rom. Das Thema: Synodalität.
*Interview für https://www.bistumspresse.de/fuenf-jahre-amoris-laetitia, veröffentlicht am 18.3.2021. Es wurde am 12.3.21 geführt, drei Tage vor der Veröffentlichung der in Form,
Inhalt und Diktion aus der Zeit gefallenen und noch nicht einmal
persönlich vorgetragenen Note der Glaubenskongregation, die durch den unterzeichnenden Präfekten Kardinal Luís F. Ladaria am 15.3.21 erklärte, dass die Kirche "keine
Vollmacht" habe, homosexuelle Partnerschaften zu segnen, weil Homosexualität "nicht der
Schöpfungsordnung" entspräche und eine sexuelle Beziehung außerhalb der Ehe als "Sünde" nicht segenswürdig sei. Die
Stellungnahme des Dikasteriums für Laien, Familie und Leben vom 18.3.2021 schlägt hingegen wieder
pastorale und an den Amoris laetitia-Wortlaut anknüpfende Töne an zum „Thema Homosexualität - naturgemäß mit
anderer Akzentsetzung als im jüngsten Dokument aus der Glaubenskongregation.“ (Vaticannews vom 18.3.2021)
Der für das Dikasterium für Laien, Familie und Leben und zugleich für das Amoris laetitia-Aktionsjahr verantwortliche Kardinal Kevin Farrel erklärte aus Anlass seiner Eröffnung:
"Wir
sind offen dafür, alle Menschen zu begleiten… Ich habe viele Male mit Menschen
zusammengearbeitet, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft
leben, und werde das auch weiterhin tun und sie weiterhin begleiten… Niemand,
niemand darf jemals von der pastoralen Fürsorge und Liebe der Kirche
ausgeschlossen werden!“ (Vaticannews vom 18.3.2021)
Es
zeigt sich einmal mehr – wie in diesem Blog über die zurückliegenden sieben Jahre seit den Befragungen im Vorfeld und Verlauf der
Familiensynoden und Jugendsynode festgehalten –, dass das Thema der pastoralen Begleitung aller Menschen
in Anerkennung ihrer sexuellen Orientierung, Lebens- und Familienform weiter
eine der zentralen Herausforderungen des Aktionsjahres Amoris laetitia
2021-2022 bis zur #Synod22 sein wird.
** "Andererseits
hat diese jüngste Antwort keine große Autorität: Die übliche Formulierung, der
Papst habe den Text "approbiert" wurde ersetzt durch: der Papst
"wurde informiert". Die Absicht, das Dokument als weniger bedeutsam
zu kennzeichnen, ist klar.“ (katholisch.de vom 28.3.2021)
**