(Ein Auszug aus den 'Lineamenta' in offizieller deutscher Übersetzung) |
Ohne Geheimnisse aus Gremien, Arbeitsgruppen und Gesprächsrunden zu verraten, an denen ich seit Ende Oktober teilnehmen konnte, hat etwa das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken auf seiner Vollversammlung vom 20.-21.11.2014 in Bonn zentrale Thesen zu Ehe und Familie offen zur Diskussion gestellt und darin auch den Verlauf der Weltbischofssynode diesen Jahres fortgesetzt. "Es ist von ganz besonderer Bedeutung, dass diese Offenheit in unserer Kirche Schule macht und zum Standard wird", so der ZDK-Vorsitzende Alois Glück in einer Pressemeldung vom 21.11.2014. Und er fügte hinzu und unterstrich damit den neuen Umgangsstil und die neue Haltung innerhalb der katholischen Kirche auch ganz formal als Synodenergebnis: "Es ist ein großer Fortschritt, ein Segen für unsere Kirche, wenn Meinungsverschiedenheiten nicht mehr verdrängt und verdeckt und auf nicht nachvollziehbaren Wegen geregelt werden, sondern offen zur Sprache kommen." (Ebd.) Für Papst Franziskus ist dies – so erklärte er am 10. Dezember im Rahmen einer Generalaudienz auch ein Zeichen dafür, dass ein 'normaler synodaler Weg' eingeschlagen ist. Denn:
„Das
ist die Freiheit, die es in der Kirche gibt.“ (Papst Franziskus, ebd.)
Und
wenn man so will, kann man diese Offenheit, den Willen zur Unterscheidung der
Geister und zur Transparenz, den ich selbst
auch in Hinblick auf die sehr offene Diskussion Ende November
innerhalb der Kommission Ehe und Familie der Deutschen
Bischofskonferenz bestätigen kann, auch in der Entscheidung des
Ständigen Rates der Deutschen Bischöfe manifestiert sehen,
in einer in diesen Tage erschienenen
Arbeitshilfe Nr. 273 unter dem Titel 'Texte und Dokumente der
Bischofssynode 2014‘ die Veröffentlichung folgender zum Teil
unveröffentlichter Beiträge vorzusehen: Neben den Predigten und
Ansprachen von Papst Franziskus während und zum Abschluss der
Synode, der ‚Relatio Synodi‘ und der Schlussbotschaft sollen auch
die Zwischenrelatio, die Antworten der DBK auf den Fragebogen
zur Vorbereitung der Synode und selbst die Positionsbestimmung der deutschen
Bischöfe zum Thema ‚Theologisch verantwortbare und pastoral
angemessene Wege der Begleitung wiederverheiratet Geschiedener‘
publiziert werden, wie Kardinal Marx am 18.12.2014 nochmals bekräftigte. Und das ist – erstmals veröffentlicht – eben
jene Positionsbestimmung der Deutschen Bischöfe, von welcher
Kardinal Marx bereits Ende September ankündigte, dass er sie in Rom vortragen
werde (s. den Blog-Beitrag vom 4.10.2014), und in der ersten Synodenwoche dann auch vorgetragen hat.
Nach
der Synode ist vor der Synode?!
Nach
der Synode ist vor der Synode, heißt es in der letzten Zeit oft. Und
mit einem weiteren Fragebogen stellt sich auch sofort ein
‚Déjà-vu’-Eindruck ein. Doch sosehr es nun auch wieder um eine
synodale Befragung und weltweite Einbeziehung aller Ortskirchen zur
Vorbereitung der nächsten Bischofssynode geht, ist die Situation
nicht nur in der bereits erwähnten, offeneren Weise der Kommunikation verändert. Denn
es wird deutlich, dass es nicht mehr darum geht wie vor der
Außerordentlichen Bischofssynode des Jahres 2014 Einstellungen und
Vorschläge zusammenzutragen, als wenn im nächsten Jahr eine Art
Reinszenierung derselben Fragestellungen und -bearbeitung nur mit z.T.
neuen Synodalen geplant wäre. Vielmehr geht es nächstes Jahr
um die Ausarbeitung, Vertiefung und Begründung der Synodenergebnisse
der Abschlussrelatio – entlang des bereits die Zwischenrelatio
zur Synodenhalbzeit kennzeichnenden Dreischrittes: Wahrnehmen der konkreten Umstände und
Herausforderungen, der Blick auf Christus und die Behandlung der
pastoralen Perspektive, wie Papst Franziskus die Gliederung am 10.12.2014
kurzfasste.
„...sich
von der pastoralen Wende leiten zu lassen“
Diese
auch das Abschlussdokument kennzeichnende Struktur soll nunmehr
konturiert, vertieft und weiterentwickelt werden – ggf. auch wieder ergänzt, wenn etwa wichtige Themen hinunter gefallen sind. Und indem der
Fragenkatalog mit den 46 Einzelfragen sich eng auf die ‚Relatio Synodi’ bezieht, soll zugleich verhindert werden, dass die Bischöfe
– Zitat – „ihre eigenen Vorstellungen von einer Seelsorge
als reiner Anwendung der Lehre“ äußerten, die nicht die
Folgerungen der Außerordentlichen Bischofssynode berücksichtige.
Der Fragenkatalog solle den „nötigen Realismus“ fördern
und das nächste Bischofstreffen von dieser Grundlage aus
weiterarbeiten. Man dürfe „nicht wieder bei Null anfangen“, heißt es
ausdrücklich in den Leitlinien. Die Außerordentliche Synode vom
Herbst 2014 müsse Ausgangpunkt für die künftigen Arbeiten sein und
die von ihr begonnene „pastorale Wende“, die „im
Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) und dem Lehramt von Papst
Franziskus“ wurzele, müsse fortgesetzt werden. Klarer und
unmissverständlicher kann man den Auftrag zur Vorbereitung der
nächsten Bischofssynode eigentlich nicht aussprechen. Und alle –
wirklich alle – Beiträge, Pressemeldungen und Kommentare zur Synode dieser und der kommenden Tage, Wochen und Monate, werden sich daran messen lassen müssen, ob sie dieser
Perspektive der Vorbereitung entsprechen – oder sich selbst
diskreditieren.
Worin
die 'pastorale Wende' besteht?
Aber
worin besteht die ‚pastorale Wende’ genau? Die einleitenden Sätze
des Fragenkataloges führen es überdeutlich aus – und werden
vielleicht deshalb auch so schnell überlesen und durch andere
Schlagzeilen vergessen gemacht –, dass ein neues Selbstverständnis
„in dieser Stunde der ‚Kirche, die aus sich herausgeht’“,
beschrieben und manifestiert wird.
„Der erneuerte, von der außerordentlichen Synode vorgezeichnete Weg gliedert sich in einen weiteren kirchlichen Zusammenhang ein, wie er von Papst Franziskus im Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium dargelegt wurde, der nämlich von den ‚existentiellen Peripherien’ ausgeht, einer von der ‚Kultur der Begegnung’ gekennzeichneten Pastoral, welche in der Lage ist, das freie Handeln des Herrn auch außerhalb unserer gewohnten Schemata zu erkennen und, ohne Verlegenheit, jenen Charakter des „Feldlazaretts“ zu übernehmen, welche der Verkündigung der Barmherzigkeit Gottes so förderlich ist.“Was das heißt, beschreibt Kardinal Schönborn in der Dezember-Ausgabe der Herder Korrespondenz als ein „ein noch offeneres Hinschauen auf die Lebenswirklichkeit“ sowie als einen „stärkeren Blick auf die Geschichtlichkeit von Ehe und Familie“. (Kathpress, 3.12.2014) „In der ersten Synode nämlich sei von Ehe und Familie oft so gesprochen worden, 'als handele es sich um etwas, das im interstellaren Raum stattfindet und nicht in einer bestimmten Geschichte, in einer bestimmten Gesellschaft, unter bestimmten Lebensbedingungen’“. (Ebd.) Wie dieser theologische Brückenschlag gelingen kann, welche Ansätze es gibt, welche Modelle und Begriffe, davon wird das nächste Jahr voll und eine breite Beteiligung in den Ortskirchen um der Sache selber willen nötig, ja um der Akzeptanz willen auch gefordert sein. Dass und wie diese Perspektive gehalten, geschärft und weiterentwickelt wird, werde ich in diesem Blog Monat für Monat gewissenhaft beobachten.
Im Grundsatz ist es ja
mutatis mutandis dieselbe Frage, die schon vor der Außerordentlichen Bischofssynode
an das Bischofstreffen herangetragen wurde – mit dem feinen und
entscheidenden Unterschied, dass nun Rom 'uns' in
einer wirklichen Weihnachtspost ebendiese
Fragestellung in 46 Einzelziffern zurückgibt und zur
gemeinsamen Exploration einlädt. Eine adventliche Verheißung und Ermutigung!
"Fürchtet Euch nicht..." (Lk 2,10)
Nachtrag am 23.12.2014: Wie im Erzbistum Köln der Umgang mit dem Fragenkatalog der 'Lineamenta' unter Einbezug der Kreis- und Stadtdekanate und Gremien und Verbände voranschreitet, können Sie hier nachlesen.