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Samstag, 29. Juni 2019

"Zeitenwende" - oder: Ein Brief von Papst Franziskus „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ gerade zur rechten Zeit
(Screenshot des Aufmacher-Beitrags auf katholisch.de vom 29.6.2019)


Als erste Bischofskonferenz überhaupt haben die deutschen Bischöfe ihre Rückmeldung zu der derzeit in allen Bischofskonferenzen der Welt beratenen Konstitution zur Kirchenverfassung mit dem voraussichtlichen Titel Praedicate evangelium gegeben, wie vorgestern zum Ende der 30. Sitzung des Kardinalsrates in Rom bekannt wurde. Sie nehmen damit Bezug auf den von Papst Franziskus ausgerufenen Prozess, die „Synodalität in der Kirche auf allen Ebenen zu stärken“, bei der die „missionarische Ausrichtung“ und Evangelisierung einen größeren Stellenwert bekommen soll (s. Blogbeitrag vom 14.3.2019). Genau diesen Aspekt, dieses Ziel der „missionarischen Dynamik“ und des „Primates der Evangelisierung“ stellt Papst Franzskus in einem Brief in den Mittelpunkt, den er bewusst nicht nur an die deutschen Bischöfe, sondern „an das pilgernde Volk in Deutschland‘ insgesamt richtet und auf dem synodalen Weg ermutigt. „Viel Lärm um nichts“ (Much Ado about nothing) lautete eine dreiviertel Stunde nach der Presseveröffentlichung des Papstbriefes von Seiten des Sekretariates der Deutschen Bischofskonferenz eine wohl bewusst wertende Bild-Textmarke eines österreichischen, privaten Nachrichtenmagazins. 

Tatsächlich ist das Papstschreiben aber eine nicht kraftvoller auszusprechende Unterstützung und Bestätigung des am Ende der Frühjahrsvollversammlung der DBK einmütig - bei vier Enthaltungen - ausgerufenen ‚Synodalen Weges“ (s. Blog-Beitrag vom 14.3.2019). Denn die Einwände und Kommentare, die kurz nach dem Plenartreffen der Deutschen Bischöfe nach einzelnen Stellungnahmen beteiligter Bischöfe veröffentlicht wurden, schienen Anlass, Bezeichnung, Beteiligte wie Ziel des synodalen Weges gleichermaßen wieder in Frage zu stellen. Dass er den Begriff „synodaler Weg“  weit von sich weise und als „Etikettenschwindel“ betrachte, wurde der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa in einem Interview zitiert. Kurz zuvor äußerte der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer im Rahmen eines Symposiums die Befürchtung, dass „[e]in synodaler Prozess, der meint, vor allem die Kirche neu erfinden zu sollen, […] einen Weg der Zerstörung“ beschreite. Und sein Generalvikar nahm just heute zumindest keinen Einspruch gegen eine Überschrift zu seinem Kommentar in demselben österreichischen Nachrichtenmagazin, dass der „synodale Prozess […] so nicht stattfinden“ könne. Doch ohne auf die vier in Lingen formulierten (s. Blogbeitrag vom 14.3.2019) und bereits aus vielen Bistümern und dem ZDK in abgestimmter Weise mit Expert/innen optierten Teilprojekte einzugehen, bestätigt Papst Franziskus gerade diesen von Seiten der Deutschen Bischöfe zusammen mit dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken eingeschlagenen Weg.

So danken der Vorsitzende der DBK, Kardinal Reinhard Marx, wie der Vorsitzende des ZDK, Thomas Sternberg, in einer gemeinsamen Stellungnahme vom 29.6.2019 für seine orientierenden und ermutigenden Worte, in dem sie sich „als Bischöfe und Laienvertreter eingeladen“ sehen.  Und sie erklären gemeinsam:
"Papst Franziskus möchte die Kirche in Deutschland in ihrer Suche nach Antworten auf die uns alle bewegenden Fragen für eine zukunftsfähige Gestalt der Kirche unterstützen."
Und sie deuten auch noch einmal die Umstände, die den synodalen Prozess in Deutschland angestoßen, ja notwendig gemacht haben: 
"Es ist das zentrale Anliegen von Papst Franziskus, die Kirche weiterhin als eine starke geistliche und pastorale Kraft zu verstehen, die das Evangelium in die Gesellschaft hinein vermittelt und glaubwürdig verkündet. Diese Glaubwürdigkeit ist in den zurückliegenden Jahren erschüttert worden. Wir sind als katholische Kirche in Deutschland gemeinsam aufgefordert, Vertrauen neu zu gewinnen."
Als erster Schritt des synodalen Weges ist eine Gemeinsame Konferenz von Vertreterinnen der Deutschen Bischofskonferenz und des ZdK am 5. Juli geplant, an dem der Brief des Papstes besprochen werden soll  „und weitere konkrete Schritte“  vereinbart werden sollen".

Ein übernächster Schritt ist auch schon bekannt, der ebenfalls in einer gemeinsam gehaltenen Konferenz von Bischofskonferenz, Zentralkomitee der deutschen Katholiken und weiteren Personen am 13. und 14. September 2019 bestehen wird, bei der ein erster Zwischenbericht vorgesehen ist. Bis dahin sollen auch „Zeitpunkt und Dauer der strukturierten Debatten klar sein“, wie von Seiten der DBK verlautet wurde.
In und mit diesem Procedere können sich eigentlich alle Beteiligten gesehen und vertreten fühlen – so sie nicht gänzlich gegen den 'synodalen Weg von Papst Franziskus‘ eingestellt sind. Diesen nunmehr nicht nur in Rom – wie seit den insgesamt drei Synoden auf weltkirchlicher Ebene in den Jahren 2014, 2015 und 2018 , sondern bei uns in Deutschland verfolgen zu können, erfreut mich mehr als ich sagen kann. Ebendies wird mit der päpstlichen Ermutigung "an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" heute deutlich. Der nunmehr von päpstlicher Seite bestätigte synodale Weg ist auch, wie dieser Blog seit den ersten Beiträgen heißt: Es ist „Papst Franziskus‘ Synodaler Weg“! Und mit dieser Unterstützungszusage endet auch sein Brief:

"Ich möchte euch zur Seite stehen und euch begleiten in der Gewissheit, dass, wenn der Herr uns für würdig hält, diese Stunde zu leben, Er das nicht getan hat, um uns angesichts der Herausforderungen zu beschämen oder zu lähmen. Vielmehr will er, dass Sein Wort einmal mehr unser Herz herausfordert und entzündet, wie Er es bei euren Vätern getan hat, damit eure Söhne und Töchter Visionen und eure Alten wieder prophetische Träume empfangen (vgl. Joel 3,1). Seine Liebe «erlaubt uns, das Haupt zu erheben und neu zu beginnen. Fliehen wir nicht vor der Auferstehung Jesu, geben wir uns niemals geschlagen, was auch immer geschehen mag. Nichts soll stärker sein als sein Leben, das uns vorantreibt!» [EG 3]"

Freitag, 15. März 2024

How to be a synodal Church on mission? – Themenstellungen und Arbeitsgruppen der XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode (2.-27. Oktober 2024)

Screenshot Vaticanmedia 14.3.24
Screenshot aus der Pressekonferenz / Vaticanmedia 14.3.24

Mit den in der Pressekonferenz des Sekretariats für die Synode vom 14. März vorgestellten Dokumenten konkretisiert sich der Weg zum zweiten Teil der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode (2.-27.10.24) und weist auch schon darüber hinaus.

Überraschend werden von Papst Franziskus insgesamt zehn in Studiengruppen zu erarbeitende Themenfelder aus dem Synthese-Papier (RdS) benannt, die über das Ende der Weltsynode hinausgehen und so bis mindestens Juni 2025 an Ergebnissen weiterarbeiten sollen. Über die schon im Dezember herausgehobenen Themen sind dies:

1.           Einige Aspekte der Beziehungen zwischen den katholischen Ostkirchen und der lateinischen Kirche (RdS 6)

2.           Das Hören auf den Schrei der Armen (RdS 4 und 16)

3.           Die Mission in der digitalen Welt (RdS 17)

4.           Die Revision der Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis in einer missionarischen synodalen Perspektive (RdS 11)

5.           Einige theologische und kirchenrechtliche Fragen im Zusammenhang mit bestimmten Formen des Dienstes (RdS 8 und 9)

6.           Die Revision der Dokumente, die die Beziehungen zwischen den Bischöfen, dem gottgeweihten Leben und den kirchlichen Gemeinschaften regeln, in einer synodalen und missionarischen Perspektive (RdS 10)

7.           Einige Aspekte der Gestalt und des Dienstes des Bischofs (insbesondere: Kriterien für die Auswahl der Kandidaten für das Bischofsamt, die richterliche Funktion des Bischofs, die Art und Durchführung der Ad limina-Besuche) in einer synodalen und missionarischen Perspektive (RdS 12 und 13)

8.           Die Rolle der Päpstlichen Beauftragten (Nuntien und Ständige Beobachter, Anm.) in einer missionarischen synodalen Perspektive (RdS 13)

9.           Theologische Kriterien und synodale Methoden für eine gemeinsame Unterscheidung von kontroversen lehrmäßigen, pastoralen und ethischen Fragen (RdS 15)

10.         Die Rezeption der Früchte des ökumenischen Weges in der kirchlichen Praxis (RdS 7) (Übersetzung nach Vaticannews vom 14. März 2024)

Aber auch wenn die Laufzeit der Studiengruppen über die Bischofssynode im Herbst hinausgeht, sollen doch schon auch im Herbst bereits Zwischenergebnisse aus den Studiengruppen in die Synodalen Beratungen eingebracht werden, die ihrerseits die Arbeit der Studiengruppen bestimmen werden. Zugeordnet sind diese Arbeitsgruppen – an dieser Stelle die neue Kurienordnung Praedicate Evangelium Nr. 33 umsetzend, worauf eigens hingewiesen wird – einzelnen Dikasterien der Kurie, die vom Synodensekretariat koordiniert werden. 

Auch wenn - wie zuletzt am 11. Februar in diesem Blog angesprochen - aus europäischer Perspektive konkrete Beratungsergebnisse, z.B. zu Fragen des Zugangs zum Priesteramt (vorgesehen in der 4. Studiengruppe), zur Frage des Frauendiakonats (vorgesehen in der 5. Studiengruppe) oder zu drängenden anthropologische Fragestellungen (vorgesehen in der 9. Studiengruppe) als Gradmesser des synodalen Prozess angesehen werden, ist doch schon die synodale Zuarbeit aller Kuriendikasterien der erste Hinweis für die Umgestaltung der Generalversammlung der Bischofssynode in Richtung auf ihr Hauptthema „Für eine synodale Kirche“. Die Statements aller Beteiligten der Pressekonferenz machen dies deutlich, wie es etwa besonders in dem Statement von Sr. Simona Brambilla vom Dikasterium für die Ordensleute herausgestellt wird, das in einem Extra-Kommuniqué des vatikanischen Presseamtes veröffentlicht wurde.

Die parallel zur zweiten Sitzung der XVI. Bischofssynode und darüber hinaus weiterlaufenden Studiengruppen entlasten die Bischofsversammlung zu den vielen aufgeworfenen und vielleicht im Herbst noch neu hinzukommenden Themenstellungen Positionierungen oder gar Entschließungen verabschieden zu müssen. Sie machen es vielmehr möglich, das eigentliche Thema der Synode, die Synodalität auf den unterschiedlichen Ebenen der Kirche im wahrsten Sinn durchzubuchstabieren, das ja die Grundlage für die Umsetzung der o.g. Einzelthemen der Studiengruppen bildet bzw. bilden wird. Ein weiteres in der Pressekonferenz vom 14. März vorgestelltes Papier des Sekretariats der Synode lenkt den Fokus auf diese Fragen unter dem Titel: „How to be a synodal Church on mission?“, aus dem bereits die Struktur und der Ablauf der synodalen Beratungen der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode im Herbst ablesbar werden.

Dieses Dokument macht deutlich, dass in fünf vom Synodensekretariat berufenen Arbeitsgruppen die Rückmeldungen aus den lokalen Bischofskonferenzen – die bis zum 15. Mai 2024 eingehen sollen – für das Vorbereitungsdokument (Instrumentum laboris) der zweiten Synodenrunde aufbereitet werden sollen. Sie verfolgen die folgenden Themen:

- Das synodale missionarische Antlitz der Ortskirche

- Das synodale missionarische Antlitz der kirchlichen Gruppierungen 

- Das synodale missionarische Antlitz der Universalkirche

- Die synodale Methode

- Der „Ort" einer synodalen missionarischen Kirche

Mehr und mehr zeichnet sich das Design einer synodalen Kirche ab, einer „Synodalität, welcher der Weg ist, den
 Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet.  





Samstag, 7. März 2020

„Für  eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ – oder: Über die heute veröffentlichte Themenstellung der XVI. Bischofssynode im Jahr 2022

Mit einer knappen Ankündigung des Sekretärs der Bischofssynode Kardinal Lorenzo Baldisseri wird heute das Thema der XVI. Bischofssynode für das Jahr 2022 von Seiten des Vatikanischen Presseamtes bekannt gegeben, das zuletzt im Blog-Beitrag vom 12.2.20 als Markenkern des Pontifikats von Papst Franziskus bezeichnet worden ist. 
Der Dreizeiler im italienischen Original birgt dabei alle Sprengkraft das Antlitz der Kirche mit ihren beinahe 1,3 Milliarden Gläubigen auf Zukunft hin zu verändern. Er ist eine Sensation und zugleich der deutlichste Hinweis darauf, wie Papst Franziskus als Reformpapst in die Geschichte der katholischen Kirche eingehen wird.  "Synodalität und Kirchenreform" – zugleich Buchtitel dieses Blogs – werden über die in Kürze erscheinende Konstitution zur Kurienreform Praedicate evangelium die Kirche nicht nur in Deutschland rund um den Synodalen Weg beschäftigen, sondern die katholische Kirche als ganze bestimmen… und weiter im Sinne ihrer Zukunftsfähigkeit verändern. 

Wie bereits im Blog-Beitrag vom 8. Februar 2016 und seitdem immer wieder als ‚ceterum censeo‘  hervorgehoben wird „sich die Kirche auf dem synodalen Weg an dem Gleichgewicht, an der Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung messen müsse[n], wenn sie die Herausforderung der heutigen Zeit annehmen wolle. Diese formale Feststellung ist tatsächlich aus meiner Sicht das Hauptergebnis des […bisherigen] synodalen Prozesses. Und es markiert noch nicht einmal ein Ergebnis im eigentlichen Sinn, sondern einen Zwischenstand, wie Papst Franziskus in seiner als historisch bezeichneten Rede am Ende der zweiten Synodenwoche am 16. Oktober 2015 andeutete:
"Wir sind auf halbem Weg, auf einem Teil des Weges. Wie ich bereits gesagt habe, ist es in einer synodalen Kirche 'nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen. In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen 'Dezentralisierung' voranzuschreiten' (Evangelii gaudium 16)." (Ebd.)
Nach der Jugendsynode im Jahr 2018 und der Amazonassynode des Jahres 2019, in deren Vorlauf am 2. März 2018 auch eine in der öffentlichen Diskussion bislang völlig unbeachtete und in der deutschen Schriftfassung 100 Seiten umfassende Stellungnahme der Internationalen Theologischen Kommission über „Die Synodalität im Leben und Sendung der Kirche“ und die im selben Jahr am 15. September in Kraft getretene Apostolische Konstitution Episcopalis Communio  (nach der laut Art. 18 Synodenabschlussdokumente bereits mit der Annahme durch Papst Franziskus Teil des ordentlichen Lehramtes geworden sind) erschienen sind, wird nun die synodale Kirche, die Synodalität als solche im Jahr 2022 zum Thema der Generalversammlung der Bischofssynode. Im Blick auf das Pontifikat von Papst Franziskus wird es damit quasi die Aufgipfelung der Ausrichtung seines Pontifikates und die Manifestierung der „Bekehrung" des Papstamtes“ (vgl. EG 32), von der Papst Franziskus seit seinem ersten im Jahr 2013 veröffentlichten Lehrschreiben Evangelii gaudium gesprochen hat.

Und im Blick auf den Synodalen Weg der deutschen Ortskirche ist das Motto „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ schon jetzt eine stärker nicht zu wünschende Bekräftigung und die beste Bestätigung auf dem Weg!
"Es ist dieser Weg der Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet." (Papst Franziskus am 17.10.2015)


 


Montag, 24. August 2020

„Synodale Kirche ist etwas anderes als das, was wir jetzt erlebt haben.“ - oder: Wie auf dem Synodalen Weg auf die Instruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“ der Kleruskongregation reagiert wird.
(Screenshot: Vaticannews vom 24.8.2020)
„Wenn man von der Behörde wegen unkonventioneller Seelsorgemethoden einen mahnenden Brief erhalte, sollte man den höflich beantworten, dann aber weitermachen wie bisher“, so lautete Papst Franziskus‘ Empfehlung bereits im Jahr 2015 auf Briefe seiner Behörden. Man könnte auch fünf Jahre danach über diese Äußerung von Papst Franziskus noch schmunzeln, wenn sie nicht auch die Entfernung vatikanischer Behörden – jetzt aktuell der Kleruskongregation – von den Ortskirchen der Welt spiegeln würde. Dass selbst Mitglieder der Kommission daselbst von der auf den Tag Peter und Paul, dem 29. Juni 2020 datierten, aber tatsächlich am 20. Juli 2020 veröffentlichten Instruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“  nichts wussten, lässt ihre Kommunikation zusätzlich erratisch erscheinen. Auf denselben Tag ‚Peter und Paul‘ vor einem Jahr war schon die neue Konstitution zur Vatikanverfassung ‚Praedicate evangelium‘ erwartet worden, die die alte Verfassung „Pastor bonus“ ablösen sollte und deren Erscheinen mit der Instruktion erst einmal in noch größere Fernen gerückt zu sein scheint, als von ersterer die subsidiäre Arbeit vatikanischer Behörden zugunsten der Ortskirche erwartet worden war. Was auch immer deren endgültige Abstimmung und Veröffentlichung verhindert: Die Instruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde…“  scheint allein in der Weise der Kommunikation und des Gebarens eine Kultur des Zentralismus zu zementieren, der nur durch ein konsequentes Durchhalten auf dem Synodalen Weg und in seinem Ernstnehmen zu widerstehen ist. 
"Synodale Kirche ist etwas anderes als das, was wir jetzt erlebt haben."
So lautete mit den Worten von Kardinal Marx schon vor genau einem Monat nur eine der vielen kritischen Stimmen von Bischöfen und Laien in den deutschsprachigen Ortskirchen.
Eine paradoxe und beinahe schizophrene Situation auch fünf Jahre nach dem zu Beginn zitierten Bonmot des damals noch in den ersten Jahres seines Pontifikates amtierenden Reformpapstes: Gegen eine mindestens mit einer doppelten und auseinander gehenden Botschaft aus dem Hause des Papstes mit dem Papst und seinem Anliegen der Synodalität die Anliegen der Ortskirchen zugunsten der Weltkirche insgesamt einzubringen. Würde das Thema der auf das Jahr 2022 Corona-bedingt verschobenen Bischofssynode in Rom nicht Synodalität heißen, könnte man sich auf dem Synodalen Weg in Deutschland schon auf einem Weg ins Leere fühlen. 

Dass dieser Weg aber nicht ins Leere gehen kann, gehört zu einer inneren Glaubensgewissheit, dass die Kirche schon um ihrer selbst und der Verheutigung des Glaubens in die jeweilige Kultur und Zeit hinein weiter- und vorangehen muss. Und so ist auch heute die Erklärung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz zu werten, dass 
"[d]er Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, […] daher das vom Präfekten der Kongregation für den Klerus, Kardinal Beniamino Stella, übermittelte Gesprächsangebot annehmen [wird]. Er wird der Kongregation vorschlagen, das Gespräch mit dem Präsidium des Synodalen Weges zu führen, da Bischöfe, Priester, Diakone und Laien in der Instruktion gleichermaßen angesprochen werden. Die Instruktion kann nur der Anlass und Anfang eines Gesprächs sein, damit daraus eine echte Hilfe für die differenzierten Situationen in den Ortskirchen wird. Grundlage für die Ausrichtung der pastoralen Arbeit sind nach wie vor die beiden Grundlagendokumente der Deutschen Bischofskonferenz „Zeit zur Aussaat. Missionarisch Kirche sein“ (2000) und „Gemeinsam Kirche sein. Wort der deutschen Bischöfe zur Erneuerung der Pastoral“ (2015).“ (Presseerklärung der DBK vom 24.8.2020)
Diesem offensichtlich mit dem Präsidium des Synodalen Weges abgestimmten Statement ist an Deutlichkeit nichts hinzuzufügen. Und es darf – analog zu dem oft bekundeten Reformanliegen – den Papst an seiner Seite fühlen. Papst Franziskus selbst wird ggf. nicht der Papst sein können, der die Umsetzung aller der von ihm angestoßenen Reformanliegen in seiner aktiven Amtszeit erleben wird – das Wirken von Franziskus sei eher als „ein Pontifikat der Aussaat, nicht der Ernte“ zu verstehen, wie der Jesuit und Papstvertraute Antonio Spadaro unlängst betonte: 
"Der Papst hat sehr viel gesät in den letzten Jahren. Sein Nachfolger kann das nicht ignorieren, er wird nicht zurückkönnen. Er wird weiter vorangehen." 
Die „pastorale Neuausrichtung“ seiner ‚Behörde‘ wird Papst Franziskus auch fünf Jahre nach dem Eingangs-Bonmot nicht müde zu betonen. Und wenn die Sache als solche nicht zu ernst wäre – und in Deutschland traditionsgemäß mit noch größerem Ernst wahrgenommen würde als irgendwo sonst in der Welt –, wäre es fast schon Anlass sich auf die nächste Weihnachtsansprache zu freuen, in der Papst Franziskus alle Jahre wieder seiner Kurie die Leviten lesen wird. Eine baldige Veröffentlichung einer neuen Kirchenverfassung wäre demgegenüber allerdings noch wünschenswerter.

Sonntag, 3. Januar 2021

Synodaler Weg 50 Jahre nach der Würzburger Synode- oder: „Letzte Chance“ wider die Unglaubwürdigkeit, in der sich „eine Institution selbst zugrunde“ richtet.

"Die Würzburger Synode war 100 Prozent notwendig und sie lebt bis heute fort. […] Die Bewegung geht nach vorne und die Impulse von damals sind weiterhin sehr stark präsent. Die große Mehrzahl der gläubigen Katholikinnen und Katholiken in unserem Land wollen Veränderung, und darum ist auch der Synodale Weg so notwendig“. (katholisch.de vom 2.1.21)

Mit diesen Worten verweist der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing auf die Notwendigkeit der Würzburger Synode, die auf den Tag genau vor 50 Jahren in Würzburg begann, und ihre Bedeutung für den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland. Jüngere Theolog*innen könnten sich die Augen reiben, dass ebendiese Synode im Schlussdokument in den Beschlüssen ‚Dienste und Ämter‘ und ‚Beteiligung der Laien‘ unter anderem die Zulassung von Frauen zum Diakonat, Zugangswege für verheiratete Männer zum Priestertum und Mitbestimmung der Laien in der Kirche geradeheraus ansprechen und fundiert mit Argumenten begründen, die auch heute wieder zitiert werden. Sie stehen mit anderen wichtigen Themen auch im Rahmen des Synodalen Weges 50 Jahre später weiterhin auf der Tagesordnung und sind für Bischof Bätzing Gradmesser für die Glaubwürdigkeit der Kirche

"Wir gehen diesen Weg mit allen Steinen und Wegweisern aus verschiedensten Richtungen, aber es ist unsere Verantwortung, ihn jetzt zu gehen. Wenn wir uns den drängenden Fragen nicht stellen, werden wir unglaubwürdig.“ (Ebd.)

Als „letzte Chance“ bezeichnet dies auch das oben mit Cover bezeichnete neue Buch “Synodaler Weg“, indem es "Standpunkte zur Zukunft der Kirche" von beteiligten Synodalen der ersten Plenarversammlung veröffentlicht. Dass die Themen und Forderungen – anders als vor 50 Jahren – in Rom mehr Beachtung finden, soll über einen Einbezug desjenigen Sekretariates möglich werden, das für die Weltbischofssynode 2022 das Thema Synodalität insgesamt aufplant. Auch zur Synodalität hatte die Würzburger Synode ein Beschlussvotum verabschiedet, das seiner Zeit ebenfalls keine Beachtung in Rom (und selbstredend daraufhin auch keinen Niederschlag im Codex Iuris Canonici von 1983) gefunden hat, das nun auch für Rom in doppelter Weise interessant, ja zielführend werden könnte.

Die Würzburger Synode bat 1975 in einem bist zum heutigen Tag nicht beantworteten Votum im Beschluss "Räte und Verbände" den Papst:

"a) den Bistümern […] das Recht zu geben, in jedem Jahrzehnt eine gemeinsame Synode durchzuführen; b) ein entsprechendes Statut, das unter Wahrung aller im Statut der Gemeinsamen Synode festgelegten Grundsätze die für weitere gemeinsame Synoden erforderlichen Regelungen zu treffen und von der Deutschen Bischofskonferenz mit der Bitte um Genehmigung vorgelegt wird, zu approbieren bzw. in Kraft zu setzen; c) die Bischöfe unserer Diözesen rechtzeitig zu ermächtigen, die für die Durchführung der nächsten gemeinsamen Synode erforderlichen Maßnahmen gemeinsam vorzubereiten und für ihre Diözesen anzuordnen." (Beschluss: Räte und Verbände, Teil IV, 2)

 

Die Veröffentlichung des seit dem Frühjahr 2019 erwarteten Dokuments Praedicate evangelium, das die alte Konstitution zur Kirchenverfassung Pastor Bonus von 1988 ablösen wird, ist nunmehr für einen Termin vor Ostern dieses Jahres angekündigt. Sie wird nach den bisherigen Ankündigungen den subsidiären Auftrag der Kurie in Rom, aber darüber auch die Anteilnahme der Teilkirchen an der Lehrautorität der Kirche herausarbeiten. Zu ebendieser Verantwortung gehören auch Partikularkonzilien, die heute eine andere Zusammensetzung erfordern, als sie der CIC als kirchliches Rechtsbuch Anfang der 1980er Jahre für notwendig hielt. Und als Paradebeispiel zeitgemäßer Synodalität ist der „Synodale Weg“ – auch wenn für ihn keine Rechtsnorm im CIC existiert – über alle inhaltlichen Eingaben für die Zukunft der Kirche hinweg bestes Beispiel für das, was Ziel der Bischofssynode 2022 sein soll: eine Synodale Kirche, deren Verwirklichung ihrerseits nicht nur dasjenige ist, was "Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet", sondern auch die Erfüllung desjenigen Auftrags, den das Konklave Papst Franziskus im Jahr 2013 mit der Aufgabe der Kurien- und Kirchenreform mitgegeben hat.


Bis dahin ist freilich noch ein langer Weg. Und jenseits allen Optimismus' im Blick auf den vor Augen stehenden Zukunftsweg in Deutschland und der Weltkirche, muss schnellstmöglich alles getan werden, dass nicht aufgrund eines mangelhaften Umgangs mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, der den Synodalen Weg überhaupt erst ausgelöst hat, die Kirche in Deutschland schon auf dem Weg alle Glaubwürdigkeit verloren hat und sich “eine Institution selbst zugrunde“ richtet. Auch und gerade hier gilt: 

"Die Zeit läuft uns weg!"

Dienstag, 26. Juli 2022

Weder "Ohrfeige“  noch „Stoppschild aus Rom" - oder: Über die Chancen der Erklärung des Heiligen Stuhls zum Synodalen Weg vom 21.07.2022

Dichiarazione della Santa Sede, 21.07.2022

Als „
Ohrfeige“ und „Stoppschild aus Rom“ für den Synodalen Weg ist die E
rklärung des Heiligen Stuhls gewertet worden, die die Grenzen und Reichweite der Beschlüsse des Synodalen Wegs in der deutschen Ortskirche „zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten" anmahnt.

Aus meiner Sicht übersieht eine solche Deutung den vergleichsweise wichtigeren Appell, den die Erklärung im zweiten Absatz enthält, 
„dass die Vorschläge des Weges der Teilkirchen in Deutschland in den synodalen Prozess, auf dem die Universalkirche unterwegs ist, einfließen mögen, um zur gegenseitigen Bereicherung beizutragen“. 

Die ebenso irritierte wie pflichtschuldige Antwort der Präsidenten des Synodalen Wegs, Dr. Irme Stetter-Karp und Bischof Dr. Georg Bätzing, fordert zu Recht die direkte Kommunikation zwischen römischen Stellen und dem Präsidium des Synodalen Wegs: ein und beklagt das bisherige Ausbleiben direkter Gespräche. Aber sie verdeckt zugleich auch eine noch offene Stelle der Kommunikation in der deutschen Ortskirche, wie wenig aufeinander abgestimmt die beiden Prozesse - der Synodale Weg in Deutschland  - der  Synodale Prozess auf weltkirchlicher Ebene - derzeit erscheinen müssen. 

Von außen wird nicht ersichtlich, wie beide Prozesse ineinander greifen. Eine veröffentlichte Rückmeldung – anders als in den benachbarten deutschsprachigen Ländern der Schweiz  und Österreich – auf die Umfragen der Diözesen in Deutschland zur Vorbereitung der Weltsynode steht bislang noch aus. Auch wenn sie sicher bald zu erwarten ist, muss sie jetzt noch einmal mehr daraufhin ausgerichtet werden, die Schnittstellen beider synodaler Prozesse auszuweisen. 

Das Pfund, das die deutsche Ortskirche mit ihren Erfahrungen von Synodalität im Zuge des Synodalen Wegs – entstanden aus der Zäsur, den der Missbrauchsskandal für die Kirche in Deutschland bedeutete – in der Hand hat, darf bei aller Kritik an der  namentlich nicht zuordenbaren Erklärung des Heiligen Stuhls nicht verspielt werden und kann auf weltkirchlicher Ebene gerade zum jetzigen Zeitpunkt (der Vorbereitung der Synode zur Synodalität des Jahres 2021-2023 und der Umsetzung der mit Praedicate evangelium auf den Weg gebrachten Kurienreform) zugunsten des weltkirchlichen Prozesses eingebracht werden. Daraufhin ist die Erklärung des Heiligen Stuhls vom 21.07.2022 aufzugreifen und aus meiner Sicht als Chance zu nutzen.




Mittwoch, 12. Februar 2020

Mehr als eine Fußnote!  Querida Amazonia - oder: Vier Visionen für eine Kirche mit einem amazonischen Gesicht
„An das Volk Gottes und an alle Menschen guten Willens“ richtet Papst Franziskus sein nachsynodales Schreiben Querida Amazonia (Geliebtes Amazonien) und damit zugleich an eine „Kirche mit einem amazonischen Gesicht“ (QA 61). Darin stellt Papst Franziskus zugleich das bereits mit Synodenabschluss angenommene Schlussdokument der Amazoniensynode offiziell vor und bietet in seinem Schreiben dafür einen „groben Rahmen für die Reflexion“ […], „die eine Hilfe und Orientierung für eine harmonische, schöpferische und fruchtbare Rezeption des ganzen synodalen Weges sein kann.“ (QA 2)

Zwei Dokumente: Das Nachsynodale Schreiben und das Schlussdokument

Entsprechend der Apostolischen Konstitution Episcopalis Communio (Art. 18 § 1) hat bereits das Schlussdokument der Amazonassynode mit seiner Annahme durch Papst Franziskus am 26.10.2019 Teil am ordentlichen Lehramt des Nachfolgers Petri. Beide Dokumente sind deshalb heute zusammen offiziell vorgestellt worden. Ausdrücklich unterstreicht Papst Franziskus diese Arbeit echter Synodalität:
"Es bietet uns die Folgerungen der Synode, an der viele Menschen mitgearbeitet haben, die die Problematik Amazoniens besser kennen als ich und die Römische Kurie, da sie dort leben, mit ihm leiden und es leidenschaftlich lieben. Ich habe es daher vorgezogen, das Schlussdokument in diesem Apostolischen Schreiben nicht zu zitieren, weil ich vielmehr dazu einlade, es ganz zu lesen.“ (QA 3)

Von vier Arten der Bekehrung zu vier Visionen für eine Kirche mit einem amazonischem Gesicht (QA 61)

Das veröffentlichte Schlussdokument spricht von vier Arten der Bekehrung (pastoral, ökologisch, kulturell und synodal), die Papst Franziskus als „vier große Visionen“ weiterführt, in denen die „Verkündigung […] und die Strukturen der Kirche […] Fleisch und Blut“ annehmen. Sie gliedern zugleich das nachsynodalen Schreibens Querida Amazonia:
"Ich träume von einem Amazonien, das für die Rechte der Ärmsten, der ursprünglichen (autochthonen) Völker, der Geringsten kämpft, wo ihre Stimme gehört und ihre Würde gefördert wird." (QA 7)

Die erste Vision beschreibt eine soziale Vision Amazoniens (QA 8-27), „das alle seine Bewohner integriert und fördert, damit sie das ‚buen vivir‘ – das ‚Gute Leben‘ – dauerhaft verwirklichen können […] Denn obschon Amazonien vor einer ökologischen Katastrophe steht, muss darauf hingewiesen werden, dass »ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde«“. (QA 8; vgl. Laudato Si‘ 49) Der Verurteilung sozialer Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Ungleichheit und das Werben für Gemeinschaftssinn und sozialen Dialog sieht Papst Franziskus unmittelbar verbunden mit einer kulturellen Vision (QA 28-40)
"Ich träume von einem Amazonien, dass seinen charakteristischen kulturellen Reichtum bewahrt, wo auf so unterschiedliche Weise die Schönheit der Menschheit erstrahlt." (QA 7)
In dieser Vision spricht Papst Franziskus vom „Polyeder Amazoniens“,  das viele Völker und Nationalitäten und mehr als einhundertzehn indigene Völker umfasst. Wider eine „postmoderne Kolonialisierung" unterstreicht Papst Franziskus deren je „eigene kulturelle Identität und einen einzigartigen Reichtum in einem plurikulturellen Universum aufgrund der engen Beziehung, die die Bewohner zu ihrer Umwelt aufbauen". (QA 31) Da diese „Kulturen der ursprünglichen Völker im engen Kontakt mit der natürlichen Umwelt entstanden sind und sich entwickelt haben, so können sie schwer unversehrt bleiben, wenn diese Umwelt Schaden erleidet.“ Dies ist zugleich die Überleitung zu einer ökologischen Vision, in der eine „kosmische Dimension“ (QA 41) zum Tragen kommt.
"Ich träume von einem Amazonien, das die überwältigende Schönheit der Natur, die sein Schmuck ist, eifersüchtig hütet, das überbordende Leben, das seine Flüsse und Wälder erfüllt." (QA 7)
Anknüpfend an die vorausgegangenen Visionen unterstreicht Papst Franziskus in dieser ökologischen Vision (QA 41-60), wie die „Weisheit der ursprünglichen Völker Amazoniens dazu [inspiriert], sorgsam und respektvoll mit der Schöpfung zu leben, im klaren Bewusstsein ihrer Grenzen, das jeden Missbrauch verbietet. Die Natur missbrauchen bedeutet, die Vorfahren, die Brüder und Schwestern, die Schöpfung und den Schöpfer zu missbrauchen und dadurch die Zukunft aufs Spiel zu setzen.“ (QA 42) Dem „Schrei der Erde“ Amazoniens stellt Papst Franziskus die „Prophetie der Kontemplation“, „Erziehung und ökologische Haltungen“ zur Seite und plädiert für ein „erneuertes Bewusstsein über den Wert der Schöpfung“ (QA 60)

"Ich träume von christlichen Gemeinschaften, die in Amazonien sich dermaßen einzusetzen und Fleisch und Blut anzunehmen vermögen, dass sie der Kirche neue Gesichter mit amazonischen Zügen schenken." (QA 7)
In dieser vierten, explizit kirchlichen und die meisten Absätze umfassenden Vision (QA 61-110) träumt Papst Franziskus von einer „Kirche mit einem amazonischen Gesicht“ (QA 61). Die "Verkündung" und "Wege der Inkulturation" werden bis zu "Ansatzpunkten für eine Heiligkeit amazonischer Prägung" weitergeführt. Eine besondere Aufmerksamkeit legt Papst Franziskus dabei – Evangelii gaudium 123 zitierend auf „religiöse Ausdrucksformen, die sich spontan aus dem Leben der Völker ergeben, […] denn »in der Volksfrömmigkeit kann man die Art und Weise wahrnehmen, wie der empfangene Glaube in einer Kultur Gestalt angenommen hat und ständig weitergegeben wird.“ (QA 78; vgl. EG 123)


Die Inkulturation der Liturgie

Unter der Überschrift „Inkulturation der Liturgie“ (QA 81) findet sich eine sehr schöne, schöpfungstheologische Herleitung der Sakramente, insofern „in ihnen das Göttliche und das Kosmische, die Gnade und die Schöpfung vereint sind.“ Seine ebenfalls an alle Menschen guten Willens gerichtete Enzyklika Laudato Si‘ (LS 235) zitierend sind sie „eine bevorzugte Weise, in der die Natur von Gott angenommen wird und sich in Vermittlung des übernatürlichen Lebens verwandelt.“ (QA 81) Es ist für Papst Franziskus zugleich die Einladung „in der Liturgie viele Elemente der intensiven Naturerfahrung der Indigenen aufzugreifen und eigene Ausdrucksformen in den Liedern, Tänzen, Riten, Gesten und Symbolen anzuregen.“ (QA 82).

Inkulturation der Dienste und Ämter
...und die offene Frage der viri probati

Unter der Überschrift "Inkulturation der Dienste und Ämter" (QA 85-90) nimmt Papst Franziskus auch Bezug auf die Entwicklung der „kirchlichen Organisationsformen und in den kirchlichen Ämtern“, wie sie auch in Deutschland in zwei Foren des Synodalen Weges diskutiert werden. Ohne die im heute ja ebenfalls offiziell vorgestellten Abschlussdokument aufgeführte Möglichkeit „anerkannte Männer, die ein fruchtbares Ständiges Diakonat innehaben, zu Priestern zu weihen“ (Abschlussdokument 111; vgl. Übersetzung von Vatican News vom 26.10.2019) zu zitieren, belässt es Papst Franziskus auf den Hinweis hinsichtlich der Art und Weise, „wie kirchliche Dienste strukturiert und gelebt werden, an Inkulturation zu denken.“ Ob und wie an dieser Stelle der Wunsch der Synodenmehrheit für die Kirche Amazoniens Wirklichkeit werden kann, ist an dieser Stelle weder vorentschieden noch abschlägig beschieden: vielmehr ein Verweis auf den Prozess, der zwar alles an der "Feier der Eucharistie" (QA 89) als "Quelle und Höhepunkt (QA 92) orientieren will  und dennoch nicht der Versuchung verfällt, alles an der "Präsenz der geweihten Amtsträger" (QA 93) festzumachen. Der kirchenrechtlich mögliche Einsatz von Gemeindeleiter*innen (QA 94) – auch in den deutschen Ortkirchen bislang eher die Ausnahme – wird ebenso hervorgehoben wie der Einsatz und Befähigung von Laien (QA 89) im Leben einer „Kirche mit amazonischen Gesichtszügen“ (QA 94). 

Frauen in Diensten und Ämtern

Dabei wird die Kraft und die Gabe der Frauen (99-103) zwar besonders hervorgehoben, allerdings ihre Möglichkeit „zu den heiligen Weihen zugelassen“ zu werden ausdrücklich in die Grenzen verwiesen: Ohne diese im nachsynodalen Schreiben ausdrücklich auszuschließen, stellt die Weihe von Frauen für Papst Franziskus „eine Begrenzung der Perspektiven“ dar: „Sie würde uns auf eine Klerikalisierung der Frauen hinlenken und den großen Wert dessen, was sie schon gegeben haben, schmälern als auch auf subtile Weise zu einer Verarmung ihres unverzichtbaren Beitrags führen.“ (QA 100) Umgekehrt sollten Frauen „in einer synodalen Kirche […]  eine zentrale Rolle in den Amazonasgemeinden spielen, Zugang zu Aufgaben und auch kirchlichen Diensten […] einen echten und effektiven Einfluss in der Organisation, bei den wichtigsten Entscheidungen und bei der Leitung von Gemeinschaften haben“. (QA 103)

Eine Einschätzung zum Schluss

Auch wenn viele Kommentare anlässlich des nachsynodalen Schreibens Querida Amazonia im Blick auf das Aussparen der Möglichkeiten der Weihe verheirateter Männer und Frauen enttäuscht ausfallen werden, könnten sie ebenso im Blick auf das zu gleicher Zeit „offiziell“ veröffentlichte – wenn auch nur in italienischer Sprache vorliegende – Schlussdokument den Prozess weiter offen oder gerade erst geöffnet sehen. Die Ausgestaltung der Möglichkeiten in der Pastoral vor Ort – in Amazonien, weltweit wie hier vor Ort auf dem Synodalen Weg – ist dabei zusätzlich zusammen zu sehen mit der in Kürze erwarteten Konstitution zur Kurienreform Praedicate evangelium und der Möglichkeit der Teil- und Ortskirchen, ihre Verantwortung am ordentlichen Lehramt in neuer Weise wahrzunehmen. Das offizielle Abschussdokument mitsamt dem nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia machen es möglich, sie rufen in der Zusammenschau sogar dazu auf! (QA 2-4) Bis sich diese Lesart durchsetzt, wird der synodale Prozess weiter voranschreiten müssen.



Erstveröffentlicht am 12.2.20 auf https://bistumlimburg.de/beitrag/mehr-als-eine-fussnote-querida-amazonia/