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Samstag, 7. März 2020

„Für  eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ – oder: Über die heute veröffentlichte Themenstellung der XVI. Bischofssynode im Jahr 2022

Mit einer knappen Ankündigung des Sekretärs der Bischofssynode Kardinal Lorenzo Baldisseri wird heute das Thema der XVI. Bischofssynode für das Jahr 2022 von Seiten des Vatikanischen Presseamtes bekannt gegeben, das zuletzt im Blog-Beitrag vom 12.2.20 als Markenkern des Pontifikats von Papst Franziskus bezeichnet worden ist. 
Der Dreizeiler im italienischen Original birgt dabei alle Sprengkraft das Antlitz der Kirche mit ihren beinahe 1,3 Milliarden Gläubigen auf Zukunft hin zu verändern. Er ist eine Sensation und zugleich der deutlichste Hinweis darauf, wie Papst Franziskus als Reformpapst in die Geschichte der katholischen Kirche eingehen wird.  "Synodalität und Kirchenreform" – zugleich Buchtitel dieses Blogs – werden über die in Kürze erscheinende Konstitution zur Kurienreform Praedicate evangelium die Kirche nicht nur in Deutschland rund um den Synodalen Weg beschäftigen, sondern die katholische Kirche als ganze bestimmen… und weiter im Sinne ihrer Zukunftsfähigkeit verändern. 

Wie bereits im Blog-Beitrag vom 8. Februar 2016 und seitdem immer wieder als ‚ceterum censeo‘  hervorgehoben wird „sich die Kirche auf dem synodalen Weg an dem Gleichgewicht, an der Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung messen müsse[n], wenn sie die Herausforderung der heutigen Zeit annehmen wolle. Diese formale Feststellung ist tatsächlich aus meiner Sicht das Hauptergebnis des […bisherigen] synodalen Prozesses. Und es markiert noch nicht einmal ein Ergebnis im eigentlichen Sinn, sondern einen Zwischenstand, wie Papst Franziskus in seiner als historisch bezeichneten Rede am Ende der zweiten Synodenwoche am 16. Oktober 2015 andeutete:
"Wir sind auf halbem Weg, auf einem Teil des Weges. Wie ich bereits gesagt habe, ist es in einer synodalen Kirche 'nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen. In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen 'Dezentralisierung' voranzuschreiten' (Evangelii gaudium 16)." (Ebd.)
Nach der Jugendsynode im Jahr 2018 und der Amazonassynode des Jahres 2019, in deren Vorlauf am 2. März 2018 auch eine in der öffentlichen Diskussion bislang völlig unbeachtete und in der deutschen Schriftfassung 100 Seiten umfassende Stellungnahme der Internationalen Theologischen Kommission über „Die Synodalität im Leben und Sendung der Kirche“ und die im selben Jahr am 15. September in Kraft getretene Apostolische Konstitution Episcopalis Communio  (nach der laut Art. 18 Synodenabschlussdokumente bereits mit der Annahme durch Papst Franziskus Teil des ordentlichen Lehramtes geworden sind) erschienen sind, wird nun die synodale Kirche, die Synodalität als solche im Jahr 2022 zum Thema der Generalversammlung der Bischofssynode. Im Blick auf das Pontifikat von Papst Franziskus wird es damit quasi die Aufgipfelung der Ausrichtung seines Pontifikates und die Manifestierung der „Bekehrung" des Papstamtes“ (vgl. EG 32), von der Papst Franziskus seit seinem ersten im Jahr 2013 veröffentlichten Lehrschreiben Evangelii gaudium gesprochen hat.

Und im Blick auf den Synodalen Weg der deutschen Ortskirche ist das Motto „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ schon jetzt eine stärker nicht zu wünschende Bekräftigung und die beste Bestätigung auf dem Weg!
"Es ist dieser Weg der Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet." (Papst Franziskus am 17.10.2015)


 


Mittwoch, 12. Februar 2020

Mehr als eine Fußnote!  Querida Amazonia - oder: Vier Visionen für eine Kirche mit einem amazonischen Gesicht
„An das Volk Gottes und an alle Menschen guten Willens“ richtet Papst Franziskus sein nachsynodales Schreiben Querida Amazonia (Geliebtes Amazonien) und damit zugleich an eine „Kirche mit einem amazonischen Gesicht“ (QA 61). Darin stellt Papst Franziskus zugleich das bereits mit Synodenabschluss angenommene Schlussdokument der Amazoniensynode offiziell vor und bietet in seinem Schreiben dafür einen „groben Rahmen für die Reflexion“ […], „die eine Hilfe und Orientierung für eine harmonische, schöpferische und fruchtbare Rezeption des ganzen synodalen Weges sein kann.“ (QA 2)

Zwei Dokumente: Das Nachsynodale Schreiben und das Schlussdokument

Entsprechend der Apostolischen Konstitution Episcopalis Communio (Art. 18 § 1) hat bereits das Schlussdokument der Amazonassynode mit seiner Annahme durch Papst Franziskus am 26.10.2019 Teil am ordentlichen Lehramt des Nachfolgers Petri. Beide Dokumente sind deshalb heute zusammen offiziell vorgestellt worden. Ausdrücklich unterstreicht Papst Franziskus diese Arbeit echter Synodalität:
"Es bietet uns die Folgerungen der Synode, an der viele Menschen mitgearbeitet haben, die die Problematik Amazoniens besser kennen als ich und die Römische Kurie, da sie dort leben, mit ihm leiden und es leidenschaftlich lieben. Ich habe es daher vorgezogen, das Schlussdokument in diesem Apostolischen Schreiben nicht zu zitieren, weil ich vielmehr dazu einlade, es ganz zu lesen.“ (QA 3)

Von vier Arten der Bekehrung zu vier Visionen für eine Kirche mit einem amazonischem Gesicht (QA 61)

Das veröffentlichte Schlussdokument spricht von vier Arten der Bekehrung (pastoral, ökologisch, kulturell und synodal), die Papst Franziskus als „vier große Visionen“ weiterführt, in denen die „Verkündigung […] und die Strukturen der Kirche […] Fleisch und Blut“ annehmen. Sie gliedern zugleich das nachsynodalen Schreibens Querida Amazonia:
"Ich träume von einem Amazonien, das für die Rechte der Ärmsten, der ursprünglichen (autochthonen) Völker, der Geringsten kämpft, wo ihre Stimme gehört und ihre Würde gefördert wird." (QA 7)

Die erste Vision beschreibt eine soziale Vision Amazoniens (QA 8-27), „das alle seine Bewohner integriert und fördert, damit sie das ‚buen vivir‘ – das ‚Gute Leben‘ – dauerhaft verwirklichen können […] Denn obschon Amazonien vor einer ökologischen Katastrophe steht, muss darauf hingewiesen werden, dass »ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde«“. (QA 8; vgl. Laudato Si‘ 49) Der Verurteilung sozialer Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Ungleichheit und das Werben für Gemeinschaftssinn und sozialen Dialog sieht Papst Franziskus unmittelbar verbunden mit einer kulturellen Vision (QA 28-40)
"Ich träume von einem Amazonien, dass seinen charakteristischen kulturellen Reichtum bewahrt, wo auf so unterschiedliche Weise die Schönheit der Menschheit erstrahlt." (QA 7)
In dieser Vision spricht Papst Franziskus vom „Polyeder Amazoniens“,  das viele Völker und Nationalitäten und mehr als einhundertzehn indigene Völker umfasst. Wider eine „postmoderne Kolonialisierung" unterstreicht Papst Franziskus deren je „eigene kulturelle Identität und einen einzigartigen Reichtum in einem plurikulturellen Universum aufgrund der engen Beziehung, die die Bewohner zu ihrer Umwelt aufbauen". (QA 31) Da diese „Kulturen der ursprünglichen Völker im engen Kontakt mit der natürlichen Umwelt entstanden sind und sich entwickelt haben, so können sie schwer unversehrt bleiben, wenn diese Umwelt Schaden erleidet.“ Dies ist zugleich die Überleitung zu einer ökologischen Vision, in der eine „kosmische Dimension“ (QA 41) zum Tragen kommt.
"Ich träume von einem Amazonien, das die überwältigende Schönheit der Natur, die sein Schmuck ist, eifersüchtig hütet, das überbordende Leben, das seine Flüsse und Wälder erfüllt." (QA 7)
Anknüpfend an die vorausgegangenen Visionen unterstreicht Papst Franziskus in dieser ökologischen Vision (QA 41-60), wie die „Weisheit der ursprünglichen Völker Amazoniens dazu [inspiriert], sorgsam und respektvoll mit der Schöpfung zu leben, im klaren Bewusstsein ihrer Grenzen, das jeden Missbrauch verbietet. Die Natur missbrauchen bedeutet, die Vorfahren, die Brüder und Schwestern, die Schöpfung und den Schöpfer zu missbrauchen und dadurch die Zukunft aufs Spiel zu setzen.“ (QA 42) Dem „Schrei der Erde“ Amazoniens stellt Papst Franziskus die „Prophetie der Kontemplation“, „Erziehung und ökologische Haltungen“ zur Seite und plädiert für ein „erneuertes Bewusstsein über den Wert der Schöpfung“ (QA 60)

"Ich träume von christlichen Gemeinschaften, die in Amazonien sich dermaßen einzusetzen und Fleisch und Blut anzunehmen vermögen, dass sie der Kirche neue Gesichter mit amazonischen Zügen schenken." (QA 7)
In dieser vierten, explizit kirchlichen und die meisten Absätze umfassenden Vision (QA 61-110) träumt Papst Franziskus von einer „Kirche mit einem amazonischen Gesicht“ (QA 61). Die "Verkündung" und "Wege der Inkulturation" werden bis zu "Ansatzpunkten für eine Heiligkeit amazonischer Prägung" weitergeführt. Eine besondere Aufmerksamkeit legt Papst Franziskus dabei – Evangelii gaudium 123 zitierend auf „religiöse Ausdrucksformen, die sich spontan aus dem Leben der Völker ergeben, […] denn »in der Volksfrömmigkeit kann man die Art und Weise wahrnehmen, wie der empfangene Glaube in einer Kultur Gestalt angenommen hat und ständig weitergegeben wird.“ (QA 78; vgl. EG 123)


Die Inkulturation der Liturgie

Unter der Überschrift „Inkulturation der Liturgie“ (QA 81) findet sich eine sehr schöne, schöpfungstheologische Herleitung der Sakramente, insofern „in ihnen das Göttliche und das Kosmische, die Gnade und die Schöpfung vereint sind.“ Seine ebenfalls an alle Menschen guten Willens gerichtete Enzyklika Laudato Si‘ (LS 235) zitierend sind sie „eine bevorzugte Weise, in der die Natur von Gott angenommen wird und sich in Vermittlung des übernatürlichen Lebens verwandelt.“ (QA 81) Es ist für Papst Franziskus zugleich die Einladung „in der Liturgie viele Elemente der intensiven Naturerfahrung der Indigenen aufzugreifen und eigene Ausdrucksformen in den Liedern, Tänzen, Riten, Gesten und Symbolen anzuregen.“ (QA 82).

Inkulturation der Dienste und Ämter
...und die offene Frage der viri probati

Unter der Überschrift "Inkulturation der Dienste und Ämter" (QA 85-90) nimmt Papst Franziskus auch Bezug auf die Entwicklung der „kirchlichen Organisationsformen und in den kirchlichen Ämtern“, wie sie auch in Deutschland in zwei Foren des Synodalen Weges diskutiert werden. Ohne die im heute ja ebenfalls offiziell vorgestellten Abschlussdokument aufgeführte Möglichkeit „anerkannte Männer, die ein fruchtbares Ständiges Diakonat innehaben, zu Priestern zu weihen“ (Abschlussdokument 111; vgl. Übersetzung von Vatican News vom 26.10.2019) zu zitieren, belässt es Papst Franziskus auf den Hinweis hinsichtlich der Art und Weise, „wie kirchliche Dienste strukturiert und gelebt werden, an Inkulturation zu denken.“ Ob und wie an dieser Stelle der Wunsch der Synodenmehrheit für die Kirche Amazoniens Wirklichkeit werden kann, ist an dieser Stelle weder vorentschieden noch abschlägig beschieden: vielmehr ein Verweis auf den Prozess, der zwar alles an der "Feier der Eucharistie" (QA 89) als "Quelle und Höhepunkt (QA 92) orientieren will  und dennoch nicht der Versuchung verfällt, alles an der "Präsenz der geweihten Amtsträger" (QA 93) festzumachen. Der kirchenrechtlich mögliche Einsatz von Gemeindeleiter*innen (QA 94) – auch in den deutschen Ortkirchen bislang eher die Ausnahme – wird ebenso hervorgehoben wie der Einsatz und Befähigung von Laien (QA 89) im Leben einer „Kirche mit amazonischen Gesichtszügen“ (QA 94). 

Frauen in Diensten und Ämtern

Dabei wird die Kraft und die Gabe der Frauen (99-103) zwar besonders hervorgehoben, allerdings ihre Möglichkeit „zu den heiligen Weihen zugelassen“ zu werden ausdrücklich in die Grenzen verwiesen: Ohne diese im nachsynodalen Schreiben ausdrücklich auszuschließen, stellt die Weihe von Frauen für Papst Franziskus „eine Begrenzung der Perspektiven“ dar: „Sie würde uns auf eine Klerikalisierung der Frauen hinlenken und den großen Wert dessen, was sie schon gegeben haben, schmälern als auch auf subtile Weise zu einer Verarmung ihres unverzichtbaren Beitrags führen.“ (QA 100) Umgekehrt sollten Frauen „in einer synodalen Kirche […]  eine zentrale Rolle in den Amazonasgemeinden spielen, Zugang zu Aufgaben und auch kirchlichen Diensten […] einen echten und effektiven Einfluss in der Organisation, bei den wichtigsten Entscheidungen und bei der Leitung von Gemeinschaften haben“. (QA 103)

Eine Einschätzung zum Schluss

Auch wenn viele Kommentare anlässlich des nachsynodalen Schreibens Querida Amazonia im Blick auf das Aussparen der Möglichkeiten der Weihe verheirateter Männer und Frauen enttäuscht ausfallen werden, könnten sie ebenso im Blick auf das zu gleicher Zeit „offiziell“ veröffentlichte – wenn auch nur in italienischer Sprache vorliegende – Schlussdokument den Prozess weiter offen oder gerade erst geöffnet sehen. Die Ausgestaltung der Möglichkeiten in der Pastoral vor Ort – in Amazonien, weltweit wie hier vor Ort auf dem Synodalen Weg – ist dabei zusätzlich zusammen zu sehen mit der in Kürze erwarteten Konstitution zur Kurienreform Praedicate evangelium und der Möglichkeit der Teil- und Ortskirchen, ihre Verantwortung am ordentlichen Lehramt in neuer Weise wahrzunehmen. Das offizielle Abschussdokument mitsamt dem nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia machen es möglich, sie rufen in der Zusammenschau sogar dazu auf! (QA 2-4) Bis sich diese Lesart durchsetzt, wird der synodale Prozess weiter voranschreiten müssen.



Erstveröffentlicht am 12.2.20 auf https://bistumlimburg.de/beitrag/mehr-als-eine-fussnote-querida-amazonia/

Samstag, 21. Dezember 2019

Evangelisierung als "Kern der Reform". Weihnachtsansprache von Papst Franziskus über die "pastorale Neuausrichtung" der Kirche
(Screenshot: Die Presse vom 21.12.2019)
Seit Beginn seines Pontifikates steht die Reform von Kirche und Kurie auf der Agenda von Papst Franziskus. Sie war bekanntermaßen Motiv und Auftrag seiner Wahl nach dem überraschenden Rücktritt seines Vorgängers Papst Benedikt XVI. Mit dem Kardinalsrat seit dem Jahr 2013 beraten, hat Papst Franziskus den Entwurf einer neuen Kirchenverfassung im Jahr 2019 an die Bischofskonferenzen aus aller Welt gesendet, um sie nun im Frühjahr 2020 zu veröffentlichen. Schon vor über einem Jahr hieß es bereits, dass die neue Konstitution mit dem Titel "Praedicate Evangelium" die Evangelisierung in den Mittelpunkt stellen und mit ihrer Inkraftsetzung das bisherige vatikanische Grundgesetz "Pastor Bonus" von 1988 ersetzen werde. Weil es nötig ist, das Evangelium unter veränderten Bedingungen in eine neue Zeit zu sprechen, bedürfe es so betont Papst Franziskus in seiner heutigen Weihnachtsansprache einer "pastoralen Neuausrichtung" der Kurie, ja der Kirche insgesamt:

Die Glaubenskongregation und die Kongregation für die Evangelisierung der Völker seien „zu einer Zeit gegründet, in der es einfacher war, zwischen zwei ziemlich klar abgegrenzten Bereichen zu unterscheiden: einer christlichen Welt auf der einen Seite und einer noch zu evangelisierenden Welt auf der anderen. Diese Situation gehört jedoch der Vergangenheit an.“ Sie seien entsprechend seinem programmatischen Schreiben Evangelii gaudium aus dem Jahr 2013 neu auszurichten.

"Die Reform der Strukturen, die für eine pastorale Neuausrichtung erforderlich ist, kann nur in diesem Sinne verstanden werden: dafür zu sorgen, dass sie alle missionarischer werden«" (EG 27).
...„andere 'Landkarten', andere Paradigmen
Die veränderten Rahmenbedingungen und den Ausgangspunkt der Evangelisierung heute stellt Papst Franziskus in einer schonungslosen Analyse dar, in der „andere „Landkarten“, andere Paradigmen, die uns helfen, unsere Denkweisen und Grundeinstellungen neu auszurichten“, gefragt seien:

"Wir haben keine christliche Leitkultur, es gibt keine mehr! Wir sind heute nicht mehr die Einzigen, die Kultur prägen, und wir sind weder die ersten noch die, denen am meisten Gehör geschenkt wird. Wir brauchen daher einen Wandel im pastoralen Denken, was freilich nicht heißt […]. Das Christentum ist keine dominante Größe mehr, denn der Glaube – vor allem in Europa, aber auch im Großteil des Westens – stellt keine selbstverständliche Voraussetzung des allgemeinen Lebens mehr dar“. (Ebd.

All dies führe „zwangsläufig zu Veränderungen und neuen Schwerpunkten in den oben genannten Dikasterien sowie in der gesamten Kurie.“

"Es geht also um große Herausforderungen und um notwendige Ausgewogenheit. Diese ist oft nicht leicht zu verwirklichen, aus dem einfachen Grund, dass in der Spannung zwischen einer glorreichen Vergangenheit und einer gestalterischen Zukunft, die in Bewegung ist, die Gegenwart liegt, in der es Menschen gibt, die notwendigerweise Zeit zum Reifen brauchen; es gibt historische Umstände, die im Alltag zu bewältigen sind, da während der Reform die Welt und die Ereignisse nicht stillstehen; es gibt rechtliche und institutionelle Fragen, die Schritt für Schritt gelöst werden müssen, ohne magische Formeln oder Abkürzungen." (Ebd.

...die Versuchung, sich auf die Vergangenheit zurückzuziehen
Trotz aller Ungleichzeitigen insistiert Franziskus auf die Unausweichlichkeit der Veränderung gegenüber einem – auch in den Ortskirchen nicht minder vorherrschenden – überkommenem Denken und dem Festhalten an nicht mehr zeitgemäßer Strukturen.

"In Verbindung mit diesem schwierigen geschichtlichen Prozess besteht immer die Versuchung, sich auf die Vergangenheit zurückzuziehen (selbst unter Verwendung neuer Formulierungen), weil diese beruhigender, vertrauter und sicherlich weniger konfliktgeladen ist. Auch dies gehört jedoch zum Prozess und zum Risiko, bedeutende Veränderungen einzuleiten. Hier muss man vor der Versuchung warnen, eine Haltung der Starrheit anzunehmen. Die Starrheit kommt von der Angst vor Veränderung und übersät am Ende den Boden des Gemeinwohls mit Pflöcken und Hindernissen und macht ihn so zu einem Minenfeld der Kontaktunfähigkeit und des Hasses. Denken wir immer daran, dass hinter jeder Starrheit irgendeine Unausgeglichenheit liegt. Die Starrheit und die Unausgeglichenheit nähren sich gegenseitig in einem Teufelskreis."  (Ebd.
Mit den schon in früheren Reden zum selben Anlass zitierten Versuchungen und Krankheiten der Kirche  der "Krankheit, sich 'unsterblich',  'immun' oder sogar 'unentbehrlich' zu fühlen", der "Krankheit der geistigen und geistlichen 'Versteinerung'"  sowie des „geistlichen Alzheimer“   knüpft Papst Franziskus an seine Aufsehen erregende Weihnachtsansprache an die Kurie aus dem Jahr 2014 an, die er wie die Kirche insgesamt wieder neu zu einem „lebendigen Körper“ verändern will. Und er zitiert die letzten Worte des im Jahr 2012 verstorbenen Kardinals Carlo Maria Martini.
»Die Kirche ist zweihundert Jahre lang stehen geblieben. Warum bewegt sie sich nicht? Haben wir Angst? Angst statt Mut? Wo doch der Glaube das Fundament der Kirche ist. Der Glaube, das Vertrauen, der Mut. […] Nur die Liebe überwindet die Müdigkeit.« (Ebd.

Wie der über lange Jahre auf Reformen in der Kirche dringende Mailänder Erzbischof verbindet Papst Franziskus den Aufruf zur Reform mit der Weihnachtsbotschaft, mit „Logik der Menschwerdung“, weil Christus „unsere Geschichte, die Geschichte eines jeden von uns angenommen hat.“ Daran erinnere uns Weihnachten. „Die Menschheit also ist der besondere Schlüssel, mit dem die Reform zu lesen ist. Die Menschheit ruft auf, fragt an und ruft hervor, das heißt sie ruft dazu auf, hinauszugehen und die Veränderung nicht zu fürchten.
"Weihnachten ist das Fest der Liebe Gottes zu uns – der göttlichen Liebe, welche die Veränderung inspiriert, leitet und korrigiert und die menschliche Angst, das „Sichere“ aufzugeben, besiegt, um uns neu auf das „Mysterium“ einzulassen." (Ebd.
Eine Weihnachtsansprache, die in Analyse der Gegenwart wie der Entschlossenheit zur Veränderung auch auf den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland zu lesen ist.

Samstag, 29. Juni 2019

"Zeitenwende" - oder: Ein Brief von Papst Franziskus „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ gerade zur rechten Zeit
(Screenshot des Aufmacher-Beitrags auf katholisch.de vom 29.6.2019)


Als erste Bischofskonferenz überhaupt haben die deutschen Bischöfe ihre Rückmeldung zu der derzeit in allen Bischofskonferenzen der Welt beratenen Konstitution zur Kirchenverfassung mit dem voraussichtlichen Titel Praedicate evangelium gegeben, wie vorgestern zum Ende der 30. Sitzung des Kardinalsrates in Rom bekannt wurde. Sie nehmen damit Bezug auf den von Papst Franziskus ausgerufenen Prozess, die „Synodalität in der Kirche auf allen Ebenen zu stärken“, bei der die „missionarische Ausrichtung“ und Evangelisierung einen größeren Stellenwert bekommen soll (s. Blogbeitrag vom 14.3.2019). Genau diesen Aspekt, dieses Ziel der „missionarischen Dynamik“ und des „Primates der Evangelisierung“ stellt Papst Franzskus in einem Brief in den Mittelpunkt, den er bewusst nicht nur an die deutschen Bischöfe, sondern „an das pilgernde Volk in Deutschland‘ insgesamt richtet und auf dem synodalen Weg ermutigt. „Viel Lärm um nichts“ (Much Ado about nothing) lautete eine dreiviertel Stunde nach der Presseveröffentlichung des Papstbriefes von Seiten des Sekretariates der Deutschen Bischofskonferenz eine wohl bewusst wertende Bild-Textmarke eines österreichischen, privaten Nachrichtenmagazins. 

Tatsächlich ist das Papstschreiben aber eine nicht kraftvoller auszusprechende Unterstützung und Bestätigung des am Ende der Frühjahrsvollversammlung der DBK einmütig - bei vier Enthaltungen - ausgerufenen ‚Synodalen Weges“ (s. Blog-Beitrag vom 14.3.2019). Denn die Einwände und Kommentare, die kurz nach dem Plenartreffen der Deutschen Bischöfe nach einzelnen Stellungnahmen beteiligter Bischöfe veröffentlicht wurden, schienen Anlass, Bezeichnung, Beteiligte wie Ziel des synodalen Weges gleichermaßen wieder in Frage zu stellen. Dass er den Begriff „synodaler Weg“  weit von sich weise und als „Etikettenschwindel“ betrachte, wurde der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa in einem Interview zitiert. Kurz zuvor äußerte der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer im Rahmen eines Symposiums die Befürchtung, dass „[e]in synodaler Prozess, der meint, vor allem die Kirche neu erfinden zu sollen, […] einen Weg der Zerstörung“ beschreite. Und sein Generalvikar nahm just heute zumindest keinen Einspruch gegen eine Überschrift zu seinem Kommentar in demselben österreichischen Nachrichtenmagazin, dass der „synodale Prozess […] so nicht stattfinden“ könne. Doch ohne auf die vier in Lingen formulierten (s. Blogbeitrag vom 14.3.2019) und bereits aus vielen Bistümern und dem ZDK in abgestimmter Weise mit Expert/innen optierten Teilprojekte einzugehen, bestätigt Papst Franziskus gerade diesen von Seiten der Deutschen Bischöfe zusammen mit dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken eingeschlagenen Weg.

So danken der Vorsitzende der DBK, Kardinal Reinhard Marx, wie der Vorsitzende des ZDK, Thomas Sternberg, in einer gemeinsamen Stellungnahme vom 29.6.2019 für seine orientierenden und ermutigenden Worte, in dem sie sich „als Bischöfe und Laienvertreter eingeladen“ sehen.  Und sie erklären gemeinsam:
"Papst Franziskus möchte die Kirche in Deutschland in ihrer Suche nach Antworten auf die uns alle bewegenden Fragen für eine zukunftsfähige Gestalt der Kirche unterstützen."
Und sie deuten auch noch einmal die Umstände, die den synodalen Prozess in Deutschland angestoßen, ja notwendig gemacht haben: 
"Es ist das zentrale Anliegen von Papst Franziskus, die Kirche weiterhin als eine starke geistliche und pastorale Kraft zu verstehen, die das Evangelium in die Gesellschaft hinein vermittelt und glaubwürdig verkündet. Diese Glaubwürdigkeit ist in den zurückliegenden Jahren erschüttert worden. Wir sind als katholische Kirche in Deutschland gemeinsam aufgefordert, Vertrauen neu zu gewinnen."
Als erster Schritt des synodalen Weges ist eine Gemeinsame Konferenz von Vertreterinnen der Deutschen Bischofskonferenz und des ZdK am 5. Juli geplant, an dem der Brief des Papstes besprochen werden soll  „und weitere konkrete Schritte“  vereinbart werden sollen".

Ein übernächster Schritt ist auch schon bekannt, der ebenfalls in einer gemeinsam gehaltenen Konferenz von Bischofskonferenz, Zentralkomitee der deutschen Katholiken und weiteren Personen am 13. und 14. September 2019 bestehen wird, bei der ein erster Zwischenbericht vorgesehen ist. Bis dahin sollen auch „Zeitpunkt und Dauer der strukturierten Debatten klar sein“, wie von Seiten der DBK verlautet wurde.
In und mit diesem Procedere können sich eigentlich alle Beteiligten gesehen und vertreten fühlen – so sie nicht gänzlich gegen den 'synodalen Weg von Papst Franziskus‘ eingestellt sind. Diesen nunmehr nicht nur in Rom – wie seit den insgesamt drei Synoden auf weltkirchlicher Ebene in den Jahren 2014, 2015 und 2018 , sondern bei uns in Deutschland verfolgen zu können, erfreut mich mehr als ich sagen kann. Ebendies wird mit der päpstlichen Ermutigung "an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" heute deutlich. Der nunmehr von päpstlicher Seite bestätigte synodale Weg ist auch, wie dieser Blog seit den ersten Beiträgen heißt: Es ist „Papst Franziskus‘ Synodaler Weg“! Und mit dieser Unterstützungszusage endet auch sein Brief:

"Ich möchte euch zur Seite stehen und euch begleiten in der Gewissheit, dass, wenn der Herr uns für würdig hält, diese Stunde zu leben, Er das nicht getan hat, um uns angesichts der Herausforderungen zu beschämen oder zu lähmen. Vielmehr will er, dass Sein Wort einmal mehr unser Herz herausfordert und entzündet, wie Er es bei euren Vätern getan hat, damit eure Söhne und Töchter Visionen und eure Alten wieder prophetische Träume empfangen (vgl. Joel 3,1). Seine Liebe «erlaubt uns, das Haupt zu erheben und neu zu beginnen. Fliehen wir nicht vor der Auferstehung Jesu, geben wir uns niemals geschlagen, was auch immer geschehen mag. Nichts soll stärker sein als sein Leben, das uns vorantreibt!» [EG 3]"

Mittwoch, 10. April 2019

Praedicate evangelium: Das Dokument der Kurienreform geht seinerseits den synodalen Weg
(Screenshot: Vaticannews vom 10.4.2018)
Nach der 29. Sitzung des Kardinalsrates geht nun das seit dem ersten Jahr des Pontifikates von Papst Franziskus sukzessive erarbeitete und seit dem 4.11.2018 mit seinem Titel Praedicate Evangelium bekannte Dokument zur Kurienreform seinerseits auf den synodalen Weg. Wie schon in diesem Blog am 14.3.2019 beschrieben, wird es nun an die Bischofskonferenzen, die Synoden der unierten Ostkirchen, die Ordensoberen und Chefs der Kurienbehörden zur Beratung versendet. Auch einige päpstliche Universitäten werden bei der Überprüfung des Textes zu Rate gezogen.  Auf der Pressekonferenz wurde am heutigen Tag hervorgehoben, dass im Mittelpunkt dieser die Konstitution zur Kirchenerfassung Pastor Bonus aus dem Jahr 1988 ablösenden Verfassung die "missionarische Ausrichtung" steht.
"Es ging auch um die Verpflichtung, den Prozess der Synodalität in der Kirche auf allen Ebenen zu stärken, hieß es in der Vatikannote. Besonders hervorgehoben wurde die Notwendigkeit einer stärkeren Präsenz der Frauen in Führungsfunktionen in Gremien des Heiligen Stuhls. Es wurde auch wiederholt, dass der Kardinalsrat ein Organ der Kirche sei, das die Aufgabe habe, den Papst „bei der Leitung der Universalkirche zu unterstützen“, und daher ende seine Funktion nicht mit der Veröffentlichung der neuen Apostolischen Verfassung." (Vaticannews vom 10.4.2019

Laut einem Bericht * sieht die neue Konstitution vor, dass sämtliche Kongregationen und Päpstlichen Räte künftig Dikasterien genannt werden sollen. Zudem soll sich ihre Rolle ändern: Sie sollen die Ortskirchen weniger beaufsichtigen als vielmehr unterstützen. 

"Gemäß diesem Entwurf sollen in der römischen Kurie als zentralem Leitungsorgan der katholischen Kirche künftig mehr Laien arbeiten. Zudem gebe es eine Verlagerung von Kompetenzen an die Bischofskonferenzen. Dieser Impuls zur Dezentralisierung verändere auch die Beziehungen zwischen Bischöfe, Kurie und dem Papst." (kathpress vom 30.5.2019)*
Neben einem neuen "Super-Dikasterium" für Evangelisierung, das auch dem neu benannten "Dikasterium für die Glaubenslehre" vorangestellt wird  - hier zeigt sich die "missionarische Ausrichtung" wohl am deutlichsten - soll es ein neues "Dikasterium für die Caritas" geben; zudem soll die Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen in die Kurie integriert werden.

"In der alten Kurienverfassung von 1988 gab es neun "Kongregationen" und elf, später zwölf "Päpstliche Räte". Gemäß der neuen Verfassung soll es insgesamt nur noch 15 "Dikasterien" geben. Das vatikanische Staatssekretariat als zentrales Instrument des Papstes bleibt erhalten; dazu gehört weiterhin auch das Außenministerium des Heiligen Stuhls." (kathpress vom 30.5.2019)*

Die Rückmeldungen der Bischofskonferenzen werden bis zur nächsten Sitzung des Kardinalsrates, der - vermutlich letztmalig - vom 25.-27. Juni 2019 im Vatikan tagen wird, erwartet. Zum Fest der Heiligen Peter und Paul am 29. Juni 2019 - so wird erwartet - könnte der Papst die neue Konstitution dann unterzeichnen und in Kraft setzen. 







* Aktualisiert am 23.4. und 30.5.2019

Donnerstag, 14. März 2019

In Deutschland angekommen: Bischöfe beschließen "synodalen Weg"

(Screenshot: katholisch.de vom 14.3.2018)
Nach der zentralen Etappe der Jugendsynode des Jahres 2018 auf dem Weg zur synodalen Umgestaltung der katholischen Kirche folgten in den letzten Februartagen und Mitte März 2019 weitere lang erwartete Bischofszusammenkünfte auf weltkirchlicher wie auch nationaler, bundesdeutscher Ebene: das Treffen der Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen der Welt zur Bekämpfung des Missbrauches (vom 21. bis 24. Februar 2019), das diesem ebenfalls in Rom vorausgehende Treffen des K9-Kardinalsrates vom 18.-21.2.2019 und in Deutschland die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 10.-14.3.2019 in Lingen. Und alle drei Versammlungen nehmen die Hauptmotive ‚Synodalität und Kirchenreform‘ auf.

Auf der 28. Sitzung seit seiner Einberufung im Jahr 2013 hat der Papst Franziskus beratende Kardinalsrat das Dokument 'Praedicate Evangelium' in einer finalen Fassung beraten, mit dem die Kurienreform nach bereits vorausgegangener kirchenrechtlicher Überarbeitung besiegelt werden soll. Bekannt wurde im abschließenden Pressebriefing vom 21.2.2019 ebenfalls, dass der Papst
"'im Zeichen der Synodalität' die Verantwortlichen der lokalen Bischofskonferenzen, die Synoden der Ostkirchen, die Dikasterien der römischen Kurie, die Ordensoberenkonferenzen sowie einige Päpstliche Universitäten um ihre Anmerkungen bitten" wolle. (Vaticannews vom 21.2.2019)
Und wie nicht anders zu erwarten, spielte der Themenkomplex von Synodalität und Kollegialität auch auf der Kinderschutzkonferenz Ende Februar 2019 ebenfalls eine zentrale Rolle. Die nicht nur zeitliche Verknüpfung mit dem Treffen des unmittelbar vorangehenden Kardinalsrats wurde auch durch die Anwesenheit des Moderators der Kinderschutzkonferenz Pater Federico Lombardi bei ihren dreitägigen Beratungen unterstrichen – wie umgekehrt durch die Teilnahme aller Mitglieder des K9-Kardinalrates am Kinderschutz-Kongress.

Als Mitglied des Kardinalsrates brachte der Erzbischof von Bombay Kardinal Gracias die Anliegen der Kurienreform auf der Kinderschutzkonferenz ein:
"Alleine könne kein Bischof das Problem lösen. Die Verantwortung gehöre allen Bischöfen gemeinsam, Kollegialität sei der Kontext, in dem mit Missbrauch umgegangen werden müsse. (…) Synodalität in der Kirche und Kollegialität unter den Bischöfen zu leben habe ganz praktische Auswirkungen, so Gracias. Es bedeute zunächst ganz einfach, sich gegenseitig auch zu kritisieren, in der christlichen Tradition correctio fraterna genannt, brüderliche bzw. geschwisterliche Zurechtweisung.“ (Vaticannews vom 22.2.2019)
Der Gedanke der Synodalität als Beteiligung aller Getauften auf allen Ebenen an der Reform der Kirche bildete auch den Ausgangspunkt des Vortrages des Erzbischofs von Chicago, Kardinal Blase J. Cupich. Er sprach direkt im Anschluss nach dem indischen Kardinal Oswald Gracias beim Kinderschutz-Kongress im Vatikan. 
"Eine solche innere Reform der Kirche sei nötig. Nur die Richtlinien zu ändern reiche nicht aus, so der langjährige Vorsitzende des Kinderschutz-Komitees der US-Bischofskonferenz…. (…) Wahre Synodalität ruft uns dazu auf, in dem Zeugnis der Laien eine Stärkung und Beschleunigung unserer Mission“ zu sehen, so Cupich. (Vaticannews vom 22.2.2019)
Auf denselben synodalen Weg hat sich heute auch die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 10.-14.3.2019 gemacht. Anknüpfend an die Vorstellung der MHG-Studie  „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ auf der vorausgegangenen Herbst-Vollversammlung am 25. September 2018 wurden einerseits nunmehr die konkreten Umsetzungen aus den in Fulda beschlossenen Punkten und insbesondere auch ein Vorschlag zu Spezialgerichten für Strafverfahren bei sexuellem Missbrauch an Minderjährigen und die Erarbeitung Ordnung für Verwaltungsgerichte im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz vorgestellt.

Die Zäsur, die die MHG-Studie in Deutschland darstellt, wurde auf einem Studientag zu „übergreifenden Fragen, die sich gegenwärtig stellen“, deutlich, die darüber hinaus auch den neuen synodalen Aufbruch markiert. 
"Erschütterungen verlangen besondere Vorgehensweisen. Die Missbrauchsstudie und in ihrer Folge die Forderung Vieler nach Reformen zeigen: Die Kirche in Deutschland erlebt eine Zäsur. Der Glaube kann nur wachsen und tiefer werden, wenn wir frei werden von Blockierungen des Denkens, der freien und offenen Debatte und der Fähigkeit, neue Positionen zu beziehen und neue Wege zu gehen. 
Die Kirche braucht ein synodales Voranschreiten. Papst Franziskus macht dazu Mut. Und wir fangen nicht am Nullpunkt an. Die Würzburger Synode (1972 bis 1975) und auch der Gesprächsprozess der vergangenen Jahre haben den Boden bereitet, auch für viele Herausforderungen von heute. Einstimmig haben wir beschlossen, einen verbindlichen synodalen Weg als Kirche in Deutschland zu gehen, der eine strukturierte Debatte ermöglicht und in einem verabredeten Zeitraum stattfindet und zwar gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Wir werden Formate für offene Debatten schaffen und uns an Verfahren binden, die eine verantwortliche Teilhabe von Frauen und Männern aus unseren Bistümern ermöglichen. Wir wollen eine hörende Kirche sein. Wir brauchen den Rat von Menschen außerhalb der Kirche. 
Drei Punkte benannte Kardinal Marx in seinem heutigen Pressestatement, um die es ab jetzt in synodaler Arbeitsweise gehen wird: 

o Wir wissen um die Fälle klerikalen Machtmissbrauchs. Er verrät das Vertrauen von Menschen auf der Suche nach Halt und religiöser Orientierung. Was getan werden muss, um den nötigen Machtabbau zu erreichen und eine gerechtere und rechtlich verbindliche Ordnung aufzubauen, wird der synodale Weg klären. Der Aufbau von Verwaltungsgerichten gehört dazu. 
o Wir wissen, dass die Lebensform der Bischöfe und Priester Änderungen fordert, um die innere Freiheit aus dem Glauben und die Orientierung am Vorbild Jesu Christi zu zeigen. Den Zölibat schätzen wir als Ausdruck der religiösen Bindung an Gott. Wie weit er zum Zeugnis des Priesters in unserer Kirche gehören muss, werden wir herausfinden. 
o Die Sexualmoral der Kirche hat entscheidende Erkenntnisse aus Theologie und Humanwissenschaften noch nicht rezipiert. Die personale Bedeutung der Sexualität findet keine hinreichende Beachtung. Das Resultat: Die Moralverkündigung gibt der überwiegenden Mehrheit der Getauften keine Orientierung. Sie fristet ein Nischendasein. Wir spüren, wie oft wir nicht sprachfähig sind in den Fragen an das heutige Sexualverhalten. (DBK-Pressemitteilung vom 14.3.2019)

In den kommenden Monaten sollen gemeinsam mit dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZDK) geeignete Formate zur Klärung von Neuausrichtung und Veränderung bei der Vorbereitung des synodalen Prozesses gesucht werden:
"Dazu gehören bereits jetzt auf der Vollversammlung verabredete Foren, die sich den zuvor genannten drei Punkten widmen werden: Das Forum „Macht, Partizipation, Gewaltenteilung“ wird von Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann (Speyer) verantwortet, das Forum „Sexualmoral“ von Bischof Dr. Franz-Josef Bode (Osnabrück) und das Forum „Priesterliche Lebensform“ von Bischof Dr. Felix Genn (Münster)." (Ebd.)
Der synodale Weg in Deutschland nimmt Fahrt auf und wird mit der angekündigten Beratschlagung der neuen Konstitution zur Kurienrefom ‚Praedicate Evangelium‘ , dem ebenfalls in Kürze erscheinenden nachsynodalen Schreiben zur Jugendsynode sowie deren nachsynodaler Nachbereitung auf einer bereits im letzten Jahr für Juni 2019 einberufenen Konferenz im Rom auch von weltkirchlicher Ebene sekundiert. 


"Die Kirche braucht ein synodales Voranschreiten."  (Ebd.)