Sonntag, 22. September 2024

 „Wider die Sünde gegen die Synodalität“ – Zur Vorstellung der Methodologie, Regeln und der Teilnehmenden der Weltsynode und warum es jetzt ums Ganze geht.

"Der gesamte Prozess der Synode 2021-2024 lässt sich von einer grundlegenden Frage leiten: „Wie verwirklicht sich heute auf den verschiedenen Ebenen (von der lokalen bis zur universalen Ebene) jenes ‚gemeinsame Gehen‘, das die Kirche befähigt, das Evangelium gemäß der ihr anvertrauten Sendung zu verkünden, und zu welchen Schritten lädt uns der Geist ein, um als synodale Kirche zu wachsen“ (Vorbereitungsdokument, Nr. 2)."

© Synod.va

Mit diesem Zitat beginnt das am 16. September 2024 auch in deutscher Sprache veröffentlichte Dokument zur Methodologie des zweiten Teils der  vom 2. bis 27. Oktober 2024 in Rom tagenden Weltbischofssynode. In fünf Modulen – einem einführenden zu Grundlagen, drei zu den im Instrumentum laboris grundgelegten Aspekten "Beziehungen, Wege und Orte" und einem abschließenden zum gesamten, erarbeiteten Textentwurf – wird eine über 36 Tischgruppen in der bereits eingeführten Methode des Gesprächs im Heiligen Geist erarbeitete Arbeitsweise bereits detailliert verteilt auf die vier Synodenwochen vorgestellt, die sicherstellen soll, dass alle Teilnehmenden gleichermaßen an der Texterarbeitung beteiligt werden und das spezifische geistliche Element der Unterscheidung auch zum Tragen kommt. Entsprechend ihrer jeweiligen Rolle - so führen der Sekretär der Bischofssynode Kardinal Mario Grech und Generalrelator Kardinal Jean-Claude Hollerich in einer Pressekonferenz aus - haben die insgesamt 368 Teilnehmenden eine spezifische Aufgabe, für die jeweils besondere Regeln gelten. Rein formal soll auf diese Weise sichergestellt werden, dass wirklich alle unter der Führung des Heiligen Geistes in einem lebendigen Miteinander gehen, beten und beraten und so in einer von allen mitgetragenen Bewegung die Zukunft der Kirche gestaltet und fortgeschrieben wird. Dabei steht die Geltung der Synodalität selber im Mittelpunkt der weltkirchlichen Beratungen, insofern sich – unbeschadet von einzelnen Themen, die auf diese Weise in den Vordergrund rücken – am gelingenden Verlauf auch die Implementierung des Selbstverständnisses der Katholischen Kirche als einer synodalen Kirche unter Beweis stellt. Darum und um nichts weniger geht es: Es geht ums Ganze, um die in den vergangenen Jahren sukzessive vorangetriebene synodale Ausgestaltung der katholischen Kirche – seit der Doppelsynode zur Familie 2014/15, mit der dieser Synodenblog begann.

In Kürze ist es zehn Jahre her, dass Papst Franziskus zu Beginn der ersten Weltsynode zur Familie am 6. Oktober 2014 dazu einlud, die Beratungen „im Geist der Synodalität“ zu führen und wenig später am 17. Oktober 2015 in einer Ansprache aus Anlass der Feier von 50 Jahre Bischofssynode Kollegialität und Synodalität als Wesensvollzüge einer sich erneuernden Kirche beschrieb – mit dem oft zitierten Spitzensatz zur „Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet." Die Reflexion auf die Bedeutung von Synodalität gehört seitdem bis zur Kurienreform zum ceterum censeo der Kirchenentwicklung. Wenn aber heute nicht nur über dieses oder jenes Einzelthema debattiert und gerungen wird – so etwa die Ämterfrage, den Zölibat oder Fragen der Geschlechtergerechtigkeit –, sondern die synodale Verfasstheit der Kirche insgesamt infrage gestellt wird, zielt eine solche Kritik nicht nur auf das Vermächtnis des derzeitigen Pontifikats, sondern zentral auf den Markenkern der im II. Vatikanischen Konzil gewandelten katholischen Kirche. So ist die Gegenrede des nicht erst seit seiner Entlassung vor sieben Jahren aus dem Amt des Vorsitzenden der ehemaligen Glaubenskongregation (seit der Kurienreform 2022: Dikasterium für die Glaubenslehre) notorisch papstkritisch auffallenden Kardinals Gerhard Ludwig Müller wider eine Sünde gegen die Synodalität nicht weniger als ein kirchenspalterischer Versuch eine vorsynodale Kirche zu restaurieren, den synodalen Prozess zu unterlaufen und zu diskreditieren. Die beißende Kritik des 76 jährigen Kurienkardinals macht sich diesmal an einer Bußliturgie im Anschluss an die Besinnungstage am Vorabend vor dem Synodenbeginn am 1. Oktober fest:

© Synod.va

„Bei der Bußfeier im Petersdom, die von Papst Franziskus geleitet wird, werden (…) auch eine Reihe von Sünden gebeichtet. Dabei geht es nicht darum, die Sünde der anderen anzuprangern, sondern sich selbst als Mitglied derer zu bekennen, die durch Unterlassung oder Handlung zur Ursache des Leids werden und für das Böse verantwortlich sind, das Unschuldigen und Wehrlosen zugefügt wird. Wer die Bitte um Vergebung ausspricht, tut dies im Namen aller Getauften und bekennt die folgenden Verfehlungen:

- die Sünde gegen den Frieden
- die Sünde gegen die Schöpfung, gegen die einheimische Bevölkerung, gegen die Migranten
- die Sünde des Missbrauchs
- die Sünde gegen Frauen, Familie, Jugend
- die Sünde, die Lehre als Stein des Anstoßes zu benutzen
- die Sünde gegen die Armut
- die Sünde gegen die Synodalität / den Mangel an Zuhören, Gemeinschaft und Beteiligung aller“

Wenn es bei einer Bußandacht nicht auch um die persönlichsten Gefühle aller Synodalinnen und Synodalen ginge, würde die Polemik, Gefühllosigkeit und Niveaulosigkeit der Argumentation auf den Autor selbst zurückfallen, die Kardinal Müller am 20. September 2024 in einer Presseveröffentlichung über ein einschlägiges österreichisches Nachrichtenmagazin verbreitet:

„Der vorgelegte Katalog mit angeblichen Sünden gegen die als Wurfgeschoss missbrauchte Lehre der Kirche oder gegen die Synodalität, was man auch immer darunter verstehen mag, liest sich wie eine Checkliste der christlich etwas mühsam verbrämten Woke- und Gender-Ideologie, abgesehen von einigen Missetaten, die zum Himmel schreien. (…) Es gibt auch keine Sünde gegen eine Art von Synodalität, die als Mittel zur Gehirnwäsche gebraucht wird“. (kath.net, 21.09.2024)

Diese beißende Gegenrede gegen Form, Inhalt und Zielrichtung der Weltsynode mit dem Titel „Für eine synodale Kirche“ trägt diabolische, kirchenspalterische Züge und hat das Potenzial zerstörerisch Kreise über den deutschen Sprachraum zu ziehen. Sie zündelt diesmal – wie ähnlich schon zu Beginn des ersten Teils der Weltsynode und wie bei den Synoden davor immer wieder erlebt und in diesem Blog festgehalten – nicht nur am Ansehen und der Leitung von Papst Franziskus, sondern nunmehr am Markenkern der Katholischen Kirche. Es geht bei der Weltsynode gleich zu Beginn gegen restaurative Kräfte innerhalb der katholischen Kirche diesmal um nichts weniger als ums Ganze!



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