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Donnerstag, 16. Oktober 2014

Accompagnare – Accoglienza – un regard positif: oder hermeneutische Schlüssel der relatio sinodi


          (© HolySeePress; Fr. Lombardi, Kardinal Schönborn)

Es war der Tag der Zusammenfassungen der Arbeitsgruppen, die zunächst im Synodenplenum vorgetragen und nachfolgend veröffentlicht wurden. Einem der Moderatoren eines 'Circulus Gallicus' – einer francophonen Kleingruppe -, dem Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn, fiel es in der heutigen Pressekonferenz zu, den Stand des synodalen Geschehens ins Wort zu bringen. Als Mitglied des vorbereitenden Synodenrates berichtet er, wie sehr es Papst Franziskus schon zu Beginn der Synodenplanungen ein Anliegen gewesen sei, sich der Bedeutung und der Herausforderung der Familie zuzuwenden und zu einem gemeinsamen synodalen Weg über mehrere Etappen einzuladen. Eines der von Papst Franziskus immer wieder gebrauchten Schlüsselwörter sei 'Accompagnare', das Kardinal Schönborn in verschiedensten Formulierungen immer wieder zitierte. Dazu gehörten die Begleitung der Familie in der Betonung ihrer Bedeutung und Schönheit für jede einzelne Person wie für die Gesellschaft insgesamt, die Unterstützung in ihren Gefährdungen, aber auch die Aufgabe für die Kirche, ihre gefasste Lehre mit der Botschaft der Barmherzigkeit immer wieder neu zu verbinden.


Dienstag, 20. Oktober 2015

Die  bei  weitem  beste  und  offenste  Synode,  die  ich  erlebt  habe.“
(Kardinal Christoph Schönborn)
 

Dass die Synodalen mit den Gästen, Beratern und brüderlichen Delegierten in einem sehr guten „Klima der Synodalität“ (Kardinal Martínez Sistach) in den Plenarphasen, aber besonders intensiv in den Kleingruppen zusammengearbeitet hätten, war heute die einmütige Botschaft der zur Pressekonferenz eingeladenen Gäste in Bezug auf den Abschluss der 'Circoli minori' zum III. Teil des Instrumentum laboris. Neben Kardinal Sistach, dem Erzbischof von Barcelona, bestätigte auch der ebenfalls bereits von der III. Außerordentlichen Bischofssynode bekannte Erzbischof von Durban (Südafrika), Kardinal Wilfried Fox Napier, die sehr gute Arbeitsatmosphäre: Nachdem Papst Franziskus zu Beginn der ersten Synodenwoche seine letzten Bedenken an einem transparenten Arbeiten der Synode eindrucksvoll ausgeräumt hatte, ist der – zusammen mit den ebenfalls in den Pressebriefings der vergangenen Wochen bereits erlebten Kardinälen Vingt-Trois, Tagle und Assis – Präsident der Synode nun voll des Lobes:


Bild : Kardinal Christoph Schönborn, Moderator des 'Circulus Germanicus'

The new Synod procedure is a great help because it leaves plenty of time for reflection in the language groups. It gives us the chance to exchange views with people from different parts of the world, as well as lay auditors and fraternal delegates”. (Vatican Insider 20.10.2015)
Die neue Synoden-Prozedur ist eine große Hilfe, weil sie viel Zeit für die Refelxion in den Sprachgruppen lässt. Sie gibt uns eine Chance zum Gedankenaustausch mit Menschen von unterschiedlichen Teilen der Welt, ebenso mit Laien-Hörern und den brüderlichen Delegierten.“ (eigene Übersetzung)
Wenn die Synode bereits vor ihrem Ende – und beinahe von allen Gästen der Pressekonferenzen - aufgrund der neuen Kleingruppen-Arbeitsstruktur gelobt wird, wird ihr möglicher Erfolg sicherlich am meisten der hier geleisteten Text-, Moderations-, Übersetzungs- und vor allen Dingen Beziehungsarbeit unter- und miteinander zu verdanken sein. Einer der in den Kleingruppen gewählten Moderatoren war in der deutschen Sprachgruppe der Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, für den diese Bischofsversammlung „die bei weitem beste und offenste Synode gewesen ist“, die er bislang erlebt habe. (Kathpress 19.10.2015) Dazu hat er selbst bereits eine Menge beigetragen durch seine theologische Weite und Tiefe in der Rede beim Festakt des Synoden-Jubiläums am vergangenen Samstag, aber auch schon vorher im Synodenplenum der ersten Arbeitswoche, in der er seine integrierende Kraft unter Beweis stellte, wie es Abtpräses Jeremias Schröder in seinem Synodenblog am 12.10. 2015 beschrieb:
Segensreich sind da Männer wie Kardinal Schönborn, der es schafft, eine kontroverse Äußerung aufzugreifen und zu würdigen, und dann so zu wenden, dass die ganze Synode dahinterstehen kann. Zum Ende der Synode hin wird das hoffentlich noch öfter gelingen, auch bei den ganz großen Fragen.“
Und mit Sicherheit ist auch und gerade ihm der erfolgreiche Verlauf der mit Spannung verfolgten deutschen Sprachgruppe zu verdanken, dessen einfühlsame und kluge Moderation auch in dem mir gestern Abend zugesandten Bericht unseres aus Deutschland in Rom teilnehmenden Ehepaares Petra und Aloys Buch erwähnt wird.
Was ist nicht alles vermutet, behauptet, erwartet worden von der einzigen deutschsprachigen Gruppe unter den ‚Circoli minori‘ der ‚Familien-Synode‘. Aber dann kam manches ganz anders: der englische Kardinal Vincent Nichols war nicht der Einzige, den Dichte und Tiefgründigkeit der ersten Arbeitsergebnisse ‚der Deutschen‘ überzeugt haben. Aber das eigentlich Überraschende war etwas anderes. Zu Beginn hatte der Moderator die Frage, ob auch die ‚Auditoren‘ aktiv beitragen sollten, mit einer ausdrücklichen Einladung zur Mitwirkung beantwortet. Je mehr es dann ‚zur Sache‘ ging, umso intensiver wurden alle Zirkel-Teilnehmer ‚Hörer‘. Die gemeinsame Suche nach Klärungen und treffenden Formulierungen erforderte präzises Sprechen, sie verlangt vor allem genaues Hinhören auf Einschätzungen, Voten und Argumente. Was man aus Trockenübungen zur Problemlösung in Familien, Verbänden und Unternehmen kennt, wurde hier von Synodenvätern, Experten und Auditoren aus sechs Ländern im Mühen um eine gemeinsame Sprache praktiziert. Zentral waren nicht unterschiedliche Verantwortlichkeiten und Funktionen, sondern das Miteinander in ernstem und respektvollem Dialog. Das sorgsame Hinhören war wohl das eigentliche Geheimnis für das Beratungsergebnis. Eine wunderbare Erfahrung für alle, die dies miterlebt haben.“
Auch Bischof Bode äußerte sich heute kurz vor Abschluss der letzten Kleingruppenphase in einem Interview. Auf die Frage – nach der großen Anerkennung auf den einstimmigen Bericht der deutschsprachigen Arbeitsgruppe zum II. Teil des Instrumentum laboris –, ob der deutsche 'Circulus Minor' mit seinen theologischen Schwergewichten, u.a. neben Kardinal Schönborn, Kardinal Walter Kasper, Kardinal Kurt Koch, Kardinal Reinhard Marx auch der Glaubenspräfekt Kardinal Gerhard Ludwig Müller, aufgrund des vorausgegangenen, theologisch ausgefeilten Zwischenberichts  bei dieser Synode womöglich den Ausschlag geben könnte, sagte er:
Diese Erwartung wurde von außen geschürt wegen der wissenschaftlichen Qualität vieler ihrer Mitglieder und der Unterschiedlichkeit der Positionen. Ich hoffe, dass unser Ringen um Begriffe und den richtigen Weg für viele eine Hilfe sein kann, die sich über einige Punkte noch nicht im Klaren sind. Wenn eine Gruppe mit so verschiedenen Ansichten wie die deutschsprachige in ihren Texten zu einmütigen Ergebnissen kommt, kann sich das womöglich auf die ganze Synode übertragen.“ (domradio 20.10.2015)
Davon ist auch das Ehepaar Buch überzeugt:
Papst Franziskus hat anlässlich des Rückblicks auf 50 Jahre seit Einrichtung der heutigen Form von Bischofssynoden vom ‚synodalen Weg der Kirche‘ gesprochen. Welche Chancen diese beinhaltet, aber auch welche Anstrengungen dies erfordert, wird bei dieser Synode nicht nur in der großen Aula deutlich – dafür bietet in diesen Tagen der konzentrierte, hinhörende Dialog im deutschsprachigen ‚kleinen Zirkel‘ ein besonders eindrucksvolles und mutmachendes Beispiel."
Papst Franziskus machte zu Beginn des Tages ebenfalls allen Mut. Und ich zitiere ihn in Verbindung mit einer persönlichen Erinnerung an Kardinal Schönborn, dem ich im WS 89/90 in Fribourg den mein Leben prägenden Hinweis verdanke, dass der zentrale Begriff der Erlösungslehre bei Thomas von Aquin 'Freundschaft' sei. Und genau dieser Gedanke war heute auch Thema in der morgendlichen Predigt von Papst Franziskus im Gästehaus St. Martha, in der das Motiv der diese Synode prägenden, barmherzigen und zärtlichen Liebe auch über den zitierten Absatz hinaus anklingt:
"Unsere Rettung", erklärte Papst Franziskus, "liegt in dieser Freundschaft zwischen uns und Gott." Und er fährt fort:
Come dà Dio, in questo caso l’amicizia, la salvezza tutta nostra? Dà come dice che darà a noi quando facciamo un’opera buona: ci darà una misura buona, pigiata, colma, traboccante… Ma questo fa pensare all’abbondanza e questa parola, ‘abbondanza’,  in questo brano viene ripetuta tre volte. Dio dà nell’abbondanza fino al punto di dire, Paolo, come il riassunto finale: ‘Dove abbondò il peccato sovrabbondò la grazia’. Sovrabbonda, tutto. E questo è l’amore di Dio: senza misura. Tutto se stesso”. (Radio Vatikan vom 20.10.2015)
Wie schenkt uns Gott seine Freundschaft, sein Heil an uns alle? Er gibt sie uns, wenn wir eine gute Tat tun. Er gibt sie uns im vollen Maße, bis zum Rand, überbordend. Das lässt uns an Überfluss denken – und das Wort Überfluss wird dreimal in der Lesung wiederholt. Gott gibt im Überfluss bis zu dem Punkt, von dem Paulus schreibt. Und wo die Sünde übermächtig wurde, war die Gnade immer größer. Sie durchwirkt alles. So ist die Liebe Gottes: ohne Maß. So wie es ihr eigen ist." (eigene Übersetzung) 

 

Freitag, 23. Oktober 2015

Eine Kirche voller Zärtlichkeit für alle Menschen … der Beginn einer neuen Kirche!"
                               Eine Synode, die die Kirche für Zärtlichkeit öffnet

Dies sagte der belgische Erzbischof von Gent, Lucas Van Looy, in seinem Schlussstatement der heutigen Pressekonferenz, das er in ähnlicher Weise auch in der Synodenaula vorgetragen habe. Er wie auch die beiden anderen zum vorletzten Pressebriefing dieser Synode geladenen Gäste, Kurienkardinal Peter Turkson (Ghana) und der kanadische Kardinal Gérald Cyprien Lacroix, Erzbischof von Quebec, bestätigten, dass die Synodenversammlung den Entwurf des 'ratio finalis' genannten Abschlussdokumentes mit hoher Zufriedenheit und Dankbarkeit aufgenommen hätten. 1135 Änderungsanträge – die meisten zum dritten Teil des Arbeitsdokumentes 'Instrumentum laboris' – hat das zehnköpfige Redaktionsteam berücksichtigt und eingearbeitet.

Freitag, 26. Oktober 2018

Three Takeaways of #Synod2018: "La Iglesia abierta" – "Youth as Agents of Evangelisation" – "Synodality as the Expression of the Church"

Die Takeaways, die zentralen Botschaften, die von der Synode mitgenommenen werden oder im Abschlussdokument stehen werden, waren heute in der Pressekonferenz gefragt. Und Antwort gaben Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien, Erzbischof Eamon Martin, Primas von Irland, der kenianische Erzbischof Anthony Muheria sowie P. Enrique Figaredo Alvargonzalez aus Kambodscha und Erduin Alberto Ortega Leal, Auditor der Gemeinschaft St. Egidio. An den Anfang stellen möchte ich aber mit einem Bild die Takeaway-Kurzfassung des Synodenergebnisses, wie sie aus dem Mund von José Luis Kardinal Lacunza Maestrojuán, Erzbischof von David (Panama), wohl nach meinem Empfinden auch morgen die Mitte des im Laufe des Samstages veröffentlichten Synodenabschlussdokumentes wie der Botschaft an die Jugend sein wird.


Luis Kardinal Lacunza Maestrojuán, Erzbischof von David (Panama): "#Synod2018 es un punto de no retorno" auf www.facebook.com/Synod2018 (26.10.2018)
Youth as Agents of Evangelisation

Für den Vorsitzenden der irischen Bischofskonferenz, Erzbischof Eamon Martin, der erst vor wenigen Monaten Gastgeber des Weltfamilientreffens in Irland war, ist die Zeit der zurückliegenden Synodenwochen „a graced moment“ – eine begnadete Zeit. Er „sei ohne große Erwartungen an die Synode nach Rom gekommen. Im vorbereitenden Dokument habe es ihm an Heiligem Geist gefehlt; der habe aber dann in der Synode gewirkt, und nun reise er bereichert und inspiriert wieder ab. Neuen Wein füllt man nicht in alte Schläuche, sonst zerreißen sie, und der Wein geht verloren: dieses Gleichnis Jesu sei ihm in den Sinn gekommen, sagte der irische Primas.“

„Persönlich gesprochen: Ich habe lange versucht, den Dienst an jungen Menschen hineinzupressen in eine alte Art zu denken, ein Instandhaltungsdenken. Wir haben unsere Strukturen in der Kirche und unsere Art, wie wir Dinge tun, und wir müssen irgendwie versuchen, unsere jungen Leute zu kriegen und sie hineinzudrängen in diese alte Art zu denken und in die alte Art, die Dinge zu tun.“ (Vatican News vom 26.10.2018)

Wie ein Schuldbekenntnis lesen sich diese Sätze, die rückblickend aus einer diese Wochen kennzeichnenden „Erfahrung der Gegenwart des Heiligen Geistes“ gesprochen sind. Er spüre ein „neues Pfingsten, einen neuen Frühling“ der aufbrechen wolle – und empfindet sich selbst „ein wenig aufgeregt“, wie er als „Botschafter“ diese Erfahrung in seine Diözese und Gemeinden hineintragen wird. Der Weg daraufhin, den er in dieser Synode erfahren habe, sei es, Junge Erwachsene selbst als Agenten der Evangelisierung („Youth as Agents of Evangelisation“) zu verstehen, einzubeziehen und zu ermutigen:

"The synod has encouraged me to think a little bit more ambitiously about engaging in new ways with young people: where they are add, to hear them, to walk with them, to encourage them an the to become the missionary disciples of their Peers."  (eigene Übertragung)

"Die Synode hat mich ermutigt, ein wenig ehrgeiziger darüber nachzudenken, neue Wege mit jungen Menschen zu gehen: wo Sie hinzukommen, Sie zu hören, mit Ihnen zu laufen, Sie zu ermutigen, die missionarischen jünger ihrer Altersgenossen zu werden. (eigene Übersetzung)

La chiesa: un luogo di accolto

Ähnlich wie der Primas von Irland ist auch Kardinal Schönborn vom Verlauf der Synode begeistert, die seine „Erwartungen mehr als übertroffen“ habe, nachdem er gestern auch eingestanden hatte, dass er neben vielen Hoffnungen „auch ein ungutes Bauchgefühl zuvor“ hatte. Und als Teilnehmer der für ihn sechsten Synode betont er die ausgezeichnete Atmosphäre, in der viel gelacht worden sei und die Erfahrung wirklicher Gemeinschaft gemacht wurde. Und auch wenn vielleicht nicht alle Antworten gefunden worden seien, wären doch die Fragen, Visionen und Träume der Jugendlichen gehört und von allen geteilt worden. Und ähnlich, was Kardinal Lacunza für eine alle Menschen willkommen heißende Kirche der Zukunft als Ergebnis der Synode nach vorne beschreibt, berichtet Kardinal Schönborn von der einer Aussage eines jungen Afrikaners ihm gegenüber während dieser Synodentage, dass es die Kirche in Afrika inmitten einem korrupten Staat und großer Armut für diesen Jugendlichen schon sei:

"La chiesa e nostra unica speranza, perche qui troviamo un luogo die accolto, di comprensione, dove possiamo essere noi, giovani, a casa." (eigene Übertragung)

"Die Kirche ist unsere einzige Hoffnung, denn hier finden wir einen Ort der Begrüßung, des Verständnisses, wo wir sein können, der jungen Leute, zu Hause." (eigene Übersetzung)



…und einmal mehr: Synodalität

Und erneut gefragt nach der Bedeutung des Begriffs Synodalität, holt er – jetzt in in englischer Sprache – in Erinnerung seiner Ansprache beim gestern bereits erwähnten 50jährigen Jubiläum der Bischofssynode – weiter aus, indem er die Bischofssynoden als solche – wie sie Papst Paul VI. eingesetzt hat – als „Ausdruck der Synodalität der Kirche“ („The assembly of the bishops as an expression of the synodality of the church“):

„That's exactly the meaning of synodality: to walk together and be together on the way of faith: and that concerning everybody. It doesn't take a away the difference of functions and ministries and roles within the synodal way of the church, but it's the way how the church functions.“  (eigene Übertragung)

"Das ist genau die Bedeutung der Synodalität: gemeinsam zu gehen und gemeinsam auf dem Weg des Glaubens zu sein: und das betrifft alle. Es hebt den Unterschied von Funktionen und Ämtern und Rollen innerhalb der Synodalen Art der Kirche nicht auf, aber es ist die Art und Weise, wie die Kirche funktioniert.“  (eigene Übersetzung)


Und sein Takeaway lautet zum Abschluss:
"Synodality ist to be lived in the diocese, the parish and the universal church!" 
"Die Synodalität ist in der Diözese, der Pfarrei und der universalen Kirche zu leben!"

Samstag, 17. Oktober 2015

Der Weg ist das Ziel: oder Kollegialität und Synodalität als Wesensvollzug einer sich erneuernden Kirche
Der Festakt aus Anlass von 50 Jahren Bischofssynode wurde für die anwesenden Synodenväter und zahlreichen Gäste in der Audienzhalle Paul VI. zu einer Lehrstunde über „die Synode als Ort der Manifestation der bischöflichen Kollegialität, der Erneuerung der Kirche in Treue zum Evangelium und des unberechenbaren Wirkens des Heiligen Geistes“, wie der  Generalsekretär der Bischofssynode Kardinal Lorenzo Baldisseri Papst Franziskus aus seiner Ansprache zur Eröffnung der Generaldebatte der Bischofssynode am 5.10.2015 zitierte.
Papst Franziskus in seiner historischen Ansprache über die "Synodalität,
welcher der Weg ist, den Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet."


Dienstag, 13. Oktober 2015

"Das Ambiente ist heiter. Die Kleingruppen haben einen zivilisierenden Einfluss auf die Synodenmitglieder... Räumlich nah und eng beieinander, geht man mit Argumenten aufeinander ein, statt in einen Gegensatz abstrakter Ideen zu verfallen."

Dies sagte Abtpräses Jeremias Schröder heute ebenfalls mit benediktinischer Heiterkeit auf Italienisch in der Pressekonferenz, in der auch bekannt wurde, dass der auch zu Synodenbeginn mit deutlicher Kritik an den neuen Strukturen der diesjährigen Synodenarbeit vorgepreschte Kardinal Pell nach einer Woche Kleingruppenarbeit mittlerweile auch von einer guten Arbeitsatmosphäre spricht.
 
Thérèse Nyirabukeye (Ruanda), Moira McQueen (Kanada) Abtpräses Jeremias
 Schröder OSB und Pressesprecher Federico Lombardi SJ (Bild: HolySeePress)

Freitag, 8. April 2016

"Lassen wir die Freude ausbrechen angesichts seiner Zärtlichkeit"  (AL 149) - oder: "Zeichen und Wunder sind uns geschehen" – Zur Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens 'Amoris Laetitia'

(Anschreiben von Papst Franziskus zum nachsynodalen Schreiben 'Amoris laetitia')
"Zeichen und Wunder werden geschehen“, so lautete der Titel eines ersten Interviews im Zuge meiner über zweieinhalbjährigen Beobachtung und Öffentlichkeitsarbeit zu den beiden Familiensynoden der Jahre 2014 und 2015. Die Überschrift nahm eine Formulierung des Wiener Erzbischofs Christoph Kardinal Schönborn auf, der als Mitglied des Synodenrates schon kurz vor der ersten Familiensynode, der III. Außerordentlichen Bischofssynode, im Jahr 2014 optimistisch war in Hinblick auf Veränderungen in der Lehre bezüglich vieler ‚heißer Eisen‘, die nach den Rückmeldungen und Befragung aller Orts- und Teilkirchen beinahe weltweit unter den Nägeln brannten. In meinem Blog-Beitrag vom 4.10.2014 zu Beginn dieser Synode habe ich die bis zum heutigen Tag geltenden und in einschlägigen Dokumenten nachzulesende Lehrmeinung zusammengestellt, die durch das heute veröffentlichte Apostolische Lehrschreiben 'Amoris laetitia', insbesondere durch eine erneuerte, ja eine 'wirkliche Bekehrung' der Sprache – wie es in einem begleitenden Schreiben des Synodensekretärs Kardinal Lorenzo Baldisseris an die Bischöfe heißt – modifiziert wurden.
Die theologische Ausgangslage vor der Synode
Nichteheliche Verhältnisse verstoßen gegen das moralische Gesetz, sind schwere Sünde und die in ihnen lebenden Menschen ebenso vom Empfang der Kommunion ausgeschlossen (vgl. KKK 2390) wie in homosexueller Partnerschaft lebende Menschen, die gegen das natürliche Gesetz verstoßen, wenn sie wider die ihnen auferlegte Keuschheit miteinander verkehren (vgl. KKK 2357). Und auch wiederverheiratet Geschiedene sind ihr Leben lang vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen, insofern sie dauerhaft in einer Todsünde verharren (vgl. CIC Can. 915)." (s. ebd.)
Dass diese und andere schwierige Themen – wie der Umgang mit Methoden der Empfängnisregelung – zur Diskussion gestellt werden könnten, war von der reinen Sachlage eigentlich so gut wie ausgeschlossen. Und die Frage war von Anfang an diejenige, die in dem zu Beginn angesprochenen Interview der Kölner Kirchenzeitung vom 3.10.2014 in Bezug auf die genannten ‚heißen Eisen‘ in folgender Weise angesprochen wurde:
„Mit dem Thema der wiederverheirateten Geschiedenen ist das Thema von nichtehelichen Lebensgemeinschaften angesprochen und dort die Frage, ob wir den Menschen in irgendeiner Weise eine Anerkennung zusprechen können, ohne zu sagen, was sie jeweils nicht sind. Einige Überlegungen gehen sogar dahin, dass gegebenenfalls eine sakramentale Kongruenz, eine beschreibbare Form sakramentaler Entsprechung, bestehen kann, um wiederverheiratete Geschiedene auch zu den Sakramenten zuzulassen. Die anderen Fragen sind ganz ähnlich: Ob wir wertschätzend etwas zu neuen Familienformen, zu homosexuellen Partnerschaften und anderen Lebensgemeinschaften sagen können und wie wir das Thema Sexualität, verantwortete Elternschaft und die Bedeutung des Gewissens neu ansprechen." (Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln Nr. 40-41/14 vom 3.10.14)
Nach zwei, alle Orts- und Teilkirchen weltweit einbeziehenden Umfragen zur Rückbindung der kirchlichen Lehre an die gelebte Wirklichkeit der Gläubigen und einem über zwei Jahre währenden synodalen Prozess, deren wichtigste Wegmarken die III. Außerordentliche Bischofssynode (5.10.-19.10.2014) und die XIV. Ordentliche Bischofssynode (4.10.-25.10.2015) darstellten, markiert das heute veröffentlichte nachsynodale Schreiben 'Amoris laetitia' mit seinen neun Kapiteln und 325 Ziffern einen vorläufigen Schluss- und Höhepunkt. Ganz zu Beginn unterstreicht Papst Franziskus, dass durch "die Vielschichtigkeit der angesprochenen Themen die Notwendigkeit deutlich [wurde], einige doktrinelle, moralische, spirituelle und pastorale Fragen unbefangen weiter zu vertiefen." (AL 2). Mit dem Sekretär des Synodensekretariates stellten Kardinal Schönborn und das Ehepaar Prof. Francesco Miano und Prof.  Giuseppina De Simone in Miano das neue Apostolische Schreiben von Papst Franziskus am 8.4.2016 in einer Pressekonferenz vor. Kardinal Schönborn übertreibt gewiss nicht, wenn er in seinen erklärenden Ausführungen herausstellt, dass die Kirche im Sinne einer "Inklusion" niemanden ausschließt und als "irregulär" oder als "in Todsünde lebend" verurteilt. Und tatsächlich: Alle in den vorangegangenen Absätzen zitierten ‚heißen Eisen‘ sind nicht nur angefasst worden, sondern haben sich über den über zweijährigen synodalen Prozess in der Sprache und darüber auch in der Sache  verändert.

Die Lehrentwicklung im nachsynodalen Schreiben 'Amoris Laetitia'
Voreheliche Beziehungen werden nicht mehr im Defizitmodus als ‚Konkubinate‘, ‚sündige Verhältnisse‘ oder ‚irreguläre Beziehungen‘ apostrophiert, sondern in ihrem Eigenwert gegenseitiger Liebe und Verantwortung umschrieben, ohne dabei das – im Grundsatz von den allermeisten Menschen angestrebte, wie die weltweiten Umfragen zeigten – Ideal des ehelichen Treue- und Liebesverhältnis tiefer zu hängen oder gar das Versprechen der Unauflöslichkeit infrage zu stellen. Im Gegenteil widmet sich das Apostolische Schreiben 'Amoris laetitia' auf beinahe 60 Seiten in den von Papst Franziskus als die "zentralen Kapitel" (AL 6)  hervorgehobenen Abschnitten  der Beschreibung und theologischen Durchdringung der Ehe als der "größten Freundschaft" (AL 123; vgl. Thomas  von Aquin, ScG 123, 6), ihrer Berufung zum Leben und zur Entfaltung in der Familie (Kap. 5). Mit Überraschung, aber auch Stolz freue ich mich, dass dieser auch von mir bereits im o.g. Interview angedeutete, in Buchpublikationen wie in mehrsprachig aufbereiteten Blog-Beiträgen  empfohlene "Freundschaftsgedanke" einen solchen Stellenwert erhält, dass er allein 15 x zur tieferen Beschreibung der ehelichen Partnerschaft aufgenommen wird (in der Relatio Synodi wie im gesamten Verlauf der beiden Synoden fehlte dieser Schlüsselbegriff noch). Aber diese in der Liebe gründende, "besondere Freundschaft" (AL 125, 207) wird doch auch in ihrer Brechung in der je persönlich gelebten Lebenswirklichkeit gesehen, die nur in analoger Weise die göttliche Liebe repräsentieren (AL 73122),  und nicht minder in Verbindung zu anderen Lebensformen beschrieben werden kann, auf die hin viele Wesenselemente der ehelichen Freundschaft auszustrahlen vermögen. Fern davon, Zivilehen oder vermeintlich losere Partnerschaftsformen als ‚irreguläre Beziehungen‘ zu titulieren, werden Umstände benannt, die diese oft nicht immer frei gewählten Partnerschaftsformen bedingen (vgl. AL 294), und die in ihnen verwirklichte Güte beschrieben. Und auf der Linie dieser Wahrnehmung liegt die noch in der Enzyklika 'Familiaris consortio' (FC 84) im Grundsatz ausgeschlossene Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten: Im Gespräch und 'Forum Internum' mit einem Seelsorger und Beichtvater sollen – bezogen auf den je konkreten Einzelfall – Wege gesucht werden, die eine vollständige Teilnahme an den Sakramenten ermöglichen können (AL 300). 


Schließlich: Selbst wenn im nachsynodalen Schreiben Aussagen zu gelebter Homosexualität und homosexuellen Partnerschaften in den Ziffern 250 und 251 fehlen – weder in ausdrücklich positiver Beschreibung, aber auch nicht in verurteilender Sprache –, bedeutet der grundlegende Perspektivwechsel doch auch einen Auftrag zu einer neuen Annäherung im Verantwortungsbereich der jeweiligen Ortskirche und Kulturkreis, der auf Ebene der Weltkirche – wie die synodalen Beratungen auf den beiden Familiensynoden der Jahre 2014 und 2015 gezeigt haben – noch keinen gemeinsamen Nenner abzeichnen ließ. U.a. auf diese Frage wird der Hinweis zu Beginn von 'Amoris laetitia' zu lesen sein, dass unbeschadet der notwendigen  Einheit der Lehre "verschiedene Interpretationen einiger Aspekte der Lehre oder einiger Schlussfolgerungen, die aus ihr gezogen werden, weiterbestehen" (AL 3) können, zu denen sich die deutschen Bischöfe während der Synoden zum Teil deutlich weitergehend geäußert haben: vgl. den Blog-Beitrag vom 10.10.2015.


Dafür wird auf weltkirchlicher Ebene in der seit der Enzyklika 'Humanae vitae' ausschließlich in naturrechtlicher Weise akzentuierten und beantworteten Frage der Verantwortung für das Leben und den Umgang mit der eigenen Fruchtbarkeit in neuer Weise auf die Bedeutung des Gewissens hin geöffnet (vgl. AL 222) und darin wieder an über einige Jahrzehnte an den Rand gedrängte, große Traditionen insbesondere der mittelalterlichen philosophischen Ethik wie des II. Vatikanischen Konzils angeknüpft. Gerade diese Passage und die Ziffern 280-286, die mit einem deutlichen "Ja zur Sexualerziehung" überschrieben sind, laden dazu ein sich des Themenkomplexes ‚Liebe-Freundschaft-Partnerschaft-Ehe-Sexualität-Fruchtbarkeit‘ in der Erziehung und Bildung  in einer neuen Sprache anzunehmen, dem sich die Kirche - wie im vorausgegangenen Blog-Beitrag vom 1.3.2016 ausgeführt - in neuer Weise stellen muss. 
Die theologischen Schlüssel:
Der schöpfungstheologische Ansatz, der Freundschafts- und Gradualitäts-Begriff und  die Theologie der Barmherzigkeit
All diese Reform-Schritte wurden möglich durch den von Papst Franziskus eingeschlagenen, synodalen Weg des Einbezugs des gesamten Volkes Gottes und des oft hervorgehobenen synodalen Dreischrittes: Wahrnehmen – und Gewinnung von "Bodenhaftung" (AL 6) –, Rückbindung an die Botschaft Christi und das Unterscheiden und Beziehen auf Handlungsoptionen: der Dreischritt, der auch die Struktur der Abschlussdokumente der beiden Familiensynoden und damit auch das nachsynodale Schreiben kennzeichnet. Synodalität – für Papst Franziskus das große Thema der Katholischen Kirche zu Beginn des 3. Jahrtausends – ist ja das formale Ergebnis, das im Hintergrund all der bislang angesprochenen Reformschritte das dahinterliegende Strukturprinzip wirklicher Katholizität ist, wie im vorletzten Blogbeitrag am 8. Februar beschrieben. Damit verbunden ist eine – im letzten unumkehrbare – Wertschätzung und Rehabilitierung eines bereits das II. Vatikanische Konzil prägenden, schöpfungstheologischen Ansatzes, der Gottes Wirken und seine Güte in allen Kreaturen sieht (und darin weder die Personwürde des Nächsten noch die eigene Subjektivität überspringt), wie es Papst Franziskus in seiner Schöpfungsenzyklika 'Laudato Si'' ausgedrückt hat. Und schließlich wird erst vor dem Hintergrund dieses theologischen Ansatzes auch der Gedanke der "Gradualität" deutlich, in der der Mensch sich  in einem "dynamischen Prozess von Stufe zu Stufe entsprechend der fortschreitenden Hereinnahme der Gaben Gottes" entfalten kann (vgl. AL 122, 295) bis zur eheliche Liebe als der „größten Freundschaft“ (AL 123; s. auch Anhang unten). Die Durchlässigkeit menschlichen Lebens auf allen seinen Entfaltungs- und Vervollkommnungsstufen für die göttliche Liebe prägt die revolutionäre, alle blickverengende Erstarrung aufbrechende Perspektive des nachsynodalen Schreibens.  

'Revolution der zärtlichen Liebe' und 'Reformation im Geist der Synodalität'
Es wird den Versuch geben – und sie waren schon vor der Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens 'Amoris laetitia' wahrzunehmen in immer denselben einschlägigen Kreisen, Foren und Zirkeln –, das nachsynodale Schreiben als ‚pastoral orientiert‘ in seiner Lehrverbindlichkeit kleinzureden und die bleibende Gültigkeit der zuoberst zitierten Paragraphen zu betonen, so als habe es nicht schon immer eine Lehr- und Dogmenentwicklung  zu den Fragen von Ehe und Familie in der katholischen Kirche gegeben. Aber gerade das zeichnet das nachsynodale Schreiben aus, dass im Licht einer an die Lebenswirklichkeit anknüpfenden Lehre, des barmherzigen Blickes Jesu auf die Liebesempfänglichkeit und Liebenswürdigkeit jedes Menschen und einer schöpfungstheologischen Wertschätzung und Sichtung des bereits verwirklichten Guten eine neue ‚Wahr-nehmung‘ und Verkündigung der frohen Botschaft im Licht der Zeichen der Zeit möglich ist. In Fortsetzung des II. Vatikanischen Konzils führt es eine Lehrentwicklung weiter, die an den ‚Spitzen‘ der zuoberst zitierten ‚heißen Eisen‘ am deutlichsten wird, aber durch die neu aufgenommene schöpfungstheologische Perspektive einer ‚Revolution der zärtlichen Liebe‘ gleichkommt, aber mehr noch für die Katholische Kirche darüber hinaus eine wirkliche „Reformation im Geist der Synodalität“ bedeutet.

Zeichen und Wunder sind uns geschehen!
 
Lesen Sie auch den Blog-Beitrag vom 8.12.2016 über den weiteren synodalen Weg nach Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens und auf der Internetseite www.amoris-laetitia.de einige seiner schönsten Kurzzitate sowie Erläuterungen, vertiefende Informationen, Veranstaltungshinweise rund um Köln und Linktipps darüber hinaus. 




Nachwort des Verfassers 

Samstag, 24. Oktober 2015

"La diversità e la unità nella synodalità" der Konsens der 'Relatio finalis' und die Ermutigung zur pastoralen Unterscheidung in einer synodal verfassten Kirche

Zum Abschluss: das Te Deum nach der Abstimmung im Synodenplenum
(Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk )
 L'Esprit Saint a bien soufflé - Der Heilige Geist hat gut geweht“, sagte Fr. Hervé Janson, der als Generalprior der Kleinen Brüder Jesu neben den gestern schon angekündigten Kardinälen Christoph Schönborn und Raymundo Damasceno Assis als Gast in der mittäglichen Pressekonferenz geladen war. Und er wehte wohl nicht minder auch am Nachmittag: Denn nachdem das entsprechend den gestrigen Rückmeldungen überarbeitete Abschlussdokument (vgl. dt. Arbeitsübersetzung) – in der Reihenfolge seiner drei, der Struktur des Vorbereitungsdokumentes entsprechenden Teile – bereits am Vormittag von Kardinal Assis, Kardinal Péter Erdö und dem Spezialsekretär, Erzbischof Bruno Forte, in der Synodenaula vorgetragen worden war, folgte am Nachmittag die mit Spannung erwartete Abstimmung aller 94 Absätze in einer Einzelabstimmung. Und entsprechend der Synodenordnung wurde eine Zweidrittelmehrheit von mindestens 177 (bei 265 anwesenden Synodalen) benötigt und tatsächlich erreicht, die notwendig war, damit das Dokument als Ganzes dem Papst als Beratungsergebnis dieser Bischofssynode übergeben werden konnte.

Montag, 19. Januar 2015

Die richtigen Fragen gestellt?! – oder eine Anleitung zur Beschäftigung mit dem Fragebogen zur Vorbereitung der Familiensynode 2015

(Online-Fragebogen des Familienbundes der Katholiken für das Erzbistum Köln e.V.)

"Es kommt darauf an, die richtigen Fragen zu stellen!", sagte mir bei einem Professorentreffen der Katholisch-Theologischen Fakultät der LMU München der theologische Altmeister Karl-Wilhelm Korff im Sommersemester 2014. Und dieser Satz – von Korff ohne einen Anflug von Überheblichkeit in dem Sinne gemeint, dass zu allermeist in der theologischen Wissenschaft die falschen Fragen gestellt würden, wenn denn überhaupt gefragt wird – schoss mir in wieder in den Sinn, als ich den neuerlichen Fragenkatalog zur Vorbereitung der Bischofssynode 2015 über die Jahreswende auf mich wirken ließ . Denn erst mit diesen neuen Fragen orientierte sich für mich der weitere Weg bis zur Bischofssynode im kommenden Oktober. Reichten davor die Aufrufe zur je persönlichen, gemeindlichen oder verbandlichen Beteiligung von der Empfehlung der Auseinandersetzung mit dem gesamten Themenkomplex rund um Ehe und Familie bis hin zur Konzentration auf diejenigen Ziffern 52, 53 und 55 des Abschlussdokumentes (zu den Themen ‚Wiederverheiratet Geschiedene‘ und ‚Homosexualität‘), die bei der außerordentlichen Synode 2014 keine Zweidrittelmehrheit bekamen, ist mit dem neuen, in den 'Lineamenta' der 'Relatio Synodi' unmittelbar angehängten Fragenkatalog nicht nur eine gemeinsame Grundlage für die Vorbereitung weltweit gegeben, sondern aus meiner Sicht auch dieselbe und zielführende Fragerichtung wieder aufgenommen, die schon die III. Außerordentliche Synode des Jahres 2014 durchweg prägte.


Ausgehend von einer grundsätzlichen Fragerichtung

Die 46 vielleicht auch in der deutschen Übersetzung zunächst etwas sperrig zu lesenden (und sprachlich und inhaltlich z.T. mehr an Multiplikatoren gerichtet zu sein scheinenden) Frageabsätze beschreiben auf etwa zehn DIN A4-Seiten tatsächlich einen Mittelweg zwischen einer unkonkreten und allgemeinen Beschäftigung mit dem gesamten Themenkomplex und einer alleinigen Fokussierung auf die oben genannten Gretchenfragen und muten jedem Leser / jeder Leserin stattdessen eine sehr umfängliche Textarbeit des weitere zwanzig Seiten umfassenden Abschlussdokumentes der Relatio Synodi‘ zu. Der – wie bereits in diesem Blog Ende November ausgeführt – die Abschlussrelatio kennzeichnende Dreischritt “Hören, Maß nehmen an der Botschaft Christi und Beziehen auf konkrete pastorale Felder” ist darüber ebenso mitzuvollziehen wie „der von der außerordentlichen Synode vorgezeichnete Weg […], der nämlich von den ‚existenziellen Peripherien‘ ausgeht, einer von der ‚Kultur der Begegnung‘ gekennzeichneten Pastoral, welche in der Lage ist, das freie Handeln des Herrn auch außerhalb unserer gewohnten Schemata zu erkennen“. Und in diesem Sinn sind die Einzelfragen von den Einleitungen der Teile I.-III. (jeweils vor den Fragen 1-11, 12-22 und 23-46) her zu verstehen. Diese zielen darauf „den nötigen Realismus bei den Überlegungen […] zu erleichtern, um zu vermeiden, dass ihre Antworten von solchen Schemata und Perspektiven gegeben werden, die einer Pastoral eigen sind, welche lediglich die Lehre anwendet und auf diese Weise die Schlussfolgerungen der außerordentlichen Synodenversammlung nicht berücksichtigen und damit […] von dem schon vorgezeichneten Weg wegführen würde.“ Die beiden allerersten Fragen – ohne eine eigene Ziffer und auf alle Teile des Abschlussdokumentes bezogen – lauten deshalb:
"Entspricht die Beschreibung der Realität der Familie, wie sie die Relatio Synodi vornimmt, dem, was heute in Kirche und Gesellschaft festgestellt werden kann. Welche fehlenden Aspekte können ergänzt werden?“

zu den konkreten Einzelfragen: eine kurze Summary

Aus demselben Grund wird auch und gerade im ‚hörenden‘ I. Teil nach kulturellen Ansatzpunkten und gemeinsamen Elementen im gesellschaftlichen Pluralismus, nach Familien in Extremsituationen und den Fernstehenden gefragt (1-6) . Im II. Teil wird die zu findende Pädagogik orientiert an der der göttlichen Pädagogik Christi – und auch hier ausgegangen von den Ansatzpunkten von Ehe und Familie im Leben von Jugendlichen und Erwachsenen in Hinblick auf die Entfaltung des Heilsplanes Gottes (7-19) und die mit ihm zusammenhängende „Barmherzigkeit gegenüber den verletzten und schwachen Familien“ (20-22). Erst vor diesem Fragehintergrund werden im III. Teil „Pastorale Perspektiven“ der Verkündigung in unterschiedlichen Kontexten in den Blick genommen und die Wege zur Vorbereitung auf die Ehe und zu ihrer Begleitung ebenso angesprochen wie die „Seelsorge für jene, die in einer Zivilehe oder ohne Trauschein zusammenleben (23-34) und die verwundeten Familien (Getrenntlebende, nicht wiederverheiratet Geschiedene, wiederverheiratet Geschiedene; 35-39) und Personen homosexueller Orientierung (40). Mit der Behandlung der Themenfelder ‚Weitergabe des Lebens und die Herausforderung des Geburtenrückgangs‘ (41-44) zur Erziehung und der Weitergabe des Glaubens schließt der Fragekreis.


mit ‚theologischen Schlüsseln‘ für eine zeitgemäße Familienpastoral

Überdeutlich wird mit dem neuen Fragebogen das im Blog-Beitrag im November hervorgehobene Resümee unterstrichen, dass sich die "vom Papst gewollte Haltung der liebevollen Begleitung von Familien und von Menschen auf ihrem Weg zu einer christlichen Ehe" bei der jüngsten Familiensynode im Vatikan durchgesetzt hat und es neben der Hinführung zur christlichen Ehe auch „neue Wege [braucht], um zu zeigen, dass Gott auch für jene seine Arme ausbreitet, die nicht dieses Ideal von Ehe und Familie leben.“ M.a.W., gefragt und gesucht werden die Beschreibung familialer Wirklichkeit und die sich darauf beziehenden pastoralen Möglichkeiten wie die Reflexion theologischer Modelle und ‚theologischer Schlüssel‘, um „semina verbi“ (vgl. Relatio Synodi, 22) bzw. „Spuren Christi“ in familialen Beziehungsformen unterschiedlichster Art auch in Beziehungen abseits des katholischen Eheideals zu finden, die dennoch gleichermaßen ausgerichtet bleiben auf den ebenso deutlich zu akzentuierenden Heilsplan Gottes mit den Menschen.

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Sonntag, 6. Oktober 2019

"Wider eine Pastoral der Aufrechterhaltung" – Zur Eröffnung der Amazonas-Bischofssynode und wie sie mit dem Synodalen Weg in Deutschland zusammenhängt
Mit der Eröffnungsmesse hat mit dem heutigen Sonntag die vom 6. bis 27. Oktober 2019 von Papst Franziskus in Rom einberufene Amazonassynode begonnen. Unter der Themenstellung „Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“ handelt es sich bei dieser Bischofsversammlung um eine sogenannte Spezialsynode für eine bestimmte Weltregion, wie es sie ähnlich bereits im Jahr 2010 für den Nahen Osten und 2009 für Afrika gab. 

Pfr. Werner Demmel, Leiter des Deutschen Pilgerzentrums in Rom, weist in seinem einführenden Kommentar des Live-Streams von Vatican Media zu Beginn der Eröffnungsmesse auf den Anlass der Synode hin: 
"Im Mittelpunkt dieser Beratungen steht die Lage der Menschen im Amazonasgebiet und auch die Herausforderungen für die katholische Kirche dort.“ 
Und er stellt dabei auch die Frage, warum die Aufmerksamkeit für diese Spezialsynode viel größer ist als bei bisherigen Spezialsynoden für andere Weltregionen:

„Was macht diese Synode für die europäischen Katholiken so wichtig?

Das Amazonasbecken weist das zweitgrößte Waldgebiet der Erde auf und spielt eine wichtige Rolle für das Klima des Planeten. Innerkirchlich könnten neue Wege der Seelsorge im Amazonasgebiet Modellcharakter für die schrumpfende Kirche in Europa haben. Der Vatikan betont aber, dass sich Lösungen aus Lateinamerika nicht ganz einfach auf Europa kopieren lassen. Die Synodenteilnehmer werden in diesen Wochen miteinander beraten und in der letzten Sitzungswoche ein Schlussdokument verabschieden, das dann dem Papst übergeben wird. Ihm steht es frei dieses Papier zu veröffentlichen.“ (Ebd.; eigene Übertragung)

Wie war die Vorgeschichte der Synode?

"Papst Franziskus hat die Amazoniensynode am 15. Oktober 2017 schon in Rom angekündigt, die Vorbereitung mit einem Besuch im peruanischen Puerto Maldonado am 19. Januar 2018 angestoßen. Am 8. Juni 2018  veröffentlichte das vatikanische Synodensekretariat ein Vorbereitungsdokument mit einem Fragenkatalog. Auf  Grundlage der Rückmeldungen, u.a. aus rund 260 lokalen und regionalen Vorbereitungstreffen, erstellte das Sekretariat das Arbeitspapier Instrumentum laboris, das dann am 17. Juni 2019 veröffentlichte wurde." (Ebd., eigene Übertragung) 

Wer nimmt an der Amazonassynode teil?

Synodenteilnehmende sind 286 Bischöfe, Sachverständige, Sondergesandte und Beobachter an der Amazonassynode, darunter 35 Frauen – nach der aktuellen Synodenordnung noch ohne Stimmrecht – und insgesamt 185 stimmberechtigte Synodenmitglieder. Von Amts wegen sind es zunächst die Ortsbischöfe der betreffenden Regionen:
"Amazonasbischöfe aus Bolivien, Brasilien, Ecuador, Peru, Kolumbien, Venezuela, Französisch-Guayana, Guayana und Suriname sowie die Spitzen von sieben Bischofskonferenzen, Vertreter der römischen Kurie und die Leitung des Panamazonien-Netzwerks REPAM (Red Eclesial PanAmazonica) sowie die Mitglieder des Vorbereitungsgremiums. Hinzu kommen 15 Ordensdelegierte und mehrere vom Papst direkt persönlich ernannte Teilnehmer.“ (Themenseite zur Amazonassynode der DBK.de)
Zusätzlich werden auch Beobachter verschiedener Glaubensgemeinschaften und Institutionen mit dabei sein sowie etwa 20 Indigene, die ihre Interessen bei der Synode vertreten werden.

Aus dem deutschsprachigen Raum nehmen Kurienkardinal Kurt Koch, Kardinal Reinhard Marx und Kardinal Christoph Schönborn sowie der emeritierte Amazonasbischof Erwin Kräutler, der wie Kardinal Schönborn ebenfalls aus Österreich stammt, teil; und als beratende Experten darüber hinaus P. Michael Heinz (Hauptgeschäftsführer der Bischöflichen Aktion Adveniat), Msgr. Pirmin Spiegel (Hauptgeschäftsführer des Bischöflichen Hilfswerkes Misereor) und Prof. Dr. Hans-Joachim Schellnhuber (Gründungsdirektor des Instituts für Klimafolgenforschung, Potsdam). Eine wichtige Rolle als Moderator spielt der sogenannte Generalrelator in der Person des brasilianischen Kardinals Cláudio Hummes, der auch aus Deutschland stammt bzw. seine Vorfahren. 

Wie äußern sich Stimmen aus Deutschland zur Synode?
- oder: „Nichts wird mehr sein wie zuvor“
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"Danach ist nichts mehr wie zuvor", wenn der Amazonas-Gipfel vorüber sei, wird der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, der auch seit 2010 für das kirchliche Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat tätig und Mitglied der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika (CAL) ist, aktuell in einem Interview des Spiegel  zitiert.

"Die Synode bedeutet eine Zäsur, weil deutlich wird, wie sehr ein riesiges Problem einer sehr großen Region unserer Erde ein Problem für alle Menschen und die ganze Welt werden kann. Wir wollen diese Herausforderungen annehmen und alles Menschenmögliche für eine Lösung tun. In diesem Sinn, so hoffe ich, ist danach nichts mehr wie zuvor.“ (Spiegel online vom 5.10.2019)

„Nichts wird mehr sein wie zuvor", sagte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck bereits Anfang Mai 2019 vor Journalisten, als er die „Zäsur“, die diese Synode bedeuten könne, noch weitergehend einschätzte:
"Die hierarchische Struktur stehe genauso auf dem Prüfstand wie Sexualmoral, Priesterbild und die Rolle der Frau.“ (Katholisch.de vom 2.5.2019)
Laut Overbeck werde "die bevorstehende Amazonassynode ein einschneidendes Ereignis für die Kirche sein." (Ebd.) So sind die Erwartungen an die Synode bereits jetzt in mehrfacher Weise hochgeschraubt. Die Amazonassynode –  so heißt es in Kommentaren aus deutscher Sicht – „ächzt unter ihrer Erwartungslast“, zumal der Synodale Weg der Kirche in Deutschland mit seinen drei bzw. vier Foren eben die von Overbeck genannten Themen ja auch in den Blick genommen hat - deren thematische Fokussierung von einer Minderheit der deutschen Bischöfe auch kritisch gesehen wird. Zu erwarten ist auf jeden Fall, dass die Ergebnisse – und schon die Inhalte der Diskussion und die Art und Weise der Auseinandersetzung auf der Amazonassynode – einen maßgeblichen Einfluss auf den synodalen Prozess der deutschen Ortskirche nach seinem offiziellen Beginn Anfang Dezember haben werden.

Wider eine "Pastoral der Aufrechterhaltung"!

Papst Franziskus selbst zitiert in seiner Predigt zum heutigen neutestamentlichen Lesungstext des 27. Sonntags des Jahreskreises den Apostel Paulus (2 Tim 1,6-8.13-14), der wider eine pastorale „Verzagtheit“ daran erinnert,

"dass die Gnadengabe wiederentfacht werden muss. […] Wenn alles so bleibt, wie es ist, wenn unsere Tage von der Devise „Man hat es immer so gemacht“ bestimmt werden, entschwindet die Gabe, sie wird unter der Asche der Ängste und der Sorge erstickt, den Status quo zu verteidigen.“ (Ebd.)
Und er zitiert an dieser Stelle nicht von ungefähr seinen nicht im Verdacht der Traditionsvergessenheit stehenden Vorgänger Benedikt XVI., dass die Kirche
"sich keinesfalls auf eine Pastoral der 'Aufrechterhaltung' beschränken [darf], die nur auf jene ausgerichtet ist, die das Evangelium Christi bereits kennen. Der missionarische Schwung ist ein klares Zeichen für die Reife einer kirchlichen Gemeinschaft". (Apostolisches Schreiben Verbum Domini, 95)
Wider eine „Pastoral der Aufrechterhaltung“ plädiert Papst Franziskus in der Eröffnungspredigt zur Amazonassynode für Reformen und eine „Kirche im Aufbruch“ – ein Leitmotiv seines Pontifikates seit seinem programmatischen Schreiben Evangelii gaudium von 2013 –, das auch ein zentrales Motiv des Synodalen Weges in Deutschland ist.
"Denn die Kirche ist immer im Aufbruch, immer unterwegs, nie in sich selbst verschlossen. Jesus ist nicht gekommen, die Abendbrise, sondern das Feuer auf die Erde zu bringen.“ (Ebd.)