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Samstag, 19. Oktober 2019

Für eine „Pastoral der Gegenwart“ und nicht „des Besuchs“ – oder: die Arbeitsergebnisse der zweiten Synodenwoche und die Erwartung eines Schlussdokumentes mit regionaler und universeller Bedeutung

(Screenshot Vatican Media vom 7.10.2019)
Am Donnerstagnachmittag dieser zweiten Synodenwoche wurden die Berichte der zwölf Circoli minori, die Arbeitsergebnisse der Sprachgruppen, mit konkret ausgearbeiteten Vorschlägen für das Schlussdokument vorgestellt. Sie werden gerade heute und morgen von den gewählten Mitgliedern des Redaktionskreises für eine erste Version des Schlussdokuments, das sogenannte „Draft document“, zusammengeführt, damit dieses zu Beginn der letzten Synodenwoche diskutiert und in den Sprachgruppen beraten wird und mit den Veränderungswünschen in das am 26. Oktober zur Abstimmung stehende Schlussdokument fließen kann.

Der deutsch-brasilianische Bischof Johannes Bahlmann berichtet aus seiner portugiesisch sprechenden Gruppe (Circolo Português “D”) von elf Amazonien bezogenen Themen, die diese D genannte Gruppe vertieft behandeln hat: "Ausbildung und Fortbildung der Laien, Weihe und Dienste in der Kirche und die Rolle der Frau in der Kirche, missionarische Ausbildung der Priester, Gewalt (Menschen-, Drogen- und Waffenhandel), verschiedene Kulturen Amazoniens, Völksfrömmigkeit, Ordensleben, Jugend, Migration und Urbanisierung, ganzheitliche Ökologie." (Vatican News vom 16.10.19) 

Eine Kirche der Gegenwart gegenüber einer Kirche des Besuchs -
Una Iglesia actual en vez de una Iglesia visitante

(Circolo English/Français)

Dass die Synodenteilnehmenden „viel von einer Pastoral der Gegenwart und nicht des Besuchs“ sprechen („…parlano molto di una pastorale di presenza e non solo di visita….“) nimmt Kardinal Schönborn, der ebenfalls zum Kreis der Redaktionsmitglieder gehört, in einem Interview wahr.

"Tenemos urgencia de profundizar lo que significa una IGLESIA MINISTERIAL y servidora en clave sinodal, pasando de una “pastoral de visita” a una “pastoral de presencia” y donde existe la corresponsabilidad y el compromiso de un proceso evangelizador, desde una conversión permanente (Pastoral, Ecológica y Sinodal)." (Circolo Español “D”)

"Wir spüren die Dringlichkeit tiefer zu ergründen, was eine DIENENDE KIRCHE und eine dienende synodale Verfasstheit bedeuten, die Entwicklung von einer "Pastoral des Besuchs" zu einer "Pastoral der Gegenwart" und wie es entsprechend einer permanenten Umkehr Mitverantwortung und gemeinsames Engagement in einem Prozess der Evangelisierung gibt." (pastoral, ökologisch und synodal). (Ebd.; eigene Übertragung)

"Die meisten Berichte, vor allem jener der spanischsprachigen und portugiesischsprachigen Zirkel, die auf eine Kirche „der Gegenwart“ und nicht „des Besuchs“ abzielten, befürworten den Vorstoß, dass verheirateten Männern, vorzugsweise Einheimischen, die von den Herkunftsgemeinschaften ausgewählt wurden, unter bestimmten Bedingungen das Priesteramt übertragen werden könnte." (Vatican News vom 18.10.19

Neue Zugangswege zu den Ämtern in der Kirche

Im Votum der ersten portugiesischen Gruppe wird von der „Notwendigkeit“ gesprochen, neue Zugangswege zu den Ämtern in der Kirche zu ermöglichen.
"Diante da necessidade de uma Igreja permanente para além da visita, entendemos que é necessário multiplicar nossa presença de Igreja na Amazônia, com novos ministérios." (Circolo Português “A”)

"Angesichts der Notwendigkeit einer immer anwesenden Kirche gegenüber einer Kirche des Besuchs treten wir dafür ein, dass es notwendig ist, unsere Präsenz der Kirche im Amazonasgebiet mit neuen Dienstämtern zu bereichern." (Ebd.; eigene Übertragung) 
Und neue Zugangsmöglichkeiten von Frauen zu Ämtern werden u.a. von der zweiten spanischen Arbeitsgruppe angeregt:

"Además, se reconoce que muchas funciones propias de este ministerio son realizadas por las mujeres en la Amazonía, siendo ellas quienes sostienen en tantos lugares la presencia permanente de la Iglesia y alimentan los procesos de la fe."  (Circolo Español "B")

"Darüber hinaus wird anerkannt, dass viele Funktionen dieses Dienstes von Frauen im Amazonas realisiert werden, da sie an so vielen Orten die ständige Präsenz der Kirche unterstützen und die Prozesse des Glaubens nähren." (Ebd.; eigene Übertragung)

Das Vorbereitungsdokument (Instrumentum laboris) hatte bereits in den Ziffern 126 c) und 129 a) - c) diese Handlungsempfehlungen hervorgehoben und dabei die Bedeutung der Feier der Eucharistie in den Mittelpunkt gestellt. „Die Kirche lebt von der Eucharistie“, und die Eucharistie baut die Kirche auf. [ Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia (2003), Einleitung Nr.1., Titel von Kap II]. Daraufhin brauche es - so folgert das Vorbereitungsdokument - veränderte „Kriterien für die Auswahl und Vorbereitung der zur Zelebration autorisierten Amtsträger“.  (IL 126 c))

Eine  Kirche im Aufbruch und in einem Zustand permanenter Mission
(Circulus Portuguê
s "A")

Mit Papst Franziskus (vgl. Evangelii gaudium 20) sprechen die portugiesischen  Arbeitsgruppen "A", "C" und "D"  und die spanischen Sprachzirkel "C" und "D" von einer „Kirche im Aufbruch“ („Igreja em saída“; „Iglesia en salida“) und machen zugleich deutlich dass die Amazonassynode das bloße Amazonasgebiet übersteigt.

Este Sínodo es regional, pero también universal (Circolo English/Français)

Der von deutscher Seite als synodaler Berater teilnehmende P.  Michael Heinz SVD  hat heute in einem Kommentar bereits daran erinnert, dass Reformen meistens "von der Peripherie kommen und im Zentrum dann bestätigt werden" (Katholisch.de vom 19.10.19), wie es der französische Theologe Yves Congar schon in den 1950er-Jahren festgestellt hat. Bereits das "Draft Document" zu Beginn der dritten Synodenwoche wird es andeuten, ob und wie von der Amazonassynode Impulse für die Weltkirche ausgehen werden.

"Diese Synode ist regional, aber sie hat auch universelle Bedeutung“ (Ebd. eigene Übersetzung)

Samstag, 8. April 2017

Ein Jahr Amoris laetitia! - Was bleibt, was noch kommt und wie Amoris laetitia die Kirche bereits jetzt verändert hat!

(Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk)
„Man wird ‚Amoris laetitia‘ nur verstehen, wenn man den Paradigmenwechsel nachvollzieht, den dieses Schreiben unternimmt“, schreibt Kardinal Walter Kasper über das auch ein Jahr nach seiner Veröffentlichung am 8.4.2016 immer noch heftig diskutierte Lehrschreiben von Papst Franziskus. Auf den Tag genau ein Jahr danach ist das Dokument immer noch ganz obenauf in  der Agenda der Kirche – leider allerdings mit einer medialen Schieflage entweder in Hinblick auf die Diskussion um den Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen, im Spontanreflex der Intensivierung der Ehepastoral – so wichtig diese Themen für sich genommen auch sind – oder hinsichtlich der Bedeutung des naturrechtlichen Typus ethischer Urteilsbildung (wie sie von vier Kardinälen in sogenannten ‚Dubia‘ reklamiert wird).
Bei der Aktualisierung des Themenregisters der Printversion des Synodentagebuches (das in der Spalte rechts zum Download hinterlegt ist und auch für die Internetrecherche in diesem Blog helfen kann) sprangen mir die roten Linien der theologischen Entwicklungen und über die hinzugekommen Stichwörter und deren Verweisstellen der vergangenen drei Jahre noch einmal deutlicher in die Augen. Im Blick auf diese nunmehr mehrfach überarbeitete Konkordanz der zentralen Themen möchte ich die Fragen „Was bleibt von Amoris laetitia, was kommt noch und wie Amoris laetitia die Kirche bereits verändert hat?‘ in sechs Schritten auf den Punkt zu bringen versuchen:


'Wahrnehmen' - oder die 'Symphonie der Verschiedenheit'
(Stichwörter aus dem Themenregister/ der Konkordanz)
Wörter, die das ‚Wahrnehmen von Lebenswirklichkeit‘ in den verschiedensten Bedeutungen zum Ausdruck bringen, gehörten zum Ausgangpunkt des synodalen Weges der vergangenen drei Jahre. Zwei weltweite Befragungen vor den Familiensynoden der Jahre 2014 und 2015 richteten den Blick auf die Lebenswelt der Menschen „in der modernen Welt“ im Kontext von Ehe und Familie. Mithilfe eines realistischen Frageansatzes sollte vermieden werden, dass die Antworten nur von der kirchlichen Lehre und deren Schlussfolgerungen ausgehen (s. Beitrag vom 19.12.2015). Zu Tage gefördert haben sie eine kulturelle Vielfalt, eine ‚Symphonie der Verschiedenheit‘, die am Ende der Familiensynode des Jahres 2015 zur Beschreibung der Katholischen Kirche als „Diversität und Einheit in der Synodalität“ führte. Schon früh zeichnete sich in der Wertschätzung der Verschiedenheit der Kulturen für den weiteren Verlauf der synodalen Beratungen ab: „der Weg [der Einbezug der verschiedenen Kulturen] ist das Ziel; das Problem die Lösung“ (s. etwa die Beiträge vom 19. Mai 2015 und 8.2.2016).

'Stufenweises Wachstum' - oder das 'Prinzip der Gradualität'
(Stichwörter aus dem Themenregister/ der Konkordanz)
Früh war ebenfalls bereits in der ersten Beratungswoche der Familiensynode 2014 der Begriff der 'Gradualität' bedeutsam geworden, in der der Mensch in einem „dynamischen Prozess von Stufe zu Stufe“ (vgl. AL 122, 295) sein Leben entfalten kann – bis hin zu der „besonderen“ (AL 125; 207) oder sogar „größten Freundschaft“ (AL 123) der Ehe. Ohne das Ideal von Ehe und Familie zu relativieren oder tiefer zu hängen, prägt das Plädoyer für die Durchlässigkeit menschlichen Lebens auf allen seinen Entfaltungs- und Vervollkommnungsstufen für die göttliche Liebe die revolutionäre, alle blickverengende Erstarrung aufbrechende Perspektive des nachsynodalen Schreibens „Amoris laetitia“. Sie führt dazu, dass jüngst etwa der Passauer Bischof Stefan Oster die Segnung von nicht verheirateten Paaren vorschlug – ein Gedanke der vormals – befangen in einem naturrechtlichen Denkhorizont – undenkbar bzw. unsagbar gewesen wäre.

Der 'liebevolle Blick' - oder der ' Strom der Barmherzigkeit'
(Stichwörter aus dem Themenregister/ der Konkordanz)
Mit der Ausrufung des Jubiläumsjahres der Barmherzigkeit (vgl. Beitrag vom 19.5.2015) hob Papst Franziskus in neuer Weise das christliche Grundmotiv der barmherzigen Liebe hervor, das auch der leitende Grundgedanke zum Verständnis des gesamten synodalen Weges sowie des nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia ist. Die Barmherzigkeit – allen Menschen gegenüber bis zu den „existenziellen Peripherien“  (AL 312) – meint für Papst Franziskus aber nicht ein moralisches Sollen, sondern führt in eine positive Beschämung hinein, selbst zärtlich geliebt zu sein und darin auch selbst mitgerissen zu werden in einem wahren ‚Fluss der Barmherzigkeit‘ (Instrumentum laboris 106, MV 25). Die persönliche Widerfahrnis der Liebe ermöglicht auf neue Weise den ‚liebevollen Blick‘ auf Welt und Schöpfung ebenso wie für die liebevolle Zuwendung und Wertschätzung zu jedem einzelnen Menschen, für die Liebe, die niemanden und nichts ausschließt. „Wie sehr braucht doch die Welt von heute Zärtlichkeit!“ (Vgl. Beitrag vom 1.9.2015)

'Begleiten – Unterscheiden – Einbeziehen' - oder die 'Kunst der Begleitung'
(Stichwörter aus dem Themenregister/ der Konkordanz)
Die ‚Kunst der Begleitung‘ (EG 169) ist seit dem Lehrschreiben Evangelii gaudium ein zentrales Thema des Pontifikates von Papst Franziskus. Im Rahmen des synodalen Prozesses wurde diese Kunst, die Sandalen von den Füßen zu streifen vor dem Heiligen Boden des Nächsten (vgl. Ebd.) und der liebevollen Begleitung in verschiedenen didaktischen Dreischritten kurzgefasst: „Hören – Maß nehmen – Deuten/ Unterscheiden“ oder etwa „Annahme – Begleitung – Unterscheidung – Einbeziehung“. Es ist dies die von Franziskus als ‚Pädagogik der Gnade‘ (AL 279), als ‚Pädagogik der Liebe‘ (AL 211) oder als ‚Göttliche Pädagogik‘ (AL 78) bezeichnete Weise einer barmherzigen Liebe, in der niemand für immer verloren oder ausgeschlossen ist (MV 12; AL 308). Bezogen darauf wird die – bislang in der Logik naturrechtlichen Denkens undenkbare – sakramentale Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen in konkreten Einzelfällen möglich, wie es am 1.2.2017 von den deutschen Bischöfen rezipiert (und mittlerweile auch Äußerung des 'Authentischen Lehramtes' von Papst Franziskus bestätigt*) wurde. Zugleich wird im ethischen Diskurs der Paradigmenwechsel von einem vornehmlich naturgesetzlich ansetzenden Denken hin zu einer Öffnung für weitere Begründungsansätze ethischen Handelns – wie etwa der Tugend-, Beziehungs- oder Verantwortungsethik – und die Wertschätzung der Bedeutung der je persönlichen praktischen Vernunft des einzelnen Menschen vollzogen.

Im ‚Zustand permanenter Mission‘ – oder ‚Kirche im Aufbruch‘
(Stichwörter aus dem Themenregister/ der Konkordanz)
Papst Franziskus ist – wie wir heute wissen – im Konklave am 13. März 2013 zum Papst gewählt worden, nachdem er zuvor die Kardinäle in einer aufrüttelnden Analyse dafür sensibilisierte, dass ihm scheine, dass Christus in dem von Skandalen wie von einem verrechtlichten Denken geprägten ‚Haus der Kirche‘ heute „von innen klopft, damit wir ihn herauskommen lassen“. Was den zu wählenden Papst angeht, plädierte der heutige Papst für eine Person, die „aus der Betrachtung Jesu Christi und aus der Anbetung Jesu Christi der Kirche hilft, an die existenziellen Enden der Erde zu gehen, der ihr hilft, die fruchtbare Mutter zu sein, die aus der ‚süßen und tröstenden Freude der Verkündigung‘ lebt.“ (Vgl. Beitrag vom 19.9.2015) Papst Franziskus führt neu zu einer ‚Kirche im Aufbruch‘ (EG 20), eines Volkes Gottes im ‚Zustand permanenter Mission‘ – mit einer Freude an der Verkündigung der frohen Botschaft der zärtlichen Liebe Gottes.

Der 'Weg der Synodalität' – oder die ' heilsame Dezentralisierung'
(Stichwörter aus dem Themenregister/ der Konkordanz)
‚Der Weg ist das Ziel‘, lautete auch während der entscheidenden Synode 2015 (vgl. den Beitrag vom 17.10.2015; vgl. auch den Beitrag vom 19.5.2015) ein vorgezogenes Resümee des vorangehenden synodalen Prozesses. Die synodalen Befragungen standen am Anfang; und paradoxerweise war gerade die Feststellung der Unterschiedlichkeit der Kulturen in der Abschlussansprache derselben Synode eines der wichtigsten Ergebnisse überhaupt (s. Ebd.). In AL 3 wiederholt Papst Franziskus, dass jedes allgemeine Prinzip inkulturiert werden und auf regionaler Ebene weitergedacht, dekliniert und rezipiert werden muss. In diesem Zusammenhang unterstreicht Papst Franziskus zum 50jährigen Synodenjubiläum eine Neuausrichtung des Papstamtes, das im Sinne einer heilsamen Dezentralisierung seine Aufgabe, „Prinzip und Fundament der Einheit der Vielfalt“ (LG 23) zu sein, auf neue Weise finden muss. In einem Zugleich mit einer neuen Weise der Primatsausübung muss den Orts- und Teilkirchen das damit verbundene Maß an Lehrautorität auch formell zugesprochen werden. Diese Neubestimmung der Kirchenverfassung steht freilich – wie zuletzt im Beitrag vom 19.3.2017 betont – noch bevor und ist der letzte, formale Schritt für eine synodale Kirche ‚im Aufbruch‘ (EG 20, 24, 46), für einen ‚Zustand permanenter Mission“ (EG 25). Mit einem Satz aus dem letzten Abschnitt von Amoris laetitia gesprochen:

"...bleiben wir unterwegs! Was uns verheißen ist, ist immer noch mehr." (AL 325)

* Aktualisisierung vom 8.12.2017

Sonntag, 31. Mai 2020

Pfingsten und der Synodale Weg in Corona-Zeiten – oder: als  „Kirche im Aufbruch… ein neues Kapitel des Christseins mitschreiben“

 

Screenshot: Pfingstpredigt von Bischof Georg Bätzing,
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und
der Synodalversammlung des Synodalen Weges

„Die Zeit ist mehr wert als der Raum.“ Auch heute klang dieser im vorausgegangenen Blogbeitrag hervorgehobene Grundgedanke in der Pfingstpredigt von Papst Franziskus an, indem er ihn auf die christliche Gottesvorstellung bezog. Es sei wichtig, dass „Gott ganz Gabe ist, dass er nicht nimmt, sondern gibt.“ Von dieser Gottesvorstellung hänge es ab, auf welche Weise wir unseren Glauben leben:

"Wenn wir einen Gott im Sinn haben, der sich alles nimmt und sich aufdrängt, möchten auch wir uns alles nehmen und uns aufdrängen: Räume besetzen, Bedeutung beanspruchen, nach Macht streben. Aber wenn wir Gott als Gabe in unseren Herzen spüren, ändert sich alles. Wenn uns bewusst wird, dass das, was wir sind, sein Geschenk ist, seine freie und unverdiente Gabe, dann werden auch wir aus unserem Leben ein Geschenk machen wollen." (dt. Übersetzung bei kath.net vom 31.5.20)

Pfingsten in Corona-Zeiten: Das bedeutet, sich dieser Botschaft, aber auch der Gefährdung dieser Botschaft aus dem vermeintlich inneren Bereich der Kirche bewusst zu sein. Leider hat kath.net einen selbstkritischen Satz hinsichtlich dieser Gefährdung im Blick auf Selbstbezüglichkeit und Abkapselung der Kirche aus der ansonsten um Vollständigkeit bemühten Predigtveröffentlichung getilgt, so dass ich aus der am Abend veröffentlichten deutschen Übersetzung der Predigt bei Vatican News zitiere:

"Der Geist will nicht, dass die Erinnerung an den Meister in geschlossenen Gruppen gepflegt wird, in Kreisen, in denen man sich gerne 'sein Nest baut'. Und das ist eine schlimme Krankheit, die die Kirche befallen kann, dass die Kirche nicht Gemeinschaft, nicht Familie, nicht Mutter, sondern ein Nest ist." (Vatican News vom 31.5.2020)

Die Gefahr der Abkapselung der Kirche wider das Wirken des Heiligen Geistes steht heute auch beim Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing im Fokus seiner Pfingstpredigt:

"Offene Aggression und Zwietracht, drängelnde Ungeduld, selbstherrliche Ab- und Ausgrenzung, Bosheit und Verantwortungslosigkeit vertragen sich nicht damit. Wer als Christ hart, unduldsam und lieblos auftritt und damit meint, die Wahrheit des Glaubens verteidigen zu können, der ist auf dem Holzweg, auch wenn er äußerlich noch so fromm daherkommt. Der Geist Jesu Christi führt wohl in die Entscheidung, aber er wählt stets Wege, die Menschen aufrichten und zueinander führen." (DBK vom 31.5.2020)

Das weiterzugeben, „was wir empfangen und gesehen haben“ (vgl. 1 Joh 1,3) – der zweite fehlende Satz in der o.g. kath.net-Veröffentlichung der Predigt von Papst Franziskus – ist gleichfalls die Sinnspitze der Homilie von Bischof Bätzing, indem er auf eine kurze Ansprache des damaligen Kardinal Bergoglio aus dem Konklave Bezug (vgl. Blogbeitrag vom 29.9.2015) nimmt:

"Und da kommt für mich das Pfingstbild erneut ins Spiel. Manche haben an das Wort von Papst Franziskus am Vorabend seiner Wahl erinnert. Da sprach er von Christus, der höchst lebendig in seiner Kirche von innen her anklopft und uns aus dem Schlaf der Trägheit und Selbstgerechtigkeit herausrufen will. Er wartet aber nicht, bis wir seinen Auftrag beherzigen. Er öffnet beständig die verschlossenen Tore seiner Kirche und sucht an den Rändern und Grenzen die verwundeten Menschen auf. Wenn wir nicht bereit sind, gemeinsam mit ihm unsere kirchlichen Binnenräume zu verlassen, dann bestätigt sich die Kirche als fad und schal, als Salz ohne Geschmack, das den Menschen in Nöten und Abgründen keinen Trost und keine Hoffnung zu geben vermag. Und deshalb erinnert uns Papst Franziskus immer wieder daran, 'Kirche im Aufbruch' zu verwirklichen. Türen auf und hinaus zu den Menschen, so gibt er die Richtung vor." (Ebd.)

Ebendies ist die erklärte Ausrichtung des Corona-bedingt nunmehr um ein halbes Jahr, bis zum 2. Februar 2022 verlängerten Synodalen Weges mit seinen nunmehr ersatzweise im Herbst diesen Jahres eingeschobenen 5 Regionalforen (für die ursprünglich für den 4. September 2020 vorgesehene und nun auf den Zeitraum vom 4. bis 6. Februar 2021 verschobene zweite Synodalversammlung). Dies gibt auch den inhaltlich arbeitenden vier Arbeitsgruppen mehr Zeit. Denn erst

"[z]wei Arbeitsgruppen - zu Frauen und zur Sexualmoral - konnten vor den Corona-bedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens zusammenkommen und nach der Satzung ihre Vorsitzenden bestimmen. Seither läuft der Austausch vor allem auf virtuellem Weg. Die beiden Arbeitsgruppen zu Machtfragen und priesterlichem Leben wollen sich dem Vernehmen nach vor August treffen.“ (katholisch.de vom 29.5.20)

Bischof Georg Bätzing hat sich bereits für eine Thematisierung auf einer Bischofssynode in Rom ausgesprochen, die sich mit den zu fassenden Beschlüssen des Synodalen Wegs der Kirche in Deutschland beschäftigt.

"Er sei 'sehr dafür, die Erkenntnisse und Entschlüsse, die wir auf dem Synodalen Weg sammeln – auch hinsichtlich der Frau und des Amtes –, nach Rom zu transportieren'. […] 'Was synodal entsteht, muss auch synodal geklärt und beantwortet werden', so Bätzing. Dieses Prinzip sei durch Papst Franziskus gestärkt worden.“ (Ebd).

In dieser Überzeugung knüpft Bischof Bätzing an seinen Vorgängers im Amt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zum Beginn des Synodalen Weges an. Und er schließt in seiner Pfingstpredigt mit Worten, die die Richtung nach vorne angeben:

"Ja, diese Krisenzeit verschärft die Zeitansage an die Kirche. Wir müssen uns ihr stellen, sie durchdringen und miteinander darauf antworten. […] An Pfingsten wurde das erste Kapitel in der langen Geschichte der Kirche aufgeschlagen. Unsere Zeit und ihre Zeitansage legen nahe, dass wir ein neues Kapitel des Christseins mitschreiben. Jesus traut es uns zu. Türen auf und hinaus." (DBK vom 31.5.2020)
 
 

Samstag, 17. Dezember 2016

Amoris laetitia: oder eine Hommage anlässlich des 80. Geburtstags von Papst Franziskus über seinen synodalen Weg

(Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk)
Dieser Blog über die Familiensynoden der Jahre 2014 und 2015, deren Vorbereitungen, weltweite Beteiligung und Rezeption macht im Blick auf alle Beiträge in den vergangenen drei Jahren deutlich, dass die im Verlauf der Zeit erarbeiteten Dokumente bis einschließlich des Apostolischen Schreibens 'Amoris laetitia' als Ergebnisse eines mit überwältigender Zweidrittelmehrheit aller Synodalen getragenen und mit Rückhalt der gesamten Weltkirche versehenen synodalen Prozesses anzusehen sind – und nicht etwa als persönliche Ansichten eines wenn auch mit oberster Lehrautorität sprechenden Papstes. An einem Geburtstag – zumal wenn es ein 80er Geburtstag ist – kommt man dennoch nicht darum herum, diese gesamtkirchliche Entwicklung auch zu personifizieren. „Mit Papst Franziskus lernt die Kirche neu", schreibt Kardinal Marx anlässlich des runden Geburtstages in einer Würdigung für die Deutschen Bischöfe und unterstreicht zugleich:
Mit Papst Franziskus geht die Kirche den künftigen Weg als ‚synodale Kirche‘. Vor einem Jahr hat der Papst dieses Wort auf der Weltbischofssynode in Rom geprägt. Mit seinen Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium und Amoris laetitia lässt er keinen Zweifel, wie dieser Weg der synodalen Kirche aussehen muss: im Miteinander und nicht im Gegeneinander, im Dialog und nicht im Monolog, im Austausch der Charismen und nicht im engen dogmatischen Verharren, in der Hinwendung zu den Ausgegrenzten und Suchenden und nicht in der Einmauerung in Normen und Vorschriften." (DBK Pressemeldung vom 15.12.2016)
Papst Franziskus ging diesen Weg seit Beginn seines Pontifikats. Und dennoch war es wahrscheinlich Fügung mit den Worten eines früheren Blogeintrages gesagt , dass der erste Synodentag der 'Amoris laetitia' unmittelbar vorausgehenden XIV. Ordentlichen Bischofssynode auf den Gedenktag des Hl. Franziskus von Assisi am 4. Oktober fiel, von dem der damalige Papst Innozenz III. träumte, dass er das Haus der Kirche stützen und wieder aufrichten würde.

Der Traum Papst Innozenz' III.: Ausschnitt aus dem Freskenzyklus Giottos
über das Leben des Hl. Franziskus, Basilika San Francesco, Assisi


Auch Papst Franziskus – nach der vom Erzbischof von Havanna, Kardinal Jaime Ortega, mit Genehmigung des Papstes veröffentlichten Ansprache aus dem Vorkonklave – wurde gewählt aufgrund seiner die Kirche aus einer Trance nach Vatileaks, Korruptions- und Missbrauchsskandalen aufrüttelnden Analyse, dass ihm scheine, dass Christus in demselben Haus der Kirche heute 'von innen klopft, damit wir ihn herauskommen lassen.'
'Die egozentrische Kirche beansprucht Jesus für sich drinnen und lässt ihn nicht nach außen treten. Die um sich selbst kreisende Kirche glaubt – ohne dass es ihr bewusst wäre – dass sie eigenes Licht hat. Sie hört auf, das ‚Geheimnis des Lichts‘ zu sein, und dann gibt sie jenem schrecklichen Übel der ‚geistlichen Mondänität‘ Raum [… in der] die einen die anderen beweihräuchern.'
Was den zu wählenden Papst angeht, plädierte der heutige Papst für eine Person, die 'aus der Betrachtung Jesu Christi und aus der Anbetung Jesu Christi der Kirche hilft, an die existenziellen Enden der Erde zu gehen, der ihr hilft, die fruchtbare Mutter zu sein, die aus der ‚süßen und tröstenden Freude der Verkündigung‘ lebt.' Diese viele Kardinäle beindruckenden Worte aus dem Vorkonklave – noch bevor der damalige Kardinal Bergoglio wusste, dass die Wahl auf ihn fallen und er den Namen Franziskus annehmen würde – lesen sich im Blick auf den bisherigen synodalen Prozess wie eine Kurzfassung der auf dem zurückliegenden Weg veröffentlichten Dokumente. (s. Blog-Beitrag vom 29.9.2015)
Bliebe es bei solchen personifizierten Erinnerungen, würde Papst Franziskus dennoch auf seinem Weg allein gelassen, wenn sie nicht zugleich münden in einen Aufruf zum innerkirchlichen Commitment. Erneut mit den Worten des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gesagt:
Ich wünsche uns und der Kirche in Deutschland, dass wir den Heiligen Vater gerade auf diesem Weg, der sich ja bis in unsere tägliche Arbeit in den Gemeinden auswirkt, tatkräftig unterstützen, wo immer dies möglich ist. […] Vor drei Jahren hat Papst Franziskus von der ‚Kirche des Aufbruchs‘ gesprochen. Zum 80. Geburtstag danken wir ihm von Herzen für diesen Aufbruch, den wir mitgehen, von dem wir uns angespornt fühlen, Gott und der Kirche zu dienen. Zum Geburtstag wünsche ich Papst Franziskus alles Gute im Namen der Kirche in Deutschland. Versprechen wir gemeinsam, weiter für den Papst zu beten, so wie es sein sehnlichster Wunsch war, als er am 13. März 2013 gewählt wurde.“ (DBK Pressemeldung vom 15.12.2016).
Lesen Sie auch den Blog-Beitrag vom 8.1.2017 oder unter www.amoris-laetitia.de: mit einigen der schönsten Kurzzitate aus dem nachsynodalen Schreiben sowie Erläuterungen, vertiefenden Informationen, Veranstaltungshinweisen im Rheinland und zahlreichen Linktipps darüber hinaus.  

Mittwoch, 23. Oktober 2019

Auf der Zielgeraden der Amazonassynode - oder: über "die Lösung von Konflikten im Dialog aufmerksamem Hinhörens und geistlicher Unterscheidung"
Wie Kritik am Papst, der Umgang mit Konflikten und Synodalität miteinander zusammenhängen, sind die großen Fragen dieser Woche auf der Zielgeraden der Amazonassynode. Dass sich die Kritik in ultrakonservativen Kreisen am Papst selbst festmacht - wie schon im Blog-Beitrag vom 12.10.19 beschrieben -, lässt Kardinal Christoph Schönborn als langjährigen Synodenteilnehmer an Situationen eines früheren Papstes denken.
(Screenshot des Pressebriefings, Vatican Media vom 21.10.19)
"Die Kritik am heutigen Papst erinnere ihn in manchem an die streckenweise heftige Polemik gegen Papst Paul VI. (1963-1978). Auch jenem Papst hätten seinerzeit manche Kritiker vorgeworfen, dass er die Kirche zerstöre, während andere meinten, er gehe mit seinen Reformen nicht weit genug“. (katholisch.de vom 21.10.19)

Dass Papst Franziskus mit seinem Weg einer "Kirche im Aufbruch" (vgl. Blog-Beitrag vom 19.10.12) und eines fortgesetzten Aggiornamentos über einen von der gesamten Kirche mitgetragenen und mitgegangenen synodalen Weg allen auf diese Weise beteiligten Menschen aus der Seele spricht, indem er ihre Stimmen über Befragungen und Beteiligung (allein im Vorfeld der Amazonassynode und der Erstellung des Vorbereitungsdokuments waren 90.000 Menschen in über 200 Vorbereitungstreffen  in direkter Weise eingebunden) einholt und sie als Synodenteilnehmende in repräsentativer Weise einbezieht, unterstreicht, "dass er geliebt wird und dass viele hundert Millionen Menschen für ihn beten." (Ebd.)

Papst Franziskus selbst geht mit Kritik an seiner Person überraschend humorvoll um (wohingegen Papst Paul VI. nachgesagt wurde, dass er unter der Kritik gelitten haben soll), wenn er „Angriffe konservativer Kreise gegen seine Amtsführung sogar als "eine Ehre" bezeichnet“.

Umgekehrt gehören für ihn die Auseinandersetzung mit Differenzen und der Konflikt auch zum Zeichen echter Synodalität – gerade wenn es um das Angehen neuer Herausforderungen für die Kirche geht. In seiner heutigen Mittwochskatechese nimmt er darauf im Blick auf die Heidenmission der frühen Kirche Bezug:

"Denn die Apostel predigten zunächst nur den Juden, doch dann klopften die Heiden an die Tür der Kirche. Und diese Neuheit der offenen Türen für die Heiden führt zu einer sehr erregten Kontroverse.“ (Vatican News vom 23.10.19)

Und der Kommentar der Vaticannews-Redaktion trifft sicher den Nagel auf den Kopf, dass es „sicher nicht ganz ohne einen Seitenblick auf die heutigen Zustände [war], dass der Papst […] die damalige, in der Apostelgeschichte geschilderte Debatte referierte. Um das rechte Verhältnis der Befolgung des mosaischen Gesetzes und des Glaubens an Christus sei es gegangen. Um den Streit zu lösen, sei schließlich in Jerusalem ein Apostelkonzil zusammengetreten.“  (Ebd.)

"Da ging es um eine sehr heikle theologische, geistliche und disziplinarische Frage. Entscheidend waren die Reden von Petrus und Jakobus. Sie riefen dazu auf, den Heiden keine jüdische Beschneidung aufzuerlegen, sondern nur eine Zurückweisung des Götzendienstes mit seinen verschiedenen Ausprägungen. Aus der Diskussion ergibt sich der gemeinsame Weg. 

Ähnlich wünscht es sich der Papst wohl auch mit dem Synodalen in der Kirche. Im Vatikan tagt derzeit eine Bischofssynode zum Thema Amazonien; auch hier sind die Gemüter erhitzt, es geht im Kern um dasselbe wie damals in Jerusalem, nämlich wie weit sich der Christusglaube inkarnieren, auf lokale Gegebenheiten und Glaubensformen einlassen darf. (Ebd.)

Ein Dialog aus Hinhören und geistlicher Unterscheidung

"Die Versammlung von Jerusalem gibt uns wichtige Aufschlüsse über die Art und Weise, wie wir Divergenzen angehen und die Wahrheit in der Liebe (vgl. Epheser 4,15) suchen sollten. Sie erinnert uns daran, dass die kirchliche Methode für die Lösung von Konflikten auf  dem Dialog basiert – einem Dialog aus aufmerksamem Hinhören und auf geistlicher Unterscheidung im Licht des Heiligen Geistes. Das hilft uns, die Synodalität zu verstehen.

„Der Heilige Geist und wir haben beschlossen“: So beginnt der Text der Einigung, auf die sich die Streithähne von Jerusalem damals verständigt haben. „Das ist Synodalität: die Anwesenheit des Heiligen Geistes.“ (Ebd.)
Eben diese Kennzeichen echter Synodalität wurden auch in der heutigen Pressekonferenz von dem – ebenfalls wie Kardinal Schönborn Synodenerfahrenen - Kardinal Oswald Gracias, Erzbischof von Bombay, ähnlich wie schon im Rahmen der Jugendsynode des letzten Jahres und ebenfalls vom Leiter des Kommunikationsdirektors Paulo Ruffini mit Verweis auf das Procedere der Erstellung des Synodenabschlussdokumentes entsprechend der im Vorjahr neu erlassene Synodenordnung  'Episcopalis communio' hervorgehoben. Am Samstagnachmittag werden die maßgeblichen Änderungen der Kleingruppen-Eingaben und letzte Modi (nach der ersten Lesung am Vortag) berücksichtigende Abschlussdokument Absatz für Absatz abgestimmt und im besten Fall mit Zweidrittelmehrheit und schließlich auch von Papst Franziskus selbst angenommen.

Angesichts der Bedeutung der Themen angesichts des „Schreies des Volkes und der der Erde“ (IL 4, 44f) ist der katholischen Kirche unter der Führung des Heiligen Geistes nichts Besseres zu wünschen!