Samstag, 5. Oktober 2024

Fehlende pfingstliche Anmutungen am Ende der ersten Synodenwoche – oder: Die Weltsynode in der Frauenfrage auf der Suche nach dem „We“

© Vatican Media
(Screenshot aus der 1. Generalkongregation)

Es war schon ein Absturz gleich zu Beginn in der ersten Generalkongregation der Weltsynode am 2.10.24 abends, nachdem derselbe Kardinal und Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre Víctor Manuel Kardinal Fernández zuvor am Vorabend in der Bußvigil wortreich (und im Erleben der Liturgie berührend) die „Steine“ bereute, wo die Kirche (und zuvorderst ja auch seine eigene Kurienbehörde, die früher als Heiliges Offizium verantwortlich war für tausende von Lehrverfahren) Menschen mit einer rigide angewandten Glaubenslehre verletzt hatte, am Tag darauf im Rahmen der Berichte der zehn von Papst Franziskus eingesetzten Arbeitsgruppen als Gruppenergebnis einer nicht näher benannten reinen Männerrunde seines Dikasteriums berichtete, dass das Diakonat der Frau derzeit für nicht wahrscheinlich gehalten werde und auch nicht – Zitat – „als Trostpflaster“ herhalten solle. Auch wenn die Gleichstellung der Frauen in der Kirche – immerhin eine satte Hälfte der Glaubenden in der der Katholischen Kirche – sicher mehr bedeutet und bedeuten muss, als eine „Verpflasterung“ und  „Korrektur“ an einer Stelle, stimmte der in der gewählten Diktion abschätzig vorgetragene Gestus der (Männer-)Macht in keiner Weise mehr überein mit dem im Nachhinein nurmehr als abgelesen erscheinenden Bußbekenntnis – mit der Wirkung einer ausgehöhlten Glaubwürdigkeit der Weltsynode an einer zentralen Stelle innerhalb von nur 24 Stunden.

Ich muss eingestehen, dass ich dieses Bauchgefühl erst weitere 48 Stunden später bei einer Veranstaltung „Weltsynode live – Rückblick auf vier Synodenwochen“ für die Frankfurter Rabanus Maurus Akademie durch einen Redebeitrag einer Teilnehmerin der Online-Veranstaltung in Gänze realisierte, nachdem ich zuvor selbst beide Redebeiträge von Kardinal Martinez in Videomitschnitten hintereinander präsentiert hatte. Nicht, dass das in den „Grundlagen“ des Instrumentum Laboris  (d.i. das erste Modul und für die erste Woche vorgesehene des Vorbereitungsdokumentes) ausdrücklich benannte Thema der „Stellung der Frau in der Kirche“ und die Erwägungen zur Möglichkeit des Frauendiakonates das einzige und zentrale Thema des einleitenden Kapitels gewesen ist, aber der Gestus der abschlägig abkanzelnden Männermacht, die sich in der kurzgefassten Begründung einzig auf jüngste Äußerungen des Papstes stützte und darüber alle Wahrscheinlichkeit einer möglichen Umsetzung von vornherein in Zweifel zog, war trotz der Anerkennung und Nennung von herausragenden Frauen wie Teresa von Avila, Katharina von Siena und Hildegard von Bingen bar einer Überzeugungskraft. Dass der Präfekt des Glaubensdikasteriums zudem als Aufgabe der unter seiner Leitung arbeitenden Arbeitsgruppe ankündigte, dass diese ein Dokument erarbeiten werde, das in Rückbindung an das Synodensekretariat erstellt und schließlich Papst Franziskus vorgelegt werde, führte zu einer breiten Ernüchterung des ja eigentlich zu beteiligenden Synodenplenums gleich zu Beginn.

Erst drei Tage später, heute zum Ende der Beratungen des ersten Moduls des Instrumentum Laboris in dieser ersten Synodenwoche, reagierte der Sekretär der Bischofssynode Kardinal Mario Grech auf die auch im Synodenplenum entstandene Irritation über das „Zueinander von Arbeitsgruppen und Bischofssynode“, dass er einen über eine bisherige Information hinausgehenden Austauschtermin für den 18.10.2024 nachmittags zur Abstimmung stellte, der - wie in der heutigen Pressekonferenz berichtet wurde - mit 265 Ja und gegen 74 Nein-Stimmen angenommen wurde. Dass diese Reaktion des Synodenbüros erst so spät geschieht, ist sicher eine späte Kurskorrektur, aber immerhin wird so das seit Mittwochabend mehr als eingetrübte Erwartungsmanagement, dass die eigentlich – auch über das Thema des Frauendiakonates hinausgehenden – brennenden Themen anderswo und in männerbündischen Zirkeln erarbeitet werden, etwas revidiert und an das Selbstverständnis des Synodenplenums rückgebunden.

Dass die Fragen rund um das Diakonat der Frau obenauf liegen, machten schließlich auch die drei Pressekonferenzen dieser Woche – selbst in den Reaktionen von Teilnehmenden aus dem Synodensekretariat – mehr als deutlich. Sondersekretär Giacomo Costa bemühte sich am 3.10. gleich in der ersten zu unterstreichen, dass die Frage des Frauendiakonats „weiter offen“ sei und "vertieft werden" müsse, selbst wenn Bischof Antony Randazzo aus Australien, Vorsitzender der Föderation der katholischen Bischofskonferenzen Ozeaniens tagsdrauf am 4.10. etwas polemisch behauptete, dass sie „von mächtigen westlichen Kreisen gepusht“ werde. 

Auch wenn Papst Franziskus das Abschlussdokument und die Empfehlungen der Amazonassynode in seinem nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia nicht explizit aufgenommen hat, ist doch das von ihm formell (nach Episcopalis communio) angenommene Ergebnisdokument dieser Synode ausreichend Ausweis dafür, dass nicht etwa allein die vermeintlich glaubensermüdeten europäischen Kirchen, sondern auch die glaubensstarken Regionen an den Rändern der Katholischen Kirche mit einem lauten Schrei Änderungen der Geschlechteranthropologie und deren sakramententheologischen Ableitungen einfordern.  Von „Trostpflastern für Frauen“ zu reden, wo gefühllose Männerrede offene Wunden bluten oder entstehen lässt, kann nur als zynisch, roh und menschenverachtend empfunden werden und als weiterer "Stein", mit dem Kirche Menschen heute verletzt.

Alle Synodenteilnehmenden wissen, dass Synodalität mehr ist als nur eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit, aber der Generalrelator Kardinal Jean-Claude Hollerich wird sich an seine Worte erinnert haben, dass die Synode versagt haben wird, wenn sie die Frauen enttäuschen werde. An Fragen der Geschlechteranthropologie, die sich nicht einfach mehr auf eine vereinfachende Metaphorik marianischer und petrinischer Anthropologie für die heutige Zeit reduzieren lassen, entscheiden sich letztlich auch alle Fragen der Synodalität, nicht nur weil sie mehr als Hälfte der katholischen Kirchen nicht mehr mitnimmt, ja gar nicht mehr erreicht. Dabei geht es noch nicht einmal um ein „Ganz oder Garnicht“, sondern zuallererst um eine Sprache, die kulturübergreifend und sensibel Fragen der Geschlechteranthropologie in einer Terminologie sexueller Bildung aufgreift und sich bemüht, sie theologisch zu übersetzen. Erst auf diese Weise – ein Fortschreiben des jüngsten Dokumentes „Dignitas infinita“ über die Menschenwürde des Dikasteriums für die Glaubenslehre wäre hier angezeigt – kann es hier zu gereifteren Überlegungen kommen. Und insofern hat der Chef des Dikasteriums für die Glaubenslehre sogar Recht, dass es in der derzeit bestehenden Autorengruppe nicht wahrscheinlich ist, dass das Diakonat der Frau in Erwägung gezogen werde. Es fehlt einfach jedes Verständnis dafür.

© Vatican Media
(Screenshot aus der 1. Generalkongregation)
Dass ich – erstmals in meinem beinahe auf den Tag genau 10-jährigen Synodenblog – beinahe ironisch über die Agenda des Synodenbüros, der über sie beteiligten Dikasterien und Arbeitsgruppen, das unausgereifte Nebeneinander von z.T. nicht einmal namentlich benannten Akteuren in den Arbeitsgruppen und der Synodalversammlung schreiben würde, hätte ich bis vor kurzem auch noch nicht gedacht. Aber wer sich und alle Glaubenden einbezieht in das Schuldbekenntnis über die als Wurfgeschoss missbrauchte, auf Menschen zielende Lehre, muss sich an dem Maß des Schuldeingeständnisses messen lassen, sich zu "schämen für all die Zeiten, in denen wir die Würde der Frauen nicht anerkannt und verteidigt" wurde und in aller menschenmöglichen Zartheit und gewissermaßen auf Fußsohlen erst einmal Vertrauen behutsam aufbauen – und nicht den Männern gefallen wollen, die aufgrund der Teilnahme von Frauen an der Synodalversammlung deren Rechtmäßigkeit in Frage stellen. Es gilt Frauen wertzuschätzen, einzubeziehen und zurückzugewinnen, ohne die die Kirche nicht nur im Westen keine Zukunft haben wird.

Der US-amerikanische Bischof Daniel Flores aus Brownsville / Texas. sagte in seinem Statement am 3.10.24 – auch in den Worten des ersten Teils der Grundlagen des Instrumentum Laboris (Nr. 3 – im ersten Synodenbriefing, dass das Synodenplenum auf der Suche nach dem „Wir“ sei.  

"We are searching for the 'We'."

Mit dem Umgang mit „Frauenfrage“ stellt sich diese Frage gewissermaßen als Gretchenfrage gleich zu Beginn der Synodalversammlung.


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