Donnerstag, 17. Oktober 2024

„Zwischen Polaritäten, ohne Polarisierungen“ – oder: Bei der Frage der Beziehung von Orts- und Weltkirche ist die Stunde der Theologinnen und Theologen gekommen

Ungewöhnlich deutliche Auseinandersetzung über theologische Grundsatzfragen“ und „klare Differenzen“ innerhalb der Weltsynode lauteten gestern Schlagzeilen über den Verlauf der X. Plenarsitzung der Weltsynode mit freien Redebeiträgen, die sich auch auf Änderungen in der geplanten Tagesordnung der Generalkongregation bezogen.

„Wie Synoden-Teilnehmer berichteten, wurde zur Klärung der theologischen Streitfrage über die Grenzen und Möglichkeiten einer dezentralen Autorität ein Theologe zu Rate gezogen. Die Synodenleitung bat den an der renommierten Hochschule "Institut Catholique" in Paris lehrenden Professor Gilles Routhier um Klärung. Der Kanadier versuchte daraufhin, in einem kurzen Vortrag den Begriff der Lehrautorität, an der auch die Bischöfe teilhaben, auf Basis der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zu erklären.“ (katholisch.de 16.10.24)

Auch in der Pressekonferenz des Tages saßen diesmal ausnahmslos Theologinnen und Theologen, die am selben Abend auch die für Synodenmitglieder wie alle Interessierten darüber hinaus offenen theologisch-pastoralen Foren über „Die Ausübung des Primats und die Bischofssynode“ und „Die wechselseitige Beziehung von Ortskirche und Weltkirche“ gestalteten:

„Dort diskutierten Theologen und Kirchenrechtler über das Verhältnis zwischen der Autorität des Bischofs von Rom und der von Paul VI. 1965 gegründeten Bischofssynode. Der renommierte Theologe P. Dario Vitali, Professor für Ekklesiologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana, erläuterte dabei das Verhältnis von Primat und Synodalität.“ Nach zwei Phasen in der Kirchengeschichte, zunächst ohne päpstlichen Primat, dann in einer zweiten, in der die lateinische Kirche von einem starken Primat geprägt war, sieht Prof. P. Dario Vitali, Professor für Ekklesiologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana, die Zeit für eine dritte Phase gekommen, die „durch eine Kombination aus Synodalität und Primat“ geprägt ist." (Vaticannews 17.10.24)

„Das Zweite Vatikanische Konzil brachte einen neuen Ansatz für die Ausübung des Primats, indem es die Kollegialität der Bischöfe betonte. Dennoch blieb das Modell einer universalen Kirche bestehen. Vitali kritisierte, dass die nachkonziliare Praxis nur eine schwache Form der Kollegialität hervorgebracht habe und die affektive Kollegialität letztlich eine verstärkte Form der Primatsausübung bedeutete.“ (Ebd.)

„Der laufende synodale Prozess bietet für Vitali „die Gelegenheit, das Verhältnis von Primat und Synodalität neu zu gestalten. Der Bischof von Rom fungiert hierbei nicht als alleinige Instanz, sondern initiiert und schließt synodale Prozesse im Dienst der Einheit ab. In dieser kreisförmigen Dynamik aus Einheit und Vielfalt wird die Rolle des Papstes als Garant der kirchlichen Gemeinschaft verstanden.“ (Ebd.)

Diese neue Praxis des Primats sei mehr „als eine bloße organisatorische Veränderung; sie stelle die getreue Umsetzung der vom Konzil formulierten Prinzipien dar. Vitali zitierte dabei aus Lumen gentium, wo es heißt, dass „die rechtmäßigen Verschiedenheiten“ innerhalb der Kirche „der Einheit nicht nur nicht schaden, sondern ihr vielmehr dienen“ (Lumen gentium, 13)." (Ebd.)

Die theologischen Foren – wie die Verschränkung der Akteure in den Pressebriefings zeigt – sind nah an den Fragestellungen, die in der Synodenaula obenauf liegen. Die Fragen welche Aufgaben den Teil- und Ortskirchen mit ihren Bischofskonferenzen zukommen, dass sie weniger dazu da seien „neue Dogmen zu verkünden, als in ihrer Weise den Glauben der Kirche zu inkulturieren“ – wie der Präfekt des Dikasteriums für Kommunikation, Paolo Ruffini in der heutigen Pressekonferenz eine Stimme aus dem Synodenplenum wiedergab, beschreiben bereits schon eine vermittelnde Position zwischen Polaritäten. „Diese Polaritäten, die keine Polarisierungen sind“ – in der Formulierung der italienischen Ordensfrau Sr. Samuela Maria Rigon SSM im Pressebriefing  prägten derzeit die Diskussion der freien Redebeiträge der Synodenversammlung.

Dass Spannung zum Leben dazugehöre, wie auch ein gewisser Druck – gleich dem Blutdruck im Körper eines Menschen –zur Vitalität in der Kirche, unterstrich Kardinal Gérald Cyprien Lacroix, Erzbischof von Québec/Kanada, für den der in der theologischen Auseinandersetzung zum Ausdruck kommende Wandel auch mit einer Umkehr zu tun hat, zu der der Herr die Kirche und jeden Einzelnen heute ruft ist. Alle wissen dabei, dass sich abhängig von der Neujustierung des Verhältnisses von Orts- und Weltkirche, einer neuen Verhältnisbestimmung von Lehrautorität den verschiedenen Ebenen, auch viele weitere derzeit in den Arbeitsgruppen beratene Themen bewegen werden. 

"Zuvor war unter anderem gefordert worden, neben oder alternativ zu den bereits bestehenden nationalen Bischofskonferenzen auch kontinentale Beratungs- und Beschluss-Organe mit eigenen Regeln zu errichten. Sie sollten auch in Fragen der Lehre und der Kirchendisziplin eigene Autorität haben. Dazu gehört unter anderem auch die Ehelosigkeit der Priester." (katholisch.de 16.10.24)

Und ich möchte ergänzen: Ebenso die Frage neuer Leitungsämter für Frauen, der Diakonat der Frau, selbst wenn dies nicht überall in der Welt gleichermaßen umgesetzt werden wird.


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