Montag, 6. Oktober 2014

Im Geist der Synodalität – oder: wie die Bischofssynode begann

'Welch ein Papst', dachte ich bereits heute Vormittag in ferner Erinnerung an das Zweite Vatikanische Konzil, nachdem Papst Franziskus zu Beginn der Synode für alle Synodalen einen „Geist der Synodalität“ beschwor und nochmals eindringlich zu einer offenen, freien Rede aufrief:


                                             (Bild: Synodenaula) 
"Eine Grundbedingung dafür ist es, offen zu sprechen. Keiner soll sagen: ‚Das kann man nicht sagen, sonst könnte ja jemand von mir so oder so denken...’ Alles muss ausgesprochen werden, was jemand sich zu sagen gedrängt fühlt! […] Man muss alles sagen, was man sich im Herrn zu sagen gedrängt fühlt: ohne menschliche Rücksichten, ohne Zögern!“ (Pressemeldung von Radio Vatikan vom 6.10.2014)


Diese Ermutigung gilt den Synodenteilnehmern in erster Linie, aber – das erinnerte ich direkt im Anschluss an diese Meldung – auch jedem Einzelnen von uns. Kardinal Marx sagte in einem am gestrigen 5.10.2014 im Deutschlandradio  Kultur veröffentlichten Interview, das „auch die Wissenschaftler und Theologen und die Bischöfe, die nicht an der Synode beteiligt sind, weiter zu diskutieren, öffentlich zu diskutieren“ aufgefordert sind, damit die vom Papst gewünschte Dynamik des synodalen Prozesses auch Wirklichkeit werden kann. Der Erfolg der Synode hängt auch an uns.

Für die Kirche in Deutschland gilt das insofern besonders, als wir ja nicht nur mit Geldwerten Transparenz zeigen müssen. Wir müssen es auch und gerade mit den wirklichen 'Werten' tun, die ja unser eigentliches, wirkliches Kapital bedeuten. Und wir müssen deutlich machen, woher wir sie nehmen, und vor allem, wie wir sie begründen; indem wir sie kommunizieren, wenn wir sie nicht verraten oder über Sprachlosigkeit gar schon aufgegeben haben.

In den vergangenen Tagen habe ich es auch persönlich so erlebt, dass erst über die Auseinandersetzung mit den Themen, sich die Sprache findet und auch eine Klärung einsetzt. Etwa auf die Gretchen-Frage, ob sich die Lehre der Kirche am Ende der Synode geändert haben werde. Genau diese Frage wurde ich heute in einem Interview für die Aktuelle Stunde des WDR  tatsächlich gefragt. Mal abgesehen davon, dass man es sich leicht machen kann dahingehend, dass man sagt, dass man den Ergebnissen der Synode natürlich nicht vorweggreifen kann, kann doch aus einer Kölner „Fernsichtbrille“ etwas viel Weitergehendes gesagt werden, womit der synodale Gedanke im Sinne des Papstes tatsächlich weitergetragen ist:

Gekommen war das Filmteam aus Anlass der Synode und aufgrund der Freischaltung einer eigenen Themenseite zur Familiensynode und wegen des in der Pressemeldung des Presseamtes des Erzbistums Köln vom 2.10.2014 angezeigten, transparenten Umgangs in Hinblick auf den weiteren Fortgang der von Köln nach Rom getragenen Umfragergebnisse. Die festgestellte Differenz zwischen der kirchlichen Lehre und dem Leben der Katholiken – zugleich der Ansatzpunkt der Synode -, markiert nun aber genau den springenden Punkt, dass die Lehre wieder die Gläubigen erreichen muss, damit sich die Menschen mit ihr und der Kirche identifizieren. Weit jenseits einer richtungslosen Veränderung – oftmals „Anpassung an den Zeitgeist oder den Mainstream“ genannt – muss es um eine Vertiefung der Lehre gehen, in der die Gläubigen sich und ihren Glauben wiedererkennen; die nicht abgehoben, sondern mit ihnen verbunden wahrgenommen werden muss, in der der gestern angesprochene 'Herzschlag der Zeit' wahrnehmbar wird, nach- und widerhallt.

Und genau das zeigte der vom vorbereitenden synodalen Rat als 'Relator' gewählte  Kardinal Erdö an, indem er zunächst den breiten Konsens der Rückmeldungen im Blick auf die mit Ehe und Familie zusammenhängenden Themen in einer insgesamt einstündigen Einführung (ein Orginalvideo aus der Synodenaula!!!), einer ersten Zusammenstellung ('relatio') der schriftlichen Rückmeldungen (noch vor den mit dem heutigen Tag einsetzenden Diskussionen), ins Wort brachte: nämlich dass Ehe und Familie als etwas grundlegend Gutes wahrgenommen werden auch dass die Unauflöslichkeit der Ehe von den Katholiken in der Regel nicht als solche in Frage gestellt ist. Der Ausgangspunkt ist für ihn deshalb zunächst einmal ein rundweg positiver:
Es gibt […] im Innern der Kirche keinen Grund zu einer Katastrophen- oder Resignations-Stimmung. Es gibt ein klares und von der Mehrheit mitgetragenes Glaubenserbe, von dem die Synodenversammlung ausgehen kann.“  (Pressemeldung von Radio Vatikan vom 6.10.2014)
Aber der ungarische Kardinal deutet auch die Richtung an, in der der synodale Weg die nächsten Tage fortschreiten wird: die Gefährdungen der Familie seien anzusprechen, die der Familie feindlich gesonnen sind, in einer Welt der Ungleichheit und der sozialen Ungerechtigkeit. Auch der Ehevorbereitung und der Weise der Begleitung von Menschen in Trennung / Scheidung, die nicht nur auf den Empfang der Sakramente reduziert werden dürfe, müsse ein besonderes Augenmerk gelten. Ein Ausrufezeichen setzte der Relator der Bischofssynode als er im Blick auf die ‚Ehen ohne Trauschein’ darauf hinwies, dass die Kirche die „Gelegenheit nicht verstreichen lassen könne, auch in Konstellationen, die weit von den Kriterien des Evangeliums entfernt sind, den Menschen nahe zu sein“, so Radio Vatikan in derselben PressemeldungUnd dass selbst über homosexuelle Partnerschaften gesprochen werde, deutete Kardinal Marx am Abend gegenüber Radio Vatikan an.

Mehr als eine Reminiszenz auch der Ausblick, dass über die Fragen zur Verfahrensvereinfachung von Annullierungen ungültig geschlossener Ehen hinaus auch die Praxis orthodoxer Kirchen, eine „zweite oder dritte Ehe mit Buß-Charakter zu erlauben“, genauer studiert werden solle, wie es Radio Vatikan in der schon genannten Pressemeldung zusammenfasst. Aufmerken lässt schließlich auch ein Satz hinsichtlich der Fragen rund um Sexualität und verantworteter Elternschaft, dass er im Hinblick auf die Aussagen der Enzyklika „Humanae vitae“ von Papst Paul VI. auf eine „positive Neuformulierung der Botschaft“ setze. (Vgl. ebd.)

Die Erwartungen sind erfüllt, wenn nicht übertroffen. Der Mut und die Entschlossenheit, die großen Themenbereiche anzugehen, ist dem ersten Pressebericht und den Stellungnahmen als Reflex auf den ersten Synodentag anzumerken, die oben angesprochene 'Relatio' veröffentlicht – und die Ausführungen atmen den zu Anfang dieses Posts von Papst Franziskus angesprochenen ‚Geist der Synodalität‘, den er für die Synode geradezu personifizieren will:

Sprecht mit Freimut und hört mit Demut! Und tut dies in aller Ruhe und in Frieden, denn die Synode entwickelt sich immer cum Petro et sub Petro. Die Anwesenheit des Papstes ist eine Garantie für alle.“ (Pressemeldung von Radio Vatikan vom 6.10.2014)

 

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