Sonntag, 16. April 2023

Der Reichtum in der Diversität zwischen Tradition und Aggiornamento – oder: Zur Veröffentlichung des Abschlussdokuments der Prager Synodalversammlung der europäischen kontinentalen Etappe der Weltbischofssynode 2021-2024

Das waren gefühlt lange 14 Tage seit Mitte Februar, bis das Abschlussdokument der Prager Kontinentalsynode zur Vorbereitung der im Oktober in Rom beginnenden Weltsynode an diesem Wochenende mit mehr als zwei Monaten Verzug endlich veröffentlicht wurde. Es entstand auf der Grundlage des Arbeitspapiers für die Etappe der Kontinentalsynoden (DCS) und bezog die vorab eingereichten wie die während des Treffens in Prag eingebrachten Statements der 39 Delegationen der europäischen Bischofskonferenzen mit ein. Und es soll schon am kommenden Donnerstag, den 20.4.23 mit den Rückmeldungen aus den weiteren vier Kontinenten in das Instrumentum laboris fließen, das (bis Ende Mai fertiggestellt sein soll und*) das wirkliche Arbeitspapier der Weltsynode werden wird.

Das in englischer und italienischer Sprache vorliegende Abschlussdokument der Prager Versammlung ist voller Zitate, in denen die Vielfalt, Diversität und Pluralität in den verschiedenen Ortskirchen als Fülle, Reichtum und Schatz beschrieben wird. 

„With an awareness that has grown as the Assembly unfolded, we feel today that we can confess that our Church is beautiful, a bearer of a vital diversity that is also our wealth.“ (4)

Auf 20 Seiten werden aber auch die Spannungen nicht verschwiegen, die die Versammlung geprägt haben und die europäischen Kirchen kennzeichnen. Dabei wird eine Perspektive vertreten, die diese Spannungen nicht auf Gewinner und Verlierer hin auflösen will, sondern sie als Beitrag auf dem synodalen Weg zu werten vorschlägt, der Räume eröffnet und zum Weiterdenken und Experimentieren anregt. Das im DCS verwendete Sprachbild des Zeltes, das weder zu viel noch zu wenig Spannung verträgt, um weder zu zerreißen noch in sich zusammenzufallen, wird als Beispiel zitiert für einige Themen, die diese Spannungen insbesondere in sich tragen:

Das Thema des wertschätzenden und seelsorgerlichen Umgangs mit LGBTQIA+-Personen (allein schon die Aufnahme dieses Akronyms ist auch nach der erstmaligen Verwendung von LGBT im Instrumentum Laboris der Jugendsynode 2018 immer noch der Erwähnung wert) gehört an dieser Stelle insbesondere zu diesen sehr umstrittenen Themen wie ebenfalls noch der Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen und einige andere Themen, in denen die Spannung zwischen der Tradition und eines Aggiornamentos besonders zum Ausdruck kommt. So unterstreicht d
as europäische Abschlussdokument die Bedeutung "konkreter und mutiger Entscheidungen über die Rolle der Frau in der Kirche und über ihre stärkere Beteiligung auf allen Ebenen, auch an Entscheidungs- und Entscheidungsfindungsprozessen, zu treffen" (92). Aber auch Fragen und Folgerungen rund um den beinahe alle europäischen Kirchen mehr oder weniger betreffenden Missbrauchsskandal gehören zu den Themen, die mehrfach angesprochen werden. 

Gewünscht wird – wie ebenfalls schon zum Ende der Prager Versammlung betont – eine Fortsetzung der synodalen Erfahrungen auf kontinentaler Ebene. Darüber hinaus wird insbesondere eine Ausarbeitung einer "Theologie der Synodalität" gefordert und Schulungen, die das gesamte Volk Gottes mit einbeziehen in diesen learning-by-doing-Prozess. Für den Umgang mit "Tradition und Aggiornamento" (3.2) und bei aller von den meisten mitgebrachten Bereitschaft, neue Ideen weiterzuentwickeln, bedürfe es einer immer wieder neu zu findenden Balance zwischen dem neu Aufbrechenden auf der einen und dem Festhalten an überkommenen Traditionen der Kirche auf der anderen Seite.

We all would like to develop and implement new ideas, but we need to find a balance between Church traditions and new thoughts.“ (65)

Vor diesem Hintergrund wurde vorgeschlagen, eine Haltung der Komplementarität oder Fähigkeit einzuüben, die die Balance zwischen Polaritäten aushalten hilft.

Along these lines, some prefer to speak of complementarity or the ability to maintain a balance between polarities.“ (53)

In Prag sei sichtbar geworden, was wahrscheinlich auch für die anderen Kontinentalversammlungen aus ihren Berichten und dem daraus destillierten Instrumentum laboris herauszulesen sein wird: Dass die zurückliegenden kontinentalen Versammlungen das Privileg der Einheit in Verschiedenheit erlebbar gemacht haben, eine Diversität, die mittlerweile in der Katholischen Kirche als Reichtum wahrgenommen wird.

In Prague, the Churches of Europe had the privilege of experiencing unity in diversity. The diversity in the Catholic Church is a richness“. (86)

 

* Ergänzung vom 20.4.2022

Samstag, 11. März 2023

 „Das ist Ihre Zuständigkeit!“ – Wegweisende Ergebnisse der abschließenden V. Synodalversammlung (9.-11.3.2023) und die Weiterführung des Synodalen Wegs

(Die Präsidenten des Synodalen Wegs Bischof Dr. Georg Bätzing 
 und Dr. Irme Stetter-Karp in der Abschlussansprache am 11.3.23)

Die Dramaturgie der Aussprache durch eine Zurverfügungstellung der eigenen Redezeit von Bischof Stephan Ackermann am zweiten Synodentag an einen Gast der flämischen Bischofskonferenz machte es möglich, dass der Antwerpener Bischof Johan Bonny als letzter Redner der Redeliste die Genese und Abstimmungen des Schreibens „Für eine einladende Kirche, die niemanden ausschließt“ mit römischen Gesprächspartnern im Rahmen des Ad-limina-Besuchs der belgischen Bischöfe vorstellen konnte, in denen sie sich für kirchliche Segnungsfeiern gleichgeschlechtlicher Partnerschaften aussprechen. "Das ist Ihre Zuständigkeit", soll Papst Franziskus den Bischöfen im persönlichen Gespräch am Ende ihres Ad-limina-Besuchs am 25. November 2022 geantwortet und sich dabei insbesondere der Geschlossenheit der Bischofskonferenz in dieser Frage versichert haben. Vielleicht war dabei auch das kurzgefasste und gewissermaßen noch offene Ablaufschema dieses Papiers auf der insgesamt nur drei Seiten umfassenden Vorlage - und die damit verbundene Absicht zunächst Erfahrungen mit Segensfeiern zu machen  - ein Grund für die positive und bestärkende Aufnahme in Rom. 

Kurz vor der Abstimmung des Handlungstextes "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" war diese Ermutigung vielleicht auch ausschlaggebend für die Zustimmung nicht nur der Synodalversammlung, sondern auch der Bischöfe mit einer zuvor noch sehr unsicheren Zweidrittelmehrheit. In der Folge verhinderte auch die in der Woche vor der V. Synodalversammlung als Kompromissvorschlag eingebrachte "Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eine Handreichung für Segensfeiern" nicht die direkten öffentlich-medialen Reaktionen, die unter Überschriften über die Einführung von "Segensfeiern für homosexuelle Paare" titelten. Ob und wie die Beschlussfassung des Synodalen Wegs jetzt schon das Handeln in den Bistümern verändert - das Kriterium, an dem Bischof Georg Bätzing den Erfolg des Synodalen Wegs festmacht -, wird sich in den Reaktionen und Worten der Diözesanbischöfe in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten zeigen.

Direkte Möglichkeiten zum Handeln bilden demgegenüber andere Handlungstexte: Unter dem Titel "Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakramenten" wird sich auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz für eine grundsätzliche Erlaubnis dafür beauftragter Frauen und Männer ausgesprochen, in Eucharistiefeiern auch predigen zu können. Selbst wenn auch hier die ursprünglich gefasste Beschlussvorlage deutlich weiter ging - und nun in einem Konsultationsprozess weiter ausgearbeitet werden soll -, zeigte die Freude der mit der Vorbereitung dieser Handlungstextvorlage befassten Personen, welche Bedeutung allein dieser Text schon für die Anerkennung von Frauen in der pastoralen Praxis besitzt.

V. Synodalversammlung am 10.3.2023  © Holger Dörnemann
Konkretes Handeln zu verändern, ist auch mit der einstimmigen Annahme der Handlungstexte „Prävention sexualisierter Gewalt, Intervention und Umgang mit Tätern in der katholischen Kirche“ und „Maßnahmen gegen Missbrauch an Frauen in der Kirche“ zu erwarten. Ebenso kirchlich-pastorales Handeln verändern wird der Handlungstext „Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt“, der nach kontroverser, aber fairer Diskussion - und einer engagierten Stellungnahme von Bischof Shane Anthony Macinley über ein in die gleiche Richtung argumentierendes Papier der australischen Bischofskonferenz - mit 92 % der Synodal*innen wie einer Zweidrittelmehrheit der Bischöfe angenommen wurde. 

Zwei an den Papst adressierte Handlungstexte „Der Zölibat der Priester – Bestärkung und Öffnung“ mit der Bitte, die Zölibatspflicht für Priester zu überprüfen, wie der Handlungstext „Frauen in sakramentalen Ämtern – Perspektiven für das weltkirchliche Gespräch“ mit dem eindringlichen Votum für die Einführung des Diakonats für Frauen wurden ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit der Synodalversammlung insgesamt und ebenso mit dem Zweidrittelquorum der Bischöfe angenommen wie bereits am ersten Tag der V. Synodalversammlung zuvor der Grundtext „Priesterliche Existenz heute“. 

Screenshot Livestream synodalerweg.de vom 11.3.2023

Wie sehr die Frage der Öffnung des Zölibats auch unter weltkirchlicher Perspektive mitgedacht wird, brachte ein gerade zum Zeitpunkt der Synodalversammlung veröffentlichtes Interview von Papst Franziskus zum Ausdruck, indem er frei heraus erklärt, dass die "Abschaffung des Zölibats" aus seiner Sicht möglich ist.

Mit der Verabschiedung des Präambeltextes "Hören, lernen, neue Wege gehen: Der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland" wurde abschließend das letzte Dokument der Synodalen Wegs mit über 97 % verabschiedet, der mit einem Abschlussgottesdienst im Frankfurter Kaiserdom St. Bartholomäus nach über drei Jahren seinen feierlichen Abschluss fand. In der Pressekonferenz sprachen Bischof Bätzing und Irme Stetter-Karp davon, dass "wegweisende Ergebnisse erzielt" seien, die einerseits "Impulse für die Weltsynode" geben, aber auch konkrete Beschlüsse enthalten, die direkt "in den Bistümern umgesetzt werden können. Morgen können wir damit beginnen".

"Morgen können wir damit beginnen!"


Donnerstag, 2. März 2023

 „Ich möchte, dass sich kirchliches Handeln verändert!“ oder: Über Erfolgskriterien des Synodalen Wegs, Anträge auf geheime Abstimmungen und die Wahrscheinlichkeit abgelehnter Texte auf der V. Synodalversammlung

© Screenshot DBK /Katholisch.de
Beate Gilles, Bischof Georg Bätzing und Matthias Kopp auf
der Abschlusspressekonferenz der DBK-VV 2023 in Dresden

Es sei eine "kritische Situation", hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz bereits zu Beginn der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am Montag, den 29.2.23 konstatiert  noch bevor er ein Grußwort des Nuntius Nikola Eterović vom selben Tag gehört hatte, in dem dieser der Einrichtung eines Synodalen Rates auch auf den Ebenen eines Bistums oder der Pfarreien eine klare Absage erteilte. Dass die römischen Bedenken auf Missverständnissen basieren und ausgeräumt werden können, hatte Bischof Bätzing schon in einem wenige Tage zuvor versendeten Brief an den Kardinalstaatsekretär Kardinal Pietro Parolin und die Kardinäle des interdikasteriellen Gesprächs beim gerade zurückliegenden Ad-limina-Besuch zum Ausdruck gebracht  mit einem Gesprächsangebot an die römische Seite zusammen mit den drei weiteren Delegierten aus Deutschland bei der Prager Kontinentalsynode.

Aber unzweifelhaft hat die Kritik am Synodalen Weg und einigen seiner erarbeiteten Ergebnisse Folgen gehabt, die auch die Erwartungen bei der abschließenden V. Synodalversammlung des Synodalen Wegs tiefer hängen. Dennoch zeigt sich Bischof Bätzing vom Erfolg des Synodalen Wegs überzeugt:

"Wir haben einen Erfolg des Synodalen Wegs. Denn es sind grundlegende Texte miteinander abgestimmt worden in den vergangenen Synodalversammlungen. Und es ist schon Praxis verändert worden. Ich verweise nochmal auf das kirchliche Arbeitsrecht. Und so liegen nochmal Text vor. Ich gehe nicht davon aus und ich glaube das tut keiner wirklich: Es müssen nicht alle Texte durch die Synodalversammlung kommen. Wir rechnen auch damit, dass Texte nicht angenommen werden und das ist ein ganz normaler Vorgang. […] Ich möchte – so habe ich es immer gesagt –, dass sich kirchliches Handeln verändert! Und das haben wir mit der Novellierung des Arbeitsrechts hinbekommen. Das bekommen wir hin, wenn wir deutlich machen, in unserer Beratungs- und Entscheidungskultur gehen wir deutliche Schritte nach vorne auf Partizipation und Transparenz. Wir machen die Wahrnehmung amtlicher Autorität in der Kirche rechenschaftspflichtig und verantwortbar. Und da gehört für mich auch dazu, das Signal zu setzen, wenn Menschen, die in Paarbeziehungen Verantwortung füreinander übernehmen – auch wenn sie nicht verheiratet sind – und um den Segen Gottes bitten, Ihnen diesen Segen zu gewähren." (Pressekonferenz der DBK VV vom 2.3.23, eigene Mitschrift)

Dass es auch von bischöflicher Seite getragene Anträge bei der abschließenden Konferenz des Synodalen Wegs geben könnte, geheime Abstimmungen von Texten vorzusehen, mutmaßte die Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz Dr. Beate Gilles. Ob diese dazu führen, dass so manche Texte  den mündlichen Ausführungen der Pressekonferenz war zu entnehmen, dass es vor allem die Handlungstexte "Gemeinsamen beraten und entscheiden" zum Themenkomplex "Frauen in sakramentalen Ämtern" und zu den "Segenfeiern" betrifft  mit größerer Zustimmung angenommen werden als in den Probeabstimmungen, die ein Stimmungsbild hinsichtlich der derzeitigen Textvorlage einfingen: Wir werden es im Zuge der den Synodalen Weg beschließenden V. Synodalversammlung vom 9.-11.3.2023 in Frankfurt erleben. Einem möglichen Eklat  aufgrund der Nichtannahme des ein oder anderen durchgefallenen Handlungstextes  am Ende des Synodalen Wegs ist heute mit einem besonnenen Erwartungsmanagement in gewisser Weise schon einmal vorgebeugt worden.


Donnerstag, 9. Februar 2023

"United in diversity", "the beauty of 360°" and "the new style to be a church" at #SynodPrague2023

Heute ist die kontinentale Phase Europas des weltweiten synodalen Prozesses nach fünftätigen Beratungen zu Ende gegangen. Am Ende wurde ein für heute angekündigtes 20-Seiten ‚draft-document‘ verlesen, das aber nicht verteilt wurde und in den nächsten zwei Wochen redaktionell fertiggestellt werden soll. Die deutsche Delegation blickt mit einer anerkennenden, aber auch konstruktiv-kritischen Perspektive auf den Verlauf und das Ergebnis der Beratungen:

"Die Synodalversammlung der europäischen kontinentalen Etappe des weltweiten, von Papst Franziskus angestoßenen synodalen Prozesses, hat für uns viele Erkenntnisse gebracht. Wir konnten erfahren, wie sich die Kirche in den Ländern Europas auf den Weg macht, um mehr und mehr zu einer synodalen Kirche zu finden." (DBK-Pressemeldung vom 9.2.23)

Der verlesene Entwurf des auf Englisch verfassten Abschlusstextes bringt in vielfältigen Formulierungen den synodalen Charakter, den „neuen Stil Kirche zu sein“ ins Wort. „United in diversity“, „Unity means not uniformity“ und „Diversity is not a problem but an asset“ heißt es einerseits durchgängig, nicht ohne zugleich auf die damit verbundenen Spannungen hinzuweisen. Insofern kann die deutsche Delegation der „beauty of 360°“ auch nur bedingt etwas abgewinnen. Denn es wurde bereits in der kontinentalen Phase der Weltsynode deutlich, „dass es erhebliche Unterschiede zwischen Grundhaltungen bei uns und in Ländern mit anderen Kulturen gibt.“ 

Obwohl - was für die Schweizer Delegierte Tatjana Disteli vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre -"alle Tabu-Themen […] auf den Tisch" kamen, bezeichnet auch der  Basler Bischof Felix Gmür das verlesene Abschlussdokument als "vage", weil die „Konflikte hätten klarer benannt werden sollen.“ Im Unterschied zu der bis vor kurzem oft zitierten Einschätzung die Pluralität der Meinungen als „kostbares, aus vielen berechtigten Besorgnissen und ehrlichen, aufrichtigen Fragen zusammengesetztes Polyeder“ (AL 4) zu verstehen, heißt es auch in dem Statement der deutschen Delegation am Ende der Versammlung deutlich nüchterner:

„Offenkundig erleben und gestalten wir in Europa in den jeweiligen kulturell geprägten Kontexten die Wirklichkeit unterschiedlich, das heißt in Ungleichzeitigkeit und Dezentralität. (DBK-Pressemeldung vom 9.2.23)

Die Fragen, auf die die Stellungnahme hinweist, werden dennoch auch und gerade die entscheidenden der Weltsynode der Synodalität werden:

„Es bedarf auf weltkirchlicher Ebene der Klarheit und Transparenz, Vielfalt und Einheit neu zu vermitteln. An welchen Orten in welchen synodalen Strukturen künftig beraten und entschieden werden soll, gilt es neu zu entdecken. Wie wird Diversität als Reichtum erkannt, wo zerstören Gegensätze die Einheit? Wer entscheidet diesbezüglich und auf welche Weise?(Ebd.)
Kontinentalversammlung nicht als einmalige Veranstaltung*

Dass dabei auf dem synodalen Weg der Weltkirche die Theologie eine wichtige Rolle spielen muss, da „eine kirchliche Lehre ohne angemessene theologische Begründung […] auf Dauer keine Rezeption“ finden würde, wird auch auch vom Rat der Bischofskonferenzen (CCEE) in Schlussbemerkungen vom 11.2.2023  und der Einforderung einer "Theologie und der Hermeneutik der Synodalität" geteilt.

Die Vorsitzenden der europäischen Bischofskonferenzen, die im Nachgang der Synode noch zwei Tage länger in Prag tagten, hielten in ihren „Schlussbemerkungen“ darüber hinaus fest, dass die Kontinentalversammlung für Europa für sie eine neue Weise gewesen sei „Kirche zu leben, gemeinschaftlich Erkenntnisse zu gewinnen und die Zeichen der Zeit zu verstehen.“ Und sie blicken insgesamt – wie schon die deutsche Delegation – auch strukturell auf den kommenden synodalen Prozess:

"Konkret gesprochen: Wir wollen nicht, dass diese Kontinentalversammlung eine einmalige Veranstaltung bleibt. Sie soll regelmäßig stattfinden, und sie soll auf der synodalen Methode beruhen, die unsere Strukturen und Verfahren auf allen Ebenen durchdringt. Auf diese Weise werden wir die Probleme angehen können, denen wir in Zukunft verstärkte Aufmerksamkeit widmen müssen: die Unterstützung der Opfer, die Stärkung der Rolle von jungen Menschen und Frauen, das Lernen von marginalisierten Gruppen und ähnliches." (CCEE 11.2.2023)

Neu ist schon jetzt die gemeinsam über alle Bischofskonferenzen vertretene Überzeugung, „Spannungen aus einer missionarischen Perspektive zu betrachten“ und nicht wie früher „als Quelle lähmender Angst“. Und Einigkeit besteht auch formal über das Lösungsziel:

„die Wahrheit des Evangeliums in ihrer ganzen Fülle zu verkünden“ und dabei „Einheit in der Vielfalt zu finden und der Versuchung der Uniformität zu widerstehen.“ (CCEE 11.2.2023)


* Nachtrag vom 11.2.2023 



 

Montag, 6. Februar 2023

Beginn der kontinentalen Phase Europas der Weltsynode 2021-2024 und die Eingaben der Delegation aus Deutschland

(Screenshot der Twitter-Meldung des Synodalen Wegs vom 6.2.23)
Gestern hat in Prag die die kontinentale Phase Europas der Weltsynode in Prag  begonnen. Insgesamt 590 Delegierte von 39 Bischofskonferenzen haben mit ihren Beratungen begonnen, von denen 200 präsentisch in Prag der Konferenz beiwohnen und weitere 390 online zugeschaltet sind. Noch bis Donnerstag, 9.2.2023 widmen sie sich in der Gesamtgruppe der Beantwortung dreier Fragen, die aus dem Arbeitsdokument für die kontinentale Etappe vorgesehen sind „diesen Prozess des Zuhörens, des Dialogs und der Unterscheidung voranzutreiben" und zum Beratungsende in ein etwa 20 Seiten umfassendes Ergebnispapier fließen sollen. 

Die Eingaben der deutschen Delegation wurden heute in einem Statement durch den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing und die Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Irme Stetter-Karp auch in ihrer Eigenschaft als Präsidentin und Präsident des Synodalen Wegs gemeinsam vorgetragen. 

Bischof Georg Bätzing betont darin, dass die „Situationen, in denen wir in Europa leben unterschiedlich sind. 

Wir brauchen überzeugende Antworten, wie wir in diesen Situationen das Evangelium neu entdecken und verkünden können. Aber wir dürfen keine Sonderwege gehen. Wir gehen gemeinsam den Weg, den Gottes Geist unsere Kirche führt: an vielen Orten, mit vielen Menschen, in vielen Formen. Es ist ein Kairos der Kirche, ihre Synodalität zu entdecken und zu gestalten.

Auf die erste Frage des Arbeitsdokumentes, welche Einsichten am intensivsten in Einklang mit den konkreten Erfahrungen und Gegebenheiten der Kirche in Europa stehen, stellt Bischof Bätzing fest, dass „die Erfahrungen unsere Kirche einen, auch wenn die Antworten noch nicht feststehen.

   Wir hören, dass Frauen mehr Teilhabe und Mitwirkung erwarten – und dass dies ein Anliegen der ganzen Kirche ist. 
          Wir hören, dass die Gläubigen eine Stimme haben wollen, wenn ihre Angelegenheiten beraten und entschieden werden.
          Wir hören, dass nach neuen Formen gesucht wird, das Priesteramt zu gestalten. 
          Wir hören, dass die Stärkung der Ökumene ein Herzensanliegen der ganzen katholischen Kirche ist.
          Wir hören, dass die Kirche für Menschen offenstehen soll, deren Lebensweise nicht den Normen des Katechismus entspricht, auch den queeren Personen.
          Wir hören und verstehen diese Anliegen. Ich teile sie ganz persönlich. Ich sehe meine Aufgabe als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz darin, sie in den weltweiten Prozess einzubringen, der die Kirche erneuern soll."

Auf die zweite Frage, welche wesentlichen Spannungen oder Divergenzen aus europäischer Sicht besonders wichtig sind und welche Probleme oder Fragenstellungen auf den nächsten Etappen des Prozesses in Angriff genommen und berücksichtigt werden sollten, fügt Irme-Stetter Karp an:

„Die katholische Kirche darf nicht nur auf sich selbst schauen. Europa wird von einem mörderischen Krieg gefährdet. Weltweit gibt es verheerende Kriege und Bürgerkriege, die schlimmes Leid verursachen. Wir brauchen hier in Prag ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern der Kriege, ein Zeichen der Hoffnung auf Frieden. Wir brauchen es nicht nur in der Form von Deklarationen. Wir brauchen es in der Weise, wie wir Kirche sind. Wir brauchen Wege, unsere Schuld aufrichtig zu bekennen und unsere Einheit zu stärken. Wir brauchen Wege, in denen wir Geschlechtergerechtigkeit verwirklichen. Wir brauchen Wege, Menschen willkommen zu heißen. Unser Ziel ist es, den Klerikalismus zu überwinden und die gemeinsame Verantwortung für die Verkündigung des Evangeliums zu stärken. Wir brauchen keine Uniformität. Wir brauchen Einheit in Vielfalt.“

Die dritte Frage, über welche Prioritäten, wiederkehrenden Themen und Handlungsaufforderungen man sich mit anderen Ortskirchen in der ganzen Welt austauschen und welche auf der ersten Sitzung der Synodenversammlung im Oktober 2023 diskutiert werden können, 

"führt zu einer Antwort, die Realismus mit Glaube, Hoffnung und Liebe verbindet. Wir dürfen den systemischen Missbrauch nicht verdrängen. Das sind wir den Betroffenen schuldig. Wir können uns auf die Charismen besinnen, die Gaben, die Dienste und Energien des Geistes, die alle Gläubigen in die Kirche einbringen. Wir brauchen eine Klärung, was wir unter Synodalität verstehen: im Sehen, im Urteilen und im Handeln. Das gemeinsame Priestertum aller steht nicht im Widerspruch zum Priestertum des Dienstes – und umgekehrt. Gemeinsames Beraten erleben wir schon jetzt im synodalen Prozess. Wie kommen wir auch in einem gemeinsamen Prozess zu Entscheidungen?"

Das Statement von Irme Stetter-Karp und Bischof Georg Bätzing kann am Schluss - mit einer ausdrücklichen Bezugnahme auf Papst Franziskus und seinen Brief zu Beginn des Synodalen Wegs - auch als Replik auf die römische Kritik am Synodalen Weg und seiner Arbeitsweise und der beabsichtigten Einrichtung eines Synodalen Rates in der Nachfolge des Synodalen Wegs gelesen werden:

"Wir stimmen Papst Franziskus zu: Synodalität dient der Evangelisierung.  Synodalität ist ein spiritueller Prozess, der klare Formen findet. Papst Franziskus hat klargestellt: Synodalität muss „von unten“ beginnen, immer wieder neu; dann erst gibt es die „Synodalität von oben“. Die Bischöfe tragen die Leitungsverantwortung: nicht einsam, sondern gemeinsam, verbunden mit dem ganzen Volk Gottes."



Freitag, 27. Januar 2023

Von kritischen Äußerungen des Papstes, einem grundverschiedenen Verständnis von Synodalität und einer möglichen Rückfalloption für den Synodalen Weg

(Screenshot: katholisch.de vom 27.01.2023)

Konnte man die kritischen Stellungnahmen aus Rom – von dem absenderlosen Schreiben vom 21.07.2022 über die schriftlich nachgearbeiteten Vorträge der beteiligten Kurienkardinäle beim interdikasteriellen Gespräch vom 18. November 2022 bis zum letzten, am 23.01.23 veröffentlichten Schreiben aus dem Staatssekretariat des Vatikans – nicht eindeutig mit der Meinung des Papstes ineins setzen, dessen Brief vom 29.06.2019 zu Beginn des Synodalen Wegs noch als grundsätzliche Bestätigung für die angebrochene "Zeitenwende" verstanden werden konnte, belegt ein am Mittwoch bekannt gewordenes, ausführliches Interview, wie kritisch Papst Franziskus über den deutschen Synodalen Weg insgesamt denkt. Er sei „nicht hilfreich“, werde „von Eliten durchgeführt“,  sei „Ideologie“ gefährdet und müsse wieder „in die Kirche integriert“ werden.

War sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Anfang Januar noch sicher, dass es „kein Stoppschild des Papstes für Synodalen Weg“ gebe, lassen die nun das "in forma specifica" approbierte und zur Übermittlung angeordnete Schreiben bekräftigenden, abwertenden Worte keinen Zweifel daran, dass das wiederholte Nein zum Synodalen Weg und seinen Ergebnissen nicht auch von Papst Franziskus selbst geteilt wird. Und so diplomatisch am Montag noch das Festhalten an einem Dialog auf Augenhöhe zur Ausräumung von Missverständnissen als Lösungsweg formuliert wurde, so enttäuscht-kritisch fällt nun heute auch die persönliche Reaktion von Bischof Bätzing – ebenfalls in einem Interview – auf die Worte des Papstes aus.

"Warum hat der Papst nicht mit uns darüber gesprochen, als wir im November bei ihm waren? (Die Welt vom 27.1.2023)

Tatsächlich war die Anwesenheit des Papstes beim erwähnten interdikasteriellen Treffen, bei dem die Diskussion des Synodalen Wegs auf dem Programm stand, vorgesehen gewesen, das dieser zur Überraschung aller Teilnehmenden nicht wahrgenommen hatte. Die Position des Papstes war so hinter den kritischen Beiträgen der Präfekten der Dikasterien für die Bischöfe und die Glaubenslehre nicht klar herauszulesen gewesen. Um so deutlicher zeichnet sich für Bätzing jetzt ein unterschiedliches Verständnis von Synodalität ab.

 "Der Papst versteht darunter ein breites Sammeln von Impulsen aus allen Ecken der Kirche, dann beraten Bischöfe konkreter darüber, und am Ende gibt es einen Mann an der Spitze, der die Entscheidung trifft. Das halte ich nicht für die Art von Synodalität, die im 21. Jahrhundert tragfähig ist", so Bätzing. Die deutschen Bischöfe suchten dagegen im Rahmen des geltenden Kirchenrechts eine Möglichkeit des "wirklichen gemeinsamen Beratens und Entscheidens". (zitiert nach katholisch.de vom 27.1.2023)

Ob und wie sich im Rahmen des vor vier Tagen beschriebenen Willens zum fortgesetzten Dialog noch ein gemeinsam abgestimmter Weg finden wird, den Synodalen Weg mit seinen Ergebnissen und Entscheidungen zur synodalen Weiterarbeit in den weltkirchlichen Prozess der Weltsynode zu integrieren oder aber für Deutschland eine schon jetzt ausgesprochene "Rückfalloption" einer mit wichtigen neuen Aufgaben versehenen Gemeinsamen Konferenz von Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZDK) – wie bereits seit der Würzburger Synode (1971-1975) bewährt – eine Weiterführung des Synodalen Wegs nach der fünften und abschließenden Synodalversammlung Anfang März 2023 ermöglichen könnte, wird die entscheidende Frage der nächsten Wochen sein.


Montag, 23. Januar 2023

Klarstellung aus Rom und Fortsetzung des Dialogs zur Einrichtung eines Synodalen Rats

Brief aus dem Staatsekretariat des Vatikans vom 16.1.2023

Das Schreiben aus dem Staatssekretariat des Vatikans – mit Unterschriften der bereits beim interdikasteriellen Gesprächs anwesenden Kurienkardinäle der Dikasterien für die Bischöfe und die Glaubenslehre im Rahmen des Ad-limina-Besuchs der deutschen Bischöfe im November 2022 in Rom – war angekündigt und erwartet worden. Am Ende des heutigen Treffens des Ständigen Rats der deutschen Bischofskonferenz wurde das Schreiben von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, das auch von Papst Franziskus zur Übermittlung gutgeheißen wurde*, bekannt gegeben und damit zugleich der Anlass des Schreibens veröffentlicht: 

Fünf Mitglieder des 27 Diözesanbischöfe umfassenden Ständigen Rats der Deutschen Bischofskonferenz – die (Erz)Bischöfe aus Köln, Augsburg, Eichstätt, Passau und Regensburg – hatten sich an Rom gewandt mit der Frage, ob der auf der IV. Synodalversammlung des Synodalen Wegs mit Zweidrittelmehrheit (auch der Bischöfe) befürwortete "Synodale Rat" gemäß den Statuten des Kirchenrechts überhaupt möglich sei. 

Konkret geht es in einer zweigeteilten Fragestellung, der der Brief des Staatsekretariates nachgeht – u.a. mit Rekurs auf die Kirchenkonstitution Lumen Gentium des II. Vatikanischen Konzils (LG 21) – um die Bedeutung der Autorität und Leitungshoheit der Ortsbischöfe (die auch nach den Statuten des Synodalen Wegs nicht eingeschränkt ist) und eben die daraus folgende Frage, ob es auch unter der genannten unstrittigen Voraussetzung überhaupt im Grundsatz möglich ist, Synodalität auf allen Ebenen der Teilkirche vor Ort "auf Dauer" zu stellen und ein Gremium einzurichten, dass das Anliegen des Synodalen Wegs der Erneuerung der Kirche fortsetzt und weiterträgt und insofern auch „Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung“ in den Blick nimmt. 

Während der Brief des Staatssekretariates einen solchen Rat nicht nur auf nationaler, sondern auch schon auf diözesaner und pfarreilicher Ebene geradeheraus als illegitim einschätzt, hält die breite Mehrheit der Bischöfe des Ständigen Rates – entsprechend der erwähnten Abstimmung der IV. Synodalversammlung – dagegen, sich mit dem „in der Beschlussfassung enthaltenen Auftrag innerhalb des geltenden Kirchenrechts [zu] bewegen“, wie es heute in dem ebenfalls heute veröffentlichten Antwortstatement der Deutschen Bischofskonferenz heißt. 

Ein Dialog, der aus Sicht der Deutschen Bischofskonferenz nur zusammen mit dem Präsidium des Synodalen Wegs erfolgen kann, aber auch von Seiten des Staatssekretariates gegen Ende des Briefes als solcher zugesichert wird, muss der nächste Schritt der Verständigung sein, will sich der Weg der Synodalität der Kirche als ganzer nicht gegen sich selbst kehren.

* "in forma specifica" wurde das Schreiben von Papst Franziskus approbiert und zur Übermittlung angeordnet. 

Donnerstag, 5. Januar 2023

Verdichteter Moment einer Zeitenwende: Die Beerdigung des ehemaligen Papstes Benedikt XVI. durch seinen Nachfolger und die Neuausrichtung des Papstamtes

(Screenshot: Vatican Media vom 5.1.2022)
Eine Beerdigung eines Papstes durch seinen Nachfolger sucht in der Geschichte noch mehr ihresgleichen wie das zeitgleiche Erscheinen eines amtierenden und eines ehemaligen Papstes in weißer Soutane. Symbolisch ist es auch für die Ablösung eines überkommenen Papst- und Amtsverständisses zu einem neuen, das zugunsten einer heilsamen Dezentralisierung "die Primatsausübung [..] einer neuen Situation öffnet". Dieses Neuverständnis klang zwar schon bei Papst Johannes-Paul II. an, von dem ebendieses am 50. Jahrestag der Bischofssynode aufgenommene Zitat stammt. Und es findet sich auch angedeutet in den heute im Requiem für Benedikt XVI. von Papst Franziskus zitierten Worten seines Vorgängers, der sich der Notwendigkeit des Mittragens und der Fürsorge des Volkes – Zitate aus dessen Predigt zur Amtseinführung im Jahr 2005 – bewusst war. Doch waren die Pontifikate der beiden Vorgänger von Papst Franziskus über Jahrzehnte im Grundsatz doch deutlich an der Ausrichtung der Welt auf den jeweiligen Pontifex gekennzeichnet. Einer „Bekehrung des Papstamtes“ (vgl. EG 32) gleich sieht Franziskus in der Synodalität – der konstitutiven Beteiligung und synodalen Einbeziehung der Ortskirchen und einer subsidiär sich verstehenden Kurie – demgegenüber den neu fortzusetzenden „Weg, den Gott sich von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet“.

Dass gewissermaßen realsymbolisch Papst Franziskus seinen Vorgänger zu Grabe trägt, ist somit ein verdichteter Augenblick: zugleich für die Fortschreibung wie den Übergang zu einem Neuverständnis des Papstamtes, das nunmehr auch ohne den Schatten eines im Hintergrund präsenten Vorgängers wirksam werden kann. Auch dies eine „Zeitenwende“ – mit einem Wort aus dem Brief von Papst Franziskus an die Christen in Deutschland zu Beginn des Synodalen Weg gesagt.



Freitag, 23. Dezember 2022

 „Nicht das Evangelium verändert sich, sondern wir beginnen, es besser zu verstehen“ - oder: Weihnachtsansprache 2022 zur Bedeutung von Synodalität

Weihnachtsansprache von Papst Franziskus an 
die Römische Kurie ©Screenshot VaticanNews 

"[…] Dieses Jahr sind es sechzig Jahre seit dem Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils. Was war das Ereignis des Konzils anderes als eine große Gelegenheit zur Umkehr für die ganze Kirche? Der heilige Johannes XXIII. sagte in diesem Zusammenhang: »Nicht das Evangelium verändert sich, sondern wir beginnen, es besser zu verstehen«. Die Umkehr, die uns das Konzil geschenkt hat, war der Versuch, das Evangelium besser zu verstehen, es in diesem historischen Augenblick aktuell, lebendig und wirksam werden zu lassen.

So fühlten wir uns, wie schon mehrfach in der Kirchengeschichte geschehen, auch in unserer Zeit als Gemeinschaft der Gläubigen zur Umkehr aufgerufen. Und dieser Weg ist keineswegs abgeschlossen. Das gegenwärtige Nachdenken über die Synodalität der Kirche entspringt gerade der Überzeugung, dass der Weg zum Verständnis der Botschaft Christi nie zu Ende ist und uns ständig herausfordert.

Das Gegenteil von Bekehrung ist die Fixierung, d.h. die versteckte Überzeugung, dass wir kein tieferes Verständnis des Evangeliums benötigen. Es ist der Fehler, die Botschaft Jesu auf eine einzige, allzeit gültige Form festlegen zu wollen. Die Form jedoch muss sich immer wieder verändern können, damit die Substanz dieselbe bleibt. Die wahre Häresie besteht nicht nur darin, ein anderes Evangelium zu predigen (vgl. Gal 1,9), wie Paulus sagt, sondern auch darin, es nicht mehr in die jeweils aktuelle Sprache und Kultur zu übersetzen, und der Apostel der Völker hat gerade das getan. Bewahren bedeutet, die Botschaft Christi lebendig zu halten und nicht, sie einzusperren. […]" (Vatican News vom 22.12.22)


Samstag, 19. November 2022

 „Gemeinsam auf dem Weg bleiben“ nach einem „Ernstfall der Synodalität“ oder: Über das Zueinander von Synodalem Weg und dem weltkirchlichen synodalen Prozess nach dem Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom (14.-19.11.22)

© Deutsche Bischofskonferenz/Matthias Kopp
Papstaudienz der deutschen Bischöfe am 17.11.22
© Deutsche Bischofskonferenz/Matthias Kopp

Als einen „Ernstfall der Synodalität“ bezeichnete der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing – das Wort eines bischöflichen Kollegen aufgreifend – den Ad-Limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom. Es sei um „Hinhören, Abwägen und den anderen mit seiner Auffassung bestehen lassen“ gegangen; „nicht um Deutungshoheit, sondern um die ehrliche Reflexion, wo wir als Kirche stehen und wie die Sichtweise des jeweils anderen ist.“ (DBK.de vom 19.11.22) Ein offener Austausch sei es im Gespräch mit allen Dikasterien gewesen – insbesondere beim interdikasteriellen Abschlussgespräch unter der Moderation von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und Beteiligung zweier den Synodalen Weg bereits in der Vergangenheit kritisierenden Dikasterienleiter: dem Leiter der Dikasteriums für die Glaubenslehre Kardinal Luis Francisco Ladaria und dem schon seit dem Jahr 2010 von Benedikt XVI. als Leiter der damaligen Bischofskongregation berufenen kanadischen Kurienkardinals Marc Ouellet.

 „Ich bin dankbar, dass die Bedenken, die es in Rom gibt, offen vorgetragen wurden. Und ebenso dankbar bin ich, dass die Sorgen und Auffassungen aus unserer Bischofskonferenz – quer durch alle Themen – gehört wurden. Das interdikasterielle Treffen war für mich ein Zeichen, dass wir – trotz widersprechender Auffassungen – gemeinsam auf dem Weg bleiben.“(DBK.de vom 19.11.22)

Ein Moratorium – eine abermalige Aufschiebung des Synodalen Wegs, die einem Abbruch gleichgekommen wäre – habe im Raum gestanden. Stattdessen wurden deutliche Bedenken und Vorbehalte hochrangiger Kurienkardinäle "gegenüber der Methodik, den Inhalten und den Vorschlägen des Synodalen Weges" geäußert, aber die Weiterarbeit des Synodalen Wegs im Grundsatz bestätigt, indem gemeinsam herausgestellt wird, wie „wichtig und dringend notwendig es ist, einige der angesprochenen Fragen zu definieren und zu vertiefen, wie zum Beispiel diejenigen, die sich auf die Strukturen der Kirche, das Weiheamt und seine Zugangsbedingungen, die christliche Anthropologie und weitere Fragen“ (Vatican.va vom 18.11.22).

Bischof Bätzings Resümee fällt angesichts dieses erlebten, aber auch in der Rezeption auf dem Synodalen Weg in der deutschen Ortskirche nicht minder zu erwartenden „Ernstfalls der Synodalität“ ebenso zuversichtlich wie sorgenvoll aus:

„Ich fahre mit einer gewissen Erleichterung nach Hause, weil wir Themen benannt haben und niemand sagen kann, er hätte davon nichts gehört oder sich nicht äußern können. Ich fahre mit einer gewissen Sorge nach Hause, weil ich noch nicht abschätzen kann, welche Dynamik die synodalen Prozesse entfalten. Aber vielleicht ist diese Spannung gut: Erleichterung und Sorge.“ (DBK.de vom 19.11.22)

Immerhin ersparte die Delegation der deutschen Bischöfe nicht nur einzelnen Dikasterienleitern, sondern auch dem Initiator des synodalen Prozesses  seit seiner bewegenden Ansprache zu eben diesem Thema aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums der Bischofssynode  Papst Franziskus nicht auch deutliche Kritik: Dass er in dem auch während des Ad-Limina-Besuchs vielzitierten Brief an den Synodalen Weg vom 29.06.2019 nicht auf den Anlass des Missbrauchsskandals eingegangen sei, der ja dem ganzen Synodalen Weg und seinen Themen in Deutschland zugrunde liegt. Und die Verwahrung gegenüber dem Vergleich des Synodalen Reformweges mit einer bereits bestehenden „guten evangelischen Kirche“ wurde in ebenso deutlicher Sprache im interdikasteriellen Treffen adressiert wie gegenüber Vorwürfen eines schismatischen Sonderweges:

„Der Synodale Weg der Kirche in Deutschland sucht weder ein Schisma noch führt er in eine Nationalkirche. Wer immer von Schisma oder Nationalkirche spricht, kennt weder die deutschen Katholikinnen und Katholiken noch die deutschen Bischöfe. Mich macht traurig, welche Macht dieses Wort bekommen hat, mit dem man uns die Katholizität und den Willen zur Einheit mit der weltweiten Kirche abzusprechen versucht.“ (DBK.de vom 19.11.22)

Aber Bischof Georg beweist zugleich auch Humor, wenn er den „Ernstfall der Synodalität“ mit dem Sprachbild und Titel des Synodendokuments aus Rom für die anstehende kontinentale Etappe des weltkirchlichen synodalen Prozesses vergleicht: „Mach den Raum deines Zeltes weit“.

„Hier kommt gut zum Ausdruck, was wir spüren: Der Raum des Zeltes entsteht erst durch die Spannung der Seile, die das Zelt aufspannt. Das ist ein Bild, das vielleicht auch für unseren Synodalen Weg und den Weg der Kirche in Deutschland insgesamt hilfreich ist.“ (DBK.de vom 19.11.22)

In diesem gespannten Zustand heißt es „gemeinsam auf dem Weg (zu) bleiben“.



Donnerstag, 27. Oktober 2022

„Vergrößere den Raum Deines Zeltes!“ –  Zur Veröffentlichung des zweiten Vorbereitungsdokumentes für die XVI. Generalversammlung der Bischofssynode.


Dass Synodalität und Mission der Kirche innerlich zusammen gehören, hebt der Generalsekretär der Bischofssynode Kardinal Mario Grech hervor, indem er das Sprachbild des Zeltes in der Überschrift des Vorbereitungsdokumentes der Weltsynode aufgreift, das für eine Kirche im Aufbruch steht. Und dieses Zelt solle vergrößert, ein größerer Raum bereitet werden im Zuge des synodalen Prozesses. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing sieht darin zugleich eine nach vorne weisende, ausgreifende Dynamik, „dass der Synodale Weg der Kirche in Deutschland als Teil einer synodalen Dynamik zu verstehen ist, die die ganze Kirche ergriffen hat." […] Dabei sind viel Gemeinsames, gut Vergleichbares, aber auch in unterscheidender Weise Spezifisches zu entdecken.“. (DBK.de vom 27.10.2022)

„Das nun veröffentlichte Arbeitsdokument stelle "unmissverständlich" fest, dass auf allen Kontinenten eine Neubewertung der Rolle der Frau in der Kirche gefordert werde. "Deshalb wird in vielen Teilen der Kirche eine aktive Rolle der Frauen in den Leitungsstrukturen der Kirche, ihr Predigtdienst und ein Frauendiakonat befürwortet, in einer Reihe von Ortskirchen auch die Priesterweihe für Frauen", analysiert Bätzing. Das Arbeitsdokument weise ausdrücklich auch auf die Situation von LGBTQ-Personen und Menschen in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften hin, die von der Kirche oftmals Zurückweisung erführen. Zudem würde das respektvolle Miteinander von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien und der Wunsch nach mehr Teilhabe und Mitverantwortung aller Getauften geäußert.“ (katholisch.de vom 27.10.2022)

Wie bereits zuvor ausgeführt sollen die sieben kontinentalen Bischofsversammlungen – Afrika, Ozeanien, Asien, Naher Osten, Europa, Lateinamerika sowie USA/Kanada – auf der Basis des Vorbereitungsdokumentes bis März 2023 je ein eigenes Dokument erstellen, die insgesamt wiederum in ein weiteres Arbeitsdokument fließen werden, das dann die eigentliche Grundlage der im Herbst 2023 beginnenden XVI. Generalversammlung der Bischofssynode sein wird. 

Der nächste Schritt ist – wie gesagt – auf kontinentaler Ebene für Europa im Rahmen eines europäischen Treffens des Europäischen Bischofsrats CCEE vom 5. bis 12. Februar in Prag.