Montag, 2. Oktober 2023

Dubia und Antworten von Papst Franziskus - Paukenschläge und Klarstellungen wider eine „Synode der Medien“

Screenshot vaticannews  2.10.23

Schon zwei Tage vor Beginn der Weltsynode hat schlagartig die „Synode der Medien“ begonnen, die von außen manipulierend Themen der Synodalversammlung setzen und ihren Verlauf beeinflussen will. Waren es bei der ersten Familiensynode nach einer Woche ab der Vorstellung der Zwischenrelatio das Medienecho, bei der Jugendsynode und Amazonassynode Querschüsse gewissermaßen von Anfang an (mit dem Höhepunkt einer dem emeritierten Papst unterschobenen Buchveröffentlichung), beginnt die mediale Auseinandersetzung zur „Synode zur Synodalität“ jetzt schon vor deren eigentlichem Beginn. Und wie schon 2014/15, 2018 und 2019 sind es Lobbygruppen (von 2014 sind noch die Kardinäle Burke und Brandmüller dabei, von 2018 und 2019 noch Kardinal Sarah und gewissermaßen „neu“ die schon nicht mehr wahlberechtigten Kardinäle Zen Ze-kiun, 91 Jahre und Sandoval Íñiguez, 90 Jahre), die von außen über eingebrachte "Dubia" den Synoden-Fahrplan lautstark auf ihre Themen hin verändern wollen, statt den Synodalen und Synodalinnen selbst den Beratungsverlauf zu überlassen. Dasselbe gilt natürlich auch für Positionierungen, die Themen des Synodalen Wegs der deutschen Ortskirche – so sehr sie mehrheitsbildend über drei Jahre erarbeitet wurden –, die ebenso nicht einfach 1:1 auf weltkirchlicher Ebene übertragen werden können, sondern in ihrer für die Ortskirche wichtigen Bedeutung und Geltung einzubringen sind – und dies selbstredend an den Stellen, an denen sie in der Bearbeitung des Instrumentum laboris in seinen vier Teilen  A, B1, B2 und B3 „an der Zeit sind“. Das erfordert Demut, Zurückhaltung und Contenance, die nicht medienreißerisch von außen in die Synodenaula hinein und ebenso nicht aus der Synodenaula heraus nach außen polemisiert, sondern der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode den geschützten Raum gibt, in dem die Beratungen auch als geistliches Geschehen stattfinden und wirken können. Von daher war es weise, externe Medien aus den Synodalen Beratungen herauszuhalten, den Synodalinnen und Synodalen einen geschützten Raum zu bieten und ihnen selbst eine zurückgenommene Medienberichterstattung nahezulegen. Dass dies wie bei all den genannten Synoden seit 2014 - die in ihrer jeweiligen  Transparenz in meiner seitdem geschärften Wahrnehmung an Offenheit jedes Mal mehr gewonnen haben und unvergleichlich gegenüber den Bischofssynoden davor sind bis zur Einführung des Stimmrechts von Nicht-Bischöfen und Frauen bei dieser Synode – nicht eintreffen wird, ist leider zu befürchten und zeigt die lautstarke Veröffentlichung von seit Juli an Papst Franziskus gerichteten Dubia, auf die er bisher vermeintlich "unklar"geantwortet habe, deutlich. Umso mehr gilt es in der medialen Berichterstattung nicht den Heißmacherinnen und Heißmachern, bildlich gesprochen von rechts und links, zu folgen, sondern möglichst viel von der synodalen Bewegung mitzubekommen, von der Katholikinnen und Katholiken auf der ganzen Welt glauben und dafür beten, dass der Heilige Geist und seine Geistkraft sie leiten und die Zukunft der Kirche im Sinne eines Aggiornamento verändern möge. Wie am Samstag bereits geschrieben geht es um die Zukunft der Kirche im Ganzen.

Dass Papst Franziskus die von außen auf die Synode zielenden Fragen – z.T. betreffen sie Themenstellungen der Beratungen, die im Instrumentum laboris aufgeführt sind –, dennoch bereits am selben Tag noch beantwortet hat und darin auch Fragen zur Synodalität und dem Segensauftrag der Kirche aufgreift, macht deutlich, dass er den Rahmen der Beratungen der Synode offen halten und zugleich auch Mut für eine tiefere Erschießung der Botschaft Christi und Tradition in den Kulturen der Welt geben will. Wie dies auf weltkirchlicher Ebene ausgetragen wird und gelingen kann, werden alle Synodalinnen und Synodalen im Eröffnungsgottesdienst am Mittwoch als Gabe des Heiligen Geistes für den Synodenverlauf erbitten.


Samstag, 30. September 2023

Einheit in Vielfalt im Hören auf den Dialekt und die Symphonie, in denen der Glaube erfahrbar wird: Abendvigil & Konsistorium als Notenschlüssel und Auftakt zur 3. Phase der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode

Screenshot Vatican Media 30.9.23

Zur Einstimmung auf die am kommenden Montag, 4. Oktober 2023 beginnende Synode fand heute Abend ein ökumenisches Abendgebet „Together" auf dem Petersplatz statt. Auf Einladung der Gemeinschaft von Taizé fand zusammen mit Oberhäuptern, Verantwortlichen und Delegationen verschiedener christlicher Traditionen und Kirchen das Abendgebet unter dem Motto „Together“ statt, um gemeinsam vor der Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode gemeinsam zu beten: „Lasst uns gemeinsam gehen, nicht nur die Katholiken, sondern alle Christen, das ganze Volk der Getauften, das ganze Volk Gottes“ (Vatican News 30.09.23), rief Papst Franziskus den Teilnehmenden aus der Ökumene zu.

Gebetsstille und Schweigen

Screenshot Vatican Media 30.9.23

Die Gebetsstille vor dem Kreuz von San Damiano wurde zum Leitmotiv seiner Ansprache. Auf die Ökumene, aber insbesondere auf das Leben der Kirche im Allgemeinen und die beginnende Synode im Besonderen bezogen betonte Papst Franziskus, „dass das Schweigen in der kirchlichen Gemeinschaft eine geschwisterliche Kommunikation ermöglicht, in der der Heilige Geist die Standpunkte in Einklang bringt… Und die Stille ermöglicht eben diese Unterscheidung durch aufmerksames Hören auf das „unaussprechliche Seufzen“ (vgl. Röm 8,26) des Geistes.“ Das möge dazu führen, „dass die Synode ein kairós der Geschwisterlichkeit wird, ein Ort, an dem der Heilige Geist die Kirche von Geschwätz, Ideologien und Polarisierungen reinigt.“ (Ebd.)

Vielfalt und Einheit

Bereits am Vormittag hatte Papst Franziskus beim Konsistorium mit 21 neuen Kardinälen dem zunehmend internationaler gestalteten Kardinalskollegium dieselbe Botschaft ans Herz gelegt, „einander zuzuhören und sich der Führung des Heiligen Geistes anzuvertrauen, der die Vielfalt und die Einheit schafft.“ (Vatican News 30.09.23)

Einheit in Vielfalt zu erfahren, bedeutet zu realisieren, dass wir die „Gnade des Evangeliums in unseren jeweiligen Herkunftsvölkern empfangen haben…. Und es ist „in unseren Sprachen“ zu uns gelangt, über die Lippen und die Gesten unserer Großeltern und Eltern, von Katecheten, Priestern, Ordensleuten ... Jeder von uns kann sich an konkrete Stimmen und Gesichter erinnern. Der Glaube wird „im Dialekt“ weitergegeben, ... von den Müttern und Großmüttern." (Ebd.)

Notenschlüssel zum Auftakt der Weltsynode

Schweigen und Stille, eine Besinnung in das Hören hinein, die morgen über einen Besinnungstag alle 375 Teilnehmende der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode einstimmen wird, können als Notenschlüssel zum Auftakt der der 3. Phase der Weltsynode gelesen werden, in der es mit dem Thema Synodalität und das Austarieren von Einheit und Vielfalt um nichts weniger als um das Selbstverständnis und die Zukunft der Katholischen Kirche geht.

„…es tut uns gut, uns im Bild des Orchesters zu reflektieren, um immer besser zu lernen, eine symphonische und synodale Kirche zu sein.“ (Ebd.)


 

Dienstag, 20. Juni 2023

"We have to be faithful in the process" – Zum Beginn der 2. Phase der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode zur Synodalität

Mit der heutigen Veröffentlichung und Vorstellung des Arbeitsdokumentes (Instrumentum laboris) der XVI. Bischofssynode „wird die erste Phase der Synode 'Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung' abgeschlossen und die zweite Phase eröffnet, die in die beiden Sitzungen (Oktober 2023 und 2024) untergliedert ist“. (3) Das Instrumentum laboris „wurde auf der Grundlage des gesamten während der Anhörungsphase gesammelten Materials und insbesondere der Abschlussdokumente der Kontinentalversammlungen ausgearbeitet. […] Ihr Ziel soll es sein, den Prozess im Alltag der Kirche weiter mit Leben zu füllen und dabei jene Wege aufzuzeigen, zu denen der Geist uns einlädt, um noch entschlossener als ein Volk Gottes voranzuschreiten.“ (Ebd.)

Tatsächlich hat sich die Zusammensetzung der Bischofssynode seit der vorausgegangenen Jugendsynode des Jahres 2018 beinahe unter der Hand sehr verändert. Erstmals werden 370 Teilnehmende einbezogen sein und neben den von den Bischofskonferenzen entsendeten Bischöfen auch insgesamt 70 Lai:innen, von denen die Hälfte Frauen sein sollen. Tagungsort wird deshalb in den Plenarphasen – wie ebenfalls heute in der Pressekonferenz bekannt wurde – nicht die in gewisser Weise heimelige Synodenaula, sondern die weitläufige Audienzhalle Paul VI. sein.

In der heutigen Pressekonferenz wurde in Anwesenheit des Generalrelators der Synode Erzbischof Jean-Claude Hollerich und des Sekretärs der Bischofssynode Kardinal Mario Grech erläutert, dass das Vorbereitungsdokument „auf den Erkenntnissen der ersten Etappe und vor allem der Arbeit der Kontinentalversammlungen aufbaut und einige der Prioritäten formuliert, die sich aus der Anhörung des Volkes Gottes ergeben haben, dies jedoch nicht in Form von Behauptungen oder Standpunkten tut. Stattdessen werden sie als Fragestellungen an die Synodalversammlung formuliert“, eben weil es „nicht als ein erster Entwurf des Abschlussdokuments der Synodalversammlung verstanden werden kann, der nur noch zu korrigieren oder abzuändern wäre“. (10)

Abschnitt A des Instrumentum laboris mit dem Titel „Für eine synodale Kirche“ versucht, die Erkenntnisse aus der Auseinandersetzung mit dem bisher zurückgelegten Weg zusammenzutragen.“ (14) „Eine synodale Kirche ist gerufen, eine Kultur der Begegnung und des Dialogs mit den Gläubigen anderer Religionen und den Kulturen und Gesellschaften, in die sie eingebettet ist, zu pflegen und vor allem aber auch inmitten der vielen Unterschiedlichkeiten, die die Kirche selbst erlebt. Diese Kirche hat keine Angst vor der Vielfalt, die sie in sich birgt, sondern bringt sie zur Geltung, ohne sie zur Gleichförmigkeit zu zwingen.“

In Abschnitt B mit dem Titel „Gemeinschaft, Sendung und Teilhabe“ werden in Form von drei Fragestellungen die Prioritäten formuliert, die sich auf den Kontinenten am stärksten herauskristallisiert haben, und der Versammlung zur Unterscheidung vorgelegt. Um die Dynamik der Synodalversammlung und insbesondere die Gruppenarbeit (Circuli Minores) zu fördern, werden für jede der drei Prioritäten fünf Arbeitsblätter vorgeschlagen, damit sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln bearbeitet werden können.“ (14) „Die drei Prioritäten aus Abschnitt B, die mit Hilfe der entsprechenden Arbeitsblätter ausgearbeitet wurden, betreffen umfangreiche, besonders relevante Themengebiete“, die in den vorausgegangenen Kontinentalversammlungen benannt wurden. (15)

Konzeptionell überrascht das Instrumentum laboris in Teil B mit der Umstellung des Untertitel-Ternars „Gemeinschaft – Sendung – Teilhabe“, die inhaltliche Implikationen hat. In den Kontinentalversammlungen, aber auch schon bei der vorausgegangenen XV. Bischofssynode zur Jugend sei die Erkenntnis gewachsen, „dass die Ausrichtung auf die Sendung das einzige im Evangelium begründete Kriterium für die interne Organisation der christlichen Gemeinschaft ist, für die Verteilung der Funktionen und Aufgaben und die Verwaltung ihrer Institutionen und Strukturen. In dem Verhältnis zu Gemeinschaft und Sendung kann die Teilhabe verstanden werden, und deshalb kann sie erst nach den beiden anderen behandelt werden.“ (44)

Gemeinschaft

B 1. Eine Gemeinschaft, die ausstrahlt: Wie können wir noch stärker zu einem Zeichen und Werkzeug der Vereinigung mit Gott und der Einheit der ganzen Menschheit werden?

Die in fünf Arbeitsblättern ausgeführten Fragen - auch zur Integration von LGBTIQ-Menschen, wiederverheiratet Geschiedenen und polygamen Lebensgemeinschaften – haben ihren Ursprung „im konkreten Alltagsleben der christlichen Gemeinschaften, die in der ersten Phase angehört wurden. Sie betreffen nämlich die Frage, ob unserer Bereitschaft, Menschen und Gruppen aufzunehmen, Grenzen gesetzt sind, wie wir in einen Dialog mit Kulturen und Religionen treten können, ohne unsere Identität zu gefährden, und die Entschlossenheit, die Stimme derer zu sein, die am Rande stehen, und zu bekräftigen, dass niemand zurückgelassen werden darf. Die fünf Arbeitsblätter für diese Prioritäten versuchen, die genannten Fragen aus fünf sich ergänzenden Blickwinkeln zu beleuchten.“ (50)

Sendung

B 2. Gemeinsame Verantwortung in der Sendung: Wie können wir Fähigkeiten und Aufgaben im Dienst des Evangeliums besser miteinander teilen?

„Die Arbeitsblätter zu diesem Themenschwerpunkt versuchen, diese Grundfrage in Bezug auf Themen wie die Anerkennung der Vielfalt der Berufungen, Charismen und Ämter, die Förderung der Taufwürde von Frauen sowie die Rolle des Weiheamtes und insbesondere das Bischofsamt innerhalb der missionarisch-synodalen Kirche konkret greifbar zu machen.“ (55)

Teilhabe

B 3. Teilhabe, Leitungsaufgaben und Autorität: Welche Prozesse, Strukturen und Institutionen gibt es in einer missionarisch-synodalen Kirche?

„An diese Frage knüpft sich eine zweite, die von dem Bemühen um Konkretheit und zeitlicher Kontinuität getragen ist: Wie können wir unseren Strukturen und Institutionen die Dynamik der missionarisch-synodalen Kirche einhauchen?“ (57)

Heiße Eisen-Themen

Die „heiße Eisen-Themen“ werden gleichwohl bereits zu Beginn angepackt: zu LGBTIQ, wiederverheiratet Geschiedenen und polygamen Beziehungen in B 1.2, zu Möglichkeiten der Leitungsverantwortung von Frauen bis hin zum Weiheamt in B 2.3 und zu Fragen rund um das in den Ortskirchen in unterschiedlicher Weise drängende Thema der Ehelosigkeit von Priestern B 2.4.

Gleichwohl: „Die erste Sitzung der XVI. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode wird kaum zu einer abschließenden Formulierung von Leitlinien zu vielen dieser Themen führen können: Deshalb hat der Heilige Vater beschlossen, die Synodenversammlung in zwei Sitzungen abzuhalten. Das Ziel der ersten Sitzung wird vor allem darin bestehen, die Wege für eine eingehende, im synodalen Stil durchzuführende, Untersuchung zu skizzieren. Dabei werden die zu behandelnden Themen und die sich daraus ergebenden Wege aufgezeigt, so dass die Unterscheidung in der zweiten Sitzung im Oktober 2024 abgeschlossen werden kann, indem konkrete Vorschläge für das Wachsen als synodale Kirche ausgearbeitet und dem Heiligen Vater unterbreitet werden können.“ (IL, Arbeitsblätter für die Synodalversammlung. Einführung, S. 26)


Sonntag, 16. April 2023

Der Reichtum in der Diversität zwischen Tradition und Aggiornamento – oder: Zur Veröffentlichung des Abschlussdokuments der Prager Synodalversammlung der europäischen kontinentalen Etappe der Weltbischofssynode 2021-2024

Das waren gefühlt lange 14 Tage seit Mitte Februar, bis das Abschlussdokument der Prager Kontinentalsynode zur Vorbereitung der im Oktober in Rom beginnenden Weltsynode an diesem Wochenende mit mehr als zwei Monaten Verzug endlich veröffentlicht wurde. Es entstand auf der Grundlage des Arbeitspapiers für die Etappe der Kontinentalsynoden (DCS) und bezog die vorab eingereichten wie die während des Treffens in Prag eingebrachten Statements der 39 Delegationen der europäischen Bischofskonferenzen mit ein. Und es soll schon am kommenden Donnerstag, den 20.4.23 mit den Rückmeldungen aus den weiteren vier Kontinenten in das Instrumentum laboris fließen, das (bis Ende Mai fertiggestellt sein soll und*) das wirkliche Arbeitspapier der Weltsynode werden wird.

Das in englischer und italienischer Sprache vorliegende Abschlussdokument der Prager Versammlung ist voller Zitate, in denen die Vielfalt, Diversität und Pluralität in den verschiedenen Ortskirchen als Fülle, Reichtum und Schatz beschrieben wird. 

„With an awareness that has grown as the Assembly unfolded, we feel today that we can confess that our Church is beautiful, a bearer of a vital diversity that is also our wealth.“ (4)

Auf 20 Seiten werden aber auch die Spannungen nicht verschwiegen, die die Versammlung geprägt haben und die europäischen Kirchen kennzeichnen. Dabei wird eine Perspektive vertreten, die diese Spannungen nicht auf Gewinner und Verlierer hin auflösen will, sondern sie als Beitrag auf dem synodalen Weg zu werten vorschlägt, der Räume eröffnet und zum Weiterdenken und Experimentieren anregt. Das im DCS verwendete Sprachbild des Zeltes, das weder zu viel noch zu wenig Spannung verträgt, um weder zu zerreißen noch in sich zusammenzufallen, wird als Beispiel zitiert für einige Themen, die diese Spannungen insbesondere in sich tragen:

Das Thema des wertschätzenden und seelsorgerlichen Umgangs mit LGBTQIA+-Personen (allein schon die Aufnahme dieses Akronyms ist auch nach der erstmaligen Verwendung von LGBT im Instrumentum Laboris der Jugendsynode 2018 immer noch der Erwähnung wert) gehört an dieser Stelle insbesondere zu diesen sehr umstrittenen Themen wie ebenfalls noch der Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen und einige andere Themen, in denen die Spannung zwischen der Tradition und eines Aggiornamentos besonders zum Ausdruck kommt. So unterstreicht d
as europäische Abschlussdokument die Bedeutung "konkreter und mutiger Entscheidungen über die Rolle der Frau in der Kirche und über ihre stärkere Beteiligung auf allen Ebenen, auch an Entscheidungs- und Entscheidungsfindungsprozessen, zu treffen" (92). Aber auch Fragen und Folgerungen rund um den beinahe alle europäischen Kirchen mehr oder weniger betreffenden Missbrauchsskandal gehören zu den Themen, die mehrfach angesprochen werden. 

Gewünscht wird – wie ebenfalls schon zum Ende der Prager Versammlung betont – eine Fortsetzung der synodalen Erfahrungen auf kontinentaler Ebene. Darüber hinaus wird insbesondere eine Ausarbeitung einer "Theologie der Synodalität" gefordert und Schulungen, die das gesamte Volk Gottes mit einbeziehen in diesen learning-by-doing-Prozess. Für den Umgang mit "Tradition und Aggiornamento" (3.2) und bei aller von den meisten mitgebrachten Bereitschaft, neue Ideen weiterzuentwickeln, bedürfe es einer immer wieder neu zu findenden Balance zwischen dem neu Aufbrechenden auf der einen und dem Festhalten an überkommenen Traditionen der Kirche auf der anderen Seite.

We all would like to develop and implement new ideas, but we need to find a balance between Church traditions and new thoughts.“ (65)

Vor diesem Hintergrund wurde vorgeschlagen, eine Haltung der Komplementarität oder Fähigkeit einzuüben, die die Balance zwischen Polaritäten aushalten hilft.

Along these lines, some prefer to speak of complementarity or the ability to maintain a balance between polarities.“ (53)

In Prag sei sichtbar geworden, was wahrscheinlich auch für die anderen Kontinentalversammlungen aus ihren Berichten und dem daraus destillierten Instrumentum laboris herauszulesen sein wird: Dass die zurückliegenden kontinentalen Versammlungen das Privileg der Einheit in Verschiedenheit erlebbar gemacht haben, eine Diversität, die mittlerweile in der Katholischen Kirche als Reichtum wahrgenommen wird.

In Prague, the Churches of Europe had the privilege of experiencing unity in diversity. The diversity in the Catholic Church is a richness“. (86)

 

* Ergänzung vom 20.4.2022

Samstag, 11. März 2023

 „Das ist Ihre Zuständigkeit!“ – Wegweisende Ergebnisse der abschließenden V. Synodalversammlung (9.-11.3.2023) und die Weiterführung des Synodalen Wegs

(Die Präsidenten des Synodalen Wegs Bischof Dr. Georg Bätzing 
 und Dr. Irme Stetter-Karp in der Abschlussansprache am 11.3.23)

Die Dramaturgie der Aussprache durch eine Zurverfügungstellung der eigenen Redezeit von Bischof Stephan Ackermann am zweiten Synodentag an einen Gast der flämischen Bischofskonferenz machte es möglich, dass der Antwerpener Bischof Johan Bonny als letzter Redner der Redeliste die Genese und Abstimmungen des Schreibens „Für eine einladende Kirche, die niemanden ausschließt“ mit römischen Gesprächspartnern im Rahmen des Ad-limina-Besuchs der belgischen Bischöfe vorstellen konnte, in denen sie sich für kirchliche Segnungsfeiern gleichgeschlechtlicher Partnerschaften aussprechen. "Das ist Ihre Zuständigkeit", soll Papst Franziskus den Bischöfen im persönlichen Gespräch am Ende ihres Ad-limina-Besuchs am 25. November 2022 geantwortet und sich dabei insbesondere der Geschlossenheit der Bischofskonferenz in dieser Frage versichert haben. Vielleicht war dabei auch das kurzgefasste und gewissermaßen noch offene Ablaufschema dieses Papiers auf der insgesamt nur drei Seiten umfassenden Vorlage - und die damit verbundene Absicht zunächst Erfahrungen mit Segensfeiern zu machen  - ein Grund für die positive und bestärkende Aufnahme in Rom. 

Kurz vor der Abstimmung des Handlungstextes "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" war diese Ermutigung vielleicht auch ausschlaggebend für die Zustimmung nicht nur der Synodalversammlung, sondern auch der Bischöfe mit einer zuvor noch sehr unsicheren Zweidrittelmehrheit. In der Folge verhinderte auch die in der Woche vor der V. Synodalversammlung als Kompromissvorschlag eingebrachte "Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eine Handreichung für Segensfeiern" nicht die direkten öffentlich-medialen Reaktionen, die unter Überschriften über die Einführung von "Segensfeiern für homosexuelle Paare" titelten. Ob und wie die Beschlussfassung des Synodalen Wegs jetzt schon das Handeln in den Bistümern verändert - das Kriterium, an dem Bischof Georg Bätzing den Erfolg des Synodalen Wegs festmacht -, wird sich in den Reaktionen und Worten der Diözesanbischöfe in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten zeigen.

Direkte Möglichkeiten zum Handeln bilden demgegenüber andere Handlungstexte: Unter dem Titel "Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakramenten" wird sich auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz für eine grundsätzliche Erlaubnis dafür beauftragter Frauen und Männer ausgesprochen, in Eucharistiefeiern auch predigen zu können. Selbst wenn auch hier die ursprünglich gefasste Beschlussvorlage deutlich weiter ging - und nun in einem Konsultationsprozess weiter ausgearbeitet werden soll -, zeigte die Freude der mit der Vorbereitung dieser Handlungstextvorlage befassten Personen, welche Bedeutung allein dieser Text schon für die Anerkennung von Frauen in der pastoralen Praxis besitzt.

V. Synodalversammlung am 10.3.2023  © Holger Dörnemann
Konkretes Handeln zu verändern, ist auch mit der einstimmigen Annahme der Handlungstexte „Prävention sexualisierter Gewalt, Intervention und Umgang mit Tätern in der katholischen Kirche“ und „Maßnahmen gegen Missbrauch an Frauen in der Kirche“ zu erwarten. Ebenso kirchlich-pastorales Handeln verändern wird der Handlungstext „Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt“, der nach kontroverser, aber fairer Diskussion - und einer engagierten Stellungnahme von Bischof Shane Anthony Macinley über ein in die gleiche Richtung argumentierendes Papier der australischen Bischofskonferenz - mit 92 % der Synodal*innen wie einer Zweidrittelmehrheit der Bischöfe angenommen wurde. 

Zwei an den Papst adressierte Handlungstexte „Der Zölibat der Priester – Bestärkung und Öffnung“ mit der Bitte, die Zölibatspflicht für Priester zu überprüfen, wie der Handlungstext „Frauen in sakramentalen Ämtern – Perspektiven für das weltkirchliche Gespräch“ mit dem eindringlichen Votum für die Einführung des Diakonats für Frauen wurden ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit der Synodalversammlung insgesamt und ebenso mit dem Zweidrittelquorum der Bischöfe angenommen wie bereits am ersten Tag der V. Synodalversammlung zuvor der Grundtext „Priesterliche Existenz heute“. 

Screenshot Livestream synodalerweg.de vom 11.3.2023

Wie sehr die Frage der Öffnung des Zölibats auch unter weltkirchlicher Perspektive mitgedacht wird, brachte ein gerade zum Zeitpunkt der Synodalversammlung veröffentlichtes Interview von Papst Franziskus zum Ausdruck, indem er frei heraus erklärt, dass die "Abschaffung des Zölibats" aus seiner Sicht möglich ist.

Mit der Verabschiedung des Präambeltextes "Hören, lernen, neue Wege gehen: Der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland" wurde abschließend das letzte Dokument der Synodalen Wegs mit über 97 % verabschiedet, der mit einem Abschlussgottesdienst im Frankfurter Kaiserdom St. Bartholomäus nach über drei Jahren seinen feierlichen Abschluss fand. In der Pressekonferenz sprachen Bischof Bätzing und Irme Stetter-Karp davon, dass "wegweisende Ergebnisse erzielt" seien, die einerseits "Impulse für die Weltsynode" geben, aber auch konkrete Beschlüsse enthalten, die direkt "in den Bistümern umgesetzt werden können. Morgen können wir damit beginnen".

"Morgen können wir damit beginnen!"


Donnerstag, 2. März 2023

 „Ich möchte, dass sich kirchliches Handeln verändert!“ oder: Über Erfolgskriterien des Synodalen Wegs, Anträge auf geheime Abstimmungen und die Wahrscheinlichkeit abgelehnter Texte auf der V. Synodalversammlung

© Screenshot DBK /Katholisch.de
Beate Gilles, Bischof Georg Bätzing und Matthias Kopp auf
der Abschlusspressekonferenz der DBK-VV 2023 in Dresden

Es sei eine "kritische Situation", hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz bereits zu Beginn der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am Montag, den 29.2.23 konstatiert  noch bevor er ein Grußwort des Nuntius Nikola Eterović vom selben Tag gehört hatte, in dem dieser der Einrichtung eines Synodalen Rates auch auf den Ebenen eines Bistums oder der Pfarreien eine klare Absage erteilte. Dass die römischen Bedenken auf Missverständnissen basieren und ausgeräumt werden können, hatte Bischof Bätzing schon in einem wenige Tage zuvor versendeten Brief an den Kardinalstaatsekretär Kardinal Pietro Parolin und die Kardinäle des interdikasteriellen Gesprächs beim gerade zurückliegenden Ad-limina-Besuch zum Ausdruck gebracht  mit einem Gesprächsangebot an die römische Seite zusammen mit den drei weiteren Delegierten aus Deutschland bei der Prager Kontinentalsynode.

Aber unzweifelhaft hat die Kritik am Synodalen Weg und einigen seiner erarbeiteten Ergebnisse Folgen gehabt, die auch die Erwartungen bei der abschließenden V. Synodalversammlung des Synodalen Wegs tiefer hängen. Dennoch zeigt sich Bischof Bätzing vom Erfolg des Synodalen Wegs überzeugt:

"Wir haben einen Erfolg des Synodalen Wegs. Denn es sind grundlegende Texte miteinander abgestimmt worden in den vergangenen Synodalversammlungen. Und es ist schon Praxis verändert worden. Ich verweise nochmal auf das kirchliche Arbeitsrecht. Und so liegen nochmal Text vor. Ich gehe nicht davon aus und ich glaube das tut keiner wirklich: Es müssen nicht alle Texte durch die Synodalversammlung kommen. Wir rechnen auch damit, dass Texte nicht angenommen werden und das ist ein ganz normaler Vorgang. […] Ich möchte – so habe ich es immer gesagt –, dass sich kirchliches Handeln verändert! Und das haben wir mit der Novellierung des Arbeitsrechts hinbekommen. Das bekommen wir hin, wenn wir deutlich machen, in unserer Beratungs- und Entscheidungskultur gehen wir deutliche Schritte nach vorne auf Partizipation und Transparenz. Wir machen die Wahrnehmung amtlicher Autorität in der Kirche rechenschaftspflichtig und verantwortbar. Und da gehört für mich auch dazu, das Signal zu setzen, wenn Menschen, die in Paarbeziehungen Verantwortung füreinander übernehmen – auch wenn sie nicht verheiratet sind – und um den Segen Gottes bitten, Ihnen diesen Segen zu gewähren." (Pressekonferenz der DBK VV vom 2.3.23, eigene Mitschrift)

Dass es auch von bischöflicher Seite getragene Anträge bei der abschließenden Konferenz des Synodalen Wegs geben könnte, geheime Abstimmungen von Texten vorzusehen, mutmaßte die Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz Dr. Beate Gilles. Ob diese dazu führen, dass so manche Texte  den mündlichen Ausführungen der Pressekonferenz war zu entnehmen, dass es vor allem die Handlungstexte "Gemeinsamen beraten und entscheiden" zum Themenkomplex "Frauen in sakramentalen Ämtern" und zu den "Segenfeiern" betrifft  mit größerer Zustimmung angenommen werden als in den Probeabstimmungen, die ein Stimmungsbild hinsichtlich der derzeitigen Textvorlage einfingen: Wir werden es im Zuge der den Synodalen Weg beschließenden V. Synodalversammlung vom 9.-11.3.2023 in Frankfurt erleben. Einem möglichen Eklat  aufgrund der Nichtannahme des ein oder anderen durchgefallenen Handlungstextes  am Ende des Synodalen Wegs ist heute mit einem besonnenen Erwartungsmanagement in gewisser Weise schon einmal vorgebeugt worden.


Donnerstag, 9. Februar 2023

"United in diversity", "the beauty of 360°" and "the new style to be a church" at #SynodPrague2023

Heute ist die kontinentale Phase Europas des weltweiten synodalen Prozesses nach fünftätigen Beratungen zu Ende gegangen. Am Ende wurde ein für heute angekündigtes 20-Seiten ‚draft-document‘ verlesen, das aber nicht verteilt wurde und in den nächsten zwei Wochen redaktionell fertiggestellt werden soll. Die deutsche Delegation blickt mit einer anerkennenden, aber auch konstruktiv-kritischen Perspektive auf den Verlauf und das Ergebnis der Beratungen:

"Die Synodalversammlung der europäischen kontinentalen Etappe des weltweiten, von Papst Franziskus angestoßenen synodalen Prozesses, hat für uns viele Erkenntnisse gebracht. Wir konnten erfahren, wie sich die Kirche in den Ländern Europas auf den Weg macht, um mehr und mehr zu einer synodalen Kirche zu finden." (DBK-Pressemeldung vom 9.2.23)

Der verlesene Entwurf des auf Englisch verfassten Abschlusstextes bringt in vielfältigen Formulierungen den synodalen Charakter, den „neuen Stil Kirche zu sein“ ins Wort. „United in diversity“, „Unity means not uniformity“ und „Diversity is not a problem but an asset“ heißt es einerseits durchgängig, nicht ohne zugleich auf die damit verbundenen Spannungen hinzuweisen. Insofern kann die deutsche Delegation der „beauty of 360°“ auch nur bedingt etwas abgewinnen. Denn es wurde bereits in der kontinentalen Phase der Weltsynode deutlich, „dass es erhebliche Unterschiede zwischen Grundhaltungen bei uns und in Ländern mit anderen Kulturen gibt.“ 

Obwohl - was für die Schweizer Delegierte Tatjana Disteli vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre -"alle Tabu-Themen […] auf den Tisch" kamen, bezeichnet auch der  Basler Bischof Felix Gmür das verlesene Abschlussdokument als "vage", weil die „Konflikte hätten klarer benannt werden sollen.“ Im Unterschied zu der bis vor kurzem oft zitierten Einschätzung die Pluralität der Meinungen als „kostbares, aus vielen berechtigten Besorgnissen und ehrlichen, aufrichtigen Fragen zusammengesetztes Polyeder“ (AL 4) zu verstehen, heißt es auch in dem Statement der deutschen Delegation am Ende der Versammlung deutlich nüchterner:

„Offenkundig erleben und gestalten wir in Europa in den jeweiligen kulturell geprägten Kontexten die Wirklichkeit unterschiedlich, das heißt in Ungleichzeitigkeit und Dezentralität. (DBK-Pressemeldung vom 9.2.23)

Die Fragen, auf die die Stellungnahme hinweist, werden dennoch auch und gerade die entscheidenden der Weltsynode der Synodalität werden:

„Es bedarf auf weltkirchlicher Ebene der Klarheit und Transparenz, Vielfalt und Einheit neu zu vermitteln. An welchen Orten in welchen synodalen Strukturen künftig beraten und entschieden werden soll, gilt es neu zu entdecken. Wie wird Diversität als Reichtum erkannt, wo zerstören Gegensätze die Einheit? Wer entscheidet diesbezüglich und auf welche Weise?(Ebd.)
Kontinentalversammlung nicht als einmalige Veranstaltung*

Dass dabei auf dem synodalen Weg der Weltkirche die Theologie eine wichtige Rolle spielen muss, da „eine kirchliche Lehre ohne angemessene theologische Begründung […] auf Dauer keine Rezeption“ finden würde, wird auch auch vom Rat der Bischofskonferenzen (CCEE) in Schlussbemerkungen vom 11.2.2023  und der Einforderung einer "Theologie und der Hermeneutik der Synodalität" geteilt.

Die Vorsitzenden der europäischen Bischofskonferenzen, die im Nachgang der Synode noch zwei Tage länger in Prag tagten, hielten in ihren „Schlussbemerkungen“ darüber hinaus fest, dass die Kontinentalversammlung für Europa für sie eine neue Weise gewesen sei „Kirche zu leben, gemeinschaftlich Erkenntnisse zu gewinnen und die Zeichen der Zeit zu verstehen.“ Und sie blicken insgesamt – wie schon die deutsche Delegation – auch strukturell auf den kommenden synodalen Prozess:

"Konkret gesprochen: Wir wollen nicht, dass diese Kontinentalversammlung eine einmalige Veranstaltung bleibt. Sie soll regelmäßig stattfinden, und sie soll auf der synodalen Methode beruhen, die unsere Strukturen und Verfahren auf allen Ebenen durchdringt. Auf diese Weise werden wir die Probleme angehen können, denen wir in Zukunft verstärkte Aufmerksamkeit widmen müssen: die Unterstützung der Opfer, die Stärkung der Rolle von jungen Menschen und Frauen, das Lernen von marginalisierten Gruppen und ähnliches." (CCEE 11.2.2023)

Neu ist schon jetzt die gemeinsam über alle Bischofskonferenzen vertretene Überzeugung, „Spannungen aus einer missionarischen Perspektive zu betrachten“ und nicht wie früher „als Quelle lähmender Angst“. Und Einigkeit besteht auch formal über das Lösungsziel:

„die Wahrheit des Evangeliums in ihrer ganzen Fülle zu verkünden“ und dabei „Einheit in der Vielfalt zu finden und der Versuchung der Uniformität zu widerstehen.“ (CCEE 11.2.2023)


* Nachtrag vom 11.2.2023 



 

Montag, 6. Februar 2023

Beginn der kontinentalen Phase Europas der Weltsynode 2021-2024 und die Eingaben der Delegation aus Deutschland

(Screenshot der Twitter-Meldung des Synodalen Wegs vom 6.2.23)
Gestern hat in Prag die die kontinentale Phase Europas der Weltsynode in Prag  begonnen. Insgesamt 590 Delegierte von 39 Bischofskonferenzen haben mit ihren Beratungen begonnen, von denen 200 präsentisch in Prag der Konferenz beiwohnen und weitere 390 online zugeschaltet sind. Noch bis Donnerstag, 9.2.2023 widmen sie sich in der Gesamtgruppe der Beantwortung dreier Fragen, die aus dem Arbeitsdokument für die kontinentale Etappe vorgesehen sind „diesen Prozess des Zuhörens, des Dialogs und der Unterscheidung voranzutreiben" und zum Beratungsende in ein etwa 20 Seiten umfassendes Ergebnispapier fließen sollen. 

Die Eingaben der deutschen Delegation wurden heute in einem Statement durch den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing und die Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Irme Stetter-Karp auch in ihrer Eigenschaft als Präsidentin und Präsident des Synodalen Wegs gemeinsam vorgetragen. 

Bischof Georg Bätzing betont darin, dass die „Situationen, in denen wir in Europa leben unterschiedlich sind. 

Wir brauchen überzeugende Antworten, wie wir in diesen Situationen das Evangelium neu entdecken und verkünden können. Aber wir dürfen keine Sonderwege gehen. Wir gehen gemeinsam den Weg, den Gottes Geist unsere Kirche führt: an vielen Orten, mit vielen Menschen, in vielen Formen. Es ist ein Kairos der Kirche, ihre Synodalität zu entdecken und zu gestalten.

Auf die erste Frage des Arbeitsdokumentes, welche Einsichten am intensivsten in Einklang mit den konkreten Erfahrungen und Gegebenheiten der Kirche in Europa stehen, stellt Bischof Bätzing fest, dass „die Erfahrungen unsere Kirche einen, auch wenn die Antworten noch nicht feststehen.

   Wir hören, dass Frauen mehr Teilhabe und Mitwirkung erwarten – und dass dies ein Anliegen der ganzen Kirche ist. 
          Wir hören, dass die Gläubigen eine Stimme haben wollen, wenn ihre Angelegenheiten beraten und entschieden werden.
          Wir hören, dass nach neuen Formen gesucht wird, das Priesteramt zu gestalten. 
          Wir hören, dass die Stärkung der Ökumene ein Herzensanliegen der ganzen katholischen Kirche ist.
          Wir hören, dass die Kirche für Menschen offenstehen soll, deren Lebensweise nicht den Normen des Katechismus entspricht, auch den queeren Personen.
          Wir hören und verstehen diese Anliegen. Ich teile sie ganz persönlich. Ich sehe meine Aufgabe als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz darin, sie in den weltweiten Prozess einzubringen, der die Kirche erneuern soll."

Auf die zweite Frage, welche wesentlichen Spannungen oder Divergenzen aus europäischer Sicht besonders wichtig sind und welche Probleme oder Fragenstellungen auf den nächsten Etappen des Prozesses in Angriff genommen und berücksichtigt werden sollten, fügt Irme-Stetter Karp an:

„Die katholische Kirche darf nicht nur auf sich selbst schauen. Europa wird von einem mörderischen Krieg gefährdet. Weltweit gibt es verheerende Kriege und Bürgerkriege, die schlimmes Leid verursachen. Wir brauchen hier in Prag ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern der Kriege, ein Zeichen der Hoffnung auf Frieden. Wir brauchen es nicht nur in der Form von Deklarationen. Wir brauchen es in der Weise, wie wir Kirche sind. Wir brauchen Wege, unsere Schuld aufrichtig zu bekennen und unsere Einheit zu stärken. Wir brauchen Wege, in denen wir Geschlechtergerechtigkeit verwirklichen. Wir brauchen Wege, Menschen willkommen zu heißen. Unser Ziel ist es, den Klerikalismus zu überwinden und die gemeinsame Verantwortung für die Verkündigung des Evangeliums zu stärken. Wir brauchen keine Uniformität. Wir brauchen Einheit in Vielfalt.“

Die dritte Frage, über welche Prioritäten, wiederkehrenden Themen und Handlungsaufforderungen man sich mit anderen Ortskirchen in der ganzen Welt austauschen und welche auf der ersten Sitzung der Synodenversammlung im Oktober 2023 diskutiert werden können, 

"führt zu einer Antwort, die Realismus mit Glaube, Hoffnung und Liebe verbindet. Wir dürfen den systemischen Missbrauch nicht verdrängen. Das sind wir den Betroffenen schuldig. Wir können uns auf die Charismen besinnen, die Gaben, die Dienste und Energien des Geistes, die alle Gläubigen in die Kirche einbringen. Wir brauchen eine Klärung, was wir unter Synodalität verstehen: im Sehen, im Urteilen und im Handeln. Das gemeinsame Priestertum aller steht nicht im Widerspruch zum Priestertum des Dienstes – und umgekehrt. Gemeinsames Beraten erleben wir schon jetzt im synodalen Prozess. Wie kommen wir auch in einem gemeinsamen Prozess zu Entscheidungen?"

Das Statement von Irme Stetter-Karp und Bischof Georg Bätzing kann am Schluss - mit einer ausdrücklichen Bezugnahme auf Papst Franziskus und seinen Brief zu Beginn des Synodalen Wegs - auch als Replik auf die römische Kritik am Synodalen Weg und seiner Arbeitsweise und der beabsichtigten Einrichtung eines Synodalen Rates in der Nachfolge des Synodalen Wegs gelesen werden:

"Wir stimmen Papst Franziskus zu: Synodalität dient der Evangelisierung.  Synodalität ist ein spiritueller Prozess, der klare Formen findet. Papst Franziskus hat klargestellt: Synodalität muss „von unten“ beginnen, immer wieder neu; dann erst gibt es die „Synodalität von oben“. Die Bischöfe tragen die Leitungsverantwortung: nicht einsam, sondern gemeinsam, verbunden mit dem ganzen Volk Gottes."



Freitag, 27. Januar 2023

Von kritischen Äußerungen des Papstes, einem grundverschiedenen Verständnis von Synodalität und einer möglichen Rückfalloption für den Synodalen Weg

(Screenshot: katholisch.de vom 27.01.2023)

Konnte man die kritischen Stellungnahmen aus Rom – von dem absenderlosen Schreiben vom 21.07.2022 über die schriftlich nachgearbeiteten Vorträge der beteiligten Kurienkardinäle beim interdikasteriellen Gespräch vom 18. November 2022 bis zum letzten, am 23.01.23 veröffentlichten Schreiben aus dem Staatssekretariat des Vatikans – nicht eindeutig mit der Meinung des Papstes ineins setzen, dessen Brief vom 29.06.2019 zu Beginn des Synodalen Wegs noch als grundsätzliche Bestätigung für die angebrochene "Zeitenwende" verstanden werden konnte, belegt ein am Mittwoch bekannt gewordenes, ausführliches Interview, wie kritisch Papst Franziskus über den deutschen Synodalen Weg insgesamt denkt. Er sei „nicht hilfreich“, werde „von Eliten durchgeführt“,  sei „Ideologie“ gefährdet und müsse wieder „in die Kirche integriert“ werden.

War sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Anfang Januar noch sicher, dass es „kein Stoppschild des Papstes für Synodalen Weg“ gebe, lassen die nun das "in forma specifica" approbierte und zur Übermittlung angeordnete Schreiben bekräftigenden, abwertenden Worte keinen Zweifel daran, dass das wiederholte Nein zum Synodalen Weg und seinen Ergebnissen nicht auch von Papst Franziskus selbst geteilt wird. Und so diplomatisch am Montag noch das Festhalten an einem Dialog auf Augenhöhe zur Ausräumung von Missverständnissen als Lösungsweg formuliert wurde, so enttäuscht-kritisch fällt nun heute auch die persönliche Reaktion von Bischof Bätzing – ebenfalls in einem Interview – auf die Worte des Papstes aus.

"Warum hat der Papst nicht mit uns darüber gesprochen, als wir im November bei ihm waren? (Die Welt vom 27.1.2023)

Tatsächlich war die Anwesenheit des Papstes beim erwähnten interdikasteriellen Treffen, bei dem die Diskussion des Synodalen Wegs auf dem Programm stand, vorgesehen gewesen, das dieser zur Überraschung aller Teilnehmenden nicht wahrgenommen hatte. Die Position des Papstes war so hinter den kritischen Beiträgen der Präfekten der Dikasterien für die Bischöfe und die Glaubenslehre nicht klar herauszulesen gewesen. Um so deutlicher zeichnet sich für Bätzing jetzt ein unterschiedliches Verständnis von Synodalität ab.

 "Der Papst versteht darunter ein breites Sammeln von Impulsen aus allen Ecken der Kirche, dann beraten Bischöfe konkreter darüber, und am Ende gibt es einen Mann an der Spitze, der die Entscheidung trifft. Das halte ich nicht für die Art von Synodalität, die im 21. Jahrhundert tragfähig ist", so Bätzing. Die deutschen Bischöfe suchten dagegen im Rahmen des geltenden Kirchenrechts eine Möglichkeit des "wirklichen gemeinsamen Beratens und Entscheidens". (zitiert nach katholisch.de vom 27.1.2023)

Ob und wie sich im Rahmen des vor vier Tagen beschriebenen Willens zum fortgesetzten Dialog noch ein gemeinsam abgestimmter Weg finden wird, den Synodalen Weg mit seinen Ergebnissen und Entscheidungen zur synodalen Weiterarbeit in den weltkirchlichen Prozess der Weltsynode zu integrieren oder aber für Deutschland eine schon jetzt ausgesprochene "Rückfalloption" einer mit wichtigen neuen Aufgaben versehenen Gemeinsamen Konferenz von Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZDK) – wie bereits seit der Würzburger Synode (1971-1975) bewährt – eine Weiterführung des Synodalen Wegs nach der fünften und abschließenden Synodalversammlung Anfang März 2023 ermöglichen könnte, wird die entscheidende Frage der nächsten Wochen sein.


Montag, 23. Januar 2023

Klarstellung aus Rom und Fortsetzung des Dialogs zur Einrichtung eines Synodalen Rats

Brief aus dem Staatsekretariat des Vatikans vom 16.1.2023

Das Schreiben aus dem Staatssekretariat des Vatikans – mit Unterschriften der bereits beim interdikasteriellen Gesprächs anwesenden Kurienkardinäle der Dikasterien für die Bischöfe und die Glaubenslehre im Rahmen des Ad-limina-Besuchs der deutschen Bischöfe im November 2022 in Rom – war angekündigt und erwartet worden. Am Ende des heutigen Treffens des Ständigen Rats der deutschen Bischofskonferenz wurde das Schreiben von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, das auch von Papst Franziskus zur Übermittlung gutgeheißen wurde*, bekannt gegeben und damit zugleich der Anlass des Schreibens veröffentlicht: 

Fünf Mitglieder des 27 Diözesanbischöfe umfassenden Ständigen Rats der Deutschen Bischofskonferenz – die (Erz)Bischöfe aus Köln, Augsburg, Eichstätt, Passau und Regensburg – hatten sich an Rom gewandt mit der Frage, ob der auf der IV. Synodalversammlung des Synodalen Wegs mit Zweidrittelmehrheit (auch der Bischöfe) befürwortete "Synodale Rat" gemäß den Statuten des Kirchenrechts überhaupt möglich sei. 

Konkret geht es in einer zweigeteilten Fragestellung, der der Brief des Staatsekretariates nachgeht – u.a. mit Rekurs auf die Kirchenkonstitution Lumen Gentium des II. Vatikanischen Konzils (LG 21) – um die Bedeutung der Autorität und Leitungshoheit der Ortsbischöfe (die auch nach den Statuten des Synodalen Wegs nicht eingeschränkt ist) und eben die daraus folgende Frage, ob es auch unter der genannten unstrittigen Voraussetzung überhaupt im Grundsatz möglich ist, Synodalität auf allen Ebenen der Teilkirche vor Ort "auf Dauer" zu stellen und ein Gremium einzurichten, dass das Anliegen des Synodalen Wegs der Erneuerung der Kirche fortsetzt und weiterträgt und insofern auch „Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung“ in den Blick nimmt. 

Während der Brief des Staatssekretariates einen solchen Rat nicht nur auf nationaler, sondern auch schon auf diözesaner und pfarreilicher Ebene geradeheraus als illegitim einschätzt, hält die breite Mehrheit der Bischöfe des Ständigen Rates – entsprechend der erwähnten Abstimmung der IV. Synodalversammlung – dagegen, sich mit dem „in der Beschlussfassung enthaltenen Auftrag innerhalb des geltenden Kirchenrechts [zu] bewegen“, wie es heute in dem ebenfalls heute veröffentlichten Antwortstatement der Deutschen Bischofskonferenz heißt. 

Ein Dialog, der aus Sicht der Deutschen Bischofskonferenz nur zusammen mit dem Präsidium des Synodalen Wegs erfolgen kann, aber auch von Seiten des Staatssekretariates gegen Ende des Briefes als solcher zugesichert wird, muss der nächste Schritt der Verständigung sein, will sich der Weg der Synodalität der Kirche als ganzer nicht gegen sich selbst kehren.

* "in forma specifica" wurde das Schreiben von Papst Franziskus approbiert und zur Übermittlung angeordnet. 

Donnerstag, 5. Januar 2023

Verdichteter Moment einer Zeitenwende: Die Beerdigung des ehemaligen Papstes Benedikt XVI. durch seinen Nachfolger und die Neuausrichtung des Papstamtes

(Screenshot: Vatican Media vom 5.1.2022)
Eine Beerdigung eines Papstes durch seinen Nachfolger sucht in der Geschichte noch mehr ihresgleichen wie das zeitgleiche Erscheinen eines amtierenden und eines ehemaligen Papstes in weißer Soutane. Symbolisch ist es auch für die Ablösung eines überkommenen Papst- und Amtsverständisses zu einem neuen, das zugunsten einer heilsamen Dezentralisierung "die Primatsausübung [..] einer neuen Situation öffnet". Dieses Neuverständnis klang zwar schon bei Papst Johannes-Paul II. an, von dem ebendieses am 50. Jahrestag der Bischofssynode aufgenommene Zitat stammt. Und es findet sich auch angedeutet in den heute im Requiem für Benedikt XVI. von Papst Franziskus zitierten Worten seines Vorgängers, der sich der Notwendigkeit des Mittragens und der Fürsorge des Volkes – Zitate aus dessen Predigt zur Amtseinführung im Jahr 2005 – bewusst war. Doch waren die Pontifikate der beiden Vorgänger von Papst Franziskus über Jahrzehnte im Grundsatz doch deutlich an der Ausrichtung der Welt auf den jeweiligen Pontifex gekennzeichnet. Einer „Bekehrung des Papstamtes“ (vgl. EG 32) gleich sieht Franziskus in der Synodalität – der konstitutiven Beteiligung und synodalen Einbeziehung der Ortskirchen und einer subsidiär sich verstehenden Kurie – demgegenüber den neu fortzusetzenden „Weg, den Gott sich von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet“.

Dass gewissermaßen realsymbolisch Papst Franziskus seinen Vorgänger zu Grabe trägt, ist somit ein verdichteter Augenblick: zugleich für die Fortschreibung wie den Übergang zu einem Neuverständnis des Papstamtes, das nunmehr auch ohne den Schatten eines im Hintergrund präsenten Vorgängers wirksam werden kann. Auch dies eine „Zeitenwende“ – mit einem Wort aus dem Brief von Papst Franziskus an die Christen in Deutschland zu Beginn des Synodalen Weg gesagt.