Freitag, 5. Oktober 2018



Zuhören, Empathie und ausrangierte Steine - oder: Die ersten Statements deutscher Synodenteilnehmer in der Synodenaula


"Zuhören, Empathie und ausrangierte Steine": Das waren die am meisten ausgesprochenen Worte, mit denen Paolo Ruffini, Präfekt des Dikasteriums für Kommunikation und Präsident der Synodalen Kommission für Information die Beiträge der heutigen Gäste der Pressekonferenz einleitete, aber auch die gestern und heute eingebrachten Statements in der Synodenaula aus der deutschen Sprachgruppe gemeint haben könnte.
Die deutschen Synodenteilnehmer: Weihbischof Johannes Wübbe, Thomas Andonie, Kardinal
Reinhard Marx, Bischof Stephan Oster und Bischof Felix Genn (© Mazur/catholicnews.org.uk) 
Der Osnabrücker Weihbischof Johannes Wübbe sprach bereits gestern Nachmittag vor dem Synodenplenum und bezog sich in seinem Beitrag besonders auf den ersten Teil des Synodenpapieres und die benachteiligten Jugendlichen in der Welt:
„Benachteiligte Jugendliche gibt es momentan sowohl in Deutschland, als auch weltweit. Es ist das Anliegen des Heilligen Vaters, dass gerade auch diese Jugendlichen zu Protagonisten einer neuen Zukunft in Kirche werden. Das bedeutet, dass wir von ihnen lernen, mit ihnen reden und uns von ihnen sagen lassen, wie eine Kirche der Zukunft zu sein hat.“

Dies beziehe sich sowohl auf die Sprache als auch auf die Struktur, erklärte Weihbischof Wübbe weiter. Die Kirche müsse die Sprache der Jugend sprechen, heißt es heute auch in dem zusammenfassenden Bericht der Pressekonferenz. Die Kirche müsse die „digitale Sprache“ der „digital Natives“, aber auch die Sprache des Sports und der Musik verstehen und sprechen lernen.

Insgesamt 20 Synodale waren es, die am heutigen Vormittag zum ersten Teil des grundlegenden Arbeitspapiers ebenso wie acht Hörer*innen sowie als Sondergast Br. Alois Löser zu sprechen kamen. Der aus Deutschland stammende Prior der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé bringt den „Dienst des Zuhörens“ ins Wort, indem er den Gründer der Gemeinschaft, Frère Roger, zitiert: „Wenn die Kirche zuhört, wird sie zu dem, was sie ist: eine Gemeinschaft der Liebe".


Unter den acht Auditoren kommt auch die Stimme des 660.000 Jugendliche in Deutschland vertretenden Vorsitzenden des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) zu Wort. Wie auf der Pressekonferenz – durch den von der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in Australien berichtenden Erzbischof von Sydney, Anthony Colin Fisher OP – stellt auch Thomas Andonie die Forderung nach Konsequenzen aus dem weltweiten Missbrauchsskandal an den Anfang seines Statements, von denen auch Kardinal Marx heute anlässlich einer Inauguration eines neuen Präventions-Studiengangs an der Päpstlichen Gregoriana-Universität überzeugt ist, dass sie mit einem „fundamentalen, systematischen Wandel“ verbunden sein müssen.

„Es braucht jetzt ein Hören auf und die Sorge um die Betroffenen, angemessene Entschädigungszahlungen, unabhängige Untersuchungen der Vertuschung, Übernahme der Verantwortung, Entfernung der Täter aus dem kirchlichen Dienst und standardisierte und strukturell abgesicherte Präventionsmaßnahmen. Aber: Das reicht nicht! Wir müssen klerikalistische Strukturen aufdecken. Es geht nicht um Einzelfälle, das Problem liegt im System! Keine Begründung für kirchenrechtliche Regelungen kann sich halten, wenn klar wird, dass durch sie sexualisierte Gewalt begünstigt wurde. Es gibt keinen Paragraphen im Kirchenrecht, der heiliger ist als die Würde eines Menschen! Jetzt zählen keine Worte mehr, es zählen nur noch Taten. Wenn die Kirche dieses Unrecht nicht entschlossen bekämpft und beendet, wird sie ihre Glaubwürdigkeit und das Vertrauen – besonders der jungen Menschen – nicht wiedererlangen. Dann ist alles umsonst, was wir hier besprechen."

Mit zwei weiteren Themen bringt Thomas Andonie ebenfalls die Themen der Synodenaula ein, die auch in der Pressekonferenz eine zentrale Rolle spielen. Zunächst zur Rolle der Frau, deren neue veränderte Bedeutung für Bischof Manuel Ochogavía Barahona, Bischof von Colón-Kuna Yala (Panama) auch im Instrumentum laboris in neuer Weise anklingt:

"Wir können nicht weiterhin fünfzig Prozent der Bevölkerung von der Leitung der Kirche ausschließen. Viele junge Frauen finden aufgrund dieser Ungerechtigkeit in der Kirche keine Heimat mehr. Und mit der Frage der Leitung hängt auch die Frage der Weihe zusammen. In den Jugendverbänden arbeiten Frauen und Männer, Laien und Priester bereits gleichberechtigt und geschlechterparitätisch zusammen und zeigen, wie bereichernd es ist, so vielfältig Kirche zu sein."
Und ein weiteres heißes Eisen, das nach den Umfragen – etwa auch demjenigen Ergebnisbericht der Umfrage aus dem Erzbistum Köln, in dem die Themengebiete der Sexualität wie der Homosexualität am dringlichsten für wichtig für den innerkirchlichen Dialog gehalten wurden – bringt Andonie in folgendem Statement auf den Punkt:

"Ein Großteil der jungen Menschen lehnt die Sexualmoral der Kirche, vor allem ihre Haltung zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und zu vorehelichem Geschlechtsverkehr, ab. Sie verstehen sehr gut, was die Kirche von ihnen fordert, vertreten aber– als getaufte und gefirmte Christinnen und Christen – schlichtweg eine andere Auffassung. Dabei sind ihnen Werte wie Treue und Verantwortung füreinander übrigens besonders wichtig. Nur wenn die Kirche bereit ist, diese Lebenswirklichkeiten anzuerkennen, wird sie in diesen wichtigen Fragen mit jungen Menschen neu ins Gespräch kommen können."
Auch auf diese Positionsbestimmung gab es im Pressesaal eine Resonanz: einmal im Bericht von Paolo Ruffini, der die gegensätzlichen Positionen des entschiedenen Plädoyers für die Vermittlung der überkommenen kirchlichen Lehre – bis hin zur Vermeidung der Begriffe LGBT, wie sie ja tatsächlich im Instrumentum laboris (nr. 197) aufgenommen ist – und die Positionen, die die Realität ins Wort brachten, dass heute viele Paare eine Beziehung ohne Sex nicht leben könnten und wollten, vortrug. Die ebenso ironisierende wie polemische Nachfrage desjenigen Vatikanisten, der schon eine gefakte Version der Enzyklika ‚Laudato Si‘‘ im Jahr 2015 vorab leakte und dem auch während der Familiensynode des Jahres 2015 die unrühmliche Rolle zukam, einen ‚privaten Brief‘ von Synodenvätern an Papst Franziskus an die Öffentlichkeit durchzustechen, ob der Prozess der Unterscheidungsfindung am Ende der drei Synodenwochen eine Veränderung der Lehre der Kirche erwarten lasse, lässt ahnen, dass gerade dasjenige Thema, das bereits gestern als "zentral" apostrophiert wurde, nicht nur im Hintergrund schwelt…. aber nicht zuletzt angesichts der Missbrauchsskandals ohne Angst und mit Freimut angepackt werden muss.

Kardinal Marx teilte heute auf der erwähnten Veranstaltung in der Gregoriana diesbezüglich eine Erinnerung an die Diskussionen unter den Kardinälen, die vor dem Konklave 2013 in Rom abgehalten wurden, das Franziskus wählte, und sagte, dass ein Gefühl, das damals geteilt wurde, die Notwendigkeit einer "offenen Diskussion" in der Kirche sei, ohne Angst vor dem zu haben, was der Obere von jemandem erwartet oder hören wollen.



„Es ist eine ernste und herausfordernde Stunde für die Kirche. Bitte, habt keine Angst.“ (Vatican Insider vom 5.10.18; eigene Übersetzung)







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