In der Relatio der deutschen Sprachgruppe – parallel zu den Rückmeldungen der anderen 13 'Circoli minori' – zum II. Teil des Instrumentum laboris heißt es:
"Wir bekräftigen zunächst ein grundsätzliches Ja zur vorfindlichen, säkularer werdenden Welt - und zu allem, was diese Welt auch an Gutem und Herausforderndem für uns bereithält. Freilich schauen wir auf diese Welt auch mit einer differenzierenden Unterscheidung. Denn in ihr nehmen wir Phänomene wahr, die die Welt zwar im guten Sinn pluraler werden lassen, aber auch solche, die viele junge Menschen auch unsicherer machen oder Entfremdungserfahrungen verstärken - zum Beispiel im Blick auf die Findung der eigenen Identität. Daher sind wir der Meinung, dass es auch einen „unterscheidenden“, vertiefenden Blick benötigt auf die Phänomene, die die Jugendlichen am häufigsten nennen: etwa die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Sexualität und Partnerschaft, die Rolle der Frau, die Digitalisierung, der Wunsch nach authentischen Begleitern. Und wir fragen, was wir als Kirche heute lernen, wenn diese Fragen so drängend auf uns kommen?"
Kardinal Peter Turkson mit Erzbischof Jaime Spengler, O.F.M,
Erzbischof von Porto Alegre (Brasilien)
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Kardinal
Peter Turkson, Präfekt des Anfang 2017 neuerrichteten Dikasteriums für die
ganzheitliche Entwicklung des Menschen und einer von fünf gewählten
bischöflichen Mitgliedern des synodalen Abschlussdokumentes, bringt die Gedanken des Circulus Germanicus mit der Formulierung auf
den Punkt, dass die Synode ein „Manual für das Leben“ erstellen müsse, das jede/r Jugendliche/r heute brauche. Und er untermauert dieses Bedürfnis mit
einem zu Beginn der Pressekonferenz von Paolo Ruffini angedeuteten Zitat von
Kardinal John Henry Newman über die Berufung jedes einzelnen Menschen, das den
Ergebnisbericht seiner eigenen Arbeitsgruppe, des ‚Circulus Angelicus A‘, einleitet:
"God has created me to do Him some definite service; He has committed some work to me which He has not committed to another. I have my mission... I have a part in this great work; I am a link in a chain, a bond of connection between persons. (Cardinal Henry Newman, Meditations on Christian Doctrine)”
"Gott hat mich erschaffen, um ihm einen bestimmten Dienst zu tun. Er hat mich auf einige Arbeit verpflichtet, die er für einen anderen nicht vorgesehen hat. Ich habe meine Mission... Ich habe an dieser großartigen Arbeit Anteil. Ich bin ein Glied in einer Kette, eine Verbindung zwischen Personen.“ (eigene Übersetzung)
Und
noch wichtiger als ein wohlformuliertes, wohlfeiles Schlussdokument am Ende der
synodalen Beratung zu haben, sei aber – so Kardinal Louis Raphaël I Sako, Patriarch der Chaldäisch-katholischen Kirche – der Dialog mit
der Jugend und eine veränderte Praxis:
“Il dialogo con loro, come cambieremo la pastorale, conta ancora di più del documento finale.”
„Der Dialog mit der Jugend, wie wir die Pastoral verändern, zählt noch mehr als das Abschlussdokument.“ (eigene Übersetzung)
Dass
immer wieder in den Pressekonferenzen das genaue Procedere der Genese und der
endgültigen Abstimmung des Schlussdokumentes von Paolo Ruffini wiederholt
werden muss, zeigt bei aller unter Beweis gestellten Transparenz der synodalen
Erarbeitung – mit der Wahl der mitarbeitenden Bischöfe in der
Abschlussredaktion und der Veröffentlichung der Eingaben -, welche Zweifel von
außen geschürt werden, ob ein Ergebnis der Synode schon feststehe, ein
Abschlussdokument schon geschrieben sei etc. Dieselben Zweifel wurden bereits
bei den Familiensynoden (vgl. den Blog-Beitrag vom 7.10.2015) immer wieder genährt und haben mit dem Synodenverlauf
und dem synodalen Prozess, wie ich ihn seit dem Jahr 2013 sehr intensiv
verfolge, nicht viel zu tun – außer, dass man ihn eben nicht will.
Und
dennoch zählt natürlich auch das verschriftlichte „Manual des Lebens“ , das als Manual – wie Kardinal Turkson ebenso wie schon gegen Ende der vorausgegangenen Familiensynode am 23.10.2015 sehr eindrücklich illustriert – jedem
Menschen heute schon bei jedem noch so kleinen, technischen Gerät mitgegeben
werde und umso mehr auch in einer heute verständlichen Sprache und Form unserer
Jugend angeboten werden müsse:
Die
Eingabe der deutschen Sprachgruppe – jetzt in vollständigem Zitat – kann
bereits in dieser Weise gelesen werden:
Die Relatio der
Deutschen Sprachgruppe (Relatio – Circulus Germanicus) in der vollständigen Länge
(Moderator: Bischof Felix Genn, Münster; Relator: Bischof Stefan Oster, Passau)
1. Das Ja zu dieser
Welt – aber mit Unterscheidung
Wir
bekräftigen zunächst ein grundsätzliches Ja zur vorfindlichen, säkularer
werdenden Welt - und zu allem, was diese Welt auch an Gutem und
Herausforderndem für uns bereithält. Freilich schauen wir auf diese Welt auch
mit einer differenzierenden Unterscheidung. Denn in ihr nehmen wir Phänomene
wahr, die die Welt zwar im guten Sinn pluraler werden lassen, aber auch solche,
die viele junge Menschen auch unsicherer machen oder Entfremdungserfahrungen
verstärken - zum Beispiel im Blick auf die Findung der eigenen Identität. Daher
sind wir der Meinung, dass es auch einen „unterscheidenden“, vertiefenden Blick
benötigt auf die Phänomene, die die Jugendlichen am häufigsten nennen: etwa die
Freiheit, die Gerechtigkeit, die Sexualität und Partnerschaft, die Rolle der
Frau, die Digitalisierung, der Wunsch nach authentischen Begleitern. Und wir
fragen, was wir als Kirche heute lernen, wenn diese Fragen so drängend auf uns
kommen?
2. Wir haben einen
einzigartigen Glauben
Wir
meinen, dass wir dann in einem zweiten Schritt das Unerhörte, aber Zentrale des
christlichen Glaubens erneut bekräftigen sollten: Dass wir einem Gott begegnen
dürfen, der in Jesus ein Gesicht und einen Namen hat; einen Gott, der sich uns
und unserem Leben konkret zuwendet, der uns kennt und liebt und uns in die
Freiheit führen will. Wir wollen dann deutlich machen, dass unser Glaube vor
allem darin besteht, eine freie Antwort auf diese Zuwendung Gottes zu geben –
und dass uns diese Antwort wiederum in die größere Freiheit und in die Fülle
des Lebens führt. In der Art und Weise, wie wir diese Antwort auf Gottes immer
bestehenden Anruf an uns geben, entfaltet sich die Berufung jedes Menschen auf
je einzigartige Weise, freilich auch durch Höhen und Tiefen, durch Krisen und
Gelingen hindurch.
3. Wir sind zuerst
Hörende und nicht schon die Wissenden
Wir
wollen weiterhin festhalten, dass es für jede Berufungserkenntnis und für jede
Berufungsbegleitung darum geht, die Sehnsüchte, Pläne, Hoffnungen und
Leidenschaften junger Menschen, aber auch ihre Unruhe, Ängste und
Unsicherheiten immer wieder neu zu hören und verstehen zu lernen. Wir wollen
als die Älteren der Versuchung widerstehen, dass wir schon alles wüssten
darüber, wie das Leben der jungen Menschen sich entfalten soll und wie ihr
gelingendes Leben auszusehen habe. Vielmehr wollen wir mit ihnen zusammen je
neu Wahrnehmende, Hinschauende werden. Wir wollen miteinander sehen lernen, wo
und wie sich im je einzelnen jungen Leben Spuren der Gegenwart Gottes zeigen
können.
4. Wir lernen mit den
Jugendlichen die Weise sie zu begleiten
Wir
wollen ihren Herzschlag lernen und darin Mithörende sein für den leisen Impuls
Gottes für ihr Leben; wir wollen unsere Deutungskompetenz je neu mit ihnen
zusammen und auch von ihnen lernen, weil jeder als unersetzbar Einzelner, nicht
Wiederholbarer von Gott gerufen wird. Wir wollen aber auch Begleiter sein, die
schon aus eigener, längerer Lebenserfahrung unterscheiden helfen lernen, die
auch in der Rückschau schon ein wenig mehr gelernt haben, wie sich die
Kontexte, Erfahrungen, Entscheidungen und vermeintliche Zufälle in einem Leben
ineinander fügen zur Gestalt eines einzigartigen Lebensweges. Wir wollen im
Hören auf Gottes Geist, auf die jungen Menschen und im Hören auf unseren
eigenen Herzschlag Hermeneuten (=Deutern) und Mäjeuten (= Geburtshelfer) des
göttlichen Lebens für sie und mit ihnen sein. Wir wollen mit ihnen und von
ihnen unterscheiden lernen, wo die guten Kräfte am Werk sind und wo die, die
Angst machen oder die, die einschließen und destruktiv sind.
5. Gottes Geist ist
verheißend und macht keine Angst
Wir
glauben, dass Gott immer in die größere Freiheit, in die größere Freude und
Liebe führen will – und dass sein Geist wohl manchmal beunruhigen kann, aber
nie einfach Angst macht oder in die Ausweglosigkeit führt, sondern immer neu
verheißend ist und den nächsten Schritt zeigt in ein größeres Leben. Wir
glauben, dass Gott aus unvordenklicher Liebe für jeden von uns groß denkt. Wir
glauben, dass er wie ein liebevoller Künstler an der Gestalt jedes Herzens so
arbeitet, dass er selbst darin immer mehr Wohnung nehmen kann, auf dass jeder
Mensch zu einem unverwechselbaren, unvertauschbaren und unersetzbaren Original
seiner schenkenden Liebe heranreifen kann. Damit der Berufene dann seinerseits
immer besser daran mitwirken kann, sein Zeuge zu sein und so immer neu am Aufbau
einer besseren Welt und einer authentischeren Kirche mitwirken kann.
6. Die Berufung und
ihre innere Unterscheidung
a.
Unser Gespräch über die Frage nach der Berufung ergibt Folgendes – und wir
würden auch vorschlagen, das gesamte Kapitel in dieser Hinsicht zu ordnen.
Jeder Mensch ist als einzigartiges, unvertauschbares und nicht wiederholbares
Geschöpf Gottes ins Leben gerufen. Das Gespür für diese Einzigartigkeit führt
auch viele Nichtgläubige zur Erfahrung, dass sie auch auf einen Lebensweg
gerufen sind, den nur sie selbst unvertretbar gehen können. Auch Menschen ohne
Gottesglauben sprechen dann nicht selten von ihrem Leben und ihrem Beruf als
Berufungsweg im Sinne einer Antwort, die sie auf die Herausforderungen ihres
Lebens geben und die sie nicht selten in großer Hingabe an Menschen oder an eine
bestimmte Aufgabe vollziehen.
b.
Einig ist sich die Gruppe darin, dass die Sakramente der Initiation als
Zugehörigkeit zu Christus tiefer und ausdrücklicher in die Berufung zum
Christsein und zum Volk Gottes führt. Gott hat in Christus ein menschliches
Antlitz bekommen und durch Tod und Auferstehung eine neue Dimension von Leben,
von Sinn und vom Reich Gottes eröffnet. Viele Christen erfahren sich daher in
die Nachfolge Christi oder in dieses neue Leben berufen. Sie lassen sich von
Ihm im Glauben inspirieren, sie versuchen ihr Leben an seinem auszurichten –
und sie tun dies in den verschiedenen Lebensformen: als Eheleute, als Single
und in unterschiedlichen Berufen und Lebensweisen in Welt und Gesellschaft und
bei einigen auch in einem spezifischen Dienst in der Kirche.
c.
In einem engeren Sinn erfahren einige Menschen den Anruf Christi als
Hineingezogensein in seine Lebensform, die sich in der Ehelosigkeit und den
anderen evangelischen Räten ausdrückt. Sie spüren, dass sie von Christus
persönlich bewegt und im biblischen Sinne erwählt werden, alles auf eine Karte
zu setzen und sich Ihm als Person ganz zur Verfügung zu stellen zum Dienst am
Volk Gottes. Aus dieser Verfügbarkeit und Entschiedenheit erwächst dann die
konkrete Gestalt eines geweihten Lebens oder des priesterlichen Dienstes im
Geist der evangelischen Räte.
7. Berufung ist ein
analoger Begriff
In
diesem Sinne verstehen wir Berufung als „analogen Begriff“. Wichtig ist uns
auch die Einsicht, dass „Berufung“ nicht ein einmaliges und dann
abgeschlossenes Ereignis ist, sondern sich durch einen ganzen Lebensweg
hindurch entfaltet, nicht wie ein genau fixierter Plan Gottes, sondern wie ein
Weg in die je größere Freiheit und Hingabe – freilich auch durch Höhen und
Tiefen hindurch. Wir glauben auch, dass der Sinn für die Berufung in einem
Menschen wachsen und sich vertiefen kann durch das je konkrete Sich-einlassen
auf die Wirklichkeit, durch die Übernahme von Verantwortung, durch die
Begegnung mit den Mitmenschen, durch die konkrete Begegnung mit Christus, im
Gebet, in seinem Wort, in den Sakramenten und in der Gemeinschaftserfahrung der
Kirche.
8. Das Fehlen der
Erfahrung: Ich bin bedingungslos geliebt
Freilich
spüren wir, dass die konkrete Erfahrung der Menschen, wirklich unbedingt und
zuerst geliebt zu sein von Christus oft nicht sehr verbreitet oder nicht
besonders tief in den Herzen der Menschen angekommen ist. Allzu häufig glauben
wir, dass wir zuerst Leistung in welcher Form auch immer bringen müssten, damit
Gott uns sieht und annimmt. Eine der wichtigsten und grundlegendsten Aufgaben
von allen Gliedern der Kirche ist es daher, jungen Menschen zu zeigen, dass sie
einfach deshalb geliebt sind, weil es sie gibt, weil sie da sind und weil sie
sie selbst sind – und nicht, weil sie schon brav oder angepasst oder
leistungsfähig sind oder sich durch bestimmte Eigenschaften auszeichnen oder
einem Gruppendruck folgen. Das tiefe Bewusstsein für eine christliche Berufung
kann im Grunde nicht erwachen, wenn solche Erfahrungen des unbedingten
Geliebt-seins fehlen.
9. Begleitung analog
und die Gefahr des geistlichen Missbrauchs
Wir
verstehen ebenso „Begleitung“ als analogen Begriff: Weit verstanden meint er
die Verantwortung aller Menschen füreinander, besonders als Gemeinschaft der
Kirche. Junge Menschen werden durch viele Menschen begleitet, insbesondere auch
in der Familie, durch ihre eigenen Freunde oder durch ältere Jugendliche;
weiterhin durch alle erfahreneren Menschen, die ihnen wohlgesonnen sind, etwa
in Schule, Ausbildung, in Sportvereinen oder anderen Gemeinschaftsformen. Im
engeren Sinn ist Begleitung dann die spezifische Lebensbegleitung mit dem Ziel,
Gottes Wirken im Leben eines jungen Menschen zu erkennen oder sie bei
anstehenden Entscheidungen zu unterstützen. Wir legen Wert darauf, dass
psychologische oder psychotherapeutische Hilfen dabei sehr hilfreich sein
können, dass sie aber unterschieden sind von geistlicher Begleitung und dass
sie zudem fachliche Professionalität brauchen. Freilich ist auch ein gesunder
Menschenverstand unerlässlich. Besonders wichtig ist es für uns, auch auf die
Gefahr des Missbrauchs in der Begleitung hinzuweisen: dem Missbrauch der Macht,
dem Missbrauch des Vertrauens, dem Missbrauch, der in der Schaffung eines
unfreien Abhängigkeitsverhältnisses besteht oder in sexueller Gewalt. Unsere
deutliche Empfehlung ist daher, dass der Begleiter sich selbst einer Begleitung
unterzieht und eine Form der Supervision wählt.
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