Donnerstag, 4. Oktober 2018


Nel discernimento si deve parlare liberamente – oder: Der Beginn der Unterscheidungsfindung im Synodenplenum

Für die erste Pressekonferenz am Mittag des ersten Beratungstages haben der Pressesprecher Greg Burke und der Präfekt des Dikasteriums für Kommunikation und Präsident der Synodenkommission für Information Dr. Paolo Ruffini die Soziologie-Professorin Chiara Giaccardi aus Mailand, Carlos José Tissera, Bischof von Quilmes (Argentinien) und aus der Reihe der Jungen Erwachsenen Joseph Cao Huu Minh Tri aus Vietnam geladen. Sie berichten mit dem Hinweis auf den Festtag des Hl. Franziskus am heutigen 4.10. und von den Glückwünschen an Papst Franziskus, die heute am Anfang der synodalen Beratung standen. Papst Franziskus – berichtet Chiara Giaccardi – habe seinerseits die Versammlung gebeten, mit Freimut (Parrhesia) und Offenheit sich auf den mit dem heutigen Tag beginnenden synodalen Weg der Unterscheidungsfindung einzulassen.

Teilnehmende der Pressekonferenz vom 4.10.2018 (Bild: @vaticannews)
Ich erinnere, wie in etwa dieselben Worte auch bereits jeweils zu Beginn der beiden vorausgegangenen Familiensynoden am 6.10.2014 und am 5.10.2015 mit größter Eindringlichkeit vorgetragen und mit höchster Aufmerksamkeit aufgenommen wurden – damals für die Synodalen, von den früheren Synoden gewohnt, schriftliche Eingaben vorab einzureichen und vorzutragen, ein gänzlich neues Verfahren. Aber genau dieses Procedere der vorgefertigten Statements, die es zuletzt auf der XIII. Ordentlichen Bischofssynode im Jahr 2012 gegeben hat, wird heute in der Pressekonferenz von Seiten interessierter Journalisten gleich zweimal angefragt, mit der Bitte die Inhalte der Statements wie die mit ihnen verbundene Rednerliste für die journalistische Arbeit ausgehändigt zu bekommen. Es ist die Gelegenheit für P. Antonio Spadaro SJ, Sekretär der Kommission für Information, die Methode der Unterscheidungsfindung, die gestern bereits weite Teile der im gestrigen Blogbeitrag zitierten Redebeiträge in der Synodenaula ausmachten, gegenüber den Journalisten zu erläutern. Auf die Frage, warum die Statements der Synodalen nicht offengelegt werden, antwortet er, dass man im Zuge der Unterscheidungsfindung frei in der Versammlung sprechen müsse, ohne sich von der Tatsache konditioniert zu fühlen, dass die Worte preisgegeben werden. Umgekehrt stünde es jedem und jeder frei, über Interviews in eigener Verantwortung mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren.


https://twitter.com/antoniospadaro/status/1047901842619940864
Ebenso wie die Thematisierung des prozeduralen Voranschreitens der Synode werden auch die bis zum Mittag vorgetragenen Inhalte von 25 Redebeiträgen zum ersten Teil des Instrumentum laboris sicher noch öfter wiederaufgenommen werden. Es waren darunter „5 bis 6“ Beiträge, die auf das Versagen der Kirche im Missbrauchsskandal, aber darüber hinaus auch das Fehlen hinsichtlich der pastoralen Begleitung junger Erwachsener ansprachen.  
„Es wurde von der Notwendigkeit gesprochen, den jungen Menschen in den konkreten Situationen zuzuhören, in denen Sie sich befinden, von den vielen jungen Menschen, die von der gegenwärtigen Gesellschaft "verworfen" werden, von der Fähigkeit der "Prophetie" junger Menschen, von der Schwierigkeit, die die Kirche registriert hat, den Glauben an die neue Generation weiterzugeben und einer Jugendpastoral, die die Kinder, Jugendlichen nicht einfach ‚domestizieren‘ darf.“ (Vatican Insider vom 4.10.2018; eigene Übersetzung)


Es ist der einzigen Frau auf dem Podium der Pressekonferenz, Prof. Chiara Giaccardi, vorbehalten, gleich zu Beginn als erste Berichterstatterin das "Thema Sexualität und Körperlichkeit" anzusprechen, dass auch "von vielen der Synodenväter in einer sehr offenen Weise“ ins Wort gebracht wurde. Einige Interventionen haben die "mangelnde Begleitung dieser Dimension" und die Notwendigkeit gesehen, "sie ganzheitlich zu überdenken, sie nicht nur einzudämmen, sondern ihr zu helfen, sich auf eine Art und Weise auszudrücken, die schön ist und Persönlichkeit entwickelt".
Auch und gerade dieses Thema ‚Sexualität‘ wird sicher von Tag zu Tag neu ins Gespräch der Synodenaula rücken. Es gehörte bereits während der Familiensynoden (vgl. den Blog-Beitrag vom 16.10.2015) zu den Top 5 – und es steht bei den jungen Erwachsenen sicher nicht minder oben an.

Bei vielen der genannten Themen geht es auch um Fragen des Glaubens und der Lehre, die immer wieder neu und generationsübergreifend ins Gespräch gebracht werden müssen. Mit dem deutschem Delegierten Clemens Blattert SJ (Leiter der Zukunftswerkstatt SJ in Frankfurt, der als Experte an der Synode teilnimmt und einen weiteren sehr persönlichen Synodenbericht aus erster Hand beisteuert) teile ich das Aufhorchen anlässlich eines gestern vom Generalrelator  Kardinal Sérgio da Rocha zitierten Wortes von Papst Franziskus, dass die Angewiesenheit eines lebendigen Glaubens auf die lebendige Auseinandersetzung in dichter Weise beschreibt und ebenfalls Teil des Arbeitsdokumentes der Synode geworden ist:
„Ein Glaube, der uns nicht in eine Krise führt, ist ein Glaube in der Krise; ein Glaube, der uns nicht wachsen lässt, ist ein Glaube, der wachsen muss; ein Glaube, der nicht Fragen aufwirft, ist ein Glaube, über den wir uns Fragen stellen müssen; ein Glaube, der uns nicht belebt, ist ein Glaube, der belebt werden muss; ein Glaube, der uns nicht erschüttert, ist ein Glaube, der erschüttert werden muss.“ (Instrumentum Laboris 73, ein Zitat von Franziskus aus der Weihnachtsansprache vor der Kurie 2017)

Spätestens in der dritten Synodenwoche - das Zitat steht im dritten Teil des synodalen Arbeitspapiers  - werden wir dem Zitat erneut begegnen.


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