Samstag, 24. Oktober 2015

"La diversità e la unità nella synodalità" der Konsens der 'Relatio finalis' und die Ermutigung zur pastoralen Unterscheidung in einer synodal verfassten Kirche

Zum Abschluss: das Te Deum nach der Abstimmung im Synodenplenum
(Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk )
 L'Esprit Saint a bien soufflé - Der Heilige Geist hat gut geweht“, sagte Fr. Hervé Janson, der als Generalprior der Kleinen Brüder Jesu neben den gestern schon angekündigten Kardinälen Christoph Schönborn und Raymundo Damasceno Assis als Gast in der mittäglichen Pressekonferenz geladen war. Und er wehte wohl nicht minder auch am Nachmittag: Denn nachdem das entsprechend den gestrigen Rückmeldungen überarbeitete Abschlussdokument (vgl. dt. Arbeitsübersetzung) – in der Reihenfolge seiner drei, der Struktur des Vorbereitungsdokumentes entsprechenden Teile – bereits am Vormittag von Kardinal Assis, Kardinal Péter Erdö und dem Spezialsekretär, Erzbischof Bruno Forte, in der Synodenaula vorgetragen worden war, folgte am Nachmittag die mit Spannung erwartete Abstimmung aller 94 Absätze in einer Einzelabstimmung. Und entsprechend der Synodenordnung wurde eine Zweidrittelmehrheit von mindestens 177 (bei 265 anwesenden Synodalen) benötigt und tatsächlich erreicht, die notwendig war, damit das Dokument als Ganzes dem Papst als Beratungsergebnis dieser Bischofssynode übergeben werden konnte.

Zwei Paragraphen waren – wie sich bei der Abstimmung herausstellte – insbesondere gefährdet, mit 178 bzw. 188 Stimmen nur mit qualifizierter Mehrheit angenommen zu werden. Pressesprecher Federico Lombardi erläuterte, dass dazu insbesondere der Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen (Nr. 84, 85 und 86 der 'Relatio finalis') und sodann die das Zusammenleben unverheirateter oder in ziviler Ehe verbundener Paare betreffenden Ziffern gehörten.
In einer klugen Einordnung des Synodenergebnisses durch Kardinal Schönborn und Kardinal Assis wiesen beide in ihren Statements auf die Größe, die Bedeutung, aber auch Grenze des Abschlussdokumentes hin. Über drei Wochen der Bischofssynode ist nach Statistik des Vatikans in 54 Stunden Arbeit im Synodenplenum und 36 Stunden in den Sprachgruppen ein ca. 50 DIN A4-Seiten umfassender Text entstanden, der de facto einen zweijährigen Vorlauf hatte und über eine vorausgehende III. Außerordentliche Bischofssynode und insgesamt zwei Umfragen alle Teil- und Ortskirchen der Welt in einem Ausmaß einbezogen hat, dass das heute dem Papst übergebene Dokument mit Recht als Ergebnis eines synodalen Prozesses bezeichnet werden kann. Als solches ist neben der Hauptbotschaft, dass die Kirche der Familie ihre höchste Aufmerksamkeit widmet, das über die neu eingeübte Arbeitsweise und das Selbstverständnis beim Festakt zum Synoden-Jubiläum bekräftigte Selbstverständnis der synodalen Verfasstheit der katholischen Kirche eines der wichtigsten Ergebnisse dieser Synode, das sich vielleicht gerade auch an den konkreten Inhalten der Beratung bewährt hat und gewachsen ist. Vor allem die Kleingruppenarbeit habe Verständnis dafür geweckt, wie kulturell unterschiedlich und kulturspezifisch bedeutsam familiale Traditionen in der katholischen Kirche verwirklicht sind. Papst Franziskus brachte dies in seiner Ansprache am Abend für alle Teilnehmenden folgendermaßen ins Wort:
„E – aldilà delle questioni dogmatiche ben definite dal Magistero della Chiesa – abbiamo visto anche che quanto sembra normale per un vescovo di un continente, può risultare strano, quasi come uno scandalo, per il vescovo di un altro continente; ciò che viene considerato violazione di un diritto in una società, può essere precetto ovvio e intangibile in un’altra; ciò che per alcuni è libertà di coscienza, per altri può essere solo confusione. In realtà, le culture sono molto diverse tra loro e ogni principio generale ha bisogno di essere inculturato, se vuole essere osservato e applicato."
„Und – obwohl die dogmatischen Fragen durch das Lehramt der Kirche klar definiert schienen sahen wir, dass das, was dem einen Bischof von einem Kontinent normal war, den anderen befremdete, und fast wie ein Skandal vorkam, wenn ein Bischof von einem anderen Kontinent entstammte; was in einer Gesellschaft als ein Verstoß gegen das Gesetz gilt, kann ein unantastbares Gebot in einem anderen sein; was für manche Teil der Gewissensfreiheit ist, gilt anderen nur als Verwirrung. In der Tat sind Kulturen sehr unterschiedlich und jedes generelle Prinzip bedarf der Inkulturation, um beachtet und angewendet werden zu können." (eigene Übersetzung)
Genau diesen Zusammenhang meinte Kardinal Christoph Schönborn in der mittäglichen Pressekonferenz als er die 'Diversität und Einheit in der Synodalität' als Kennzeichen der Katholischen Kirche mit weltweit 1,3 Milliarden Gläubigen bezeichnete. Und er bat um Verständnis – vor dem Hintergrund der Erwartungen in West- und Nordeuropa – dass das Thema der Homosexuellen Partnerschaften nur am Rande angesprochen wurde, da auf weltkirchlicher Ebene die kulturellen Bewertungen in dieser Frage zu weit auseinander liegen. Einschließlich dieser Frage muss sich die Kirche auf dem synodalen Weg an dem Gleichgewicht, an der Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung messen, will sie die Herausforderung der heutigen Zeit annehmen.
Kardinal Assis, der als Erzbischof von Aparecida auch auf die Erfahrungen der Generalkonferenzen des lateinamerikanischen Episkopats  in Aparecida zurückblicken kann, ergänzt:
Sempre si mantiene la comunione col Papa, che è fondamentale, la testa del collegio episcopale, ma c’è il principio di sussidiarietà: gli episcopati possono avere proprie competenze. Bisogna rispettare le diversità di ogni paese e continente, fare ciò che ci compete, rispettando quel che compete a Santo Padre e la Santa Sede nel governo della Chiesa."
Unter der Voraussetzung, dass die Gemeinschaft mit dem Papst, die grundlegend ist, als dem Haupt des Bischofskollegiums gewahrt ist, ist das das Prinzip der Subsidiarität: Dass die Bischöfe eigene Kompetenzen haben. Es braucht die Rücksicht auf die Unterschiedlichkeit jedes Landes und Kontinents, das zu tun, wie es uns erscheint, und das zu respektieren, was dem Heiligen Vater und dem Heiligen Stuhl in der Aufgabe der Leitung der Kirche zusteht.“ (eigene Übersetzung)
Für die komplexen und kulturell unterschiedlichen Situationen rät das Abschlussdokument der Synodenversammlung dem Papst die 'Unterscheidung' im Einzelfall auf der Ebene der Teil- oder Ortskirche, um in der pastoralen Begleitung jeweils die praktische Wahrheit zu finden, die nicht einfach als Ableitung aus abstrakten Normvorstellungen verwirklicht werden kann.
Papst Franziskus nimmt diesen Gedanken ebenfalls in seiner Abschlussansprache auf:
L’esperienza del Sinodo ci ha fatto anche capire meglio che i veri difensori della dottrina non sono quelli che difendono la lettera ma lo spirito; non le idee ma l’uomo; non le formule ma la gratuità dell’amore di Dio e del suo perdono. Ciò non significa in alcun modo diminuire l’importanza delle formule, delle leggi e dei comandamenti divini, ma esaltare la grandezza del vero Dio, che non ci tratta secondo i nostri meriti e nemmeno secondo le nostre opere, ma unicamente secondo la generosità illimitata della sua Misericordia."
 „Die Synode lehrte uns auch, dass die wahren Verteidiger der Lehre nicht diejenigen sind, die den Buchstaben, sondern den Geist derselben verteidigen; nicht Ideen, sondern den Menschen; nicht die Formel, sondern die Freigebigkeit der Liebe Gottes und seiner Vergebung. Das heißt aber umgekehrt nicht die Bedeutung der Formeln, der Gesetze und der göttlichen Gebote zu verringern, sondern die Größe des wahren Gottes herauszustellen, der uns nicht nach unseren Verdiensten und nicht nach unseren Werken behandelt, sondern einzig nach dem Maß der unbegrenzten Großzügigkeit seiner barmherzigen Liebe. (eigene Übersetzung)
Für die im Blog-Beitrag zu Beginn der III. Außerordentlichen Synode am 4.10.2014 benannten 'heißen Eisen' bedeuten die Empfehlungen der 'Relatio finalis' unbeschadet des neu und mit Kraft verkündeten Bekenntnisses für Ehe und Familie – den wertschätzenden Blick auch für nichteheliche Partnerschaften und Freundschaften und eine Zuwendung, die auch dann nicht versagt und in pastoraler Begleitung und Unterscheidung nach Möglichkeiten der Wiederherstellung der Gemeinschaft mit der Kirche sucht, wenn durch eine Trennung oder Scheidung eine gültig geschlossene Ehe unwiederherstellbar auseinander gegangen ist, wie gestern bereits im Blog-Beitrag vom 23.10.2015 ausgeführt.
Auch wer die Schlussansprache des Papstes nur oberflächlich liest, bleibt an dem in großen Lettern gesetzten Schriftzitat aus dem 1. Timotheusbrief 2,4 hängen:
„E, senza mai cadere nel pericolo del relativismo oppure di demonizzare gli altri, abbiamo cercato di abbracciare pienamente e coraggiosamente la bontà e la misericordia di Dio che supera i nostri calcoli umani e che non desidera altro che «TUTTI GLI UOMINI SIANO SALVATI» (1 Tm 2,4), per inserire e per vivere questo Sinodo nel contesto dell’Anno Straordinario della Misericordia che la Chiesa è chiamata a vivere.
„Und ohne jemals in die Gefahr des Relativismus zu fallen oder andere zu dämonisieren, haben wir versucht, voll und mutig die Güte und Barmherzigkeit Gottes zu umarmen, die unsere menschlichen Berechnungen übertrifft und die nichts anderes ersehnt als dass "ALLE MENSCHEN GERETTET WERDEN" (1 Tim 2,4), um diese Synode zu durchleben im Ausblick das Außerordentliche Jubiläum der Barmherzigkeit, das die Kirche zu begehen gerufen ist.
Im Einklang mit der Schöpfungsenzyklika sind nicht nur 'Ehe und Familie' Teil von Gottes Schöpfungsplan, sondern darüber hinaus jeder Mensch Gegenstand der überfließenden, barmherzigen Liebe Gottes, der in seiner Liebe die gesamte Schöpfung durchwirkt. Aus der geeigneten Perspektive ist dieser schöpfungstheologische Ansatz – eine wahrnehmbare Veränderung zugleich der Erlösungsvorstellung mit vielen theologiegeschichtlichen Bezügen (von denen Thomas von Aquin etwa ein wichtiger Bezugspunkt unter vielen anderen darstellt) – das eigentliche theologische Fundament der 'Revolution der zärtlichen Liebe' (wie in den Blog-Beiträgen am 19.8.2015 und am 1.9.2015 ausgeführt).
Dieses Vertrauen auf die Kraft der Liebe Gottes und die Aufgeschlossenheit jedes Menschen für seine Liebe mündet in der Schlussansprache von Papst Franziskus in den Wunsch, die Erfahrungen des zurückliegenden synodalen Weges weiterzutragen, weiterzugehen:
In realtà, per la Chiesa concludere il Sinodo significa tornare a “camminare insieme” realmente per portare in ogni parte del mondo, in ogni Diocesi, in ogni comunità e in ogni situazione la luce del Vangelo, l’abbraccio della Chiesa e il sostegno della misericordia di Dio!"
„Ja wirklich, für die Kirche bedeutet, diese Synode zu beenden, zurückzukehren, um weiter "zusammenzugehen", um in die Welt, in jede Diözese, in jede Gemeinde und in jede Situation wirklich das Licht des Evangeliums zu bringen, die Umarmung der Kirche und die Zuwendung der barmherzigen Liebe Gottes!"

Lesen Sie den Blog-Beitrag zum Abschluss der Synode vom 25.10.2016!