„Auch alte 'Synodenhasen' - ich habe heute jemanden getroffen, der ist schon auf seiner achten Synode hier - sagen mir: Das ist eine Revolution, das ist jetzt ganz anders!"
Vielleicht meinte
der als Delegierter der Ordensoberen gewählte deutsche Synodale, Abtpräses Jeremias Schröder OSB, in seinem Interview gegenüber dem offiziellen Internetportal
der katholischen Kirche in Deutschland 'Katholisch.de' den bereits erwähnten, ebenfalls zum achten Mal an einer Bischofssynode
in Rom teilnehmenden Erzbischof von Washington, Kardinal Donald Wuerl, der gerade heute
in einem von Seiten des Presseamtes des Vatikans
veröffentlichten Videointerview die von Papst Franziskus
weiterentwickelte Form der Synodalität gleichermaßen euphorisch lobte.
„The last two synods - the one that proceeded and this one - are really great, great improvements. It's in a way a revolution. We're watching the development of the Synod! […] I think it's a great step forward!.”
Dass
solche Vermutungen und Indiskretionen bewusst lanciert werden – und von den immer
selben Foren vermeintlich sachlich 'diskutiert' werden –, nachdem
Papst Franziskus in der Synodenaula allen 'konspirativen
Verschwörungstheorien' in einer direkte Begegnung am
Dienstagvormittag den Wind aus Segeln genommen hatte und die Arbeit
der Synode gut vorangeschritten ist, nun eine Woche später von außen
neu gezündelt werden, dient demselben, leicht durchschaubaren, aber böswilligen Motiv: dem schon in der vergangenen Woche misslungenen
Versuch, die Arbeit der Synode bewusst von außen zu stören und unverhohlen dem
Papst persönlich darin zu schaden.
Denn
nicht von ungefähr kommen die Störmanöver zu einer Zeit, in der
die Synode sich in der Generaldebatte seit Samstag und – nach der
Arbeit in den Kleingruppen an den ersten beiden Arbeitstagen dieser
zweiten Synodenwoche fortgesetzt – am kommenden Mittwoch sich denjenigen
Fragen widmet, die zu den im Vorfeld am meisten diskutierten
gehörten. Pater Bernd Hagenkord, der heute als Berichterstatter aus
der Synodenaula beim Pressebriefing in italienischer Sprache die wichtigsten Gesprächspunkte der
insgesamt 43 freien Redebeiträge vorstellte, berichtete neben der
einheitlich begrüßten, verstärkten Betonung der Ehevorbereitung
(preparatio) und der gegenüber dieser in weiten Teilen der Welt beinahe noch mehr vernachlässigten Ehebegleitung (formatio) auch von den im Vorfeld
des zweijährigen synodalen Prozesses kontrovers diskutierten
offenen Fragen:
„Auch zu den eher umstrittenen Themen des dritten Teil wurde gesprochen, zur Frage, wie eine offene und willkommen heißende Kirche praktisch aussehen könne. Gerade zum Sakramentenzugang für wiederverheiratete Geschiedene gab es alle Positionen: „geht gar nicht und kann auch nicht“ bis hin zu „wir müssen da was tun“. Warum dürfe zum Beispiel ein laisierter und verheirateter Priester zur Kommunion gehen?, fragte ein Synodaler. Das Handeln der Kirche sei oft nicht verstehbar." (Radio Vatikan 12.10.2015)
Pater
Federico Lombardi überraschte auf der Pressekonferenz mit der Feststellung, auf die heute auch Erzabt Jeremias Schröder in seinem Synodenblog hinwies,
dass die Diskussion zudem gezeigt habe, dass "es keine
absolute Festigkeit der Lehre der Kirche und der Theologie über die
Fragen der Ehe und des Sakramentes der Eheschließung gebe" bzw.
"ein gewisses historisches Bewusstsein bestehe, dass es
Änderungen im Laufe der Jahrhunderte zu den Themen gegeben habe“,
wie sie auch an einigen Beispielen der letzten Jahrzehnte in diesem Blog am 19.4.2015 aufgeführt wurden.
Der
aus den USA stammende Assistent von Pressesprecher Lombardi, Pater
Thomas Rosica zitiert ein in der Ursprungssprache Englisch unter die
Haut gehendes Statement in seinem Bericht des Pressebriefings heute, indem er einen
Synodenvater zitiert, für den "die beiden Extreme, die beiden Pole, alles zu ändern
oder nichts, keine Option" sei:
„We have before us the great feel: The pastoral possibilities, a great scope of pastoral creativity. And we can no longer speak of the ways we've been speaking about the things. The old way was 'Truth in public' and 'Mercy in private'. That no longer holds. Also the same expression: 'Condemn the sin and not the sinner'- That no longer holds. We have to find new ways to expressing this things that people can understand them." […]
The Church must be an accompanying mother who does not reject anyone […]. And the key is to remain firm and theological principals, but to make ecclesiastical discipline flexible and not impossible for pastoral difficult or near impossible situations. The topic of new family structures arose. There are all kinds of new family structures that are in play. And the church is in the midst of them. We've single parent families. Parents of mixed-faith families. Families of same sex couples. Famlies with without the close support of grandparents or the absence of grandparents. Families of grandparents and children without the presence of parents. Families that are separated by continual migration or refugee difficulties in the world. Intergenerational poverty. Many Families are simply left out of our pastoral strategies. […] We have to reach out to those who do not fit our traditional categories. New families can no longer remain eliminated from the church. And the church cannot remain absent from these new situations." (eigene Verschriftlichung)
„Wir haben vor uns eine große Ahnung: Pastorale Möglichkeiten, eine große Breite pastoraler Kreativität. Wir können nicht mehr wie früher über die Dinge sprechen. Der alte Weg war 'Wahrheit in der Öffentlichkeit ' und 'Barmherzigkeit im Privaten". Das geht nicht länger. Und der gleiche Ausdruck: "Die Sünde verurteilen und nicht den Sünder', geht auch nicht mehr. Wir müssen neue Wege finden, um die Dinge auszudrücken, damit die Menschen sie auch verstehen können. […]
Die Kirche muss eine begleitende Mutter, die niemanden zurückweist […] . Und der Schlüssel ist, feste und theologischen Prinzipien zu haben, aber die kirchliche Disziplin flexibel zu gestalten um pastoral schwierige oder fast unmögliche Situationen nicht unmöglich zu machen.
Das Thema der neuen Familienformen ist ebenfalls aufgekommen. Es gibt alle Arten von neuen Familienformen, die neu dazu kommen. Und die Kirche ist in der Mitte von ihnen. Wir haben Alleinerziehende Familien. Eltern interreligiöser Familien. Familien mit gleichgeschlechtlichen Paaren. Familien ohne die enge Unterstützung der Großeltern oder mit der Abwesenheit von Großeltern. Familien mit Großeltern und Kindern ohne die Anwesenheit der Eltern. Familien, die durch kontinuierliche Migrations- oder Flüchtlingsschwierigkeiten in der Welt voneinander getrennt sind. Intergenerationelle Armut. Viele Familien fallen einfach aus unseren pastoralen Strategien heraus. […] Wir müssen es schaffen, auch diejenigen zu erreichen, die nicht in unsere traditionellen Kategorien passen. Neue Familienformen dürfen nicht mehr aus der Kirche eliminiert werden. Und die Kirche kann nicht mehr abseits bleiben von diesen Situationen." (eigene Übersetzung)
Dass diese Themen auf dieser Synode in neuer Weise in den Blick kommen und angesprochen werden, bezeichnete ein ebenfalls als Gast der Pressekonferenz eingeladenes, brasilianisches Ehepaar, Ketty und Pedro De Rezende, im Anschluss an den dichten, eindrücklichen Bericht der Pressesprecher zu den ersten Redebeiträgen des III. Teils des Instrumentum laboris, als 'historischen Moment in der Geschichte der Kirche', für den sie dankbar sind, ihn in Rom mitzuerleben zu können. Die beiden nächsten Tagen widmen sich aber in den Klein- und Sprachgruppen zunächst wieder den Themen des II. Teils des Arbeitspapieres, für den bis Mittwoch je Sprachgruppe wiederum ein Bericht erstellt und im Synodenplenum vorgestellt werden muss.