Montag, 12. Oktober 2015

Auch alte 'Synodenhasen' - ich habe heute jemanden getroffen, der ist schon auf seiner achten Synode hier - sagen mir: Das ist eine Revolution, das ist jetzt ganz anders!"

Vielleicht meinte der als  Delegierter der Ordensoberen gewählte deutsche Synodale, Abtpräses Jeremias Schröder OSB, in seinem Interview gegenüber dem offiziellen Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland 'Katholisch.de' den bereits erwähnten, ebenfalls zum achten Mal an einer Bischofssynode in Rom teilnehmenden Erzbischof von Washington, Kardinal Donald Wuerl, der gerade heute in einem von Seiten des Presseamtes des Vatikans veröffentlichten Videointerview die von Papst Franziskus weiterentwickelte Form der Synodalität gleichermaßen euphorisch lobte.
The last two synods - the one that proceeded and this one - are really great, great improvements. It's in a way a revolution. We're watching the development of the Synod! […]  I think it's a great step forward!.”
All dies wäre eine Wiederholung der vielen bereits zitierten Gedanken der Synodenväter, Berater und Gäste, wenn nicht ein - bereits durch die gezielte Vorveröffentlichung der Enzyklika 'Laudato Si'' diskreditierter Papstkritiker mit der Veröffentlichung eines vermeintlich von 13 Kardinälen unterzeichneten 'privaten' Schreibens an Papst Franziskus seinen Namen noch einmal mehr desavouiert hätte, in welchem sich diese Kardinäle früher erlebte, überkommene Synodenstrukturen zurückwünschten, aber auch unterstellten, dass mit den neuen Strukturen der Arbeit in Sprachgruppen und den neuen Formen der Beteiligung im Grunde nur die Existenz vorgefertigter Ergebnisse zu wichtigen und auch umstrittenen Themen kaschiert werden sollte.

Dass solche Vermutungen und Indiskretionen bewusst lanciert werden und von den immer selben Foren vermeintlich sachlich 'diskutiert' werden , nachdem Papst Franziskus in der Synodenaula allen 'konspirativen Verschwörungstheorien' in einer direkte Begegnung am Dienstagvormittag den Wind aus Segeln genommen hatte und die Arbeit der Synode gut vorangeschritten ist, nun eine Woche später von außen neu gezündelt werden, dient demselben, leicht durchschaubaren, aber böswilligen Motiv: dem schon in der vergangenen Woche misslungenen Versuch, die Arbeit der Synode bewusst von außen zu stören und unverhohlen dem Papst persönlich darin zu schaden.

Denn nicht von ungefähr kommen die Störmanöver zu einer Zeit, in der die Synode sich in der Generaldebatte seit Samstag und nach der Arbeit in den Kleingruppen an den ersten beiden Arbeitstagen dieser zweiten Synodenwoche fortgesetzt am kommenden Mittwoch sich denjenigen Fragen widmet, die zu den im Vorfeld am meisten diskutierten gehörten. Pater Bernd Hagenkord, der heute als Berichterstatter aus der Synodenaula  beim Pressebriefing in italienischer Sprache die wichtigsten Gesprächspunkte der insgesamt 43 freien Redebeiträge vorstellte, berichtete neben der einheitlich begrüßten, verstärkten Betonung der Ehevorbereitung (preparatio) und der gegenüber dieser in weiten Teilen der Welt beinahe noch mehr vernachlässigten Ehebegleitung (formatio) auch von den im Vorfeld des zweijährigen synodalen Prozesses kontrovers diskutierten offenen Fragen: 
„Auch zu den eher umstrittenen Themen des dritten Teil wurde gesprochen, zur Frage, wie eine offene und willkommen heißende Kirche praktisch aussehen könne. Gerade zum Sakramentenzugang für wiederverheiratete Geschiedene gab es alle Positionen: „geht gar nicht und kann auch nicht“ bis hin zu „wir müssen da was tun“. Warum dürfe zum Beispiel ein laisierter und verheirateter Priester zur Kommunion gehen?, fragte ein Synodaler. Das Handeln der Kirche sei oft nicht verstehbar." (Radio Vatikan 12.10.2015)

Pater Federico Lombardi überraschte auf der Pressekonferenz mit der Feststellung, auf die heute auch Erzabt Jeremias Schröder in seinem Synodenblog hinwies, dass die Diskussion zudem gezeigt habe, dass "es keine absolute Festigkeit der Lehre der Kirche und der Theologie über die Fragen der Ehe und des Sakramentes der Eheschließung gebe" bzw. "ein gewisses historisches Bewusstsein bestehe, dass es Änderungen im Laufe der Jahrhunderte zu den Themen gegeben habe“, wie sie auch an einigen Beispielen der letzten Jahrzehnte in diesem Blog am 19.4.2015 aufgeführt wurden.
 
Der aus den USA stammende Assistent von Pressesprecher Lombardi, Pater Thomas Rosica zitiert ein in der Ursprungssprache Englisch unter die Haut gehendes Statement in seinem Bericht des Pressebriefings heute, indem er einen Synodenvater zitiert, für den "die beiden Extreme, die beiden Pole, alles zu ändern oder nichts, keine Option" sei:
We have before us the great feel: The pastoral possibilities, a great scope of pastoral creativity. And we can no longer speak of the ways we've been speaking about the things. The old way was 'Truth in public' and 'Mercy in private'. That no longer holds. Also the same expression: 'Condemn the sin and not the sinner'- That no longer holds. We have to find new ways to expressing this things that people can understand them."  […]  
The Church must be an accompanying mother who does not reject anyone  […].  And the key is to remain firm and theological principals, but to make ecclesiastical discipline flexible and not impossible for pastoral difficult or near impossible situations. The topic of new family structures arose. There are all kinds of new family structures that are in play. And the church is in the midst of them. We've single parent families. Parents of mixed-faith families. Families of same sex couples. Famlies with without the close support of grandparents or the absence of grandparents. Families of grandparents and children without the presence of parents. Families that are separated by continual migration or refugee difficulties in the world. Intergenerational poverty. Many Families are simply left out of our pastoral strategies. […]  We have to reach out to those who do not fit our traditional categories. New families can no longer remain eliminated from the church. And the church cannot remain absent from these new situations." (eigene Verschriftlichung)
Wir haben vor uns eine große Ahnung: Pastorale Möglichkeiten, eine große Breite pastoraler Kreativität. Wir können nicht mehr wie früher über die Dinge sprechen. Der alte Weg war 'Wahrheit in der Öffentlichkeit ' und 'Barmherzigkeit im Privaten". Das geht nicht länger. Und der gleiche Ausdruck: "Die Sünde verurteilen und nicht den Sünder', geht auch nicht mehr. Wir müssen neue Wege finden, um die Dinge auszudrücken, damit die Menschen sie auch verstehen können.  […]  
Die Kirche muss eine begleitende Mutter, die niemanden zurückweist […] . Und der Schlüssel ist, feste und theologischen Prinzipien zu haben, aber die kirchliche Disziplin flexibel zu gestalten um pastoral schwierige oder fast unmögliche Situationen nicht unmöglich zu machen.
Das Thema der neuen Familienformen ist ebenfalls aufgekommen. Es gibt alle Arten von neuen Familienformen, die neu dazu kommen. Und die Kirche ist in der Mitte von ihnen. Wir haben Alleinerziehende Familien. Eltern interreligiöser Familien. Familien mit gleichgeschlechtlichen Paaren. Familien ohne die enge Unterstützung der Großeltern oder mit der Abwesenheit von Großeltern. Familien mit Großeltern und Kindern ohne die Anwesenheit der Eltern. Familien, die durch kontinuierliche Migrations- oder Flüchtlingsschwierigkeiten in der Welt voneinander getrennt sind. Intergenerationelle Armut. Viele Familien fallen einfach aus unseren pastoralen Strategien heraus. […]  Wir müssen es schaffen, auch diejenigen zu erreichen, die nicht in unsere traditionellen Kategorien passen. Neue Familienformen dürfen nicht mehr aus der Kirche eliminiert werden. Und die Kirche kann nicht mehr abseits bleiben von diesen Situationen."
(eigene Übersetzung)

Dass diese Themen auf dieser Synode in neuer Weise in den Blick kommen und angesprochen werden, bezeichnete ein ebenfalls als Gast der Pressekonferenz eingeladenes, brasilianisches Ehepaar, Ketty und Pedro De Rezende, im Anschluss an den dichten, eindrücklichen Bericht der Pressesprecher zu den ersten Redebeiträgen des III. Teils des Instrumentum laboris, als 'historischen Moment in der Geschichte der Kirche', für den sie dankbar sind, ihn in Rom mitzuerleben zu können. Die beiden nächsten Tagen widmen sich aber in den Klein- und Sprachgruppen zunächst wieder den Themen des II. Teils des Arbeitspapieres, für den bis Mittwoch je Sprachgruppe wiederum ein Bericht erstellt und im Synodenplenum vorgestellt werden muss.