Le synode est une
chance non seulement pour l'église, mais pour le monde entière - Die Synode ist eine Chance nicht nur für die Kirche, sondern für die gesamte Welt!
Kardinal Philippe Ouédraogo, Kardinal Rubén Salazar Gomez, Kardinal Vincent Nichols und Pressesprecher Federico Lombardi SJ (v.l.; Bild: HolySeePress) |
Diesen
Satz sagte der
zum dritten Mal an einer Bischofssynode teilnehmende Kardinal
Philippe
Ouédraogo,
Erzbischof Ouagadougou (Burkina
Faso)
in einem Statement innerhalb der heutigen Pressekonferenz, in
der er die Bedeutung des gemeinsamen Austausches, des voneinander
Lernens und des
Teilens
der gemeinsamen Probleme und Herausforderungen auf der Ebene der Weltkirche beschrieb. Ein
Gedanke fällt auch in seinem Bericht zum wiederholten
Male als
Beitrag des afrikanischen Kontinents, den
schon Erzbischof Charles-Gabriel Palmer-Buckle aus Accra (Ghana) bei
der Pressekonferenz am 8.10.2015 erwähnt hatte - wie
in diesem Blog festgehalten -
und gestern gegenüber Radio Vatikan ausführlicher beschrieb:
„Wir sind hier, dieses Verständnis von Kirche der ganzen Mutter Kirche anzubieten: Gott ist Familie. Vater, Sohn und Heiliger Geist. Jesus ist Mensch geworden in einer Familie, mit Mutter und Vater. Wie kann man das machen, dass jemand sich in der Kirche wie in einer Familie, wie zu Hause fühlt, gut aufgenommen von Vater, Sohn und Heiligem Geist? Eine Familie, die uns vielleicht wirklich hilft, gerade in Afrika, über bestimmte Grenzen hinauszugehen, die uns zerstören: Stammesdenken, Clandenken, Leute, die nicht in Brüderlichkeit zu leben verstehen. In Afrika gibt es so viele Krisen. Wir Bischöfe von Afrika denken an das Ideal der Familienkirche, der Kirche als Familie.“ (Radio Vatikan vom 13.10.2015)
Unbeschadet
der genannten einzelnen Herausforderungen (die Themen des III. Teils
des Instrumentum laboris sind) ist in diesem Statement der
Gedanke der 'Kirche als Familie' hier beschrieben, den
auch
Kardinal Philippe
Ouédraogo im
Pressebriefing
noch
einmal nachdrücklich als den Beitrag Afrikas zu dieser
Bischofssynode hervorhob. Dieser Gedankengang
hat bei näherem Hinsehen auch eine enge Verbindung zu dem
erweiterten,
christlichen Sinn des
Begriffes der 'Hauskirche'. Diese bezieht
sich ursprünglich alles andere als auf die Kleinfamilie des heutigen Westeuropas, sondern auf die Lebensbeziehungen 'gemeinsam in einem
Haus(halt) Lebender'. Familie als Hauskirche ist damit nicht primär auf genetische Verwandtschaft bezogen, so
dass nicht nur rein terminologisch eine Offenheit des christlichen
Familienbegriffs für verschiedenste Familienformen besteht (s.
Blogbeitrag vom 12.10.2015 und vom 18.06.2015), sondern eben auch eine noch
darüber hinausgehende Verbindung von Clans, Gruppen und Völkern, ja
Christen der ganzen Welt zu einer Familie möglich zu denken sind. In direkter Folge passt dieser Gedanke auch zu der Verbundenheit aller Menschen
untereinander, füreinander und für die Welt, wie sie in den schöpfungstheologischen Lehraussagen der Enzyklika"Laudato Si'" (auch in diesem Blog am 19.8.2015) beschrieben sind.
Inwieweit
sich dieser wirklich weiterführende Gedanke durchsetzen und in die am
Ende der Synode zu erstellende 'Relatio finalis' aufgenommen werden wird, ist
offen – und
ebenso, wie die wiederholt in der Pressekonferenz von Kardinal Vincent
Gerard Nichols, Erzbischof von Westminster (England) und Vorsitzender
der Bischofskonferenz, gestellte Frage, ob Papst Franziskus ggf. die
Synodenergebnisse erst in einem päpstlichen Lehrschreiben innerhalb
des am 8. Dezember 2015 beginnenden "Jahres der Barmherzigkeit" vorsehen könnte. Die am heutigen
Vormittag vorgestellten 13 Berichte zum II. Teil des Instrumentum laboris legen dies dem Papst in gewisser Weise nahe, indem sie diesen
Wunsch entweder ausdrücklich ansprechen oder aber – im Grunde in
dieselbe Richtung zielende - auf eine stärkere
theologische Durchdringung und Konzeption des
II. Teiles wert legen. Die Schwierigkeit des Textes sieht
Kardinal
Nichols in der Verbindung des Abschlussdokumentes der
letztjährigen Synode (Relatio Synodi)
mit den eingearbeiteten Ergänzungen aufgrund der Befragung der
Teilkirchen zu dem jetzigen Arbeitspapier, bei dem ein wirklicher
'theologischer Rahmen'
im Instrumentum laboris nach den Rückmeldungen einiger Kleingruppen noch fehle, insbesondere zu
der Verbindung der zusammengehörenden Begriffe 'Barmherzigkeit' und
'Gerechtigkeit'. Und auf die Verbindung eben dieser
beider Begriffe aus dem Auditorium der Presseaula gefragt, sagte
Kardinal Nichols voller Anerkennung für den Beitrag der deutschen
Sprachgruppe:
„There was no doubt that the german report was the most theological and the first theme was Mercy, Truth, Grace and Justice. And the report went on to talk about what we need is the wisdom to approach and attend to each situation. And to make the distinction between attending to situations and simply making exceptions. And it's important to remember who is in that group; and important to know that every resolution of this group on this report was accepted unanimously in that group. There was no tension or division in this group."
„Ohne Zweifel war der deutsche Bericht der theologisch bedeutsamste, indem er die Begriffe Barmherzigkeit, Wahrheit, Gnade und Gerechtigkeit zueinander in Verbindung setzte. Und der Bericht bezog sich dann auf die Weisheit und Klugheit in jeder einzelnen Situation, und dem Unterschied zwischen der Bezugnahme auf eine Einzelsituation und Ausnahmeregelungen. Und es ist wichtig zu wissen, wer in dieser Gruppe ist, und ebenso, dass der Bericht in Übereinstimmung verabschiedet wurde. Es gab keine Spannung oder Spaltung in dieser Gruppe."
Die Wertschätzung für
die Bedeutung der Arbeit des deutschsprachigen Kleingruppe hat
mehrfache Gründe, so dass sie mehr als gute Grundlagen für die in
den anderen Berichten geforderten theologischen Rahmen ('theological framework') bieten.
Gleich der erste Absatz widmet sich der Verhältnisbestimmung der
Begriffe 'Barmherzigkeit' und 'Gerechtigkeit':
„Ausführlich haben wir die immer wieder als Gegensatz aufgefassten Begriffe Barmherzigkeit und Wahrheit, Gnade und Gerechtigkeit und ihre theologische Beziehung zueinander diskutiert. Sie sind in Gott keine sich gegenüber stehenden Gegensätze: Weil Gott Liebe ist, fallen in Gott Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in eins. Die Barmherzigkeit Gottes ist die grundlegende Offenbarungswahrheit, die nicht im Gegensatz steht zu anderen Offenbarungswahrheiten. Sie erschließt uns vielmehr deren tiefsten Grund, da sie uns sagt, warum Gott sich in seinem Sohn selbst entäußert hat und weshalb Jesus Christus durch sein Wort und seine Sakramente bleibend zu unserem Heil in seiner Kirche gegenwärtig ist. Die Barmherzigkeit Gottes erschließt uns damit den Grund und das Ziel des gesamten Heilswerkes. Die Gerechtigkeit Gottes ist seine Barmherzigkeit, mit der er uns gerecht macht."
Ist der erste Absatz
eindeutig eine lucide dogmatische Verhältnisbestimmung, bezieht der
nächste Absatz sich auf die Grundlagen der theologischen Ethik,
welche Argumentationsführung auch für die Lösung der im III. Teil
des Instrumentum laboris aufgeführten Einzelfragen wichtig werden
wird:
„Wir haben auch überlegt, welche Konsequenzen dieses Ineinander für unsere Begleitung von Ehen und Familien hat. Es schließt eine einseitig deduktive Hermeneutik aus, welche konkrete Situationen unter ein allgemeines Prinzip subsumiert. Im Sinne des Thomas von Aquin und auch des Konzils von Trient steht die Anwendung der Grundprinzipien mit Klugheit und Weisheit auf die jeweilige, oft komplexe Situation an. Dabei geht es nicht um Ausnahmen, in denen Gottes Wort nicht gültig sein soll, sondern um die Frage der gerechten und billigen Anwendung des Wortes Jesu – etwa des Wortes der Unauflösbarkeit der Ehe – in Klugheit und Weisheit. Thomas von Aquin hat diese Notwendigkeit der konkretisierenden Applikation deutlich gemacht, etwa wenn er sagt: „Zur Klugheit gehört nicht nur die Überlegung der Vernunft, sondern auch die Applikation auf die Handlung, welche das Ziel der praktischen Vernunft ist“ (STh II-II-47,3: „ad prudentiam pertinet non solum consideratio rationis, sed etiam applicatio ad opus, quae est finis practicae rationis“)."
Der Gedanke der
schrittweisen Begleitung und Hinführung von Paaren zum Sakrament der
Ehe gilt ein weiterer, bestätigender - weil auch im Instrumentum laboris bereits ausgeführter - Passus.
„Ein anderer Aspekt unserer Diskussion war die vor allem in Kapitel 3 des II. Teils öfters angesprochene stufenweise Hinführung der Menschen zum Sakrament der Ehe, angefangen von unverbindlichen Beziehungen über unverheiratet zusammenlebende Paare und nur standesamtlich Verheiratete bis hin zur kirchlich gültigen und sakramentalen Ehe. Diese Menschen auf den unterschiedlichen Stufen seelsorgerisch zu begleiten, ist eine große pastorale Aufgabe, aber auch Freude."
Dafür ist die Gedanke
der Paralleliserung der Entstehung der heilsgeschichtlichen Ehelehre
mit der biographisch-geschichtlichen Erfahrung von Partnerschaften
unserer Tage auf dem Weg zur sakramentalen Ehe geradezu genial:
„Deutlich wurde uns auch, dass wir in vielen Diskussionen und Wahrnehmungen zu statisch und zu wenig biographisch-geschichtlich denken. Die kirchliche Ehelehre hat sich geschichtlich entwickelt und vertieft. Zunächst ging es um die Humanisierung der Ehe, die sich in der Überzeugung der Monogamie verdichtet hat. Im Licht des christlichen Glaubens wurde die personale Würde der Ehepartner tiefer erkannt und die Gottebenbildlichkeit des Menschen in der Beziehung von Mann und Frau wahrgenommen. In einem weiteren Schritt wurde die Kirchlichkeit der Ehe vertieft und sie als Hauskirche verstanden. Schließlich wurde der Kirche die Sakramentalität der Ehe ausdrücklich bewusst. Dieser geschichtliche Weg der Vertiefung zeichnet sich heute auch in der Biographie vieler Menschen ab. Sie sind zunächst berührt von der humanen Dimension der Ehe, sie lassen sich von der christlichen Sicht der Ehe im Lebensraum der Kirche überzeugen und finden von daher den Weg zur Feier der sakramentalen Ehe. Wie die geschichtliche Entwicklung der kirchlichen Lehre Zeit beansprucht hat, so muss die kirchliche Pastoral auch den Menschen heute auf ihrem Weg hin zur sakramentalen Ehe Zeit der Reifung gewähren und nicht nach dem Prinzip „Alles oder Nichts“ handeln. Hier ist der Gedanke eines „Prozesses von Stufe zu Stufe“ (FC 9) auf die Gegenwart hin weiter zu entfalten, den Johannes Paul II. bereits in Familiaris consortio grundgelegt hat: „Das pastorale Bemühen der Kirche beschränkt sich nicht nur auf die christlichen Familien in der Nähe, sondern kümmert sich, indem es den eigenen Horizont nach dem Maßstab des Herzens Jesu ausweitet, noch intensiver um alle Familien in ihrer Gesamtheit und vor allem um jene, die sich in einer schwierigen oder irregulären Lage befinden.“ (FC 65) Die Kirche steht dabei unausweichlich in dem Spannungsfeld zwischen einer notwendigen Klarheit der Lehre von Ehe und Familie einerseits und der konkreten pastoralen Aufgabe andererseits, auch diejenigen Menschen zu begleiten und zu überzeugen, die in ihrer Lebensführung nur teilweise mit den Grundsätzen der Kirche übereinstimmen. Mit ihnen gilt es Schritte auf dem Weg zur Fülle eines Lebens in Ehe und Familie zu gehen, wie es das Evangelium von der Familie verheißt."
Der letzte Passus
widmet sich der Betonung Bedeutung der 'Pastoralen Sorge' (pastoral
care), die schon als Fokus dieser Synode mehrfach beschrieben wurde
und sich auf die „verborgenste Mitte (…) im Menschen“ beziehen
muss:
„Notwendig ist dabei eine personal ausgerichtete Seelsorge, die die Normativität der Lehre und die Personalität des Menschen in gleicher Weise einbezieht, seine Gewissensfähigkeit im Blick behält und seine Verantwortung stärkt. „Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird. Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist.“ (GS 16)
Die angefügten
Nachbemerkungen der Eingabe der deutschen Sprachgruppe sind ebenfalls
mehr als Fußnoten:
„Wir bitten für die Endfassung des Textes noch zwei Aspekte zu bedenken:
Es sollte jeder Eindruck vermieden werden, dass die Heilige Schrift nur als Zitationsquelle für dogmatische, juristische oder ethische Überzeugungen gebraucht wird. Das Gesetz des Neuen Bundes ist das Werk des Heiligen Geistes im Herzen der Gläubigen (vgl. Katechismus der katholischen Kirche Nr. 1965-1966). Das geschriebene Wort ist zu integrieren in das lebendige Wort, das im Heiligen Geist in den Herzen der Menschen wohnt. Das gibt der Heiligen Schrift eine weite geistliche Kraft.
Schließlich haben wir uns schwergetan mit dem Begriff Naturehe. In der Geschichte der Menschheit ist die natürliche Ehe immer auch kulturell geprägt. Der Begriff Naturehe kann unterstellen, dass es eine natürliche Lebensform des Menschen gäbe ohne kulturelle Prägung. Wir schlagen deshalb vor zu formulieren: „Die in der Schöpfung begründete Ehe“.
Hatte ich noch am
Freitag in Hinblick auf die kurze Generaldebatte zum II. Teil Sorge,
dass das Synodenplenum zu schnell und ohne theologisches Fundament
auf die z.T. schwierigen, z.T. umstrittenen pastoralen Einzelfragen
des III. Teils zugehen könnte, bin ich nun mehr als zuversichtlich,
dass die Synodalen im Zusammentragen ihrer einander bereichernden
Eingaben, die Fragen angehen können, die “die Berufung und Mission
der Familie inder Kirche in der modernen Welt" herausfordern – wie
sie im III. Teil des Instrumentum laboris dem Synodenplenum vor Augen
stehen werden.