„Heute ist die Zeit der Barmherzigkeit!“ – Papst Franziskus zum Abschluss der
XIV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode in Rom
(Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk) |
„Heute ist die Zeit
der Barmherzigkeit!“, sagte Papst Franziskus in der Predigt der feierlichen Abschlussmesse der Bischofsversammlung und lenkte über die
theologische Deklinierung des Verhältnisses von „Einheit und Verschiedenheit in der Synodalität“ anhand der vielen drängenden
Familienthemen hinaus die Aufmerksamkeit auf den theologischen
Neuansatz der heute zu Ende gegangenen Familiensynode: den liebevollen Blick
auf den einzelnen Menschen im Rahmen eines
schöpfungstheologischen Gesamtentwurfes im „großen Strom der barmherzigen Liebe“ (MV 25).
Diese „pastorale Wende“ (Lineamenta) ist auch der zentrale Aspekt in der Presseerklärung
der Teilnehmer der Deutschen Bischofskonferenz zum Abschluss der
Weltbischofssynode in Rom:
„Grundlagen unserer Beratungen waren neben der Heiligen Schrift und der Tradition die Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils: ‚Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi‘ (Gaudium et spes 1). In diesem Geist haben wir uns theologisch und praktisch mit den Bedürfnissen der Familien auseinandergesetzt.
Die Bischofssynode hat die Situation von Familien ernstgenommen wie sie ist: offen, ehrlich, global differenziert, aber doch in vielem ähnlich. Ehe und Familie sind über alle kulturellen Unterschiede hinweg eine konstante Größe menschlichen Zusammenlebens. Deshalb sind wir Papst Franziskus dankbar, dass er den synodalen Weg der Kirche bei diesem Thema beschreitet. Er begann mit den weltweiten Umfragen des Vatikans und der Synode im vergangenen Jahr. Der heutige Abschluss ist nicht das Ende, sondern ein Doppelpunkt: Wir müssen diesen Weg für und mit den Familien weitergehen. Keine andere globale Institution unternimmt eine solche Reflexion mit weltweiter Partizipation zum Thema Familie.
Die Synode hat gezeigt, welche große Bedeutung die Kirche Ehe und Familie beimisst. Gerade in dieser Frage bestand während der Beratungen ein breiter Konsens. Die Kirche ermutigt Menschen, Ehe und Familie zu leben und sich darauf einzulassen, diesen Weg in Treue weiterzugehen und Schwierigkeiten durchzustehen. Die Synode hat betont, dass der ganz normale familiäre Alltag ein Zeugnis ist. Gleichzeitig sind wir aufgerufen, Wege zu suchen, die Familie zu stärken und zu begleiten. Das kann anwaltschaftlich zum Beispiel im sozialpolitischen Einsatz zu Gunsten der Familie geschehen, gerade auch für kinderreiche Familien oder für Alleinerziehende, im Einsatz für eine staatliche Gesetzgebung, die Familie fördert und ihren Wert für die Gesellschaft anerkennt. Das muss insbesondere auch innerkirchlich geschehen, zum Beispiel durch eine entsprechende Ausbildung der pastoralen Mitarbeiter zur Begleitung der Familien, durch eine bessere Ehevorbereitung und -begleitung, gerade in den ersten Jahren der Ehe, aber auch durch Beratungsangebote und Einrichtungen.
In der Synode ist deutlich geworden, dass die kirchliche Begleitung insbesondere in Situationen der Bedrängnis gefordert ist, zum Beispiel wenn Erziehung schwierig wird, Familienmitglieder krank sind oder Behinderungen viel Aufmerksamkeit und Fürsorge erfordern, wenn Ehepaare im Streit leben, wenn Menschen geschieden sind und erneut heiraten. Hier gilt es nicht nur anzuerkennen, was die Kirche leistet, sondern auch ehrlich zu sagen, was wir als Kirche versäumt haben: Im falsch verstandenen Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten, kam es in der Pastoral immer wieder zu harten und unbarmherzigen Haltungen, die Leid über Menschen gebracht haben, insbesondere über ledige Mütter und außerehelich geborene Kinder, über Menschen in vorehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, über homosexuell orientierte Menschen und über Geschiedene und Wiederverheiratete. Als Bischöfe bitten wir diese Menschen um Verzeihung, so haben wir es in unserem Arbeitskreis formuliert.
Wir sind dankbar, dass die Synode eine Wertschätzung der interkonfessionellen Ehen ausgesprochen und den Wegcharakter des Lebens in Ehe und Familie unterstrichen hat, indem auch eine positivere Sicht auf den Weg vor der Ehe diskutiert wurde. Beim Thema der wiederverheiratet Geschiedenen sind notwendige Differenzierungen der Situationen im Text aufgegriffen. Es ist gelungen, Pauschalierungen zu vermeiden. Der Synode ist klar, dass es jede Lebenssituation individuell zu betrachten gilt. Im Rückblick hätten wir uns manches Mal mehr Mut gewünscht, sich intensiver mit den Realitäten zu befassen und sie als Zeichen der Zeit anzuerkennen, in denen Gott uns etwas sagen will, aber wir anerkennen auch, dass wir gelernt haben, uns auf andere Kulturen und Erfahrungen einzulassen.
Die Bischofssynode berät den Papst. Wir werden den weiteren Weg mit unseren Gebeten begleiten. Vor Papst Franziskus liegt jetzt die Aufgabe, die Fülle von Ergebnissen für die Kirche zu nutzen. Der Heilige Vater kann nun Entscheidungen für die ganze Kirche treffen, wobei er immer für die Einheit der Kirche steht und den weiteren synodalen Weg, wie er selbst in seiner historischen Rede vor einer Woche gesagt hat.
Wir werden das, was in der Synode bedacht wurde, zu Hause vertiefen und nach Konkretionen suchen. Als Kirche gehen und leben wir mit den Menschen, den Ehepaaren, den Familien, gerade auch mit den Bedrängten, mit deren Freude und Hoffnung, Trauer und Angst. Fragen, die uns jetzt begleiten, sind etwa: Wie öffnen wir Wege hin zu Christus und verschließen sie nicht? Wie integrieren wir die Menschen ganz in die Kirche? Wie werden wir eine Kirche mit offenen Türen? Und wie verhalten wir uns gegenüber Familien in schwierigsten Lebenssituationen wie zum Beispiel Flüchtlingsfamilien, um ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen, wie es das Evangelium aufzeigt? Wie können wir die Familienpastoral insgesamt mit neuem Schwung voranbringen?
Die Deutschen Bischöfe
schreiben im letzten Absatz ihrer Presseerklärung: „Der
synodale Weg der Kirche geht weiter. Vielleicht hat er gerade erst
begonnen.“ Und dies gemeinsam mit Papst Franziskus, dessen letzte Worte der
Predigt zum Ende der XIV. Ordentlichen Generalversammlung der
Bischofssynode ebenfalls dazu auffordern, ‚gemeinsam weiterzugehen“
('camminare insieme'), und mit der Bekräftigung seines schöpfungstheologischen, den einzelnen Menschen
in den Blick nehmenden, theologischen Ansatz enden:
„Gehen wir weiter auf dem Weg, den der Herr wünscht. Erbitten wir von ihm einen geheilten und erlösten Blick, der Licht zu verbreiten weiß, weil er sich an den Lichtglanz erinnert, der ihn erleuchtet hat. Ohne uns je vom Pessimismus und von der Sünde verdunkeln zu lassen, wollen wir die Herrlichkeit Gottes suchen und sehen, die im lebendigen Menschen aufscheint."Lesen Sie den Blog-Beitrag vom 8.11.2016!