Mittwoch, 7. Oktober 2015

"Papst Franziskus bat, nicht einer 'Hermeneutik der Verschwörung' stattzugeben, die soziologisch schwach und geistlich nicht förderlich ist."

 
Dieser Satz, über den Kurznachrichtendienst Twitter nach der zweiten Plenarsitzung am Dienstagmittag verbreitet, beschäftigte auch die Pressekonferenz des heutigen Mittwoch. Papst Franziskus sagte diese Worte in seiner gestern erwähnten, überraschenden Intervention im Anschluss an die notwendig gewordene, wiederholte Erläuterung der Geschäftsordnung der XIV. Ordentlichen Bischofssynode durch Synodensekretär Lorenzo Kardinal Baldisseri und beides wohl nach Berichten als Reflex auf eine Stellungnahme des australischen Kardinals George Pell, Präfekt des Sekretariats für Wirtschaft und Mitglied des G9-Kardinalsrates des Papstes, gegen Ende der einstündigen 'freien Diskussion' am Montagabend. Darin hatte er die Zusammensetzung einer zehn Personen umfassenden Sonderkommissionen, die das Abschlussdokument (Relatio finalis) zusammenstellen wird, als nicht ausreichend repräsentativ für ein breites Spektrum von Mitgliedern aus den verschiedenen Regionen der Welt kritisiert, die mit anderen, von der Synodenversammlung gewählten Mitgliedern ergänzt werden solle.
Hinter dem gesamten synodalen Prozess eine Verschwörung zu wittern, ist wohl in vielen extremen Foren weltweit und leider auch im deutschen Sprachraum von selbsternannten 'katholischen Internetmagazinen' wie kath.net oder katholisches.info eine gängige Münze auch in dieser Woche. Sich von solchen Anwandlungen  konspirativer Kräfte frei zu machen, die wohl bis in die Synodenaula spalterisch hineinragen, und auf einen geistlichen Prozess unter der Führung des Heiligen Geistes einzulassen, ist der wiederholte Wunsch des Papstes; und die entschiedene Bitte, die in seiner gestrigen Intervention deutlich wurde, sich für das Wirken des Heiligen Geistes in der Synode zu öffnen. Die in dem Bericht Kardinal Baldisseris erwähnte, zehn Personen umfassende Sonderkommission tatsächlich aus allen Kontinenten zusammengesetzt soll die Transparenz des Gesamtprozesses während der Synode im Blick haben, vor allem aber die Arbeit der Kleingruppen zusammenfassen und für das Abschlussdokument aufbereiten. 
 
 
Der Beginn dieser Kleingruppenarbeit war dann auch heute der hauptsächliche Fokus des dritten Synodenarbeitstages und der diesbezüglichen Pressekonferenz. Insgesamt verteilen sich die 270 Synodenväter und knapp 90 Berater und Gäste auf 13 Klein- bzw. Sprachgruppen: 4 englische, je 3 französische und italienische, 2 spanische und die deutschsprachige. Der zum Berichterstatter (Relator) einer englischen Sprachgruppe gewählte Erzbischof von Philadelphia, Charles Joseph Chaput, erfährt gerade in seiner Kleingruppe eine ähnliche Sprachen- und Kulturenvielfalt, die er noch vor  wenigen Wochen als Gastgeber des Weltfamilientreffens erlebt hat. Er erzählt in der Pressekonferenz von der globalen Zusammensetzung seiner englischsprachigen Kleingruppe, der Synodale aus Pakistan, Kanada, England, Frankreich, Indien, Bangladesch, Kenia, Philippinen, Ghana, Sambia, Indonesien, Australien, Belgien und den USA angehören. Und wahrscheinlich wird auch Erzbischof Chaput nicht erst in der letzten Synodenwoche in ähnlicher Weise den gestern von Kardinal Marx zitierten Satz über die Herausforderung der Synode angesichts der Vielfalt der kulturellen Verwurzelung innerlich mehr als einmal ruminieren. Und sicher meinte er das auch, als er in der Pressekonferenz einen heute mehrfach angesprochenen Gedanken mit dem folgenden Satz auf den Punkt brachte:
Language is a big issue!
Demgegenüber repräsentiert die – im Gegensatz zum vergangenen Jahr – neu einberufene, deutschsprachige Arbeitsgruppe nicht nur einen geschlossenen Sprachraum, sondern auch ein und denselben Kulturraum. Dieser u.a. mit zwei Kurienkardinälen und Vorsitzenden der deutschsprachigen Bischofskonferenzen hochkarätig besetzte 'Circulus minor' wählte den Erzbischof von Wien, Christoph Kardinal Schönborn, zum Moderator und den Familienbischof Deutschlands, Erzbischof Koch zum Relator. Er wird in dieser Aufgabe der erwähnten Redaktionskommission wie der Synodenaula jeweils mit Ende der Beratungen zu jedem der insgesamt drei Teile des Vorbereitungsdokumentes Bericht erstatten und damit drei von insgesamt 39 Relationes – alle auch veröffentlicht beitragen, aus denen dann auf der Grundlage des Instrumentum laboris das Abschlussdokument erstellt wird.


Wider alle Verschwörungsszenarien prägen Transparenz, Offenheit und die Einladung zum Gespräch die Arbeitsatmosphäre; sowie die Bereitschaft, um Inhalte „auch zu ringen“, wie es Bischof Bode am Montagabend zum Ausdruck brachte. Und dass auch von 'alten Hasen' mit jahrzehntelanger Synodenerfahrung im Gegensatz zu früher eine wohltuende Weiterentwicklung der zuvor gewohnten Gesprächskultur festgestellt werden kann, sagte der zum achten Mal an einer Bischofssynode teilnehmende und extra für die erwähnte Redaktionsgruppe berufene Erzbischof von Washington, Kardinal Donald Wuerl, heute mit diesen Worten:

Die letzten zwei Synoden, also die 2014 und die jetzige sind ganz anders, sie sind viel offener als alle Synoden, an denen ich in der Vergangenheit teilgenommen habe. Die Teilnehmer haben viel mehr Zeit, zu sprechen, die kleinen Sprachgruppen haben viel mehr Zeit. Denn hier tauschen sich die Teilnehmer aus, hier werden Ideen diskutiert und die Menschen nehmen aktiv teil. Das ist eine wunderbare Entwicklung in der Offenheit und Synodalität, von der unser Heiliger Vater spricht.“ (Radio Vatikan vom 7.10.2015)