Erste
Lesung der Relatio finalis – „Wir können nicht einfach 'Familiaris consortio' wiederholen.“
Ein
Mitglied der zehnköpfigen Synodenkommission, die für die
Fertigstellung des Abschlussdokuments zuständig ist, der indische
Kardinal Oswald Gracias (Erzbischof von Mumbai), verriet heute in der
Pressekonferenz, dass es der ursprüngliche Plan gewesen sei, die den
Synodalen heute Nachmittag vorgelegte Relatio vorzulesen. Stattdessen
führte der Generalrelator Kardinal Péter Erdö in die Grundgedanken
und Struktur der Textvorlage der Relatio finalis ein, nachdem der
Generalsekretär der Bischofssynode, Kardinal Baldisseri, zuvor die
Arbeitsweise der zehnköpfigen Textkommission erläutert hatte. Das
eingehende Studieren des um die 100 Paragraphen umfassenden
Abschlussdokumentes ist damit in der 1. Lesung der privaten Lektüre
am heutigen Donnerstagabend bzw. dieser Nacht vorbehalten, bevor der
Text morgen Vormittag in der Generalversammlung in einer offenen
Debatte zur Diskussion gestellt wird.
Synodale der XIV. Ordentlichen Bischofssynode bei der Lektüre (Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk) |
Die Rückfragen und Antworten des Pressebriefings ergeben bereits einen guten Einblick in einige Grundgedanken der Abschlussrelatio, die in Hinblick auf eine möglichst hohe Akzeptanz manche Detailfragen wahrscheinlich im Kontext eines übergeordneten Themenkreises ansprechen wird:
„Journalisten wollten wissen, ob die von Papst Franziskus gewünschte Dezentralisierung bei pastoralen Fragen eine Rolle spielen würde. Gracias verwies darauf, dass in Afrika Probleme mit Polygamie, in Europa mit Geschiedenen und „sein“ Asien wiederum andere Probleme habe und dennoch sei die Kirche eine Einheit und der Glaube derselbe. „Aber man muss die verschiedenen kulturellen Kontexte beachten“, fügte er an. Spezifische Probleme für einzelne Regionen bedürfen gezielter Lösungen.“ (Radio Vatikan 22.10.2015)
Der
Erzbischof von Los Angeles José Horacio Gómez (USA) betonte, dass
er sich gerne mehr Zeit für die Diskussion und Vertiefung einzelner
Themen gewünscht hätte und verwies insbesondere
auf die Herausforderungen
durch Migration und Wirtschaftskrise der
Welt. Wichtig sei
es, dass die Kirche dazu beigetrage, dass
Menschen in ihrer
Not gesehen und unterstützt werden und ihr
Potenzial in allen Aspekten ihres Lebens erreichen
können.
Erzbischof
Gracias, der bereits 1980 an der 5. Generalversammlung der
Bischofssynode „Die christliche Familie“
teilgenommen hatte, erläuterte, dass heute nicht einfach das ein Jahr später veröffentlichte
Apostolische Schreiben 'Familiaris consortio' für das Abschlussdokument dieser
Synode übernommen werden könne, weil sich die Herausforderungen in
den vergangenen 35 Jahren erheblich verändert hätten. In dem heute vielzitierten
Absatz 84 des genannten Lehrschreibens habe Papst
Johannes Paul II. bereits zu unterscheiden
versucht, dass
nicht jede/r in derselben Kategorie
eingeordnet werden dürfe und zu
unterscheiden sei, ob jemand ein
Ehebündnis gebrochen habe oder dies
erlitten und mit allen Mitteln versucht
habe, daran festzuhalten.
Daraufhin
werde heute neu gesucht und gefragt,
ohne schon fertige Antworten zu haben.
Kardinal
Schönborn erläuterte heute noch einmal diese Kriterien bezogen auf
den von der deutschsprachigen Kleingruppe einstimmig verabschiedeten
Vorschlag an den Papst:
„Zu den Kriterien, nach denen im seelsorglichen Gespräch die Situation der wiederverheirateten Geschiedenen beleuchtet werden soll, gehören nach Ansicht der deutschsprachigen Gruppe etwa die Fragen, wie sie mit ihren Kindern umgegangen sind, als die eheliche Gemeinschaft in die Krise geriet. Habe es Versuche der Versöhnung geben und wie sei die Situation des verlassenen Partners jetzt? Was seien die Auswirkungen der neuen Partnerschaft auf die weitere Familie und die Gemeinschaft der Gläubigen? Oder wie sei die Vorbildwirkung auf die Jüngeren, die sich auf die Ehe entscheiden sollen?” (Kathpress 22.10.2015)
Auch
der gestern in der Pressekonferenz angesprochene – von einer
italienischen
Sprachgruppe und der einzigen deutschsprachige Gruppe vorgetragene – Gedanke,
das ggf. ein “Forum Internum” eine Möglichkeit sei, nach der einige wiederverheiratete
Personen nach intensiver Beratung und der
Genehmigung durch den Bischof im Einzelfall
wieder zum Sakramentenempfang zugelassen werden könnten, betrachtete
Kardinal Garcias als erwägenswert. Das Presseamt erläuterte den
Unterschied zwischen dem 'Forum externum” (von Lehre und Doktrin) und
“Forum internum” (des persönlichen Bereiches der intensiven Gewissenprüfung und
Beratschlagung mit einem Geistlichen) in einer gestern angekündigten
Beschreibung.
Ob
aber diese Gedanken
ebenfalls in der
Abschlussrelatio enthalten seien, konnte Erzbischof Gracias nicht
sagen, betonte aber, dass sie ein vertiefte Studium verdienen.
„I don't think that we have seen the solutions, but at least we have begun to speak about the problem and begun to say that this has got to be tackled and this has got to be studied. (...) As we deepen our understanding, I'm sure we'll find a way forward.”
„Ich denke nicht, dass wir schon fertige Antworten haben, aber wir haben begonnen über das Problem zu sprechen und zu sagen, dass es angegangen und studiert werden muss. (...) Indem wir unser Verständnis vertiefen, werden wir Wege nach vorne finden!” (eigene Übersetzung)
Der
Heilige Papst Johannes Paul II. war an seinem heutigen Gedenktag mit
dem wiederholten Bezug auf das Apostolische Schreiben 'Familiaris consortio'
in mehrfacher Weise einbezogen; am
eindringlichsten aber vielleicht mit der Erinnerung von Erzbischof Gómez an folgenden, am 28.
Januar 1979 in Puebla geäußerten Gedanken aus dem ersten Jahr seines Pontifikats:
„Man hat sehr schön und tiefgehend gesagt, unser Gott sei in seinem tiefsten Geheimnis nicht ein Einzelner, sondern Familie, weil er in sich selbst Vaterschaft, Kindschaft und Liebe darstellt, die das Wesentliche einer Familie ist.”