„Überlegungen und Vorschläge für den Heiligen Vater, Papst
Franziskus“ und über die Sorge, „dass der Text sich durch
das Einfügen von Änderungen dramatisch verändert.“
Dass
der letzte Bericht der deutschen Arbeitsgruppe mit dem Titel
„Überlegungen und Vorschläge für den Heiligen Vater, Papst
Franziskus“ überschrieben ist, berichtete Kardinal Marx –
anders als im vergangenen Jahr in englischer Sprache - auf der heutigen Pressekonferenz,
zu der auch der irische Primas, Erzbischof
Eamon Martin, und Montevideos Kardinal Daniel Fernando Sturla
Berhouet (Uruguay) eingeladen waren.
Kardinal Daniel Sturla Berhouet, Kardinal Reinhard Marx, Federico Lombardi (v.l.) |
In ähnlicher Weise sind auch manche andere Berichte der 13 Kleingruppen überschrieben, die anzeigen, dass sie in einer noch einmal deutlich akzentuierteren Weise ‚Modi‘ sind als die Änderungsvorschläge zu den ersten beiden Teilen des Instrumentum laboris, die sich also ergänzend, alternativ, komplementär oder aber gegensätzlich ausnehmen können. Das ist eine gute Nachricht insofern, als die Arbeitsgruppen selber ihre eigenen Eingaben – auch wenn sie mit Überzeugung vertreten werden und z.T. auch dieses Mal einstimmig (wie in der deutschsprachigen Kleingruppe) gefasst worden sind – relativieren bzw. beziehen auf die Beratungsaufgabe, zu der Papst Franziskus sie und alle Teilkirchen der Welt auf einem zweijährigen synodalen Weg eingeladen hat.
Die
heute vorgestellten Berichte umfassen
alle Bereiche und spezifizieren Vorschläge für eine erweiterte
Ehevorbereitung und ehekatechumenale Ansprache junger Paare, beziehen
sich aber auch auf die zu berücksichtigenden kulturellen Traditionen, z.B. bezogen auf die Stufenehe, wie sie in ähnlicher Weise auch
in den vorehelichen Beziehungen Westeuropas Einzug gehalten haben.
„Ein breiter Konsens herrscht unter
den Synodenteilnehmern hingegen offenbar darüber, dass die Kirche
gegenüber Paaren und Familien, deren Lebenssituation von der
katholischen Lehre abweicht, anders auftreten muss: nicht
verurteilend und belehrend, sondern zuhörend und barmherzig. Die
helfende Hand soll nach dem Willen vieler Bischöfe den moralischen
Zeigefinger ersetzen. Die Kirche soll mehr mit der Bibel und weniger
mit dem Kirchenrecht argumentieren. In diesem Punkt folgen die
Bischöfe der Botschaft, die Papst Franziskus seit seinem Amtsantritt
unermüdlich verkündet.“ (Kathpress vom 21.10.2015)
Abtpräses
Jeremias berichtet in seinem Blog aus der Synodenaula, dass,
wenngleich immer wieder gesagt wird,
dass die Zulassung geschiedener Wiederverheirateter zur Eucharistie
nicht das einzige oder wichtigste Thema der Synode ist, man doch
erkennen könne, dass hier am meisten gerungen wurde. Eine
Zusammenfassung der verschiedenen Vorschläge auf diese Fragestellung von ihm
zeigt die ganze Bandbreite der Diskussion:
„Ganz grob gesagt ist bei den italienischen und spanischen Gruppen eine Öffnung in diese Richtung erkennbar, häufig verbunden mit der Bitte an den Papst, sich dieses Themas weiter anzunehmen um es entweder zu vertiefen oder um Umsetzungsmöglichkeiten zu prüfen. Bei den anderen Sprachgruppen, die eher die ganze Vielfalt der Weltkirche repräsentieren, sind eindeutige Positionen oft nicht mehrheitsfähig. Zwei englische Gruppen bekräftigen den jetzigen Stand. Eine weitere wünscht sich, dass eine päpstliche Kommission im Blick auf das Jahr der Barmherzigkeit andere Möglichkeiten prüft, und eine vierte glaubt, dass nur ein Konzil solch weitreichende Änderungen verfügen könne. Bei den drei französischen Gruppen gibt es keine Einigung; eine will den Sachverhalt allerdings dem Papst anheimstellen."
Über
500 Modi bzw. Eingaben mit konkreten Änderungsvorschlägen sind zum
III. Teil des Instrumentum laboris zusammengetragen worden, die alle
der insgesamt 78 Ziffern
des III. Teils der Arbeitsvorlage betreffen und nun bis
Freitagnachmittag von der zehnköpfigen Endredaktionsgruppe in eine
Vorlage für den Abschlusstext gebracht werden müssen. Der
Relator der deutschsprachigen Arbeitsgruppe, Erzbischof Heiner Koch, äußerte sich in einem
Interview von daher „sorgenvoll, dass der Text sich durch das
Einfügen von Änderungen dramatisch verändert".
„Das hat mir am mir am meisten Sorgen gemacht: Kann man das dann noch in einen gemeinsamen Text kriegen?“Umgekehrt ist Erzbischof Koch demgegenüber jetzt schon davon überzeugt, dass das Abschlussdokument „sicher nicht alles umfassen“ und vermutet auch, dass es kein „großer Text, der auch literarische Kraft hat“, werden könne. Und einen anderen Umstand spricht er an, der heute auch in der Synodenaula von sich reden machte:
„Bedrückt hat mich, das muss ich ganz deutlich sagen, manche Äußerungen – das waren aber ganz vereinzelte Äußerungen von Synodenvätern, die für uns in Sprache und Inhalt nicht akzeptabel sind."
Weil
genau dieser Passus auch im ersten Absatz der deutschsprachigen Eingabe aufgenommen wurde, erläuterte Kardinal Marx in der
Pressekonferenz, dass damit eine abfällige Stellungnahme Kardinal
Pells in der Zeitschrift 'Le Figaro'
gegenüber Kardinal Kasper gemeint sei, die nicht
nur dem Verständnis synodalen Arbeitens
widerspreche. Gerade weil die deutschsprachige Kleingruppe in
den zurückliegenden Wochen es sich zur Pflicht gemacht (und in
einstimmig verabschiedeten Vorlagen auch eingelöst) hat, zunächst
auseinanderliegende Positionen zusammenzubringen, ist der
ungewöhnliche Einstieg der direkten Konfliktansprache sicher zum
jetzigen Zeitpunkt eine angemessene Form der Intervention, die auf jeden Fall wieder jenseits aller dumpfen Polemik Einzelner die
Aufmerksamkeit auf die abermals theologisch dichte und
weiterführende Vorlage der deutschen Arbeitsgruppe steigerte.
Die
weiteren Punkte möchte ich zum Abschluss aus dem Pressebulletin
insgesamt zitieren, weil sie deutlich machen, wie sehr und wie viele
der in dem zweijährigen synodalen Prozess benannten Punkte (auch und gerade aus den Umfragen der in Deutschland benannten Themen) auf dieser Synode vorkommen und auf höchstem Niveau
weiterentwickelt und besprochen werden. Sie umfassen nach der theologischen Grundlegung in dem Bericht zum II. Teil des Instrumentum laboris beinahe alle relevanten und einige überraschend weiterführende Vorschläge, die ich in einem eigenen Absatz diesem Blogeintrag anfüge. Erzbischof Koch äußerte sich in dem zitierten Interview erwartungsvoll und gespannt, welche der folgenden Abschnitte der deutschsprachigen Eingabe sich im Abschlussdokument wiederfinden werden:
Relatio - Circulus Germanicus (21.10.2015)
"Für die Einleitung regen wir an, auf die weltweiten Umfragen Bezug zu nehmen und Dank und Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen.“
Im
Sinn einer deutlicheren Betonung der Familie als Subjekt der
Pastoral soll benannt werden, dass christliche Familien berufen
sind, das Evangelium von der Ehe, das ihnen anvertraut ist, durch ihr
Leben zu bezeugen. Die christlichen Eheleute und Familien sind damit
Teil der neuen Familie Christi, seiner Kirche. So dürfen die
Eheleute Sakrament sein für die Welt. Die „neue Familie Jesu
Christi“, die Kirche, soll die Eheleute zu diesem Zeugnis
ermutigen, stärken und befähigen. Dabei lernt die Kirche immer auch
selbst von den Lebens- und Glaubenserfahrungen der Eheleute und
Familien.
An
dieser Stelle war uns ein Bekenntnis wichtig: Im falsch verstandenen
Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten, kam es in der Pastoral
immer wieder zu harten und unbarmherzigen Haltungen, die Leid über
Menschen gebracht haben, insbesondere über ledige Mütter und
außerehelich geborene Kinder, über Menschen in vorehelichen und
nichtehelichen Lebensgemeinschaften, über homosexuell orientierte
Menschen und über Geschiedene und Wiederverheiratete. Als Bischöfe
unserer Kirche bitten wir diese Menschen um Verzeihung.
Ausführlich
haben wir uns auch über den Zusammenhang von Sprache, Denken und
Handeln gerade im Hinblick auf eine humane Gestaltung der
menschlichen Sexualität ausgetauscht. Eine angemessene und erneuerte
Sprache ist entscheidend vor allem für die Hinführung
heranwachsender Kinder und Jugendlicher zu einer gereiften
menschlichen Sexualität. Diese ist in erster Linie Aufgabe der
Eltern und darf nicht allein dem schulischen Unterricht oder den
Medien und sozialen Medien überlassen werden. Vielen Eltern und in
der Seelsorge Tätigen fällt es schwer, eine sachgerechte und
zugleich respektvolle Sprache zu finden, die die Aspekte der
biologischen Geschlechtlichkeit in den Gesamtzusammenhang von
Freundschaft, Liebe, bereichernder Komplementarität und
gegenseitiger Hingabe von Frau und Mann stellt.
Der
Arbeitsgruppe war wichtig zu betonen, dass die christliche
Überzeugung grundsätzlich davon ausgeht, dass Gott den Menschen
als Mann und Frau geschaffen und sie gesegnet hat, damit sie ein
Fleisch seien und fruchtbar werden (vgl. Gen 1, 27 f; 2, 24).
Mann und Frau sind in ihrer ebenbürtigen personalen Würde wie in
ihrer Unterschiedenheit Gottes gute Schöpfung. Nach christlichem
Verständnis einer Einheit von Leib und Seele lassen sich biologische
Geschlechtlichkeit („sex“) und sozio-kulturelle Geschlechtsrolle
(„gender“) zwar analytisch voneinander unterscheiden, aber nicht
grundsätzlich oder willkürlich voneinander trennen. Alle Theorien,
die das Geschlecht des Menschen als nachträgliches Konstrukt ansehen
und seine willkürliche Auswechselbarkeit gesellschaftlich
durchsetzen wollen, sind als Ideologien abzulehnen. Die Einheit von
Leib und Seele schließt ein, dass das konkrete soziale
Selbstverständnis und die soziale Rolle von Mann und Frau in den
Kulturen verschieden ausgeprägt und einem Wandel unterworfen sind.
Daher ist das Bewusstwerden der vollen personalen Würde und der
öffentlichen Verantwortung der Frauen ein positives Zeichen der
Zeit, welches die Kirche wertschätzt und fördert (Papst Johannes
XXIII. Pacem in terris 22).
Wir
haben über den Zusammenhang von Tauf- und Ehesakrament und der
Notwendigkeit des Glaubens gesprochen. Das
katholische Glaubensbekenntnis zur Ehe gründet auf den Worten des
Herrn in der Heiligen Schrift und der Apostolischen Tradition und
wurde durch das Lehramt in seiner Substanz treu bewahrt. Dennoch gibt
es in der theologischen Ausarbeitung Spannungen zwischen dem
dogmatischen, moraltheologischen und kanonistischen Zugang, die in
der pastoralen Praxis zu Schwierigkeiten führen können. So
muss das Axion „Jeder Ehevertrag unter Christen ist per se ein
Sakrament“ neu bedacht werden. In nicht mehr homogenen christlichen
Gesellschaften oder Ländern mit unterschiedlicher kultureller und
religiöser Prägung kann ein christliches Verständnis der Ehe auch
bei Katholiken nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden. Ein Katholik
ohne Glauben an Gott und seine Offenbarung in Jesus Christus kann
nicht automatisch eine sakramentale Ehe vollziehen ohne oder sogar
gegen sein Wissen und seinen Willen. Es fehlt die Intention,
wenigstens das mit diesem Geschehen zu wollen, was die Kirche
darunter versteht. Zwar kommen die Sakramente nicht durch den Glauben
des Empfängers zustande, aber auch nicht ohne ihn oder gar gegen
ihn; zumindest bleibt die Gnade unfruchtbar, weil sie nicht mit dem
Glauben, der durch die Liebe bestimmt ist, frei willentlich
aufgenommen wird.
Auch
stellt sich die Frage bei unseren Mitchristen, die ihrem Bekenntnis
gemäß die Sakramentalität der Ehe (mit ihren darauf sich
ergebenden Wesenseigenschaften) ablehnen, ob ihrer
Glaubensüberzeugung entgegen eine sakramentale Ehe zustande gekommen
ist. Das würde nicht bedeuten, dass man von katholischer Seite die
Legitimität nicht-katholischer Ehen bestreitet oder auch das
Gnadenwirken Gottes in nichtsakramentalen Ehen in Frage stellt. Wir
erkennen die Vielfalt der Studien zu dieser Frage an und empfehlen
ein vertieftes Studium dieser Fragen mit dem Ziel einer lehramtlichen
Neubewertung und einer größeren Kohärenz der dogmatischen,
moraltheologischen und kanonistischen Aussagen zur Ehe mit der
pastoralen Praxis.
Eine
Ergänzung haben wir zu den interkonfessionellen Ehen: Im
Hinblick auf das Thema der interkonfessionellen Ehe müssen vor allem
die positiven Aspekte und die besondere Berufung einer solchen Ehe
erwähnt werden, da die nicht katholischen Christen keineswegs
außerhalb der einen Kirche stehen, sondern ihr durch die
Taufe und einer gewissen, wenn auch unvollständigen, Gemeinschaft
angehören (vgl. UR 3). Auch die interkonfessionelle Ehe ist
als Hauskirche anzusehen und hat eine spezifische Berufung und
Aufgabe, die im Austausch der Gaben innerhalb des Ökumenismus des
Lebens besteht.
Im
Hinblick auf die Bedeutung der Familie in Gesellschaft und Staat
unterstrich die Arbeitsgruppe als Ausgangspunkt, dass Ehe und Familie
dem Staat vorausgehen. Sie sind Grundlage und „Lebenszelle der
Gesellschaft“ (AA 11). Ohne Familien kann kein Gemeinwesen
bestehen. Deshalb ist das politische Gemeinwesen verpflichtet, alles
zu tun, um diese „Lebenszelle“ zu ermöglichen und dauerhaft zu
fördern. Die immer wieder beklagte „strukturelle
Rücksichtslosigkeit“ gegenüber Familien ist zu überwinden.
Mittel dazu sind vor allem der Zugang zu Wohnung und Arbeit, die
Ermöglichung von Bildung und Kinderbetreuung sowie ein fairer
Familienleistungsausgleich in der Steuergesetzgebung, der das, was
Familien der Gesellschaft geben, in gerechter Weise anerkennt. Es
muss klar sein: Nicht die Familie hat sich wirtschaftlichen
Interessen unterzuordnen, sondern umgekehrt. Der Einsatz für die
Familie steht im Zentrum der katholischen Soziallehre, die ein
unverzichtbarer Teil der kirchlichen Verkündigung und der
Evangelisierung ist. Alle Christen sind aufgerufen, sich im Feld der
politischen Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu
engagieren und so zu helfen, dass Familien besser leben und sich
entfalten können. Dabei muss die Politik besonders das Prinzip der
Subsidiarität beachten und darf die Rechte der Familien nicht
einschränken. Hier ist an die „Charta der Familienrechte“ zu
erinnern. Die Kirche insgesamt soll sich mit ihrem Engagement im
Bereich von Familienbildung, Kindergärten, Schulen, Beratungsstellen
und Einrichtungen der Familienhilfe aktiv und exemplarisch
einbringen.
Im
Hinblick auf die Ehevorbereitung war es der Arbeitsgruppe ein
Anliegen, darauf hinzuweisen, dass ein kurzes Gespräch oder eine
knappe Einführung hier nicht ausreichen. Da viele Brautleute nicht
auf eine vom Glauben geprägte Erziehung aufbauen können, wird die
Einführung eines Ehekatechumenats dringend empfohlen, das wenigstens
einige Monate dauert, um wirklich zu einem reifen, vom Glauben
getragenen Ja-Wort zu kommen, das auch um die Endgültigkeit des
Ehebundes weiß und auf die Treue Gottes vertraut.
Auch
der Aspekt der verantworteten Elternschaft war einer der
zentralen Gesprächsgegenstände der Arbeitsgruppe. Nach der
Schöpfungsordnung Gottes sind die eheliche Liebe von Mann und Frau
und die Weitergabe des menschlichen Lebens aufeinander hingeordnet.
Gott hat Mann und Frau zur Teilnahme an seinem schöpferischen Wirken
und gleichsam zu Interpreten seiner Liebe berufen und die Zukunft der
Menschheit in ihre Hände gelegt. Diesen Schöpfungsauftrag sollen
Mann und Frau im Sinne einer verantworteten Elternschaft
verwirklichen. Sie sollen sich im Angesicht Gottes unter Erwägung
ihrer gesundheitlichen, wirtschaftlichen, seelischen und sozialen
Situation, ihres eigenen Wohles und des Wohles ihrer Kinder, wie des
Wohles der Gesamtfamilie und der Gesellschaft ein Urteil über Zahl
und zeitlichen Abstand ihrer Kinder bilden (GS 50). Dem
personalen und menschlich ganzheitlichen Charakter der ehelichen
Liebe entsprechend ist der rechte Weg der Familienplanung das
einvernehmliche Gespräch der Eheleute, die Rücksicht auf den
Rhythmus und der Respekt vor der Würde des Partners. In diesem Sinne
sollen die Enzyklika Humanae vitae (10–12) und das
Apostolische Schreiben Familiaris consortio (14, 28–35) neu
erschlossen werden und entgegen einer oft lebens- und teilweise
kinderfeindlichen Mentalität die Bereitschaft zu Kindern geweckt
werden.
Immer
wieder sollen junge Eheleute ermutigt werden, Kindern das Leben zu
schenken. Damit wächst die Offenheit für das Leben in Familie,
Kirche und Gesellschaft. Dabei kann die Kirche durch ihre zahlreichen
Einrichtungen für Kinder zu einer höheren Kinderfreundlichkeit in
der Gesellschaft, aber auch in der Kirche beitragen. Die Wahrnehmung
der verantworteten Elternschaft setzt die Bildung des Gewissens
voraus. Das Gewissen ist „die verborgenste Mitte und das Heiligtum
im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem
Innersten zu hören ist“ (GS 16). Je mehr sich Eheleute auf
den Weg machen, um im Gewissen auf Gott zu hören und je mehr sie
sich dabei geistlich begleiten lassen, umso mehr werden sie in ihrer
Entscheidung innerlich frei von affektiver Neigung und von Anpassung
an Verhaltensweisen ihrer Umwelt. Um dieser Freiheit des Gewissens
willen weist die Kirche aufgezwungene staatliche Maßnahmen zugunsten
von Empfängnisverhütung, Sterilisation oder gar Abtreibung mit
aller Kraft zurück.
Wir
haben ausführlich diskutiert über die Integration der zivil
wiederverheirateten Geschiedenen in die kirchliche Gemeinschaft.
Es
ist bekannt, dass in beiden Sessionen der Bischofssynode intensiv
über die Frage gerungen wurde, ob und inwieweit wiederverheiratete
Geschiedene, wenn sie am Leben der Kirche teilnehmen wollen, unter
bestimmten Voraussetzungen die Sakramente der Buße und der
Eucharistie empfangen können. Die Debatten haben gezeigt, dass es
hier keine einfachen und generellen Lösungen gibt. Wir Bischöfe
haben die mit diesen Fragen verbundenen Spannungen ebenso erlebt wie
viele unsere Gläubigen, deren Sorgen und Hoffnungen, Warnungen und
Erwartungen uns in unseren Beratungen begleitet haben.
Die
Diskussionen zeigen deutlich, dass es einiger Klärungen und
Vertiefungen bedarf, um die Komplexität dieser Fragen im Licht des
Evangeliums, der Lehre der Kirche und mit der Gabe der Unterscheidung
weiter zu vertiefen. Einige Kriterien können wir freilich nennen,
die zur Unterscheidung helfen. Das erste Kriterium gibt der hl. Papst
Johannes Paul II. in FC 84, wenn er dazu einlädt: „Die
Hirten mögen beherzigen, dass sie um der Liebe willen zur Wahrheit
verpflichtet sind, die verschiedenen Situationen gut zu
unterscheiden. Es ist ein Unterschied, ob jemand trotz aufrichtigen
Bemühens, die frühere Ehe zu retten, völlig zu Unrecht verlassen
wurde oder ob jemand eine kirchlich gültige Ehe durch eigene schwere
Schuld zerstört hat. Wieder andere sind eine neue Verbindung
eingegangen im Hinblick auf die Erziehung der Kinder und haben
manchmal die subjektive Gewissensüberzeugung, dass die frühere,
unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war.“ Es ist deshalb
Aufgabe der Hirten, zusammen mit dem Betroffenen diesen Weg der
Unterscheidung zu gehen. Dabei wird es hilfreich sein, gemeinsam in
ehrlicher Prüfung des Gewissens Schritte der Besinnung und der Buße
zu gehen. So sollten sich die wiederverheirateten Geschiedenen
fragen, wie sie mit ihren Kindern umgegangen sind, als die eheliche
Gemeinschaft in die Krise geriet? Gab es Versuche der Versöhnung?
Wie ist die Situation des verlassenen Partners? Wie ist die
Auswirkung der neuen Partnerschaft auf die weitere Familie und die
Gemeinschaft der Gläubigen? Wie ist die Vorbildwirkung auf die
Jüngeren, die sich für die Ehe entscheiden sollen? Eine ehrliche
Besinnung kann das Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes stärken,
die niemandem verweigert wird, der sein Versagen und seine Not vor
Gott bringt.
Ein
solcher Weg der Besinnung und der Buße kann im forum internum,
im Blick auf die objektive Situation im Gespräch mit dem
Beichtvater, zur persönlichen Gewissensbildung und zur Klärung
beitragen, wie weit ein Zugang zu den Sakramenten möglich ist. Jeder
muss sich selber prüfen gemäß dem Wort des Apostels Paulus, das
für alle gilt, die sich dem Tisch des Herrn nähern: „Jeder soll
sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem
Kelch trinken. Denn wer davon ißt und trinkt, ohne zu bedenken, daß
es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er
ißt und trinkt. (…) Gingen wir mit uns selbst ins Gericht, dann
würden wir nicht gerichtet.“ (1 Kor 11, 28–31)"