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Mittwoch, 1. Februar 2017

"Synodal oder: Wie möglich wurde, was unmöglich erschien"
Zum Wort der deutschen Bischöfe über den synodalen Weg der "Einladung zu einer erneuerten Ehe- und Familienpastoral im Licht von Amoris laetitia"
(AL 100; Bildkarte  9/16 © www.amoris-laetitia.de)
Über neun Monate nach Veröffentlichung des Papstschreibens Amoris laetitia  am 8.4.2016 ist zum 1. Februar 2017 ein 'Wort der deutschen Bischöfe' der Wertschätzung und des Dankes, ergänzt mit ersten Ausführungen zu wichtigen Leitpunkten“ und Konsequenzen“ für die Ehe- und Familienseelsorge in Deutschland, vorgestellt worden. Es nimmt im Titel dieselbe Formulierung auf, mit der auch das nachsynodale Schreiben zu Beginn auf den ersten Satz der das II. Vatikanische Konzil kennzeichnenden Pastoralkonstitution Gaudium et spes  (1) anspielt: ‘Die Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird, ist auch die Freude der Kirche‘. Das lang erwartete deutsche Bischofswort würdigt, wie Papst Franziskus in Amoris laetitia die
Erträge des synodalen Weges zusammen[]fasst und weiter[]führt, den die Kirche in den Jahren 2014 und 2015 mit ihm beschreiten konnte. Gerade die alltagsnahe und lebensbejahende Sprache, in der Papst Franziskus von Ehe, Partnerschaft, Sexualität, Elternschaft, Familie und vor allem von Familien spricht, macht Amoris laetitia zu einer inspirierenden Quelle für das Leben von Ehe und Familie."
Im Zuge der „Vorbereitung und Begleitung des synodalen Weges […], bei den Befragungen im Vorfeld und in der fachlichen Aufbereitung“, in denen der „synodale Weg ein Weg der ganzen Kirche war“, wurden die vielfältigsten Lebenssituationen der Ehepaare und Familien von heute deutlich. Vor dem Hintergrund dieses synodalen Prozesses formulieren die Deutschen Bischöfe mit dem heutigen Tag erste Schwerpunkte" für die Kirche in Deutschland zu den Stichwörtern ‚Ehevorbereitung‘, ‚Ehebegleitung‘, ‚Stärkung der Familie als Lernort des Glaubens‘, ‚Umgang mit Zerbrechlichkeit: begleiten - unterscheiden - eingliedern‘.

Die ersten drei Leitpunkte unterstreichen die Bedeutung einer intensiven Begleitung von Paaren auf dem Weg zur Eheschließung und ihrer fortwährenden pastoralen Unterstützung. Wie Papst Franziskus vor wenigen Tagen in seiner Ansprache vor dem Vatikangerichtshof, der Rota Romana, am 21.1.2017 ein neues Katechumenat“ in der Ehevorbereitung ähnlich dem Taufkatechumenat anregte, fordern auch die Deutschen Bischöfe „Anstrengungen zur Entwicklung eines Ehekatechumenates“, das kirchenferne und glaubensentwöhnte Paare ebenso erreicht, wie die kirchliche Ehe- und Beziehungspastoral und -beratung ebenso auch interkonfessionellen Paaren sowie allen Paaren in schwierigen Situationen zu gelten habe. Im selben Maße, wie den Deutschen Bischöfen „die Entfaltung einer Ehe- und Familienspiritualität besonders am Herzen“ liegt, plädieren sie in dem Abschnitt „Familie als Lernort des Glaubens" für eine Erziehung der Kinder, die „von einem Weg der Glaubensweitergabe geprägt sein“ muss. Dabei wissen sie einzuschätzen, dass „die Gestaltung religiöser Elemente und Rituale im Familienleben nicht das Außergewöhnliche braucht, sondern die Nähe zum Alltag.“ Gegen Ende dieses dritten Leitpunktes betonen die Deutschen Bischöfe: „Diese Prozesse wollen wir verstärkt seelsorglich begleiten.“

Bei einem quantitativen Vergleich fällt auf, dass der vierte Schwerpunkt des Bischofswortes ‚Umgang mit Zerbrechlichkeit: begleiten - unterscheiden - eingliedern‘ mit knapp drei Textseiten in etwa dem Umfang der drei vorausgegangenen entspricht. Die Deutschen Bischöfe widmen sich an dieser Stelle allen Paaren in schwierigen Situationen, Personen in zerbrechenden und getrennten Paarbeziehungen wie insbesondere auch den Menschen, „die nach einer Scheidung zivilrechtlich wieder geheiratet haben und sich nach dem Empfang des Bußsakramentes und der Eucharistie sehnen.“  Geist und Inhalt des im nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia festgestellten synodalen Konsenses aufnehmend, unterstreichen die Deutschen Bischöfe zu dem letztgenannten Punkt „die drei Aspekte Begleiten, Unterscheiden und Einbeziehen als zentrale Leitbegriffe“ und stellen – unbeschadet der nachdrücklichen Empfehlung der Dienste der diözesanen Ehegerichte – die zuletzt in diesem Blog am 8.1.2017 in Hinblick auf das Bistum Rom zitierte und ähnlich auch schon von den Bischöfen Argentiniens und Maltas formulierte Deutung fest :
Amoris laetitia bietet in dieser Frage keine allgemeine Regelung und kennt keinen Automatismus in Richtung einer generellen Zulassung aller zivilrechtlich wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten. […]
Amoris laetitia bleibt aber dennoch nicht beim kategorischen und irreversiblen Ausschluss von den Sakramenten stehen. […]  
Amoris laetitia geht von einem Prozess der Entscheidungsfindung aus, der von einem Seelsorger begleitet wird. Unter der Voraussetzung dieses Entscheidungsprozesse, in dem das Gewissen aller Beteiligten in höchstem Maße gefordert wird, eröffnet Amoris laetitia die Möglichkeit, die Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie zu empfangen."


Freitag, 19. März 2021

Fünf Jahre "Amoris laetitia" -  Ran an die heißen Eisen. Interview mit Fußnote* zum Beginn des Amoris laetitia-Aktionsjahres 2021-2022

 

Auf den Tag vor fünf Jahren unterzeichnete Papst Franziskus das Schreiben „Amoris laetitia“ zu Ehe und Familie, das am 8.4.2016 veröffentlicht wurde. Auch wenn er die offizielle Lehre der Kirche damals unangetastet ließ, hat das Papier Türen für aktuelle Debatten geöffnet: zum Beispiel zu wiederverheirateten Geschiedenen oder Homosexualität.

Das am heutigen 19.3.2021 beginnende Amoris laetitia-
Aktionsjahr endet mit dem Weltfamilientreffen in Rom.

„Amoris laetitia hat möglich gemacht, was wir jetzt auch auf dem Synodalen Weg versuchen: Liebe und Sexualität in gelingenden Partnerschaften nochmal neu auf unsere Gesellschaft hinzudenken“, sagt Holger Dörnemann. Er leitet die Abteilung „Familien und Generationen“ des Bistums Limburg und arbeitet als Experte im Forum zu Sexualität und Partnerschaft des Synodalen Wegs mit. Das Forum diskutiert unter anderem darüber, wie die Kirche in Zukunft mit homosexuellen Paaren oder wiederverheiratet Geschiedenen umgehen sollte. Ohne „Amoris laetitia“ wären viele dieser Diskussionen heute so nicht möglich, schätzt Dörnemann. „Der Papst hat viele heiße Eisen angefasst.“

Vor fünf Jahren, im Anschluss an zwei Bischofssynoden zu Ehe und Familie, veröffentlichte Franziskus das Papier, das viele als sein bis dato wichtigstes Lehrschreiben bezeichneten. Er wolle mehr Barmherzigkeit in der kirchlichen Morallehre zulassen, sagte er damals. Priester und Bischöfe sollten moralische Gesetze nicht anwenden „als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft“.

 

In mehreren Paragraphen widmete er sich sogenannten „unvollkommenen Situationen“, also Lebensgemeinschaften, die nicht dem katholischen Ideal der Ehe entsprechen. „Er schaut auf alles, was in der persönlichen Geschichte der Menschen, der Paarbeziehung und der Familie an Wertvollem da ist – und nicht nur auf das, was zum Ideal noch fehlt“, fasst Dörnemann das Papier zusammen.

 

Zum Beispiel beim Thema Homosexualität. Zwar sei der große Schritt in Blick auf die Würdigung homosexueller Partnerschaften ausgeblieben, sagt Dörnemann. Aber das Papier sei auch revolutionär in dem, was nicht drinsteht. Denn obwohl im Katechismus steht, dass homosexuelle Partnerschaften „in sich nicht in Ordnung sind“, findet man das in Amoris laetitia nicht.

 

Das liegt auf der Linie des Papstes, der grundsätzlich findet, „dass nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden müssen“, wie er in Amoris laetitia schreibt (AL 3, vgl. AL 37). Priester und Bischöfe forderte er dazu auf „die verschiedenen Situationen gut zu unterscheiden“. Zum Beispiel bei der Begleitung wiederverheirateter Geschiedener. In einer Fußnote (AL 351) eröffnete der Papst die Möglichkeit, diese in Einzelfällen wieder zu Sakramenten zuzulassen; die Entscheidung darüber überließ er den Ortskirchen. Als eine der ersten habe daraufhin die Deutsche Bischofskonferenz 2017 in einem Papier die Möglichkeiten des Einbezugs von Paaren aller Art am Gemeindeleben und an der Eucharistiefeier eröffnet, sagt Dörnemann.

 

Dass Ortskirchen eigenverantwortlich abwägen und entscheiden können, das fordern auch die Befürworter des Synodalen Wegs. „Ortskirche und Weltkirche müssen ineinander spielen“, sagt Holger Dörnemann und wünscht sich, pastorale Schritte in Bezug auf Liebe und Sexualmoral in Zukunft stärker in die Weltkirche eintragen zu können. Die Offenheit von Amoris laetitia ermutigt dazu. Und die nächste Bischofssynode im Herbst 2022 in Rom. Das Thema: Synodalität.


 

*Interview für https://www.bistumspresse.de/fuenf-jahre-amoris-laetitia, veröffentlicht am 18.3.2021. Es wurde am 12.3.21 geführt, drei Tage vor der Veröffentlichung der in Form, Inhalt und Diktion aus der Zeit gefallenen und noch nicht einmal persönlich vorgetragenen Note der Glaubenskongregation, die durch den unterzeichnenden Präfekten Kardinal Luís F. Ladaria am 15.3.21 erklärte, dass die Kirche "keine Vollmacht" habe, homosexuelle Partnerschaften zu segnen, weil Homosexualität "nicht der Schöpfungsordnung" entspräche und eine sexuelle Beziehung außerhalb der Ehe als "Sünde" nicht segenswürdig sei. Die Stellungnahme des Dikasteriums für Laien, Familie und Leben vom 18.3.2021 schlägt hingegen wieder pastorale und an den Amoris laetitia-Wortlaut anknüpfende Töne an zum  „Thema Homosexualität - naturgemäß mit anderer Akzentsetzung als im jüngsten Dokument aus der Glaubenskongregation.“ (Vaticannews vom 18.3.2021)

 

Der für das Dikasterium für Laien, Familie und Leben und zugleich für das Amoris laetitia-Aktionsjahr verantwortliche Kardinal Kevin Farrel erklärte aus Anlass seiner Eröffnung:

"Wir sind offen dafür, alle Menschen zu begleiten… Ich habe viele Male mit Menschen zusammengearbeitet, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft leben, und werde das auch weiterhin tun und sie weiterhin begleiten… Niemand, niemand darf jemals von der pastoralen Fürsorge und Liebe der Kirche ausgeschlossen werden!“ (Vaticannews vom 18.3.2021)

Es zeigt sich einmal mehr – wie in diesem Blog über die zurückliegenden sieben Jahre seit den Befragungen im Vorfeld und Verlauf der Familiensynoden und Jugendsynode festgehalten –, dass das Thema der pastoralen Begleitung aller Menschen in Anerkennung ihrer sexuellen Orientierung, Lebens- und Familienform weiter eine der zentralen Herausforderungen des Aktionsjahres Amoris laetitia 2021-2022 bis zur #Synod22 sein wird.


** "Andererseits hat diese jüngste Antwort keine große Autorität: Die übliche Formulierung, der Papst habe den Text "approbiert" wurde ersetzt durch: der Papst "wurde informiert". Die Absicht, das Dokument als weniger bedeutsam zu kennzeichnen, ist klar.“ (katholisch.de vom 28.3.2021)



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Donnerstag, 8. Dezember 2016

Amoris laetitia und der „Weg der Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet“


(Nr. 3 von 16 Kartenmotiven; hier AL 131 © www.amoris-laetitia.de)

Vor einem Jahr, am 8.12.2015, begann das 'Jahr der Barmherzigkeit' nicht zufällig am 50. Jahrestag des Endes des II. Vatikanischen Konzils. Der Jahrestag fällt dieses Jahr zusammen mit  Presseberichten zu einem bald erscheinenden Schreiben über „das Prinzip der Synodalität und seine theologische Bedeutung“, das „Abstimmen in Versammlungen“ sowie „das Einbeziehen von allen in pastorale Entscheidungsprozesse“, das von Papst Franziskus bereits im Januar dieses Jahres in Auftrag gegeben wurde. Wie in einem eigenen Beitrag vor dem Erscheinen des nachsynodalen Schreibens ‚Amoris laetitia‘ angedeutet, wird Papst Franziskus mit der Inkraftsetzung einer solchen Erklärung
„die Voraussetzungen für die Übernahme von Lehrverantwortung auf der Ebene der Teil- und Ortskirche schaffen müssen, indem er die synodale Verfasstheit der katholischen Kirche als gestufte Teilhabe an der Ausübung des kirchlichen Lehramtes erklärt, in Kraft setzt und mit ebendiesem Auftrag versieht.“ (ZDK Salzkörner  21. Jg., Nr. 6 (2015), 9)
Implizit sind diese Gedanken zur ‚synodalen Verfasstheit der katholischen Kirche als einer gestuften Teilhabe an der Ausübung des kirchlichen Lehramtes‘ – diese Selbstvergewisserung markierte auf der Feier des Synodenjubiläums den unvergesslichen Höhepunkt der Familiensynode des Jahres 2015 – bereits ganz zu Beginn und konkret im nachsynodalen Lehrschreiben ‚Amoris laetitia‘ aufgenommen, ja vorausgesetzt, indem der Papst darauf hinweist, 
„…dass nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden müssen. Selbstverständlich ist in der Kirche eine Einheit der Lehre und der Praxis notwendig; das ist aber kein Hindernis dafür, dass verschiedene Interpretationen einiger Aspekte der Lehre oder einiger Schlussfolgerungen, die aus ihr gezogen werden, weiterbestehen. […] Außerdem können in jedem Land oder jeder Region besser inkulturierte Lösungen gesucht werden, welche die örtlichen Traditionen und Herausforderungen berücksichtigen. Denn » die Kulturen [sind] untereinander sehr verschieden, und jeder allgemeine Grundsatz […] muss inkulturiert werden, wenn er beachtet und angewendet werden soll «. (AL 3)
In jeder Ortskirche wird konkret durchzubuchstabieren und auszuführen sein –  auch für die Deutsche Bischofskonferenz ist ein solches Wort der Bischöfe ja nun angekündigt –, was in der über drei Jahre synodal erarbeiteten Lehre zu Ehe und Familie auf einer obersten Ebene der Weltkirche – eben in dem am 8.4.2016 veröffentlichten nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia – beschrieben wurde. Gegen eine den synodalen Prozess im Grundsatz konterkarierende Infragestellung durch einzelne Stimmen der Weltkirche erklärt Papst Franziskus in einem gerade veröffentlichten Interview: 
„Sein postsynodales Schreiben „Amoris laetitia“ sei ein Ergebnis des gesamten synodalen Prozesses, „interessanterweise“ hätten dem, was da drinstehe, mehr als zwei Drittel der Väter zugestimmt. „Und das ist eine Garantie!“  (Radio Vatikan vom 7.12.2016) 

Das nachsynodale Schreiben  sei "das Ergebnis zweier Synoden, auf denen die ganze Kirche gearbeitet hat, und das der Papst sich angeeignet hat".  Nach zwei weltweiten Umfragen ist das Apostolische Schreiben bereits in der Weise seiner Entstehung wie im Inhalt – auf beinahe paradoxe Weise – ein  entscheidender Markstein auf dem Weg der Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet.“ (Vgl. Blog-Beitrag vom 17.10.2015). "‚Amoris laetitia‘ ist Vorbild der Synodalität" und Beispiel für eine  
synodale Kirche, in der Petrus Petrus ist, aber die Kirche begleitet, sie wachsen lässt, sie anhört, von dieser Realität lernt und sozusagen harmonisiert.“ Eine solche „synodale Kirche“ sei die, die ihm [Papst Franziskus] vorschwebe. „Das ist Einheit in der Vielfalt. Das ist Synodalität.“ (Radio Vatikan vom 7.12.2016) 
Wie schon geschrieben, werden wir es erleben: "Das angesprochene […]  Paradox der Familiensynode – die medial sowohl nach der Synode 2014 als auch 2015 beklagte Umstrittenheit der Synodenergebnisse  [und selbst noch die vereinzelte Infragestellung des nachsynodalen Schreibens] – wird rückblickend als Motor für die Erneuerung der Kirche gedeutet werden können: sowohl hinsichtlich der Lehrentwicklung als auch in Hinblick auf die Kirchenverfassung. 'Synodalität ist der Weg der Kirche im dritten Jahrtausend', denn: „Zeitgemäße Erneuerung […] heißt ständige Rückkehr zu den Quellen […] und zum Geist des Ursprungs." (Vgl. Blog-Beitrag vom 8.2.2016)

 
Lesen Sie in diesem Blog auch den nachfolgenden Blog-Beitrag vom 17.12.2016 anlässlich des 80. Geburtstages von Papst Franziskus oder erfahren Sie mehr unter www.amoris-laetitia.de: mit einigen der schönsten Kurzzitate aus dem nachsynodalen Schreiben sowie Erläuterungen, vertiefenden Informationen, Veranstaltungshinweisen im Rheinland und zahlreichen Linktipps darüber hinaus. 

Samstag, 8. April 2017

Ein Jahr Amoris laetitia! - Was bleibt, was noch kommt und wie Amoris laetitia die Kirche bereits jetzt verändert hat!

(Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk)
„Man wird ‚Amoris laetitia‘ nur verstehen, wenn man den Paradigmenwechsel nachvollzieht, den dieses Schreiben unternimmt“, schreibt Kardinal Walter Kasper über das auch ein Jahr nach seiner Veröffentlichung am 8.4.2016 immer noch heftig diskutierte Lehrschreiben von Papst Franziskus. Auf den Tag genau ein Jahr danach ist das Dokument immer noch ganz obenauf in  der Agenda der Kirche – leider allerdings mit einer medialen Schieflage entweder in Hinblick auf die Diskussion um den Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen, im Spontanreflex der Intensivierung der Ehepastoral – so wichtig diese Themen für sich genommen auch sind – oder hinsichtlich der Bedeutung des naturrechtlichen Typus ethischer Urteilsbildung (wie sie von vier Kardinälen in sogenannten ‚Dubia‘ reklamiert wird).
Bei der Aktualisierung des Themenregisters der Printversion des Synodentagebuches (das in der Spalte rechts zum Download hinterlegt ist und auch für die Internetrecherche in diesem Blog helfen kann) sprangen mir die roten Linien der theologischen Entwicklungen und über die hinzugekommen Stichwörter und deren Verweisstellen der vergangenen drei Jahre noch einmal deutlicher in die Augen. Im Blick auf diese nunmehr mehrfach überarbeitete Konkordanz der zentralen Themen möchte ich die Fragen „Was bleibt von Amoris laetitia, was kommt noch und wie Amoris laetitia die Kirche bereits verändert hat?‘ in sechs Schritten auf den Punkt zu bringen versuchen:


'Wahrnehmen' - oder die 'Symphonie der Verschiedenheit'
(Stichwörter aus dem Themenregister/ der Konkordanz)
Wörter, die das ‚Wahrnehmen von Lebenswirklichkeit‘ in den verschiedensten Bedeutungen zum Ausdruck bringen, gehörten zum Ausgangpunkt des synodalen Weges der vergangenen drei Jahre. Zwei weltweite Befragungen vor den Familiensynoden der Jahre 2014 und 2015 richteten den Blick auf die Lebenswelt der Menschen „in der modernen Welt“ im Kontext von Ehe und Familie. Mithilfe eines realistischen Frageansatzes sollte vermieden werden, dass die Antworten nur von der kirchlichen Lehre und deren Schlussfolgerungen ausgehen (s. Beitrag vom 19.12.2015). Zu Tage gefördert haben sie eine kulturelle Vielfalt, eine ‚Symphonie der Verschiedenheit‘, die am Ende der Familiensynode des Jahres 2015 zur Beschreibung der Katholischen Kirche als „Diversität und Einheit in der Synodalität“ führte. Schon früh zeichnete sich in der Wertschätzung der Verschiedenheit der Kulturen für den weiteren Verlauf der synodalen Beratungen ab: „der Weg [der Einbezug der verschiedenen Kulturen] ist das Ziel; das Problem die Lösung“ (s. etwa die Beiträge vom 19. Mai 2015 und 8.2.2016).

'Stufenweises Wachstum' - oder das 'Prinzip der Gradualität'
(Stichwörter aus dem Themenregister/ der Konkordanz)
Früh war ebenfalls bereits in der ersten Beratungswoche der Familiensynode 2014 der Begriff der 'Gradualität' bedeutsam geworden, in der der Mensch in einem „dynamischen Prozess von Stufe zu Stufe“ (vgl. AL 122, 295) sein Leben entfalten kann – bis hin zu der „besonderen“ (AL 125; 207) oder sogar „größten Freundschaft“ (AL 123) der Ehe. Ohne das Ideal von Ehe und Familie zu relativieren oder tiefer zu hängen, prägt das Plädoyer für die Durchlässigkeit menschlichen Lebens auf allen seinen Entfaltungs- und Vervollkommnungsstufen für die göttliche Liebe die revolutionäre, alle blickverengende Erstarrung aufbrechende Perspektive des nachsynodalen Schreibens „Amoris laetitia“. Sie führt dazu, dass jüngst etwa der Passauer Bischof Stefan Oster die Segnung von nicht verheirateten Paaren vorschlug – ein Gedanke der vormals – befangen in einem naturrechtlichen Denkhorizont – undenkbar bzw. unsagbar gewesen wäre.

Der 'liebevolle Blick' - oder der ' Strom der Barmherzigkeit'
(Stichwörter aus dem Themenregister/ der Konkordanz)
Mit der Ausrufung des Jubiläumsjahres der Barmherzigkeit (vgl. Beitrag vom 19.5.2015) hob Papst Franziskus in neuer Weise das christliche Grundmotiv der barmherzigen Liebe hervor, das auch der leitende Grundgedanke zum Verständnis des gesamten synodalen Weges sowie des nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia ist. Die Barmherzigkeit – allen Menschen gegenüber bis zu den „existenziellen Peripherien“  (AL 312) – meint für Papst Franziskus aber nicht ein moralisches Sollen, sondern führt in eine positive Beschämung hinein, selbst zärtlich geliebt zu sein und darin auch selbst mitgerissen zu werden in einem wahren ‚Fluss der Barmherzigkeit‘ (Instrumentum laboris 106, MV 25). Die persönliche Widerfahrnis der Liebe ermöglicht auf neue Weise den ‚liebevollen Blick‘ auf Welt und Schöpfung ebenso wie für die liebevolle Zuwendung und Wertschätzung zu jedem einzelnen Menschen, für die Liebe, die niemanden und nichts ausschließt. „Wie sehr braucht doch die Welt von heute Zärtlichkeit!“ (Vgl. Beitrag vom 1.9.2015)

'Begleiten – Unterscheiden – Einbeziehen' - oder die 'Kunst der Begleitung'
(Stichwörter aus dem Themenregister/ der Konkordanz)
Die ‚Kunst der Begleitung‘ (EG 169) ist seit dem Lehrschreiben Evangelii gaudium ein zentrales Thema des Pontifikates von Papst Franziskus. Im Rahmen des synodalen Prozesses wurde diese Kunst, die Sandalen von den Füßen zu streifen vor dem Heiligen Boden des Nächsten (vgl. Ebd.) und der liebevollen Begleitung in verschiedenen didaktischen Dreischritten kurzgefasst: „Hören – Maß nehmen – Deuten/ Unterscheiden“ oder etwa „Annahme – Begleitung – Unterscheidung – Einbeziehung“. Es ist dies die von Franziskus als ‚Pädagogik der Gnade‘ (AL 279), als ‚Pädagogik der Liebe‘ (AL 211) oder als ‚Göttliche Pädagogik‘ (AL 78) bezeichnete Weise einer barmherzigen Liebe, in der niemand für immer verloren oder ausgeschlossen ist (MV 12; AL 308). Bezogen darauf wird die – bislang in der Logik naturrechtlichen Denkens undenkbare – sakramentale Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen in konkreten Einzelfällen möglich, wie es am 1.2.2017 von den deutschen Bischöfen rezipiert (und mittlerweile auch Äußerung des 'Authentischen Lehramtes' von Papst Franziskus bestätigt*) wurde. Zugleich wird im ethischen Diskurs der Paradigmenwechsel von einem vornehmlich naturgesetzlich ansetzenden Denken hin zu einer Öffnung für weitere Begründungsansätze ethischen Handelns – wie etwa der Tugend-, Beziehungs- oder Verantwortungsethik – und die Wertschätzung der Bedeutung der je persönlichen praktischen Vernunft des einzelnen Menschen vollzogen.

Im ‚Zustand permanenter Mission‘ – oder ‚Kirche im Aufbruch‘
(Stichwörter aus dem Themenregister/ der Konkordanz)
Papst Franziskus ist – wie wir heute wissen – im Konklave am 13. März 2013 zum Papst gewählt worden, nachdem er zuvor die Kardinäle in einer aufrüttelnden Analyse dafür sensibilisierte, dass ihm scheine, dass Christus in dem von Skandalen wie von einem verrechtlichten Denken geprägten ‚Haus der Kirche‘ heute „von innen klopft, damit wir ihn herauskommen lassen“. Was den zu wählenden Papst angeht, plädierte der heutige Papst für eine Person, die „aus der Betrachtung Jesu Christi und aus der Anbetung Jesu Christi der Kirche hilft, an die existenziellen Enden der Erde zu gehen, der ihr hilft, die fruchtbare Mutter zu sein, die aus der ‚süßen und tröstenden Freude der Verkündigung‘ lebt.“ (Vgl. Beitrag vom 19.9.2015) Papst Franziskus führt neu zu einer ‚Kirche im Aufbruch‘ (EG 20), eines Volkes Gottes im ‚Zustand permanenter Mission‘ – mit einer Freude an der Verkündigung der frohen Botschaft der zärtlichen Liebe Gottes.

Der 'Weg der Synodalität' – oder die ' heilsame Dezentralisierung'
(Stichwörter aus dem Themenregister/ der Konkordanz)
‚Der Weg ist das Ziel‘, lautete auch während der entscheidenden Synode 2015 (vgl. den Beitrag vom 17.10.2015; vgl. auch den Beitrag vom 19.5.2015) ein vorgezogenes Resümee des vorangehenden synodalen Prozesses. Die synodalen Befragungen standen am Anfang; und paradoxerweise war gerade die Feststellung der Unterschiedlichkeit der Kulturen in der Abschlussansprache derselben Synode eines der wichtigsten Ergebnisse überhaupt (s. Ebd.). In AL 3 wiederholt Papst Franziskus, dass jedes allgemeine Prinzip inkulturiert werden und auf regionaler Ebene weitergedacht, dekliniert und rezipiert werden muss. In diesem Zusammenhang unterstreicht Papst Franziskus zum 50jährigen Synodenjubiläum eine Neuausrichtung des Papstamtes, das im Sinne einer heilsamen Dezentralisierung seine Aufgabe, „Prinzip und Fundament der Einheit der Vielfalt“ (LG 23) zu sein, auf neue Weise finden muss. In einem Zugleich mit einer neuen Weise der Primatsausübung muss den Orts- und Teilkirchen das damit verbundene Maß an Lehrautorität auch formell zugesprochen werden. Diese Neubestimmung der Kirchenverfassung steht freilich – wie zuletzt im Beitrag vom 19.3.2017 betont – noch bevor und ist der letzte, formale Schritt für eine synodale Kirche ‚im Aufbruch‘ (EG 20, 24, 46), für einen ‚Zustand permanenter Mission“ (EG 25). Mit einem Satz aus dem letzten Abschnitt von Amoris laetitia gesprochen:

"...bleiben wir unterwegs! Was uns verheißen ist, ist immer noch mehr." (AL 325)

* Aktualisisierung vom 8.12.2017

Freitag, 8. April 2016

"Lassen wir die Freude ausbrechen angesichts seiner Zärtlichkeit"  (AL 149) - oder: "Zeichen und Wunder sind uns geschehen" – Zur Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens 'Amoris Laetitia'

(Anschreiben von Papst Franziskus zum nachsynodalen Schreiben 'Amoris laetitia')
"Zeichen und Wunder werden geschehen“, so lautete der Titel eines ersten Interviews im Zuge meiner über zweieinhalbjährigen Beobachtung und Öffentlichkeitsarbeit zu den beiden Familiensynoden der Jahre 2014 und 2015. Die Überschrift nahm eine Formulierung des Wiener Erzbischofs Christoph Kardinal Schönborn auf, der als Mitglied des Synodenrates schon kurz vor der ersten Familiensynode, der III. Außerordentlichen Bischofssynode, im Jahr 2014 optimistisch war in Hinblick auf Veränderungen in der Lehre bezüglich vieler ‚heißer Eisen‘, die nach den Rückmeldungen und Befragung aller Orts- und Teilkirchen beinahe weltweit unter den Nägeln brannten. In meinem Blog-Beitrag vom 4.10.2014 zu Beginn dieser Synode habe ich die bis zum heutigen Tag geltenden und in einschlägigen Dokumenten nachzulesende Lehrmeinung zusammengestellt, die durch das heute veröffentlichte Apostolische Lehrschreiben 'Amoris laetitia', insbesondere durch eine erneuerte, ja eine 'wirkliche Bekehrung' der Sprache – wie es in einem begleitenden Schreiben des Synodensekretärs Kardinal Lorenzo Baldisseris an die Bischöfe heißt – modifiziert wurden.
Die theologische Ausgangslage vor der Synode
Nichteheliche Verhältnisse verstoßen gegen das moralische Gesetz, sind schwere Sünde und die in ihnen lebenden Menschen ebenso vom Empfang der Kommunion ausgeschlossen (vgl. KKK 2390) wie in homosexueller Partnerschaft lebende Menschen, die gegen das natürliche Gesetz verstoßen, wenn sie wider die ihnen auferlegte Keuschheit miteinander verkehren (vgl. KKK 2357). Und auch wiederverheiratet Geschiedene sind ihr Leben lang vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen, insofern sie dauerhaft in einer Todsünde verharren (vgl. CIC Can. 915)." (s. ebd.)
Dass diese und andere schwierige Themen – wie der Umgang mit Methoden der Empfängnisregelung – zur Diskussion gestellt werden könnten, war von der reinen Sachlage eigentlich so gut wie ausgeschlossen. Und die Frage war von Anfang an diejenige, die in dem zu Beginn angesprochenen Interview der Kölner Kirchenzeitung vom 3.10.2014 in Bezug auf die genannten ‚heißen Eisen‘ in folgender Weise angesprochen wurde:
„Mit dem Thema der wiederverheirateten Geschiedenen ist das Thema von nichtehelichen Lebensgemeinschaften angesprochen und dort die Frage, ob wir den Menschen in irgendeiner Weise eine Anerkennung zusprechen können, ohne zu sagen, was sie jeweils nicht sind. Einige Überlegungen gehen sogar dahin, dass gegebenenfalls eine sakramentale Kongruenz, eine beschreibbare Form sakramentaler Entsprechung, bestehen kann, um wiederverheiratete Geschiedene auch zu den Sakramenten zuzulassen. Die anderen Fragen sind ganz ähnlich: Ob wir wertschätzend etwas zu neuen Familienformen, zu homosexuellen Partnerschaften und anderen Lebensgemeinschaften sagen können und wie wir das Thema Sexualität, verantwortete Elternschaft und die Bedeutung des Gewissens neu ansprechen." (Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln Nr. 40-41/14 vom 3.10.14)
Nach zwei, alle Orts- und Teilkirchen weltweit einbeziehenden Umfragen zur Rückbindung der kirchlichen Lehre an die gelebte Wirklichkeit der Gläubigen und einem über zwei Jahre währenden synodalen Prozess, deren wichtigste Wegmarken die III. Außerordentliche Bischofssynode (5.10.-19.10.2014) und die XIV. Ordentliche Bischofssynode (4.10.-25.10.2015) darstellten, markiert das heute veröffentlichte nachsynodale Schreiben 'Amoris laetitia' mit seinen neun Kapiteln und 325 Ziffern einen vorläufigen Schluss- und Höhepunkt. Ganz zu Beginn unterstreicht Papst Franziskus, dass durch "die Vielschichtigkeit der angesprochenen Themen die Notwendigkeit deutlich [wurde], einige doktrinelle, moralische, spirituelle und pastorale Fragen unbefangen weiter zu vertiefen." (AL 2). Mit dem Sekretär des Synodensekretariates stellten Kardinal Schönborn und das Ehepaar Prof. Francesco Miano und Prof.  Giuseppina De Simone in Miano das neue Apostolische Schreiben von Papst Franziskus am 8.4.2016 in einer Pressekonferenz vor. Kardinal Schönborn übertreibt gewiss nicht, wenn er in seinen erklärenden Ausführungen herausstellt, dass die Kirche im Sinne einer "Inklusion" niemanden ausschließt und als "irregulär" oder als "in Todsünde lebend" verurteilt. Und tatsächlich: Alle in den vorangegangenen Absätzen zitierten ‚heißen Eisen‘ sind nicht nur angefasst worden, sondern haben sich über den über zweijährigen synodalen Prozess in der Sprache und darüber auch in der Sache  verändert.

Die Lehrentwicklung im nachsynodalen Schreiben 'Amoris Laetitia'
Voreheliche Beziehungen werden nicht mehr im Defizitmodus als ‚Konkubinate‘, ‚sündige Verhältnisse‘ oder ‚irreguläre Beziehungen‘ apostrophiert, sondern in ihrem Eigenwert gegenseitiger Liebe und Verantwortung umschrieben, ohne dabei das – im Grundsatz von den allermeisten Menschen angestrebte, wie die weltweiten Umfragen zeigten – Ideal des ehelichen Treue- und Liebesverhältnis tiefer zu hängen oder gar das Versprechen der Unauflöslichkeit infrage zu stellen. Im Gegenteil widmet sich das Apostolische Schreiben 'Amoris laetitia' auf beinahe 60 Seiten in den von Papst Franziskus als die "zentralen Kapitel" (AL 6)  hervorgehobenen Abschnitten  der Beschreibung und theologischen Durchdringung der Ehe als der "größten Freundschaft" (AL 123; vgl. Thomas  von Aquin, ScG 123, 6), ihrer Berufung zum Leben und zur Entfaltung in der Familie (Kap. 5). Mit Überraschung, aber auch Stolz freue ich mich, dass dieser auch von mir bereits im o.g. Interview angedeutete, in Buchpublikationen wie in mehrsprachig aufbereiteten Blog-Beiträgen  empfohlene "Freundschaftsgedanke" einen solchen Stellenwert erhält, dass er allein 15 x zur tieferen Beschreibung der ehelichen Partnerschaft aufgenommen wird (in der Relatio Synodi wie im gesamten Verlauf der beiden Synoden fehlte dieser Schlüsselbegriff noch). Aber diese in der Liebe gründende, "besondere Freundschaft" (AL 125, 207) wird doch auch in ihrer Brechung in der je persönlich gelebten Lebenswirklichkeit gesehen, die nur in analoger Weise die göttliche Liebe repräsentieren (AL 73122),  und nicht minder in Verbindung zu anderen Lebensformen beschrieben werden kann, auf die hin viele Wesenselemente der ehelichen Freundschaft auszustrahlen vermögen. Fern davon, Zivilehen oder vermeintlich losere Partnerschaftsformen als ‚irreguläre Beziehungen‘ zu titulieren, werden Umstände benannt, die diese oft nicht immer frei gewählten Partnerschaftsformen bedingen (vgl. AL 294), und die in ihnen verwirklichte Güte beschrieben. Und auf der Linie dieser Wahrnehmung liegt die noch in der Enzyklika 'Familiaris consortio' (FC 84) im Grundsatz ausgeschlossene Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten: Im Gespräch und 'Forum Internum' mit einem Seelsorger und Beichtvater sollen – bezogen auf den je konkreten Einzelfall – Wege gesucht werden, die eine vollständige Teilnahme an den Sakramenten ermöglichen können (AL 300). 


Schließlich: Selbst wenn im nachsynodalen Schreiben Aussagen zu gelebter Homosexualität und homosexuellen Partnerschaften in den Ziffern 250 und 251 fehlen – weder in ausdrücklich positiver Beschreibung, aber auch nicht in verurteilender Sprache –, bedeutet der grundlegende Perspektivwechsel doch auch einen Auftrag zu einer neuen Annäherung im Verantwortungsbereich der jeweiligen Ortskirche und Kulturkreis, der auf Ebene der Weltkirche – wie die synodalen Beratungen auf den beiden Familiensynoden der Jahre 2014 und 2015 gezeigt haben – noch keinen gemeinsamen Nenner abzeichnen ließ. U.a. auf diese Frage wird der Hinweis zu Beginn von 'Amoris laetitia' zu lesen sein, dass unbeschadet der notwendigen  Einheit der Lehre "verschiedene Interpretationen einiger Aspekte der Lehre oder einiger Schlussfolgerungen, die aus ihr gezogen werden, weiterbestehen" (AL 3) können, zu denen sich die deutschen Bischöfe während der Synoden zum Teil deutlich weitergehend geäußert haben: vgl. den Blog-Beitrag vom 10.10.2015.


Dafür wird auf weltkirchlicher Ebene in der seit der Enzyklika 'Humanae vitae' ausschließlich in naturrechtlicher Weise akzentuierten und beantworteten Frage der Verantwortung für das Leben und den Umgang mit der eigenen Fruchtbarkeit in neuer Weise auf die Bedeutung des Gewissens hin geöffnet (vgl. AL 222) und darin wieder an über einige Jahrzehnte an den Rand gedrängte, große Traditionen insbesondere der mittelalterlichen philosophischen Ethik wie des II. Vatikanischen Konzils angeknüpft. Gerade diese Passage und die Ziffern 280-286, die mit einem deutlichen "Ja zur Sexualerziehung" überschrieben sind, laden dazu ein sich des Themenkomplexes ‚Liebe-Freundschaft-Partnerschaft-Ehe-Sexualität-Fruchtbarkeit‘ in der Erziehung und Bildung  in einer neuen Sprache anzunehmen, dem sich die Kirche - wie im vorausgegangenen Blog-Beitrag vom 1.3.2016 ausgeführt - in neuer Weise stellen muss. 
Die theologischen Schlüssel:
Der schöpfungstheologische Ansatz, der Freundschafts- und Gradualitäts-Begriff und  die Theologie der Barmherzigkeit
All diese Reform-Schritte wurden möglich durch den von Papst Franziskus eingeschlagenen, synodalen Weg des Einbezugs des gesamten Volkes Gottes und des oft hervorgehobenen synodalen Dreischrittes: Wahrnehmen – und Gewinnung von "Bodenhaftung" (AL 6) –, Rückbindung an die Botschaft Christi und das Unterscheiden und Beziehen auf Handlungsoptionen: der Dreischritt, der auch die Struktur der Abschlussdokumente der beiden Familiensynoden und damit auch das nachsynodale Schreiben kennzeichnet. Synodalität – für Papst Franziskus das große Thema der Katholischen Kirche zu Beginn des 3. Jahrtausends – ist ja das formale Ergebnis, das im Hintergrund all der bislang angesprochenen Reformschritte das dahinterliegende Strukturprinzip wirklicher Katholizität ist, wie im vorletzten Blogbeitrag am 8. Februar beschrieben. Damit verbunden ist eine – im letzten unumkehrbare – Wertschätzung und Rehabilitierung eines bereits das II. Vatikanische Konzil prägenden, schöpfungstheologischen Ansatzes, der Gottes Wirken und seine Güte in allen Kreaturen sieht (und darin weder die Personwürde des Nächsten noch die eigene Subjektivität überspringt), wie es Papst Franziskus in seiner Schöpfungsenzyklika 'Laudato Si'' ausgedrückt hat. Und schließlich wird erst vor dem Hintergrund dieses theologischen Ansatzes auch der Gedanke der "Gradualität" deutlich, in der der Mensch sich  in einem "dynamischen Prozess von Stufe zu Stufe entsprechend der fortschreitenden Hereinnahme der Gaben Gottes" entfalten kann (vgl. AL 122, 295) bis zur eheliche Liebe als der „größten Freundschaft“ (AL 123; s. auch Anhang unten). Die Durchlässigkeit menschlichen Lebens auf allen seinen Entfaltungs- und Vervollkommnungsstufen für die göttliche Liebe prägt die revolutionäre, alle blickverengende Erstarrung aufbrechende Perspektive des nachsynodalen Schreibens.  

'Revolution der zärtlichen Liebe' und 'Reformation im Geist der Synodalität'
Es wird den Versuch geben – und sie waren schon vor der Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens 'Amoris laetitia' wahrzunehmen in immer denselben einschlägigen Kreisen, Foren und Zirkeln –, das nachsynodale Schreiben als ‚pastoral orientiert‘ in seiner Lehrverbindlichkeit kleinzureden und die bleibende Gültigkeit der zuoberst zitierten Paragraphen zu betonen, so als habe es nicht schon immer eine Lehr- und Dogmenentwicklung  zu den Fragen von Ehe und Familie in der katholischen Kirche gegeben. Aber gerade das zeichnet das nachsynodale Schreiben aus, dass im Licht einer an die Lebenswirklichkeit anknüpfenden Lehre, des barmherzigen Blickes Jesu auf die Liebesempfänglichkeit und Liebenswürdigkeit jedes Menschen und einer schöpfungstheologischen Wertschätzung und Sichtung des bereits verwirklichten Guten eine neue ‚Wahr-nehmung‘ und Verkündigung der frohen Botschaft im Licht der Zeichen der Zeit möglich ist. In Fortsetzung des II. Vatikanischen Konzils führt es eine Lehrentwicklung weiter, die an den ‚Spitzen‘ der zuoberst zitierten ‚heißen Eisen‘ am deutlichsten wird, aber durch die neu aufgenommene schöpfungstheologische Perspektive einer ‚Revolution der zärtlichen Liebe‘ gleichkommt, aber mehr noch für die Katholische Kirche darüber hinaus eine wirkliche „Reformation im Geist der Synodalität“ bedeutet.

Zeichen und Wunder sind uns geschehen!
 
Lesen Sie auch den Blog-Beitrag vom 8.12.2016 über den weiteren synodalen Weg nach Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens und auf der Internetseite www.amoris-laetitia.de einige seiner schönsten Kurzzitate sowie Erläuterungen, vertiefende Informationen, Veranstaltungshinweise rund um Köln und Linktipps darüber hinaus. 




Nachwort des Verfassers 

Sonntag, 8. Januar 2017

Ohne jeden Zweifel: Gottes Liebe ist unauflöslich!
Über den gemeinsamen Nenner des synodalen Prozesses bei der Frage der Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten
(Papst Franziskus im Kreis der Kardinäle; Kardinal Carlo Caffarra, ganz links, und
Kardinal Walter Brandmüller, ganz rechts; Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk) 

Das sei ja wohl ein 'Insiderproblem', dass wiederverheiratet Geschiedene zur Kommunion gehen können, war bereits vor zweieinhalb Jahren zu hören. Man las von einer um sich selbst kreisenden Kirche nicht nur bei diesem Punkt. Was diese Frage mit der realen Welt und den wirklich drängenden Fragen von heute zu tun habe, wurde gefragt, und ob sich das Problem in der Praxis überhaupt noch so stelle, man nicht hier vor Ort schon z.T. ohne große Worte viel weiter sei. Dass es bei diesem Thema – wie ein hochaltriger Kurienkardinal kürzlich etwas salopp sagte – tatsächlich "um die Wurst" gehen könne, also um eine Grundsatzfrage gehe, kann von außen kaum nachvollzogen werden. Was in der manchmal unfreiwillig, aber nicht selten auch bewusst skandalisierenden Berichterstattung über 'heftig geführte Wortgefechte unterschiedlicher Lager' meist nicht wahrgenommen wird, ist, dass es in den verschiedenen Statements tatsächlich im Grunde um dasselbe geht: die Unendlichkeit und Unauflöslichkeit der Liebe.

Die Kirche in Deutschland hat sich – wie alle Teilkirchen der Welt im Rahmen des synodalen Prozesses – in den vergangenen drei Jahren dazu viele Gedanken gemacht und auch im Rahmen zweier Weltbischofssynoden eingebracht. Sie hat erinnert, dass die Ehe in analoger Weise abbildlich zur Liebe Gottes 'unauflöslich' ist; hat aber ebenso angefragt, dass der ausnahmslose Ausschluss wiederverheiratet Geschiedener von den Sakramenten - unbeschadet der Begleitung und Unterscheidung der Einzelfälle mit der Möglichkeit der Wiedereingliederung - eine noch größere Verwirrung über die Unauflöslichkeit der Liebe Gottes zur Folge habe. (Vgl. Blog-Beitrag vom 19.3.2015)
Vergleich von FC 84 mit der zur Bischofssynode 2015(!) mit eingereichten Eingabe
 der Deutschen Bischofskonferenz über "Theologisch verantwortbare und pastoral
angemessene Wege zur Begleitung wiederverheirateter Geschiedener", S. 51, 60.
Papst Franziskus hat das einmütige Votum der Bischofssynode hinsichtlich der Möglichkeit der Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten nach einer gewissenhaften Unterscheidung und seelsorgerischen Begleitung als Synodenergebnis in seinem Schreiben 'Amoris laetitia' auch als gemeinsamen Nenner für die Weltkirche festgestellt: So ist das Synodenergebnis klar darin, dass es keine generelle Zulassung (vgl. AL 300f) von wiederverheiratet Geschiedenen zur Kommunion, zu den Sakramenten, die für die Katholische Kirche Zeichen der unauflöslichen Liebe sind, gebe. Wer an der Klarheit dieser Aussage zweifelt, sollte die entsprechenden Abschnitte des päpstlichen Schreibens Amoris laetitia noch einmal genau lesen. Aber andererseits schließt es diese Möglichkeit auch nicht mehr in dergleichen Weise und Wortwahl aus, wie das noch vor über 35 Jahren in einem anderen Synodenschreiben ausgedrückt wurde, als aber schon in 'Familiaris consortio' (nr. 84) die Unterschiedlichkeit der einzelnen Lebenssituationen hervorgehoben und die Möglichkeit der Wiederzulassung bereits bei dem Verzicht auf gelebte Sexualität beschrieben wurde.
 
Das Bistum Rom konkretisierte nunmehr durch den Kardinalsvikar Agostino Vallini Richtlinien zur Anwendung des päpstlichen Schreibens "Amoris laetitia", nach denen Priester übermäßige Strenge ebenso wie Laxheit vermeiden und Paare in dieser Lebensfrage begleiten sollen.
Eine Zulassung zu dem Sakrament soll im Bistum Rom laut Vallini nur dann möglich sein, wenn eine Nichtigkeitserklärung der ersten Ehe durch ein kirchliches Gericht nicht möglich ist. Dies ist zuvor durch das Gericht zu klären. Der zuständige Pfarrer soll die betreffenden Paare nach dem Willen Vallinis zunächst dazu ermutigen, die Gültigkeit ihrer Ehe vor einem Gericht klären zu lassen. Sollte sich ein Prozess als undurchführbar erweisen, sei die seelsorgerische Initiative des Pfarrers nötig. Sie müsse dem Grundsatz folgen, dass die Person vor dem Gesetz komme. Hierbei müsse der Priester jeden Einzelfall sorgfältig prüfen und die jeweiligen Situationen unterscheiden.  Hierzu seien regelmäßige Gespräche mit den Betroffenen nötig, um sich der 'Reife des Gewissens' und ihrer Reue zu vergewissern.(KNA vom 8.1.2016)
Die Wahrnehmung der einzelnen Personen und Paare, die Unterscheidung der je individuellen Situationen, die Begleitung der einzelnen Paare in ihren konkreten Lebenszusammenhängen, das sind die pastoralen Zugänge, die eine Klärung der Frage der Zulassung zu den Sakramenten im persönlichen Gegenüber bzw. Miteinander von Seelsorger/in und Gläubigen möglich, ja nötig machen. "Annahme, Begleitung, Unterscheidung und Integration" und ein bewusstes Einzelfall-Denken bedeutet dies, wie es der Synodensekretär Kardinal Baldisseri unlängst ausdrückte. Das ist keine Grauzone, sondern ein Ort des Lichtes, des unauslöschlichen Lichtes und der unauflöslichen Liebe Gottes. Das ist die strahlende und klare Botschaft in die Welt, die die katholische Kirche bereits im vergangenen Jahr, mit dem 'Jahr der Barmherzigkeit' zum Ausdruck gebracht hat: Gottes Liebe ist unendlich, unermesslich, unauflöslich. Das ist die zentrale Botschaft der Kirche nach einem knapp dreijährigen synodalen Weg, die mit der Frage der Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zur Kommunion verbunden ist. Diese Frage berührt deshalb kein 'Insiderproblem', sondern ist Fundament der Kirche. Mit dieser Botschaft der barmherzigen Liebe erfüllt sie zugleich eine unersetzliche Funktion für die Gesellschaft. Gottes Liebe ist unauflöslich, unendlich, unermesslich, wie dies Papst Franziskus in seinem Schreiben 'Misericordia et misera' zum Ende des 'Jahres der Barmherzigkeit' auf den Punkt gebracht hat.

Wenn man erst einmal von der Barmherzigkeit überkleidet worden ist, dann ist der Zustand der Schwachheit aufgrund der Sünde, auch wenn er fortbesteht, übertroffen von der Liebe, die erlaubt, darüber hinauszusehen und anders zu leben.“ (MM 1)


Lesen Sie auch den Blogbeitrag  vom 1.2.2017 "Synodal oder: Wie möglich wurde, was unmöglich erschien" – Zum Wort der deutschen Bischöfe über den synodalen Weg der "Einladung zu einer erneuerten Ehe- und Familienpastoral im Licht von Amoris laetitia" und weitere Beiträge zur Bedeutung von Amoris laetitia (welches Schreiben weit über die Frage der wiederverheiratet Geschiedenen hinausgeht) vom 8.4.2016 sowie die nachfolgenden vom 8.12.2016 und vom 17.12.2016 , vom 8.1.2017vom 1.2.2017 ,vom 19.3.2017  und anlässlich des 1. Jahrestages von AL vom 8.4.2017; oder erfahren Sie mehr unter www.amoris-laetitia.de: mit einigen der schönsten Kurzzitate aus dem nachsynodalen Schreiben sowie Erläuterungen, vertiefenden Informationen, Veranstaltungshinweisen im Rheinland und zahlreichen Linktipps darüber hinaus.