Sonntag, 19. März 2017

Genau dieser Weg der Synodalität ist das, was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet – Zum einjährigen Jubiläum von Amoris laetitia der Ausblick auf einen „Zustand permanenter Mission“ (EG 25)
(Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk)
Obwohl erst am 8.4.2016 der Öffentlichkeit vorgestellt, datiert das nachsynodale Schreiben Amoris laetitia auf den 19.3.2016, so dass gerade heute der erste Jahrestag, das erste Jubiläum dieses bedeutenden Lehrschreibens zu begehen ist. Es bringt gleich zu Beginn in AL 2-4 mehrfach den „synodalen Weg“ ins Wort, auf dem es über zwei synodale Beratungen in den Jahren 2014 und 2015 und den vorausgehenden weltweiten Befragungen entstanden ist. Synodalität ist allerdings nicht nur Weg, sondern auch gerade das Ergebnis von Amoris laetitia, deren weitere Ausarbeitung und Entfaltung sogar für die Rezeption des Lehrschreibens essenziell – wie die zweite Seite derselben Medaille – ist. Dass die damit verbundenen Gedanken noch einmal über den engeren Fragekreis des Lehrschreibens rund um ‚Ehe und Familie‘ hinausgehen, wurde auf der Jubiläumsfeier anlässlich '50 Jahre Bischofssynode' mitten in der Familiensynode am 17.10.2015 – deutlich, auf welcher Papst Franziskus den seitdem oft zitierten Satz über den „Weg der Synodalität im 3. Jahrtausend“ ins Wort brachte. Im Grundsatz zielt diese Formulierung auf eine Weiterentwicklung des Kirchenverständnisses, auf eine Ekklesiologie im Sinne des II. Vatikanischen Konzils: 
Gemeinschaft des Volkes Gottes‘: Diese Formulierung umschreibt das neue Selbstverständnis der katholischen Kirche, wie es durch das Konzil geprägt wurde; die Gemeinschaft des Volkes Gottes, die in und aus Teilkirchen und in einer kollegialen Einheit der Einzelbischöfe mit dem Papst als dem „sichtbare[n] Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielfalt von Bischöfen und Gläubigen“ (LG 23) besteht – in Bereitschaft und „Öffnung für eine ständige Reform ihrer selbst.“ (EG 26) Im Zuge der Konzilsberatungen wurden zahlreiche synodale Strukturen der Kirche auf den verschiedenen Ebenen von Ortskirche, der Kirchenprovinzen und -regionen und der Weltkirche wiederentdeckt und auf die Anfänge der frühen Kirche bezogen.
Seit den ersten Jahrhunderten [...] wurden Synoden, Provinzialkonzilien und schließlich Plenarkonzilien abgehalten, in denen die Bischöfe sowohl in bezug auf die Verkündigung der Glaubenswahrheiten als auch auf die kirchliche Disziplin eine einheitliche Regelung für verschiedene Kirchen festlegten. Diese Heilige Ökumenische Synode wünscht, daß die ehrwürdigen Einrichtungen der Synoden und Konzilien mit neuer Kraft aufblühen; dadurch soll besser und wirksamer für das Wachstum des Glaubens und die Erhaltung der Disziplin in den verschiedenen Kirchen, entsprechend den Gegebenheiten der Zeit, gesorgt werden.“ (CD 36)
Noch bis in die 90er Jahre schien es tatsächlich, dass die Kirche in dieser synodalen Neuausrichtung auf gutem Wege sei, dass sich in der Kirche sogar eine „synodale Bewegung“ ergeben habe. Doch ist dieser zuletzt von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1994 ins Wort gebrachte Eindruck in der nachfolgenden Zeit mehr und mehr zweifelhaft geworden. Papst Franziskus stellt in Hinblick auf nicht wenige synodale Gremien  auf diözesaner Ebene (konkret nennt er: Priesterrat, Konsultorenkollegium, Kathedralkapitel und Pastoralrat) einundzwanzig Jahre später nüchtern fest, dass sie sich „manchmal mühselig dahinschleppen“ und zukünftig wieder mehr „als Gelegenheit zum Zuhören und zum Teilen erschlossen werden“ sollten. Noch deutlicher legt Papst Franziskus seit Beginn seines Pontifikats in einer kritischen Bestandsaufnahme ein besonderes Augenmerk auf die zweite, mittlere Ebene der Kirchenprovinzen und -regionen. Gerade auf dieser Ebene habe sich „[d]er Wunsch des Konzils, diese Organismen könnten zu einer Stärkung der Mentalität bischöflicher Kollegialität beitragen, [...] nicht völlig erfüllt.“ 
Papst Franziskus deutet  diese Bestandsaufnahme in seiner bedeutenden Rede zum 50jährigen Jubiläum der Bischofssynode – und inmitten der Beratungen der zu dieser Zeit tagenden Familiensynode am 17.10.2015 – in zwei Richtungen, um diese „Zwischeninstanzen der Kollegialität noch mehr zur Geltung zu bringen“: einerseits in Richtung auf eine weitere Ausgestaltung dieser synodalen Ebene „durch Integration und Aktualisierung einiger Aspekte der alten Kirchenordnung“ (wie am 8.2.2016 ausgeführt) und andererseits durch eine „Neuausrichtung des Papsttums“, die der mittleren synodalen Ebene der Kirchenprovinzen und -regionen eine neue Bedeutung und Aufgabe zuschreibt. In Hinblick auf die an anderer Stelle als Bekehrung des Papsttums“ (Radio Vatikan vom 17.10.2017) bezeichnete Neuausrichtung knüpft Franziskus an seinen Vorvorgänger Johannes Paul II. an, der bereits danach suchte, »eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet «. (EG 32 bzw. US 95) Für Papst Franziskus ist die katholische Kirche in dieser Neuausrichtung bislang „auf halbem Wege, auf einem Teil des Weges“ und betont in der erwähnten Jubiläumsansprache einen mittlerweile oft zitierten Passus aus seinem ersten Lehrschreiben Evangelii Gaudium 16, den er in einer ähnlichen Weise auch zu Beginn von AL 3 aufgenommen.
Wie ich bereits betont habe, ist es in einer synodalen Kirche »nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen. In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen „Dezentralisierung“ voranzuschreiten.« Genau dieser Weg der Synodalität ist das, was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet.
Papst Franziskus weiß bereits seit Beginn seines Pontifikates, dass wir „[i]n diesem Sinn [...] wenig vorangekommen“ sind. „Auch das Papsttum und die zentralen Strukturen der Universalkirche haben es nötig, dem Aufruf zu einer pastoralen Neuausrichtung zu folgen. Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen.“ Eine erste, bereits auf den Weg gebrachte Institution auf der Ebene der Regionalkirchen ist für Franziskus die Bischofskonferenz:
Das Zweite Vatikanische Konzil sagte, dass in ähnlicher Weise wie die alten Patriarchatskirchen » die Bischofskonferenzen vielfältige und fruchtbare Hilfe leisten [können], um die kollegiale Gesinnung zu konkreter Verwirklichung zu führen «. Aber dieser Wunsch hat sich nicht völlig erfüllt, denn es ist noch nicht deutlich genug eine Satzung der Bischofskonferenzen formuliert worden, die sie als Subjekte mit konkreten Kompetenzbereichen versteht, auch einschließlich einer gewissen authentischen Lehrautorität.“ (EG 32)
Wir wissen, dass seit Ende des Jahres 2014 eine Arbeitsgruppe der Internationalen Theologischen Kommission der Glaubenskongregation an einem Grundsatzpapier zur Synodalität arbeitet, das mittlerweile schon sehr weit gediehen ist. Und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird es nicht nur den Status und Kompetenzbereich der Bischofskonferenzen berühren und deutlicher beschreiben, sondern darüber hinaus die Bedeutung der Synodalität als konstitutives Element kirchlichen Lebens auf der Ebene der Kirchenprovinzen und –regionen wie auch der Universalkirche darüber hinausgehend betonen, ja einfordern – und darin das Kirchenverständnis der katholischen Kirche im Sinne des II. Vatikanischen Konzils unterstreichen und weiterführen. Wir dürfen gespannt sein:

Der synodale Weg einer Kirche im Aufbruch“  (EG 20-24) führt – gründend in einer in Mittel- und Südamerika besonders beheimateten Ekklesiologie des pilgernden Volkes Gottes – in Fortsetzung der Bewegungsrichtung zu einem „Zustand permanenter Mission“ (EG 25), der vom Lehrschreiben Amoris laetitia bereits antizipiert, ja vorausgesetzt wird (wie bereits im Blog-Beitrag am 8.2.2016 ausgeführt).


Lesen Sie in diesem Blog auch weitere Beiträge zur Bedeutung von 'Amoris laetitia' seit dem Tag des Erscheinens des nachsynodalen Schreibens am 8.4.2016 sowie die nachfolgenden vom 8.12.2016, vom 17.12.2016 , vom 8.1.2017, vom 1.2.2017 und anlässlich des 1. Jahrestages der Veröffentlichung von AL vom 8.4.2017; oder erfahren Sie mehr unter www.amoris-laetitia.de: mit einigen der schönsten AL-Kurzzitate, Literaturhinweisen und vertiefenden Informationen, Veranstaltungshinweisen und zahlreichen Linktipps darüber hinaus.




Mittwoch, 1. Februar 2017

"Synodal oder: Wie möglich wurde, was unmöglich erschien"
Zum Wort der deutschen Bischöfe über den synodalen Weg der "Einladung zu einer erneuerten Ehe- und Familienpastoral im Licht von Amoris laetitia"
(AL 100; Bildkarte  9/16 © www.amoris-laetitia.de)
Über neun Monate nach Veröffentlichung des Papstschreibens Amoris laetitia  am 8.4.2016 ist zum 1. Februar 2017 ein 'Wort der deutschen Bischöfe' der Wertschätzung und des Dankes, ergänzt mit ersten Ausführungen zu wichtigen Leitpunkten“ und Konsequenzen“ für die Ehe- und Familienseelsorge in Deutschland, vorgestellt worden. Es nimmt im Titel dieselbe Formulierung auf, mit der auch das nachsynodale Schreiben zu Beginn auf den ersten Satz der das II. Vatikanische Konzil kennzeichnenden Pastoralkonstitution Gaudium et spes  (1) anspielt: ‘Die Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird, ist auch die Freude der Kirche‘. Das lang erwartete deutsche Bischofswort würdigt, wie Papst Franziskus in Amoris laetitia die
Erträge des synodalen Weges zusammen[]fasst und weiter[]führt, den die Kirche in den Jahren 2014 und 2015 mit ihm beschreiten konnte. Gerade die alltagsnahe und lebensbejahende Sprache, in der Papst Franziskus von Ehe, Partnerschaft, Sexualität, Elternschaft, Familie und vor allem von Familien spricht, macht Amoris laetitia zu einer inspirierenden Quelle für das Leben von Ehe und Familie."
Im Zuge der „Vorbereitung und Begleitung des synodalen Weges […], bei den Befragungen im Vorfeld und in der fachlichen Aufbereitung“, in denen der „synodale Weg ein Weg der ganzen Kirche war“, wurden die vielfältigsten Lebenssituationen der Ehepaare und Familien von heute deutlich. Vor dem Hintergrund dieses synodalen Prozesses formulieren die Deutschen Bischöfe mit dem heutigen Tag erste Schwerpunkte" für die Kirche in Deutschland zu den Stichwörtern ‚Ehevorbereitung‘, ‚Ehebegleitung‘, ‚Stärkung der Familie als Lernort des Glaubens‘, ‚Umgang mit Zerbrechlichkeit: begleiten - unterscheiden - eingliedern‘.

Die ersten drei Leitpunkte unterstreichen die Bedeutung einer intensiven Begleitung von Paaren auf dem Weg zur Eheschließung und ihrer fortwährenden pastoralen Unterstützung. Wie Papst Franziskus vor wenigen Tagen in seiner Ansprache vor dem Vatikangerichtshof, der Rota Romana, am 21.1.2017 ein neues Katechumenat“ in der Ehevorbereitung ähnlich dem Taufkatechumenat anregte, fordern auch die Deutschen Bischöfe „Anstrengungen zur Entwicklung eines Ehekatechumenates“, das kirchenferne und glaubensentwöhnte Paare ebenso erreicht, wie die kirchliche Ehe- und Beziehungspastoral und -beratung ebenso auch interkonfessionellen Paaren sowie allen Paaren in schwierigen Situationen zu gelten habe. Im selben Maße, wie den Deutschen Bischöfen „die Entfaltung einer Ehe- und Familienspiritualität besonders am Herzen“ liegt, plädieren sie in dem Abschnitt „Familie als Lernort des Glaubens" für eine Erziehung der Kinder, die „von einem Weg der Glaubensweitergabe geprägt sein“ muss. Dabei wissen sie einzuschätzen, dass „die Gestaltung religiöser Elemente und Rituale im Familienleben nicht das Außergewöhnliche braucht, sondern die Nähe zum Alltag.“ Gegen Ende dieses dritten Leitpunktes betonen die Deutschen Bischöfe: „Diese Prozesse wollen wir verstärkt seelsorglich begleiten.“

Bei einem quantitativen Vergleich fällt auf, dass der vierte Schwerpunkt des Bischofswortes ‚Umgang mit Zerbrechlichkeit: begleiten - unterscheiden - eingliedern‘ mit knapp drei Textseiten in etwa dem Umfang der drei vorausgegangenen entspricht. Die Deutschen Bischöfe widmen sich an dieser Stelle allen Paaren in schwierigen Situationen, Personen in zerbrechenden und getrennten Paarbeziehungen wie insbesondere auch den Menschen, „die nach einer Scheidung zivilrechtlich wieder geheiratet haben und sich nach dem Empfang des Bußsakramentes und der Eucharistie sehnen.“  Geist und Inhalt des im nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia festgestellten synodalen Konsenses aufnehmend, unterstreichen die Deutschen Bischöfe zu dem letztgenannten Punkt „die drei Aspekte Begleiten, Unterscheiden und Einbeziehen als zentrale Leitbegriffe“ und stellen – unbeschadet der nachdrücklichen Empfehlung der Dienste der diözesanen Ehegerichte – die zuletzt in diesem Blog am 8.1.2017 in Hinblick auf das Bistum Rom zitierte und ähnlich auch schon von den Bischöfen Argentiniens und Maltas formulierte Deutung fest :
Amoris laetitia bietet in dieser Frage keine allgemeine Regelung und kennt keinen Automatismus in Richtung einer generellen Zulassung aller zivilrechtlich wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten. […]
Amoris laetitia bleibt aber dennoch nicht beim kategorischen und irreversiblen Ausschluss von den Sakramenten stehen. […]  
Amoris laetitia geht von einem Prozess der Entscheidungsfindung aus, der von einem Seelsorger begleitet wird. Unter der Voraussetzung dieses Entscheidungsprozesse, in dem das Gewissen aller Beteiligten in höchstem Maße gefordert wird, eröffnet Amoris laetitia die Möglichkeit, die Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie zu empfangen."


Sonntag, 8. Januar 2017

Ohne jeden Zweifel: Gottes Liebe ist unauflöslich!
Über den gemeinsamen Nenner des synodalen Prozesses bei der Frage der Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten
(Papst Franziskus im Kreis der Kardinäle; Kardinal Carlo Caffarra, ganz links, und
Kardinal Walter Brandmüller, ganz rechts; Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk) 

Das sei ja wohl ein 'Insiderproblem', dass wiederverheiratet Geschiedene zur Kommunion gehen können, war bereits vor zweieinhalb Jahren zu hören. Man las von einer um sich selbst kreisenden Kirche nicht nur bei diesem Punkt. Was diese Frage mit der realen Welt und den wirklich drängenden Fragen von heute zu tun habe, wurde gefragt, und ob sich das Problem in der Praxis überhaupt noch so stelle, man nicht hier vor Ort schon z.T. ohne große Worte viel weiter sei. Dass es bei diesem Thema – wie ein hochaltriger Kurienkardinal kürzlich etwas salopp sagte – tatsächlich "um die Wurst" gehen könne, also um eine Grundsatzfrage gehe, kann von außen kaum nachvollzogen werden. Was in der manchmal unfreiwillig, aber nicht selten auch bewusst skandalisierenden Berichterstattung über 'heftig geführte Wortgefechte unterschiedlicher Lager' meist nicht wahrgenommen wird, ist, dass es in den verschiedenen Statements tatsächlich im Grunde um dasselbe geht: die Unendlichkeit und Unauflöslichkeit der Liebe.

Die Kirche in Deutschland hat sich – wie alle Teilkirchen der Welt im Rahmen des synodalen Prozesses – in den vergangenen drei Jahren dazu viele Gedanken gemacht und auch im Rahmen zweier Weltbischofssynoden eingebracht. Sie hat erinnert, dass die Ehe in analoger Weise abbildlich zur Liebe Gottes 'unauflöslich' ist; hat aber ebenso angefragt, dass der ausnahmslose Ausschluss wiederverheiratet Geschiedener von den Sakramenten - unbeschadet der Begleitung und Unterscheidung der Einzelfälle mit der Möglichkeit der Wiedereingliederung - eine noch größere Verwirrung über die Unauflöslichkeit der Liebe Gottes zur Folge habe. (Vgl. Blog-Beitrag vom 19.3.2015)
Vergleich von FC 84 mit der zur Bischofssynode 2015(!) mit eingereichten Eingabe
 der Deutschen Bischofskonferenz über "Theologisch verantwortbare und pastoral
angemessene Wege zur Begleitung wiederverheirateter Geschiedener", S. 51, 60.
Papst Franziskus hat das einmütige Votum der Bischofssynode hinsichtlich der Möglichkeit der Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten nach einer gewissenhaften Unterscheidung und seelsorgerischen Begleitung als Synodenergebnis in seinem Schreiben 'Amoris laetitia' auch als gemeinsamen Nenner für die Weltkirche festgestellt: So ist das Synodenergebnis klar darin, dass es keine generelle Zulassung (vgl. AL 300f) von wiederverheiratet Geschiedenen zur Kommunion, zu den Sakramenten, die für die Katholische Kirche Zeichen der unauflöslichen Liebe sind, gebe. Wer an der Klarheit dieser Aussage zweifelt, sollte die entsprechenden Abschnitte des päpstlichen Schreibens Amoris laetitia noch einmal genau lesen. Aber andererseits schließt es diese Möglichkeit auch nicht mehr in dergleichen Weise und Wortwahl aus, wie das noch vor über 35 Jahren in einem anderen Synodenschreiben ausgedrückt wurde, als aber schon in 'Familiaris consortio' (nr. 84) die Unterschiedlichkeit der einzelnen Lebenssituationen hervorgehoben und die Möglichkeit der Wiederzulassung bereits bei dem Verzicht auf gelebte Sexualität beschrieben wurde.
 
Das Bistum Rom konkretisierte nunmehr durch den Kardinalsvikar Agostino Vallini Richtlinien zur Anwendung des päpstlichen Schreibens "Amoris laetitia", nach denen Priester übermäßige Strenge ebenso wie Laxheit vermeiden und Paare in dieser Lebensfrage begleiten sollen.
Eine Zulassung zu dem Sakrament soll im Bistum Rom laut Vallini nur dann möglich sein, wenn eine Nichtigkeitserklärung der ersten Ehe durch ein kirchliches Gericht nicht möglich ist. Dies ist zuvor durch das Gericht zu klären. Der zuständige Pfarrer soll die betreffenden Paare nach dem Willen Vallinis zunächst dazu ermutigen, die Gültigkeit ihrer Ehe vor einem Gericht klären zu lassen. Sollte sich ein Prozess als undurchführbar erweisen, sei die seelsorgerische Initiative des Pfarrers nötig. Sie müsse dem Grundsatz folgen, dass die Person vor dem Gesetz komme. Hierbei müsse der Priester jeden Einzelfall sorgfältig prüfen und die jeweiligen Situationen unterscheiden.  Hierzu seien regelmäßige Gespräche mit den Betroffenen nötig, um sich der 'Reife des Gewissens' und ihrer Reue zu vergewissern.(KNA vom 8.1.2016)
Die Wahrnehmung der einzelnen Personen und Paare, die Unterscheidung der je individuellen Situationen, die Begleitung der einzelnen Paare in ihren konkreten Lebenszusammenhängen, das sind die pastoralen Zugänge, die eine Klärung der Frage der Zulassung zu den Sakramenten im persönlichen Gegenüber bzw. Miteinander von Seelsorger/in und Gläubigen möglich, ja nötig machen. "Annahme, Begleitung, Unterscheidung und Integration" und ein bewusstes Einzelfall-Denken bedeutet dies, wie es der Synodensekretär Kardinal Baldisseri unlängst ausdrückte. Das ist keine Grauzone, sondern ein Ort des Lichtes, des unauslöschlichen Lichtes und der unauflöslichen Liebe Gottes. Das ist die strahlende und klare Botschaft in die Welt, die die katholische Kirche bereits im vergangenen Jahr, mit dem 'Jahr der Barmherzigkeit' zum Ausdruck gebracht hat: Gottes Liebe ist unendlich, unermesslich, unauflöslich. Das ist die zentrale Botschaft der Kirche nach einem knapp dreijährigen synodalen Weg, die mit der Frage der Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zur Kommunion verbunden ist. Diese Frage berührt deshalb kein 'Insiderproblem', sondern ist Fundament der Kirche. Mit dieser Botschaft der barmherzigen Liebe erfüllt sie zugleich eine unersetzliche Funktion für die Gesellschaft. Gottes Liebe ist unauflöslich, unendlich, unermesslich, wie dies Papst Franziskus in seinem Schreiben 'Misericordia et misera' zum Ende des 'Jahres der Barmherzigkeit' auf den Punkt gebracht hat.

Wenn man erst einmal von der Barmherzigkeit überkleidet worden ist, dann ist der Zustand der Schwachheit aufgrund der Sünde, auch wenn er fortbesteht, übertroffen von der Liebe, die erlaubt, darüber hinauszusehen und anders zu leben.“ (MM 1)


Lesen Sie auch den Blogbeitrag  vom 1.2.2017 "Synodal oder: Wie möglich wurde, was unmöglich erschien" – Zum Wort der deutschen Bischöfe über den synodalen Weg der "Einladung zu einer erneuerten Ehe- und Familienpastoral im Licht von Amoris laetitia" und weitere Beiträge zur Bedeutung von Amoris laetitia (welches Schreiben weit über die Frage der wiederverheiratet Geschiedenen hinausgeht) vom 8.4.2016 sowie die nachfolgenden vom 8.12.2016 und vom 17.12.2016 , vom 8.1.2017vom 1.2.2017 ,vom 19.3.2017  und anlässlich des 1. Jahrestages von AL vom 8.4.2017; oder erfahren Sie mehr unter www.amoris-laetitia.de: mit einigen der schönsten Kurzzitate aus dem nachsynodalen Schreiben sowie Erläuterungen, vertiefenden Informationen, Veranstaltungshinweisen im Rheinland und zahlreichen Linktipps darüber hinaus.





Samstag, 17. Dezember 2016

Amoris laetitia: oder eine Hommage anlässlich des 80. Geburtstags von Papst Franziskus über seinen synodalen Weg

(Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk)
Dieser Blog über die Familiensynoden der Jahre 2014 und 2015, deren Vorbereitungen, weltweite Beteiligung und Rezeption macht im Blick auf alle Beiträge in den vergangenen drei Jahren deutlich, dass die im Verlauf der Zeit erarbeiteten Dokumente bis einschließlich des Apostolischen Schreibens 'Amoris laetitia' als Ergebnisse eines mit überwältigender Zweidrittelmehrheit aller Synodalen getragenen und mit Rückhalt der gesamten Weltkirche versehenen synodalen Prozesses anzusehen sind – und nicht etwa als persönliche Ansichten eines wenn auch mit oberster Lehrautorität sprechenden Papstes. An einem Geburtstag – zumal wenn es ein 80er Geburtstag ist – kommt man dennoch nicht darum herum, diese gesamtkirchliche Entwicklung auch zu personifizieren. „Mit Papst Franziskus lernt die Kirche neu", schreibt Kardinal Marx anlässlich des runden Geburtstages in einer Würdigung für die Deutschen Bischöfe und unterstreicht zugleich:
Mit Papst Franziskus geht die Kirche den künftigen Weg als ‚synodale Kirche‘. Vor einem Jahr hat der Papst dieses Wort auf der Weltbischofssynode in Rom geprägt. Mit seinen Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium und Amoris laetitia lässt er keinen Zweifel, wie dieser Weg der synodalen Kirche aussehen muss: im Miteinander und nicht im Gegeneinander, im Dialog und nicht im Monolog, im Austausch der Charismen und nicht im engen dogmatischen Verharren, in der Hinwendung zu den Ausgegrenzten und Suchenden und nicht in der Einmauerung in Normen und Vorschriften." (DBK Pressemeldung vom 15.12.2016)
Papst Franziskus ging diesen Weg seit Beginn seines Pontifikats. Und dennoch war es wahrscheinlich Fügung mit den Worten eines früheren Blogeintrages gesagt , dass der erste Synodentag der 'Amoris laetitia' unmittelbar vorausgehenden XIV. Ordentlichen Bischofssynode auf den Gedenktag des Hl. Franziskus von Assisi am 4. Oktober fiel, von dem der damalige Papst Innozenz III. träumte, dass er das Haus der Kirche stützen und wieder aufrichten würde.

Der Traum Papst Innozenz' III.: Ausschnitt aus dem Freskenzyklus Giottos
über das Leben des Hl. Franziskus, Basilika San Francesco, Assisi


Auch Papst Franziskus – nach der vom Erzbischof von Havanna, Kardinal Jaime Ortega, mit Genehmigung des Papstes veröffentlichten Ansprache aus dem Vorkonklave – wurde gewählt aufgrund seiner die Kirche aus einer Trance nach Vatileaks, Korruptions- und Missbrauchsskandalen aufrüttelnden Analyse, dass ihm scheine, dass Christus in demselben Haus der Kirche heute 'von innen klopft, damit wir ihn herauskommen lassen.'
'Die egozentrische Kirche beansprucht Jesus für sich drinnen und lässt ihn nicht nach außen treten. Die um sich selbst kreisende Kirche glaubt – ohne dass es ihr bewusst wäre – dass sie eigenes Licht hat. Sie hört auf, das ‚Geheimnis des Lichts‘ zu sein, und dann gibt sie jenem schrecklichen Übel der ‚geistlichen Mondänität‘ Raum [… in der] die einen die anderen beweihräuchern.'
Was den zu wählenden Papst angeht, plädierte der heutige Papst für eine Person, die 'aus der Betrachtung Jesu Christi und aus der Anbetung Jesu Christi der Kirche hilft, an die existenziellen Enden der Erde zu gehen, der ihr hilft, die fruchtbare Mutter zu sein, die aus der ‚süßen und tröstenden Freude der Verkündigung‘ lebt.' Diese viele Kardinäle beindruckenden Worte aus dem Vorkonklave – noch bevor der damalige Kardinal Bergoglio wusste, dass die Wahl auf ihn fallen und er den Namen Franziskus annehmen würde – lesen sich im Blick auf den bisherigen synodalen Prozess wie eine Kurzfassung der auf dem zurückliegenden Weg veröffentlichten Dokumente. (s. Blog-Beitrag vom 29.9.2015)
Bliebe es bei solchen personifizierten Erinnerungen, würde Papst Franziskus dennoch auf seinem Weg allein gelassen, wenn sie nicht zugleich münden in einen Aufruf zum innerkirchlichen Commitment. Erneut mit den Worten des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gesagt:
Ich wünsche uns und der Kirche in Deutschland, dass wir den Heiligen Vater gerade auf diesem Weg, der sich ja bis in unsere tägliche Arbeit in den Gemeinden auswirkt, tatkräftig unterstützen, wo immer dies möglich ist. […] Vor drei Jahren hat Papst Franziskus von der ‚Kirche des Aufbruchs‘ gesprochen. Zum 80. Geburtstag danken wir ihm von Herzen für diesen Aufbruch, den wir mitgehen, von dem wir uns angespornt fühlen, Gott und der Kirche zu dienen. Zum Geburtstag wünsche ich Papst Franziskus alles Gute im Namen der Kirche in Deutschland. Versprechen wir gemeinsam, weiter für den Papst zu beten, so wie es sein sehnlichster Wunsch war, als er am 13. März 2013 gewählt wurde.“ (DBK Pressemeldung vom 15.12.2016).
Lesen Sie auch den Blog-Beitrag vom 8.1.2017 oder unter www.amoris-laetitia.de: mit einigen der schönsten Kurzzitate aus dem nachsynodalen Schreiben sowie Erläuterungen, vertiefenden Informationen, Veranstaltungshinweisen im Rheinland und zahlreichen Linktipps darüber hinaus.  

Donnerstag, 8. Dezember 2016

Amoris laetitia und der „Weg der Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet“


(Nr. 3 von 16 Kartenmotiven; hier AL 131 © www.amoris-laetitia.de)

Vor einem Jahr, am 8.12.2015, begann das 'Jahr der Barmherzigkeit' nicht zufällig am 50. Jahrestag des Endes des II. Vatikanischen Konzils. Der Jahrestag fällt dieses Jahr zusammen mit  Presseberichten zu einem bald erscheinenden Schreiben über „das Prinzip der Synodalität und seine theologische Bedeutung“, das „Abstimmen in Versammlungen“ sowie „das Einbeziehen von allen in pastorale Entscheidungsprozesse“, das von Papst Franziskus bereits im Januar dieses Jahres in Auftrag gegeben wurde. Wie in einem eigenen Beitrag vor dem Erscheinen des nachsynodalen Schreibens ‚Amoris laetitia‘ angedeutet, wird Papst Franziskus mit der Inkraftsetzung einer solchen Erklärung
„die Voraussetzungen für die Übernahme von Lehrverantwortung auf der Ebene der Teil- und Ortskirche schaffen müssen, indem er die synodale Verfasstheit der katholischen Kirche als gestufte Teilhabe an der Ausübung des kirchlichen Lehramtes erklärt, in Kraft setzt und mit ebendiesem Auftrag versieht.“ (ZDK Salzkörner  21. Jg., Nr. 6 (2015), 9)
Implizit sind diese Gedanken zur ‚synodalen Verfasstheit der katholischen Kirche als einer gestuften Teilhabe an der Ausübung des kirchlichen Lehramtes‘ – diese Selbstvergewisserung markierte auf der Feier des Synodenjubiläums den unvergesslichen Höhepunkt der Familiensynode des Jahres 2015 – bereits ganz zu Beginn und konkret im nachsynodalen Lehrschreiben ‚Amoris laetitia‘ aufgenommen, ja vorausgesetzt, indem der Papst darauf hinweist, 
„…dass nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden müssen. Selbstverständlich ist in der Kirche eine Einheit der Lehre und der Praxis notwendig; das ist aber kein Hindernis dafür, dass verschiedene Interpretationen einiger Aspekte der Lehre oder einiger Schlussfolgerungen, die aus ihr gezogen werden, weiterbestehen. […] Außerdem können in jedem Land oder jeder Region besser inkulturierte Lösungen gesucht werden, welche die örtlichen Traditionen und Herausforderungen berücksichtigen. Denn » die Kulturen [sind] untereinander sehr verschieden, und jeder allgemeine Grundsatz […] muss inkulturiert werden, wenn er beachtet und angewendet werden soll «. (AL 3)
In jeder Ortskirche wird konkret durchzubuchstabieren und auszuführen sein –  auch für die Deutsche Bischofskonferenz ist ein solches Wort der Bischöfe ja nun angekündigt –, was in der über drei Jahre synodal erarbeiteten Lehre zu Ehe und Familie auf einer obersten Ebene der Weltkirche – eben in dem am 8.4.2016 veröffentlichten nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia – beschrieben wurde. Gegen eine den synodalen Prozess im Grundsatz konterkarierende Infragestellung durch einzelne Stimmen der Weltkirche erklärt Papst Franziskus in einem gerade veröffentlichten Interview: 
„Sein postsynodales Schreiben „Amoris laetitia“ sei ein Ergebnis des gesamten synodalen Prozesses, „interessanterweise“ hätten dem, was da drinstehe, mehr als zwei Drittel der Väter zugestimmt. „Und das ist eine Garantie!“  (Radio Vatikan vom 7.12.2016) 

Das nachsynodale Schreiben  sei "das Ergebnis zweier Synoden, auf denen die ganze Kirche gearbeitet hat, und das der Papst sich angeeignet hat".  Nach zwei weltweiten Umfragen ist das Apostolische Schreiben bereits in der Weise seiner Entstehung wie im Inhalt – auf beinahe paradoxe Weise – ein  entscheidender Markstein auf dem Weg der Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet.“ (Vgl. Blog-Beitrag vom 17.10.2015). "‚Amoris laetitia‘ ist Vorbild der Synodalität" und Beispiel für eine  
synodale Kirche, in der Petrus Petrus ist, aber die Kirche begleitet, sie wachsen lässt, sie anhört, von dieser Realität lernt und sozusagen harmonisiert.“ Eine solche „synodale Kirche“ sei die, die ihm [Papst Franziskus] vorschwebe. „Das ist Einheit in der Vielfalt. Das ist Synodalität.“ (Radio Vatikan vom 7.12.2016) 
Wie schon geschrieben, werden wir es erleben: "Das angesprochene […]  Paradox der Familiensynode – die medial sowohl nach der Synode 2014 als auch 2015 beklagte Umstrittenheit der Synodenergebnisse  [und selbst noch die vereinzelte Infragestellung des nachsynodalen Schreibens] – wird rückblickend als Motor für die Erneuerung der Kirche gedeutet werden können: sowohl hinsichtlich der Lehrentwicklung als auch in Hinblick auf die Kirchenverfassung. 'Synodalität ist der Weg der Kirche im dritten Jahrtausend', denn: „Zeitgemäße Erneuerung […] heißt ständige Rückkehr zu den Quellen […] und zum Geist des Ursprungs." (Vgl. Blog-Beitrag vom 8.2.2016)

 
Lesen Sie in diesem Blog auch den nachfolgenden Blog-Beitrag vom 17.12.2016 anlässlich des 80. Geburtstages von Papst Franziskus oder erfahren Sie mehr unter www.amoris-laetitia.de: mit einigen der schönsten Kurzzitate aus dem nachsynodalen Schreiben sowie Erläuterungen, vertiefenden Informationen, Veranstaltungshinweisen im Rheinland und zahlreichen Linktipps darüber hinaus. 

Freitag, 8. April 2016

"Lassen wir die Freude ausbrechen angesichts seiner Zärtlichkeit"  (AL 149) - oder: "Zeichen und Wunder sind uns geschehen" – Zur Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens 'Amoris Laetitia'

(Anschreiben von Papst Franziskus zum nachsynodalen Schreiben 'Amoris laetitia')
"Zeichen und Wunder werden geschehen“, so lautete der Titel eines ersten Interviews im Zuge meiner über zweieinhalbjährigen Beobachtung und Öffentlichkeitsarbeit zu den beiden Familiensynoden der Jahre 2014 und 2015. Die Überschrift nahm eine Formulierung des Wiener Erzbischofs Christoph Kardinal Schönborn auf, der als Mitglied des Synodenrates schon kurz vor der ersten Familiensynode, der III. Außerordentlichen Bischofssynode, im Jahr 2014 optimistisch war in Hinblick auf Veränderungen in der Lehre bezüglich vieler ‚heißer Eisen‘, die nach den Rückmeldungen und Befragung aller Orts- und Teilkirchen beinahe weltweit unter den Nägeln brannten. In meinem Blog-Beitrag vom 4.10.2014 zu Beginn dieser Synode habe ich die bis zum heutigen Tag geltenden und in einschlägigen Dokumenten nachzulesende Lehrmeinung zusammengestellt, die durch das heute veröffentlichte Apostolische Lehrschreiben 'Amoris laetitia', insbesondere durch eine erneuerte, ja eine 'wirkliche Bekehrung' der Sprache – wie es in einem begleitenden Schreiben des Synodensekretärs Kardinal Lorenzo Baldisseris an die Bischöfe heißt – modifiziert wurden.
Die theologische Ausgangslage vor der Synode
Nichteheliche Verhältnisse verstoßen gegen das moralische Gesetz, sind schwere Sünde und die in ihnen lebenden Menschen ebenso vom Empfang der Kommunion ausgeschlossen (vgl. KKK 2390) wie in homosexueller Partnerschaft lebende Menschen, die gegen das natürliche Gesetz verstoßen, wenn sie wider die ihnen auferlegte Keuschheit miteinander verkehren (vgl. KKK 2357). Und auch wiederverheiratet Geschiedene sind ihr Leben lang vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen, insofern sie dauerhaft in einer Todsünde verharren (vgl. CIC Can. 915)." (s. ebd.)
Dass diese und andere schwierige Themen – wie der Umgang mit Methoden der Empfängnisregelung – zur Diskussion gestellt werden könnten, war von der reinen Sachlage eigentlich so gut wie ausgeschlossen. Und die Frage war von Anfang an diejenige, die in dem zu Beginn angesprochenen Interview der Kölner Kirchenzeitung vom 3.10.2014 in Bezug auf die genannten ‚heißen Eisen‘ in folgender Weise angesprochen wurde:
„Mit dem Thema der wiederverheirateten Geschiedenen ist das Thema von nichtehelichen Lebensgemeinschaften angesprochen und dort die Frage, ob wir den Menschen in irgendeiner Weise eine Anerkennung zusprechen können, ohne zu sagen, was sie jeweils nicht sind. Einige Überlegungen gehen sogar dahin, dass gegebenenfalls eine sakramentale Kongruenz, eine beschreibbare Form sakramentaler Entsprechung, bestehen kann, um wiederverheiratete Geschiedene auch zu den Sakramenten zuzulassen. Die anderen Fragen sind ganz ähnlich: Ob wir wertschätzend etwas zu neuen Familienformen, zu homosexuellen Partnerschaften und anderen Lebensgemeinschaften sagen können und wie wir das Thema Sexualität, verantwortete Elternschaft und die Bedeutung des Gewissens neu ansprechen." (Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln Nr. 40-41/14 vom 3.10.14)
Nach zwei, alle Orts- und Teilkirchen weltweit einbeziehenden Umfragen zur Rückbindung der kirchlichen Lehre an die gelebte Wirklichkeit der Gläubigen und einem über zwei Jahre währenden synodalen Prozess, deren wichtigste Wegmarken die III. Außerordentliche Bischofssynode (5.10.-19.10.2014) und die XIV. Ordentliche Bischofssynode (4.10.-25.10.2015) darstellten, markiert das heute veröffentlichte nachsynodale Schreiben 'Amoris laetitia' mit seinen neun Kapiteln und 325 Ziffern einen vorläufigen Schluss- und Höhepunkt. Ganz zu Beginn unterstreicht Papst Franziskus, dass durch "die Vielschichtigkeit der angesprochenen Themen die Notwendigkeit deutlich [wurde], einige doktrinelle, moralische, spirituelle und pastorale Fragen unbefangen weiter zu vertiefen." (AL 2). Mit dem Sekretär des Synodensekretariates stellten Kardinal Schönborn und das Ehepaar Prof. Francesco Miano und Prof.  Giuseppina De Simone in Miano das neue Apostolische Schreiben von Papst Franziskus am 8.4.2016 in einer Pressekonferenz vor. Kardinal Schönborn übertreibt gewiss nicht, wenn er in seinen erklärenden Ausführungen herausstellt, dass die Kirche im Sinne einer "Inklusion" niemanden ausschließt und als "irregulär" oder als "in Todsünde lebend" verurteilt. Und tatsächlich: Alle in den vorangegangenen Absätzen zitierten ‚heißen Eisen‘ sind nicht nur angefasst worden, sondern haben sich über den über zweijährigen synodalen Prozess in der Sprache und darüber auch in der Sache  verändert.

Die Lehrentwicklung im nachsynodalen Schreiben 'Amoris Laetitia'
Voreheliche Beziehungen werden nicht mehr im Defizitmodus als ‚Konkubinate‘, ‚sündige Verhältnisse‘ oder ‚irreguläre Beziehungen‘ apostrophiert, sondern in ihrem Eigenwert gegenseitiger Liebe und Verantwortung umschrieben, ohne dabei das – im Grundsatz von den allermeisten Menschen angestrebte, wie die weltweiten Umfragen zeigten – Ideal des ehelichen Treue- und Liebesverhältnis tiefer zu hängen oder gar das Versprechen der Unauflöslichkeit infrage zu stellen. Im Gegenteil widmet sich das Apostolische Schreiben 'Amoris laetitia' auf beinahe 60 Seiten in den von Papst Franziskus als die "zentralen Kapitel" (AL 6)  hervorgehobenen Abschnitten  der Beschreibung und theologischen Durchdringung der Ehe als der "größten Freundschaft" (AL 123; vgl. Thomas  von Aquin, ScG 123, 6), ihrer Berufung zum Leben und zur Entfaltung in der Familie (Kap. 5). Mit Überraschung, aber auch Stolz freue ich mich, dass dieser auch von mir bereits im o.g. Interview angedeutete, in Buchpublikationen wie in mehrsprachig aufbereiteten Blog-Beiträgen  empfohlene "Freundschaftsgedanke" einen solchen Stellenwert erhält, dass er allein 15 x zur tieferen Beschreibung der ehelichen Partnerschaft aufgenommen wird (in der Relatio Synodi wie im gesamten Verlauf der beiden Synoden fehlte dieser Schlüsselbegriff noch). Aber diese in der Liebe gründende, "besondere Freundschaft" (AL 125, 207) wird doch auch in ihrer Brechung in der je persönlich gelebten Lebenswirklichkeit gesehen, die nur in analoger Weise die göttliche Liebe repräsentieren (AL 73122),  und nicht minder in Verbindung zu anderen Lebensformen beschrieben werden kann, auf die hin viele Wesenselemente der ehelichen Freundschaft auszustrahlen vermögen. Fern davon, Zivilehen oder vermeintlich losere Partnerschaftsformen als ‚irreguläre Beziehungen‘ zu titulieren, werden Umstände benannt, die diese oft nicht immer frei gewählten Partnerschaftsformen bedingen (vgl. AL 294), und die in ihnen verwirklichte Güte beschrieben. Und auf der Linie dieser Wahrnehmung liegt die noch in der Enzyklika 'Familiaris consortio' (FC 84) im Grundsatz ausgeschlossene Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten: Im Gespräch und 'Forum Internum' mit einem Seelsorger und Beichtvater sollen – bezogen auf den je konkreten Einzelfall – Wege gesucht werden, die eine vollständige Teilnahme an den Sakramenten ermöglichen können (AL 300). 


Schließlich: Selbst wenn im nachsynodalen Schreiben Aussagen zu gelebter Homosexualität und homosexuellen Partnerschaften in den Ziffern 250 und 251 fehlen – weder in ausdrücklich positiver Beschreibung, aber auch nicht in verurteilender Sprache –, bedeutet der grundlegende Perspektivwechsel doch auch einen Auftrag zu einer neuen Annäherung im Verantwortungsbereich der jeweiligen Ortskirche und Kulturkreis, der auf Ebene der Weltkirche – wie die synodalen Beratungen auf den beiden Familiensynoden der Jahre 2014 und 2015 gezeigt haben – noch keinen gemeinsamen Nenner abzeichnen ließ. U.a. auf diese Frage wird der Hinweis zu Beginn von 'Amoris laetitia' zu lesen sein, dass unbeschadet der notwendigen  Einheit der Lehre "verschiedene Interpretationen einiger Aspekte der Lehre oder einiger Schlussfolgerungen, die aus ihr gezogen werden, weiterbestehen" (AL 3) können, zu denen sich die deutschen Bischöfe während der Synoden zum Teil deutlich weitergehend geäußert haben: vgl. den Blog-Beitrag vom 10.10.2015.


Dafür wird auf weltkirchlicher Ebene in der seit der Enzyklika 'Humanae vitae' ausschließlich in naturrechtlicher Weise akzentuierten und beantworteten Frage der Verantwortung für das Leben und den Umgang mit der eigenen Fruchtbarkeit in neuer Weise auf die Bedeutung des Gewissens hin geöffnet (vgl. AL 222) und darin wieder an über einige Jahrzehnte an den Rand gedrängte, große Traditionen insbesondere der mittelalterlichen philosophischen Ethik wie des II. Vatikanischen Konzils angeknüpft. Gerade diese Passage und die Ziffern 280-286, die mit einem deutlichen "Ja zur Sexualerziehung" überschrieben sind, laden dazu ein sich des Themenkomplexes ‚Liebe-Freundschaft-Partnerschaft-Ehe-Sexualität-Fruchtbarkeit‘ in der Erziehung und Bildung  in einer neuen Sprache anzunehmen, dem sich die Kirche - wie im vorausgegangenen Blog-Beitrag vom 1.3.2016 ausgeführt - in neuer Weise stellen muss. 
Die theologischen Schlüssel:
Der schöpfungstheologische Ansatz, der Freundschafts- und Gradualitäts-Begriff und  die Theologie der Barmherzigkeit
All diese Reform-Schritte wurden möglich durch den von Papst Franziskus eingeschlagenen, synodalen Weg des Einbezugs des gesamten Volkes Gottes und des oft hervorgehobenen synodalen Dreischrittes: Wahrnehmen – und Gewinnung von "Bodenhaftung" (AL 6) –, Rückbindung an die Botschaft Christi und das Unterscheiden und Beziehen auf Handlungsoptionen: der Dreischritt, der auch die Struktur der Abschlussdokumente der beiden Familiensynoden und damit auch das nachsynodale Schreiben kennzeichnet. Synodalität – für Papst Franziskus das große Thema der Katholischen Kirche zu Beginn des 3. Jahrtausends – ist ja das formale Ergebnis, das im Hintergrund all der bislang angesprochenen Reformschritte das dahinterliegende Strukturprinzip wirklicher Katholizität ist, wie im vorletzten Blogbeitrag am 8. Februar beschrieben. Damit verbunden ist eine – im letzten unumkehrbare – Wertschätzung und Rehabilitierung eines bereits das II. Vatikanische Konzil prägenden, schöpfungstheologischen Ansatzes, der Gottes Wirken und seine Güte in allen Kreaturen sieht (und darin weder die Personwürde des Nächsten noch die eigene Subjektivität überspringt), wie es Papst Franziskus in seiner Schöpfungsenzyklika 'Laudato Si'' ausgedrückt hat. Und schließlich wird erst vor dem Hintergrund dieses theologischen Ansatzes auch der Gedanke der "Gradualität" deutlich, in der der Mensch sich  in einem "dynamischen Prozess von Stufe zu Stufe entsprechend der fortschreitenden Hereinnahme der Gaben Gottes" entfalten kann (vgl. AL 122, 295) bis zur eheliche Liebe als der „größten Freundschaft“ (AL 123; s. auch Anhang unten). Die Durchlässigkeit menschlichen Lebens auf allen seinen Entfaltungs- und Vervollkommnungsstufen für die göttliche Liebe prägt die revolutionäre, alle blickverengende Erstarrung aufbrechende Perspektive des nachsynodalen Schreibens.  

'Revolution der zärtlichen Liebe' und 'Reformation im Geist der Synodalität'
Es wird den Versuch geben – und sie waren schon vor der Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens 'Amoris laetitia' wahrzunehmen in immer denselben einschlägigen Kreisen, Foren und Zirkeln –, das nachsynodale Schreiben als ‚pastoral orientiert‘ in seiner Lehrverbindlichkeit kleinzureden und die bleibende Gültigkeit der zuoberst zitierten Paragraphen zu betonen, so als habe es nicht schon immer eine Lehr- und Dogmenentwicklung  zu den Fragen von Ehe und Familie in der katholischen Kirche gegeben. Aber gerade das zeichnet das nachsynodale Schreiben aus, dass im Licht einer an die Lebenswirklichkeit anknüpfenden Lehre, des barmherzigen Blickes Jesu auf die Liebesempfänglichkeit und Liebenswürdigkeit jedes Menschen und einer schöpfungstheologischen Wertschätzung und Sichtung des bereits verwirklichten Guten eine neue ‚Wahr-nehmung‘ und Verkündigung der frohen Botschaft im Licht der Zeichen der Zeit möglich ist. In Fortsetzung des II. Vatikanischen Konzils führt es eine Lehrentwicklung weiter, die an den ‚Spitzen‘ der zuoberst zitierten ‚heißen Eisen‘ am deutlichsten wird, aber durch die neu aufgenommene schöpfungstheologische Perspektive einer ‚Revolution der zärtlichen Liebe‘ gleichkommt, aber mehr noch für die Katholische Kirche darüber hinaus eine wirkliche „Reformation im Geist der Synodalität“ bedeutet.

Zeichen und Wunder sind uns geschehen!
 
Lesen Sie auch den Blog-Beitrag vom 8.12.2016 über den weiteren synodalen Weg nach Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens und auf der Internetseite www.amoris-laetitia.de einige seiner schönsten Kurzzitate sowie Erläuterungen, vertiefende Informationen, Veranstaltungshinweise rund um Köln und Linktipps darüber hinaus. 




Nachwort des Verfassers 

Dienstag, 1. März 2016

In Erwartung des nachsynodalen Schreibens von Papst Franziskus: Für eine Sexualpädagogik, die an der Zeit ist, und für eine Theologie der Leiblichkeit

Leibfeindliches Christentum? Auf der Suche nach  einer
neuen Sexualmoral,  HerKorr Spezial 2-2014 (Titelseite)

Dass sich die Kirche gar nicht mehr mit den Fragen von Sexualpädagogik und -moral beschäftigen brauche, weil sich vermeintlich eh niemand mehr in der Gesellschaft an ihren Maßstäben orientiere, heißt es öffentlichkeitswirksam in einem vorab verbreiteten Interview des März-Heftes der Herder Korrespondenz. Ob Manfred Lütz die Pädagogik in einem Bereich der grundlegenden personalen Bildung (nicht zuletzt der Primar- und Sekundarstufen) tatsächlich dem freien Spiel der gesellschaftlichen Kräfte überlassen, allein durch Rezeptblock oder das Strafgesetzbuch (s.u.) geregelt oder aber zur Überwindung einer "katholischen Identitätskrise" – wider den reißerischen Ersteindruck im wahrsten Sinn 'stillschweigend' – die überkommenen Lehren bereits aufgegeben hat oder ungeschichtlich überhöhen will, mag hier offen bleiben.
 
Für eine Sexualpädagogik, die an der Zeit ist!