Sonntag, 3. Januar 2021

Synodaler Weg 50 Jahre nach der Würzburger Synode- oder: „Letzte Chance“ wider die Unglaubwürdigkeit, in der sich „eine Institution selbst zugrunde“ richtet.

"Die Würzburger Synode war 100 Prozent notwendig und sie lebt bis heute fort. […] Die Bewegung geht nach vorne und die Impulse von damals sind weiterhin sehr stark präsent. Die große Mehrzahl der gläubigen Katholikinnen und Katholiken in unserem Land wollen Veränderung, und darum ist auch der Synodale Weg so notwendig“. (katholisch.de vom 2.1.21)

Mit diesen Worten verweist der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing auf die Notwendigkeit der Würzburger Synode, die auf den Tag genau vor 50 Jahren in Würzburg begann, und ihre Bedeutung für den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland. Jüngere Theolog*innen könnten sich die Augen reiben, dass ebendiese Synode im Schlussdokument in den Beschlüssen ‚Dienste und Ämter‘ und ‚Beteiligung der Laien‘ unter anderem die Zulassung von Frauen zum Diakonat, Zugangswege für verheiratete Männer zum Priestertum und Mitbestimmung der Laien in der Kirche geradeheraus ansprechen und fundiert mit Argumenten begründen, die auch heute wieder zitiert werden. Sie stehen mit anderen wichtigen Themen auch im Rahmen des Synodalen Weges 50 Jahre später weiterhin auf der Tagesordnung und sind für Bischof Bätzing Gradmesser für die Glaubwürdigkeit der Kirche

"Wir gehen diesen Weg mit allen Steinen und Wegweisern aus verschiedensten Richtungen, aber es ist unsere Verantwortung, ihn jetzt zu gehen. Wenn wir uns den drängenden Fragen nicht stellen, werden wir unglaubwürdig.“ (Ebd.)

Als „letzte Chance“ bezeichnet dies auch das oben mit Cover bezeichnete neue Buch “Synodaler Weg“, indem es "Standpunkte zur Zukunft der Kirche" von beteiligten Synodalen der ersten Plenarversammlung veröffentlicht. Dass die Themen und Forderungen – anders als vor 50 Jahren – in Rom mehr Beachtung finden, soll über einen Einbezug desjenigen Sekretariates möglich werden, das für die Weltbischofssynode 2022 das Thema Synodalität insgesamt aufplant. Auch zur Synodalität hatte die Würzburger Synode ein Beschlussvotum verabschiedet, das seiner Zeit ebenfalls keine Beachtung in Rom (und selbstredend daraufhin auch keinen Niederschlag im Codex Iuris Canonici von 1983) gefunden hat, das nun auch für Rom in doppelter Weise interessant, ja zielführend werden könnte.

Die Würzburger Synode bat 1975 in einem bist zum heutigen Tag nicht beantworteten Votum im Beschluss "Räte und Verbände" den Papst:

"a) den Bistümern […] das Recht zu geben, in jedem Jahrzehnt eine gemeinsame Synode durchzuführen; b) ein entsprechendes Statut, das unter Wahrung aller im Statut der Gemeinsamen Synode festgelegten Grundsätze die für weitere gemeinsame Synoden erforderlichen Regelungen zu treffen und von der Deutschen Bischofskonferenz mit der Bitte um Genehmigung vorgelegt wird, zu approbieren bzw. in Kraft zu setzen; c) die Bischöfe unserer Diözesen rechtzeitig zu ermächtigen, die für die Durchführung der nächsten gemeinsamen Synode erforderlichen Maßnahmen gemeinsam vorzubereiten und für ihre Diözesen anzuordnen." (Beschluss: Räte und Verbände, Teil IV, 2)

 

Die Veröffentlichung des seit dem Frühjahr 2019 erwarteten Dokuments Praedicate evangelium, das die alte Konstitution zur Kirchenverfassung Pastor Bonus von 1988 ablösen wird, ist nunmehr für einen Termin vor Ostern dieses Jahres angekündigt. Sie wird nach den bisherigen Ankündigungen den subsidiären Auftrag der Kurie in Rom, aber darüber auch die Anteilnahme der Teilkirchen an der Lehrautorität der Kirche herausarbeiten. Zu ebendieser Verantwortung gehören auch Partikularkonzilien, die heute eine andere Zusammensetzung erfordern, als sie der CIC als kirchliches Rechtsbuch Anfang der 1980er Jahre für notwendig hielt. Und als Paradebeispiel zeitgemäßer Synodalität ist der „Synodale Weg“ – auch wenn für ihn keine Rechtsnorm im CIC existiert – über alle inhaltlichen Eingaben für die Zukunft der Kirche hinweg bestes Beispiel für das, was Ziel der Bischofssynode 2022 sein soll: eine Synodale Kirche, deren Verwirklichung ihrerseits nicht nur dasjenige ist, was "Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet", sondern auch die Erfüllung desjenigen Auftrags, den das Konklave Papst Franziskus im Jahr 2013 mit der Aufgabe der Kurien- und Kirchenreform mitgegeben hat.


Bis dahin ist freilich noch ein langer Weg. Und jenseits allen Optimismus' im Blick auf den vor Augen stehenden Zukunftsweg in Deutschland und der Weltkirche, muss schnellstmöglich alles getan werden, dass nicht aufgrund eines mangelhaften Umgangs mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, der den Synodalen Weg überhaupt erst ausgelöst hat, die Kirche in Deutschland schon auf dem Weg alle Glaubwürdigkeit verloren hat und sich “eine Institution selbst zugrunde“ richtet. Auch und gerade hier gilt: 

"Die Zeit läuft uns weg!"

Dienstag, 22. Dezember 2020

Weihnachtsfest in der Pandemie – oder: Die Chance in der Krise wider die verlorene Glaubwürdigkeit

Als wenn die diesjährige Weihnachtsansprache für die Römische Kurie auch und gerade auf den Anlass des Synodalen Weges der Kirche in Deutschland und sein Stottern angesichts von Pandemie und intransparenter Missbrauchsaufarbeitung – wie derzeit im Erzbistum Köln* – gemünzt wäre, stellt Papst Franziskus die Krise der Kirche in den Mittelpunkt seiner diesjährigen Weihnachtsansprache:

"Dieses Weihnachtsfest ist das Weihnachtsfest in der Pandemie, der gesundheitlichen, sozialökonomischen, aber auch kirchlichen Krise, die die ganze Welt unterschiedslos getroffen hat. Die Krise ist nicht mehr nur ein Allgemeinplatz des Diskurses und des intellektuellen Establishments, sie ist zu einer Realität geworden, die alle betrifft." (Vaticannews vom 21.12.20)

Und er fügt wie schon im März auf dem Petersplatz umgehend hinzu:

"Diese Geißel war eine beachtliche Bewährungsprobe und zugleich eine große Chance, uns zu bekehren und wieder authentisch zu werden." 

 

Verlorene Authentizität und Glaubwürdigkeit

 

Allein: die Authentizität wird der Katholischen Kirche in Deutschland gerade nicht mehr abgenommen. Zunotorischen Lügnern“ werden Bischöfe aus dem Erzbistum Köln gerechnet, deren Missbrauchsaufarbeitung auch von bischöflichen Kollegen als unsäglich“, „verheerend“, zutiefst verletzendund als „regelrechtes Desaster“ bezeichnet wird.

 

Nach dem im März 2019 anlässlich des weltweite Ausmaße annehmenden Missbrauchsskandals veröffentlichten Papstschreiben „Ihr seid das Licht der Welt“ (Vos estis lux mundi) kennzeichnet gerade Bischöfe 

"eine ständige und tiefe Umkehr der Herzen, die durch konkrete und wirksame Handlungen bezeugt wird; diese beziehen alle in der Kirche mit ein, sodass die persönliche Heiligkeit und der moralische Einsatz dazu beitragen können, die volle Glaubwürdigkeit der Verkündigung des Evangeliums und die Wirksamkeit der Sendung der Kirche zu fördern." (Ebd.)

Was aber tun, wenn die Glaubwürdigkeit erschüttert ist und fehlt? Wie kann man glaubhaft Weihnachten feiern, wenn die Hirten diese selbst vermissen lassen, man am „Umgang mit den Verbrechen sexueller Gewalt in der Kirche ablesen kann: Die können und wollen das Kind gar nicht schützen.“ (Kölnische Rundschau 13.12.20)

 

Die verlorene Glaubwürdigkeit stand am Anfang des Synodalen Wegs in Deutschland. Sie wiederherzustellen, „den zugrundeliegenden Problemen, die dieses schreckliche Missbrauchsgeschehen überhaupt ermöglicht haben“, nachzugehen, war und ist trotz einer aufkommenden „Grundfrustration […] angesichts der aktuellen Debatten um Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln“ weiterhin Ziel des nunmehr Corona-bedingt bis zum Herbst 2022 projektierten Synodalen Weges.

 

Die aktuelle Situation mit den Worten der diesjährigen Weihnachtsansprache einfach nur als Krise zu verstehen, erscheint fast euphemistisch ausgedrückt, weil sie nicht durch Aussitzen oder Zuwarten gelöst werden kann vielmehr dadurch nur verschlimmert wird , sondern nur durch ein Bekenntnis von Schuld und die Übernahme und das Tragen von Verantwortung. 


 Darüber hinaus, nicht hinwegsehen


Und dennoch ist auch -  trotz oder angesichts aller Verzweiflung über einzelne Verantwortungsträger - darüber hinaus zu sehen.
Denn eine „Reflexion über die Krise warnt uns davor, die Kirche vorschnell nach den Krisen zu beurteilen, die durch die Skandale von gestern und heute verursacht wurden“ (Ebd.) und darin die Kirche schon auf dem Weg „in eine Sekte“ abdriften zu sehen, wie im Blick auf die Missbrauchsaufarbeitung in Köln gerade schon geschrieben wird. Davon abstrahierend sagt Papst Franziskus in der aktuellen Weihnachtsansprache:

"Wie oft scheint auch unseren kirchlichen Analysen die Hoffnung zu fehlen. Ein hoffnungsloser Blick auf die Wirklichkeit kann nicht als realistisch bezeichnet werden. Die Hoffnung gibt unseren Analysen das, was unsere kurzsichtigen Augen so oft nicht wahrnehmen können."  (Ebd.)

Und beim nächsten Absatz erinnert der Wortlaut von Papst Franziskus fast wieder an den schonungslos und beinahe sarkastischen Stil früherer Weihnachtsansprachen, der zu Beginn die eigentliche Chance in der Krise herausarbeitet:

"Wer die Krise nicht im Licht des Evangeliums betrachtet, beschränkt sich darauf, die Autopsie einer Leiche durchzuführen. Er schaut auf die Krise, aber ohne das Licht des Evangeliums. Die Krise ist nicht nur deswegen so erschreckend für uns, weil wir verlernt haben, sie so zu sehen, wie das Evangelium es uns nahelegt, sondern weil wir vergessen haben, dass allem voran das Evangelium selbst uns in eine Krise bringt. Es ist das Evangelium, das uns in eine Krise bringt."  (Ebd.)

(Screenshot Vaticannews vom 21.12.20)

Und bei Licht betrachtet ist ja gerade das die Erfahrung des Synodalen Wegs, auch wenn ich sie nur – wie geschrieben – für den Verlauf eines Synodalforums aus eigener Perspektive bezeugen kann.

"Wenn wir aber wieder den Mut und die Demut finden, laut auszusprechen, dass die Zeit der Krise eine Zeit des Heiligen Geistes ist, dann werden wir uns auch angesichts der Erfahrung von Dunkelheit, Schwäche, Zerbrechlichkeit, Widersprüchen und Verwirrung nicht mehr niedergeschlagen fühlen, sondern immer ein inniges Vertrauen darauf bewahren, dass die Dinge gerade eine neue Form annehmen, die allein aus der Erfahrung einer im Dunklen verborgenen Gnade entsprang. […]
Wenn uns also ein gewisser Realismus unsere jüngste Geschichte nur als die Summe von nicht immer geglückten Versuchen, Skandalen, Stürzen, Sünden, Widersprüchen und Kurzschlüssen beim Zeugnisgeben darstellt, sollten wir weder erschrecken, noch sollten wir die Evidenz all dessen leugnen, was in uns und in unseren Gemeinschaften vom Tod betroffen ist und der Bekehrung bedarf. Alles, was böse, widersprüchlich, schwach und zerbrechlich ist und sich offen zeigt, erinnert uns noch stärker an die Notwendigkeit, alles Denken und Tun, das dem Evangelium nicht entspricht, in uns absterben zu lassen. Nur wenn wir eine bestimmte Mentalität absterben lassen, wird es uns auch gelingen, Platz für das Neue zu schaffen, das der Geist ständig im Herzen der Kirche weckt. Die Kirchenväter waren sich dessen bewusst, sie nannten es „Metanoia". (Ebd.)

 

Metanoia, Aggiornamento und Synodalität – oder: Was in der Krise zu tun ist


"Was ist in der Krise zu tun? Zunächst einmal sollte man sie als eine Zeit der Gnade annehmen, die uns gegeben ist, um Gottes Willen für jeden von uns und für die ganze Kirche zu verstehen." (Ebd.)

"In jeder Krise gibt es immer ein begründetes Bedürfnis nach einem aggiornamento: das ist ein Schritt vorwärts. Aber wenn wir wirklich eine solche Aktualisierung wollen, müssen wir den Mut zu einer umfassenden Bereitschaft haben." (Ebd.)

Dieses Aggionamento ist mehr als das „Flicken eines Kleides“. Wir sind vielmehr „aufgerufen, denselben Leib mit einem neuen Gewand zu bekleiden“ (Ebd.).

"Ohne die Gnade des Heiligen Geistes, selbst wenn man beginnt, die Kirche synodal zu denken, wird sie sich, anstatt sich auf die Gemeinschaft mit der Präsenz des Heiligen Geistes zu beziehen, als eine beliebige demokratische Versammlung verstehen, die sich aus Mehrheiten und Minderheiten zusammensetzt. Wie ein Parlament, beispielsweise: Das ist nicht Synodalität. Allein die Gegenwart des Heiligen Geistes macht den Unterschied." (Ebd.) 

 

Der Synodale Weg im Heiligen Geist

Auch in diesem Absatz scheint die Weihnachtsansprache indirekt auch auf die Situation der Kirche in Deutschland gemünzt zu sein, wie sie ähnlich schon in der Audienzansprache des Papstes am 25.11.20 anklang (vgl. Blog-Beitrag vom 1.12.2020). Aus Sicht eines der Präsidenten des Synodalen Weges und Vorsitzenden des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZDK) Thomas Sternberg „sollten die Synodalen auch daran arbeiten, ihre Kommunikation mit Rom zu verbessern. Er habe den Eindruck, dass im Vatikan 'Fehlvorstellungen' über die Katholiken in Deutschland kursierten, etwa dass in Deutschland zwei etwa gleich große Gruppen von Konservativen und Progressiven 'aufeinanderprallen' würden. Dabei sei eine große Mehrheit bereit, neue Wege zu gehen." (katholisch.de vom 18.12.20)

 

Und ich darf als Mitglied des Synodalforums "Liebe und Sexualität" anfügen: Sie sollten deutlich machen – wie schon im vorausgegangenen Blog-Beitrag erwähnt – wie sehr der Synodale Weg seinerseits eine Bewegung im Heiligen Geist ist. In diesem Sinn ist Weihnachten im Jahr 2020 in und trotz aller Unsäglichkeiten in einigen Ortskirchen ein Zeitpunkt der Gnade heute, einer Zeit der "Neuheit, die aus dem Alten hervorgeht und es fortwährend fruchtbar macht" und in der wir "nicht geboren werden, um zu sterben, sondern im Gegenteil, um etwas Neues anzufangen." [Hanna Arendt] (Weihnachtsansprache vom 21.12.20)  



* Link ergänzt am 23.12.2020

Dienstag, 1. Dezember 2020

Verlorene Glaubwürdigkeit – oder: 1 Jahr Synodaler Weg


                                                (Screenshot: katholisch.de vom 1.12.19)
Vor einem Jahr wurde der katholische Reformprozess "Synodaler Weg" in Deutschland in der Münchener Frauenkirche mit einem Gottesdienst eröffnet. Die Kirche sei "kein geschlossenes System, keine Zitadelle, die sich einmauert" und bedürfe der "Offenheit" und eines synodalen Weges um der Zukunft der Kirche willen, sagten damals der Münchener Kardinal Reinhard Marx und die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Katholiken Karin Kortmann. Nur durch „unsere selbstkritische Arbeit“ könne man die durch den Missbrauchsskandal verlorene Glaubwürdigkeit wiedererlangen.

"Nach der schrecklichen Erfahrung, dass sexueller Missbrauch in der Kirche stattgefunden hat", gelte es nun, "Gefährdungen systemischer Natur" anzuschauen, etwa "falsche Herrschaftsorganisationen", ergänzte der Kardinal. Um wieder glaubwürdige Zeugen der Freude und der Hoffnung zu sein, "müssen wir manche Hindernisse beseitigen". (katholisch.de vom 1.12.19)

Vor diesem Hintergrund ist es unaushaltbar, dass ein Jahr nach dem Beginn des Synodalen Weges ein spätestens seit März 2020 vorliegendes Gutachten zu den Missbrauchsstrukturen und -taten im Erzbistum Köln wegen angeblicher methodischer Mängel bis auf weiteres endgültig unter Verschluss gehalten wird – von dem Eingeständnis der Instrumentalisierung Betroffener ganz zu schweigen, die sich in diesem Zusammenhang ein zweites Mal mit denselben Mechanismen der Macht missbraucht fühlen (selbst noch einmal darin, dass Einzelnen von ihnen unter Auflagen Inhalte im März nächsten Jahres zugänglich gemacht werden sollen, wie es seit dem ersten Adventswochenende heißt)


So geht es nicht weiter! Wenn die Voraussetzungen für den synodalen Weg – das vorbehaltlose Offenlegen der Gutachten von Missbrauchstaten und -strukturen – nicht gegeben sind, untergräbt das Verhalten auch nur einer Ortskirche die Glaubwürdigkeit aller  anderen Ortskirchen in Deutschland, der verschiedenen Synodalforen und des Synodalen Wegs insgesamt.


Dabei ist der Reformprozess an einigen Stellen gut unterwegs: zumindest für das Synodalforum „Liebe und Sexualität“ – wie es abgekürzt genannt wird , in dem ich mitarbeiten darf, kann ich sagen, dass der Arbeits- und Diskussionsstand trotz oder wegen Corona und den Möglichkeiten digitaler Kommunikation vorangeschrittenen ist auf einem Weg, den ich von den Plenar- und Regionenkonferenzen, der Arbeit im Forumsplenum wie in der Redaktionsgruppe als einen geistlichen Prozess erlebe: Nicht nur dass Gottesdienste am Anfang standen und den synodalen Weg begleiten, auch die Verantwortung für die kirchliche Gemeinschaft als ganze und ihre Lehre werden mit großer Ernsthaftigkeit in der Forumsarbeit verfolgt und vom Gebet begleitet. Genau in diesem Sinn, „in einer Gemeinschaft, in seinem Wort, in der Eucharistie und im Gebet zu sein“, bezeichnete Papst Franziskus in seiner Generalaudienz vor genau einer Woche die Kennzeichen von Synodalität und eines Cammino sinodale, die sich von denjenigen einer bloßen "strada sinodale" – ohne Wirken des Hl. Geistes und nur auf das Erzielen von Mehrheitsentscheidungen bedacht – unterscheiden.

Dass der Tiefpunkt der unsäglichen Missbrauchstaten und die zugrundeliegenden Strukturen dazu beigetragen haben, auch die kirchliche Lehre von der Wurzel her neu wahrzunehmen und zu durchdringen, ist dabei eine paradoxe und doch so wichtige Erfahrung gleich einem Wendepunkt: dass Lehrentwicklung durch die Wahrnehmung der Wirklichkeit, also auch durch Offenlegung von Unrechtstaten und –strukturen geschehen kann. In Bezug auf den in diesem Blog schon oft zitierten kirchlichen Grundsatz, dass „die apostolische Überlieferung in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt kennt“ (DV 8), hatte ich diesbezüglich im vorausgegangenen Blog-Beitrag bereits die „geschärfte und vertiefte Perspektive auf das Feld der Sexualität in der Arbeit des Synodalforums“ beschrieben.

"Die Bedeutung sexueller Selbstbestimmung und die Würde jedes Menschen in seiner sexuellen Identität bekommen einen Stellenwert, der auch die kirchliche Sexualmoral wieder anschlussfähig an heutige Grundsätze der Sexualwissenschaften machen könnte." (Blogbeitrag vom 19.11.20)

Aber jenseits aller Ansätze des Aufbruches wird das Wahrnehmen der Zeichen der Zeit und ihre Deutung im Licht des Evangeliums nur gelingen, wenn wirklich auch nur der Anschein von Vertuschung, von Institutions- und Täterschutz verflogen, Aufarbeitung von externer Seite angefragt und einbezogen ist und eingeholte Gutachten radikal offengelegt werden – auch und gerade das WSW-Gutachten im Erzbistum Köln, wie es auch die Vollversammlung des ZDKs am 20.11.20 fordert: 

"Aktuell sind wir Zeuginnen und Zeugen intransparenter Vorgänge im Erzbistum Köln. Wir fordern, diese vollständig offen zu legen und insbesondere die Ergebnisse aus dem Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl zugänglich zu machen. Außerdem muss für weitere Untersuchungen eine unabhängige Kommission vergleichbare Prozesse und anzuwendende Methoden definieren und die Ergebnisse diözesanübergreifend evaluieren." (ZDK.de vom 20.11.20)

Die Zurückhaltung des besagten Gutachtens hat bereits jetzt einen Glaubwürdigkeitsverlust verursacht, dass eine erstickende Atmosphäre der Unglaubwürdigkeit über die Kölner Bistumsgrenzen hinaus sich immer weiter ausbreitet: Das Gegenteil dessen, was mit dem vor einem Jahr in Deutschland auf den Weg gebrachten 'Synodalen Weg' intendiert war. Wie es um die Kirche steht, bringen nachdrücklich und bewegend die „Fragen an meine Kirche – Sorgen eines Landpfarrers im Rheinland“ zum Ausdruck, die ebenfalls Ende November veröffentlicht wurden. 

Ein authentisches und ebenso bedrückendes wie ermutigendes Hirtenwort zum Advent 2020 in Deutschland.


Donnerstag, 19. November 2020

Coronabedingte Zwischenschritte - oder: Warum der ‚Synodale Weg‘ jetzt direkt in die Weltbischofssynode 2022 zur 'Synodalität' mündet


'Corona macht‘s möglich', was man im Zugehen auf das Jahr 2022 sicher auch als Koinzidenz der Ereignisse betrachten wird. Denn mehr Zeit auf dem Synodalen Weg bedeutet auch ein passgenaues Zugehen des Synodalen Weges in Deutschland auf eine Weltbischofssynode, in der der Reformprozess der katholischen Kirche zu einer synodalen Kirche – ein Kernanliegen des Pontifikates von Papst Franziskus - ebenfalls zu seinem Höhepunkt kommt.

Konkret bedeutet dieses „Mehr an Zeit“ aufgrund der Corona-Pandemie als nächster Schritt, dass statt der schon einmal verschobenen 2. Synodalversammlung jetzt am 4. und 5. Februar 2021 ein Online-Format stattfinden soll, in dem alle Mitglieder der Synodalversammlung "ohne Entscheidungsdruck vor allem die Arbeitsfortschritte der Synodalforen diskutieren werden". In einem Brief an die Mitglieder, Berater/-innen und Beobachter/-innen der Synodalversammlung des Synodalen Weges vom heutigen Tage heißt es weiter:

"Nach den guten Erfahrungen mit der intensiven Debatte in den Regionenkonferenzen sind wir sicher, dass dieser Corona-bedingte Zwischenschritt für eine substantielle Weiterarbeit in den thematischen Synodalforen produktiv genutzt werden kann, insbesondere in den Foren, die bei den Regionenkonferenzen im vergangenen September noch keine Zwischenergebnisse vorlegen konnten.“

Die Zeit – das empfinde ich selbst als Berater im Synodalforum Liebe und Sexualität – tut dem Beratungsprozess gut, der nach der Vorstellung der Voten des Forums auf den fünf Regionenkonferenzen in der nachfolgenden Redaktionsarbeit noch einmal mehr an Qualität und Intensität gewonnen hat. 

 

Überraschend ist dabei aus meiner Sicht, dass die in den deutschen Diözesen immer mehr als Aufgabe in den Vordergrund tretende Aufarbeitung der systemischen Ursachen sexueller Gewalt, die Übernahme von Verantwortung für die von Tag zu Tag deutlicher zutage tretenden Verfehlungen und Vertuschungen und eine konsequente Veränderung kirchlichen Handelns im Umgang mit Tätlichkeiten Sexueller Gewalt - gegenüber Täter*innen wie Betroffenen – Movens dafür sind, dass auch eine geschärfte und vertiefte Perspektive auf das Feld der Sexualität in der Arbeit des Synodalforums möglich wird. Die Bedeutung sexueller Selbstbestimmung und die Würde jedes Menschen in seiner sexuellen Identität bekommen einen Stellenwert, der auch die kirchliche Sexualmoral wieder anschlussfähig an heutige Grundsätze der Sexualwissenschaften machen könnte. Working in progress – im doppelten Sinn!


Die Arbeit der Synodalforen und ihre Zuarbeit zu der Synodalversammlung gleicht dabei dem Modus, den sich Papst Franziskus auch für die katholische Kirche insgesamt wünscht. Ein (synodales) Zusammengehen und Voranschreiten, um auf dem Weg und in einem geistlichen Prozess eine erneuerte Kirche zu werden, ja darin schon zu sein.

"Die Corona-Krise fordert von uns immer wieder Veränderungen in der Weg-Planung. Nicht nur in den Inhalten, sondern auch in den Formen tasten wir uns Schritt für Schritt voran. Dies mag zwar zunächst mühselig sein, es ist aber doch eine echte Chance, mit unterschiedlichen Formaten, Geschwindigkeiten und Prozessen neu Synodalität in unserer Kirche zu erlernen – eine Synodalität, die hoffentlich über den bisher geplanten Rahmen des Synodalen Weges hinaus Bestand hat." (SynodalerWeg.de vom 19.11.2020)

Und wenn Synodalität der Weg ist, ist sie auch das Zielbild der Kirche als ganzer. Das Jahr 2022 wird es deutlich machen. Wie zuletzt in diesem Blog am 20. März 2020 zitiert:

"Es ist dieser Weg der Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet." (Papst Franziskus am 17.10.2015)


Sonntag, 4. Oktober 2020

Fratelli tutti – oder: Wie Geschwisterlichkeit, Multilateralismus und die synodale Vision verbunden sind

"Die Zeichen der Zeit zeigen deutlich, dass die menschliche Geschwisterlichkeit und die Sorge um die Schöpfung den einzigen Weg zur ganzheitlichen Entwicklung und zum Frieden bilden." (Ansprache von Papst Franziskus nach dem Angelus-Gebet am 4.10.2020; eigene Übersetzung)

In der heute veröffentlichten Sozialenzyklika Fratelli tutti wendet sich Papst Franziskus wie schon in seiner vor fünf Jahren erschienenen Schöpfungsenzyklika Laudato Si‘ „an jeden Menschen“ (LS 3), „an alle Brüder und Schwestern“ (FT 1) und schreibt darin eine „Form der Primatsausübung“ fort, die „keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, aber sich einer neuen Situation öffnet“ (Ut unum sint 95), wie er sie bereits in der historischen Ansprache anlässlich des Festaktes 50 Jahren Bischofssynode am 17.10.2015 ausführte:

"Unser Blick weitet sich auch auf die ganze Menschheit. […] in einer Welt, die - obwohl sie zu Beteiligung, Solidarität und Transparenz in der öffentlichen Verwaltung einlädt - oft das Schicksal ganzer Völker in die gierigen Hände einer beschränkten Gruppe Mächtiger gibt. Als Kirche, die gemeinsam mit den Menschen unterwegs ist, die an den Mühen der Geschichte Anteil hat, pflegen wir den Traum, dass die Wiederentdeckung der unverletzlichen Würde der Völker und der Dienstcharakter der Autorität auch den Gesellschaften helfen kann, um sich auf Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit zu stützen, um eine bessere und würdigere Welt für die Menschheit zu bauen und für die Generationen, die nach uns kommen (EG 186-192, LS 156-162).“ (Ebd.) 

Interreligiöse Übereinkunft

Bezog sich Papst Franziskus in seiner Schöpfungsenzyklika insbesondere auf das Umweltengagement des orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. von Istanbul, ist die Sozialenzyklika Fratelli tutti über die „Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft“ (Untertitel) inspiriert von der wichtigen interreligiösen Erklärung vom Februar vergangenen Jahres, die er u.a. zusammen mit dem zu Beginn der Enzyklika zitierten Großimam der al-Azhar-Universität von Kairo, Scheich Ahmad al-Tayyeb unterzeichnete. (vgl. FT 3)

"Dort haben wir daran erinnert, dass Gott »alle Menschen mit gleichen Rechten, gleichen Pflichten und gleicher Würde geschaffen und sie dazu berufen hat, als Brüder und Schwestern miteinander zusammenzuleben« (FT 3)

Diese Erklärung beschreibt darin auch den Anlass der Sozialenzyklika: „Jahrzehntelang schien es, dass die Welt aus so vielen Kriegen und Katastrophen gelernt hätte und sich langsam auf verschiedene Formen der Integration hinbewegen würde" (FT 10), formuliert der Papst. Doch nun sieht er mannigfache Anzeichen für Rückschritte und brandmarkt – ohne Namen von Regierenden zu nennen – populistische Tendenzen:

"Unzeitgemäße Konflikte brechen aus, die man überwunden glaubte. Verbohrte, übertriebene, wütende und aggressive Nationalismen leben wieder auf. […] Was bis vor wenigen Jahren von niemandem gesagt werden konnte, ohne den Respekt der gesamten Welt ihm gegenüber aufs Spiel zu setzen, das kann heute in aller Grobheit auch von Politikern geäußert werden, ohne dafür belangt zu werden." (FT 11; 45)

 

Geschwisterlichkeit, Multilateralismus und die synodale Vision

Demgegenüber plädiert Papst Franziskus – so erläuterte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in einer Konferenz anlässlich der Veröffentlichung am Nachmittag in der Synodenaula im Einklang mit seinen Vorgängern und der katholischen Soziallehre für einen "Multilateralismus" und darüber

"für die Notwendigkeit einer 'politischen Weltautorität, die sich dem Recht unterordnet', ohne dabei 'notwendigerweise an eine persönliche Autorität zu denken' (FT 172). Die Geschwisterlichkeit ersetzt die Zentralisierung der Mächte durch eine kollegiale Funktion – die der 'synodalen' Vision, die der Führung der Kirche, wie sie Papst Franziskus wahrnimmt, nicht unähnlich ist –, die 'die Schaffung von wirksameren Weltorganisationen vorsehen, die mit der Autorität ausgestattet sind, die Beseitigung von Hunger und Elend und die feste Verteidigung der grundlegenden Menschenrechte zu gewährleisten.' (FT 172) (Ebd. eigene Übersetzung)

Engagement in Welt und Kirche 

Aber "[d]ie Enzyklika „Fratelli tutti“ wirft nach Ansicht des Münchner Kardinals Reinhard Marx letztlich [auch] die Frage auf, wie die Kirche ihren eigenen Forderungen nachkommt. Denn alle Prinzipien der Menschenwürde und der Personalität, die in der Gesellschaft gelten, dürften von der Kirche im Niveau nicht unterlaufen werden, erklärte Marx am Montagabend in München bei einer Veranstaltung in der Katholischen Akademie in Bayern." (Vaticannews vom 6.10.2020) *

"Es könne nicht sein, dass etwa in der Kirche hingenommen werde, dass von oben nach unten regiert werde, während zugleich von ihr der Appell komme, in der Gesellschaft müsse auf Dialog geachtet werden." (Ebd.) *

So wendet sich der Appell in die Welt sich auch an die Kirche selbst und ermutigt zum Engagement.* "Jeder Tag bietet uns eine neue Gelegenheit, ist eine neue Etappe. Wir dürfen nicht alles von denen erwarten, die uns regieren; das wäre infantil. Wir haben Möglichkeiten der Mitverantwortung, die es uns erlauben, neue Prozesse und Veränderungen einzuleiten und zu bewirken.“ (FT 72) geschwisterlich, geleitet von der Überzeugung, dass "Gottes Liebe […] für jeden Menschen gleich [ist], unabhängig von seiner Religion" (FT 281; Zitat aus dem Dokumentarfilm, den Wim Wenders über den Papst gedreht hatte) und in der "synodalen Vision".


*ergänzt am 6.10.2020

Samstag, 5. September 2020

Fratelli tutti – Fünf Regionenkonferenzen des Synodalen Wegs beraten in Zeiten von Corona in Berlin, Dortmund, Frankfurt, Ludwigshafen und München 

 

(Bild: © privat)

"Fratelli tutti" der Titel der heute bekannt gewordenen dritten Enzyklika von Papst Franziskus könnte auch gut als pointierte Überschrift für die Arbeitsatmosphäre der Regionenkonferenzen des Synodalen Wegs stehen, die statt der Coronabedingt abgesagten Plenumskonferenz an diesem Wochenende mit jeweils ca. 50-70 Personen in Berlin, Dortmund, Frankfurt, Ludwigshafen und München stattgefunden haben

"Bei allen spürbaren verschiedenen Sichtweisen, Perspektiven und Schwerpunkten lässt sich eine entspannte, aufmerksame Atmosphäre feststellen. Die Redner nehmen kritisch wie würdigend aufeinander Bezug, die Beiträge bleiben konstruktiv und um Austausch bemüht. Direkte Angriffe untereinander bleiben aus." (katholisch.de vom 4.9.2020)

Gemeinsam mit der Themenstellung der neuen Sozialenzyklika des Papstes im Blick auf die globalen Herausforderungen der Pandemie ist allen Regionalkonferenzen auch der Themenschwerpunkt am Vormittag: "Die Corona Pandemie – Herausforderungen für den Synodalen Weg". Ohnmachtserfahrungen angesichts des Lockdowns und Fragen zur kirchlichen Systemrelevanz in dieser Zeit, ihre ureigentliche Kompetenz in der Begleitung Alter, Kranker, sozial Benachteiligter wie in Fragen von Tod, Krankheit und Leid wurden ebenso angesprochen wie neue Weisen und Formen kirchlichen Lebens: in digitalen und Live-Streaming-Angeboten und Gottesdienstformaten wie in einer plötzlich in ihrer Bedeutung wieder neu in den Vordergrund rückenden Familienkatechese und –pastoral. Corona war und ist auch FamilienZeit und löst – Ironie und Paradoxie der letzten Monate – das Motto der diesjährigen Familiensonntags-Kampagne ‚Familie als Lernort des Glaubens‘ in einem Maße ein, wie das die Autor*innen der nur zum Download bereitstehenden 78 S.-Arbeitshilfe und ihre Auftraggeber in der Kommission 'Ehe und Familie' der Deutschen Bischofskonferenz wohl nicht für möglich gehalten hätten. Aber diese Entwicklungen helfen der Kirche in Deutschland in Zeiten von Corona nur bedingt:

"Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas - alle Probleme, die die Kirche sowieso schon hat, werden durch das Virus nur noch größer und drängender: der Priestermangel, die Glaubwürdigkeitskrise, die Kirchenaustritte, der Ausschluss von Frauen aus Ämtern." (SZ vom 5.0.2020)

"Fratelli tutti" – der Titel könnte auch für die Männerkirche stehen, die am Nachmittag der Regionalkonferenzen mit einem ersten Diskussionspapier aus dem Synodalforum ‚Frauen in Diensten und Ämtern‘ thematisiert wurde.

(Arbeitstext des Synodalforum III)
Obwohl die Textvorlage sich vornehmlich auf die Möglichkeiten beschränkt, die Frauen unter den derzeitigen Bedingungen schon offenstehen, standen doch die grundsätzlichen Anfragen nach Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche und Ämtern nicht nur mit Reformbewegungen u.a. von Maria 2.0 vor den Türen. Es handelt sich nach den Worten der Vorsitzenden des Präsidiums des Synodalen Wegs um die Zukunftsfrage der Kirche in Deutschland.


Karin Kortmann, die als Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) im Präsidum des Synodalen Weges ist, sagte: 

"Die Frauenfrage ist die existenzielle für die Kirche. Wenn wir diese Frage nicht substanziell geklärt wird, dann werden meiner Einschätzung nach noch viel mehr Menschen die Kirche verlassen." (katholisch.de vom 4.9.2020)

Nicht minder existentiell für die Relevanz der Kirche für das Leben der Menschen heute wird eine zeitgemäße Sexualmoral und Sexualpastoral am späteren Nachmittag eingeschätzt. Elf Voten hatte das Synodalforum „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“, in dem ich selber mitarbeiten darf, für die Regionalkonferenzen als Blitzlicht des derzeitigen Beratungsstandes eingebracht. 

(Die Voten des IV. Synodalforums im Überblick)

Die ‚Knackpunkte‘ der Wertschätzung nicht heterosexueller Paare, der Vielfalt und Individualität sexueller Orientierungen sowie die für die traditionelle Sexualmoral konstitutive Weitergabe des Lebens kamen ebenso zur Sprache wie Zeugnisse von Synodal*innen, die ihre von der heterosexuellen Norm abweichende sexuelle Orientierung in den Regionalkonferenzen, aber auch in den Synodalforen selbst in authentischer Weise einbrachten und bringen.

Zwei von insgesamt 4 Foren kamen in den Regionenkonferenzen zu einer ersten Präsentation, die ebenso wie die beiden weiteren zu 'Macht und Gewaltenteilung in der Kirche' und 'Priesterliche Existenz heute' auch und gerade mit der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Katholischen Kirche Deutschlands zusammenhängen. In der Frankfurter Regionalkonferenz wurde unterstrichen, dass Sexuelle Bildung im Sinne der vorgestellten Thesen auch zölibatär lebende Menschen in der Kirche ebenso betreffen und betreffen müssen wie die Achtung sexueller Selbstbestimmung als Ordnungsprinzip einer zukunftsfähigen Sexualethik: neue, auch an humanwissenschaftlichen Erkenntnissen orientierte Kategorien, die im Katechismus der Katholischen Kirche noch vergeblich gesucht werden und als Vertiefung der bisherigen Sexualmoral und Sexualpädagogik verstanden werden dürfen. 


Dass die Auseinandersetzung über alle genannten Zukunftsfragen hinweg weiterhin konstruktiv und brüder- bzw. besser geschwisterlich verlaufen mögen, lässt im Blick auf die auch in Deutschland mit hohen Erwartungen verbundene Enzyklika Fratelli tutti‘ auch das 'e sorelle' mitdenken. Gott möge geben, dass die Anliegen der Frauen – anders als in einer Instruktion der Kleruskongregation unlängstin ihr bereits mitgedacht werden,


Montag, 24. August 2020

„Synodale Kirche ist etwas anderes als das, was wir jetzt erlebt haben.“ - oder: Wie auf dem Synodalen Weg auf die Instruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“ der Kleruskongregation reagiert wird.
(Screenshot: Vaticannews vom 24.8.2020)
„Wenn man von der Behörde wegen unkonventioneller Seelsorgemethoden einen mahnenden Brief erhalte, sollte man den höflich beantworten, dann aber weitermachen wie bisher“, so lautete Papst Franziskus‘ Empfehlung bereits im Jahr 2015 auf Briefe seiner Behörden. Man könnte auch fünf Jahre danach über diese Äußerung von Papst Franziskus noch schmunzeln, wenn sie nicht auch die Entfernung vatikanischer Behörden – jetzt aktuell der Kleruskongregation – von den Ortskirchen der Welt spiegeln würde. Dass selbst Mitglieder der Kommission daselbst von der auf den Tag Peter und Paul, dem 29. Juni 2020 datierten, aber tatsächlich am 20. Juli 2020 veröffentlichten Instruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“  nichts wussten, lässt ihre Kommunikation zusätzlich erratisch erscheinen. Auf denselben Tag ‚Peter und Paul‘ vor einem Jahr war schon die neue Konstitution zur Vatikanverfassung ‚Praedicate evangelium‘ erwartet worden, die die alte Verfassung „Pastor bonus“ ablösen sollte und deren Erscheinen mit der Instruktion erst einmal in noch größere Fernen gerückt zu sein scheint, als von ersterer die subsidiäre Arbeit vatikanischer Behörden zugunsten der Ortskirche erwartet worden war. Was auch immer deren endgültige Abstimmung und Veröffentlichung verhindert: Die Instruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde…“  scheint allein in der Weise der Kommunikation und des Gebarens eine Kultur des Zentralismus zu zementieren, der nur durch ein konsequentes Durchhalten auf dem Synodalen Weg und in seinem Ernstnehmen zu widerstehen ist. 
"Synodale Kirche ist etwas anderes als das, was wir jetzt erlebt haben."
So lautete mit den Worten von Kardinal Marx schon vor genau einem Monat nur eine der vielen kritischen Stimmen von Bischöfen und Laien in den deutschsprachigen Ortskirchen.
Eine paradoxe und beinahe schizophrene Situation auch fünf Jahre nach dem zu Beginn zitierten Bonmot des damals noch in den ersten Jahres seines Pontifikates amtierenden Reformpapstes: Gegen eine mindestens mit einer doppelten und auseinander gehenden Botschaft aus dem Hause des Papstes mit dem Papst und seinem Anliegen der Synodalität die Anliegen der Ortskirchen zugunsten der Weltkirche insgesamt einzubringen. Würde das Thema der auf das Jahr 2022 Corona-bedingt verschobenen Bischofssynode in Rom nicht Synodalität heißen, könnte man sich auf dem Synodalen Weg in Deutschland schon auf einem Weg ins Leere fühlen. 

Dass dieser Weg aber nicht ins Leere gehen kann, gehört zu einer inneren Glaubensgewissheit, dass die Kirche schon um ihrer selbst und der Verheutigung des Glaubens in die jeweilige Kultur und Zeit hinein weiter- und vorangehen muss. Und so ist auch heute die Erklärung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz zu werten, dass 
"[d]er Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, […] daher das vom Präfekten der Kongregation für den Klerus, Kardinal Beniamino Stella, übermittelte Gesprächsangebot annehmen [wird]. Er wird der Kongregation vorschlagen, das Gespräch mit dem Präsidium des Synodalen Weges zu führen, da Bischöfe, Priester, Diakone und Laien in der Instruktion gleichermaßen angesprochen werden. Die Instruktion kann nur der Anlass und Anfang eines Gesprächs sein, damit daraus eine echte Hilfe für die differenzierten Situationen in den Ortskirchen wird. Grundlage für die Ausrichtung der pastoralen Arbeit sind nach wie vor die beiden Grundlagendokumente der Deutschen Bischofskonferenz „Zeit zur Aussaat. Missionarisch Kirche sein“ (2000) und „Gemeinsam Kirche sein. Wort der deutschen Bischöfe zur Erneuerung der Pastoral“ (2015).“ (Presseerklärung der DBK vom 24.8.2020)
Diesem offensichtlich mit dem Präsidium des Synodalen Weges abgestimmten Statement ist an Deutlichkeit nichts hinzuzufügen. Und es darf – analog zu dem oft bekundeten Reformanliegen – den Papst an seiner Seite fühlen. Papst Franziskus selbst wird ggf. nicht der Papst sein können, der die Umsetzung aller der von ihm angestoßenen Reformanliegen in seiner aktiven Amtszeit erleben wird – das Wirken von Franziskus sei eher als „ein Pontifikat der Aussaat, nicht der Ernte“ zu verstehen, wie der Jesuit und Papstvertraute Antonio Spadaro unlängst betonte: 
"Der Papst hat sehr viel gesät in den letzten Jahren. Sein Nachfolger kann das nicht ignorieren, er wird nicht zurückkönnen. Er wird weiter vorangehen." 
Die „pastorale Neuausrichtung“ seiner ‚Behörde‘ wird Papst Franziskus auch fünf Jahre nach dem Eingangs-Bonmot nicht müde zu betonen. Und wenn die Sache als solche nicht zu ernst wäre – und in Deutschland traditionsgemäß mit noch größerem Ernst wahrgenommen würde als irgendwo sonst in der Welt –, wäre es fast schon Anlass sich auf die nächste Weihnachtsansprache zu freuen, in der Papst Franziskus alle Jahre wieder seiner Kurie die Leviten lesen wird. Eine baldige Veröffentlichung einer neuen Kirchenverfassung wäre demgegenüber allerdings noch wünschenswerter.