5 Jahre Amoris laetitia – Erinnerung an meine AL-Lieblingsstelle
Meine Erinnerungen anlässlich „5 Jahre Amoris laetitia“ hatte ich bereits auf Fragen für ein Interview gegeben, das am 19.3.2021 – dem Jahrestag der Unterzeichnung durch Papst Franziskus - in diesem Blog und tags zuvor in der Bistumspresse.de veröffentlicht wurde. Dass ich noch gerne danach gefragt worden wäre, welche Ziffer des Schreibens für mich die wichtigste sei, dachte ich danach mehrfach. Dass gerade heute auf den Tag vor 5 Jahren das Schreiben veröffentlicht wurde – ich muss gestehen, dass ein Beitrag auf katholisch.de mir dies erst in den frühen Morgenstunden wieder ins Bewusstsein rief – lässt mich noch einmal die Gefühle erleben, die ich damals hatte…. und auch meine Ziffer zitieren.
Etwas früher als vor der Pressefreigabe um 12:00 Uhr las ich das Dokument bereits am Vormittag quer und begann damit, in der Suchfunktion das Wort „Freundschaft“ einzutragen. 19 Treffer werden angezeigt; aber entscheidend: Freundschaft in Bezug auf Ehe davon allein 14 Mal. Wahrscheinlich werde ich nach wie vor einer der wenigen Theolog*innen sein, der sich darüber freut – damals kamen mir Freudentränen –, hatte ich selbst so viel rund um die Freundschaftskategorie selbst geschrieben – in diesem Blog etwa am 14.2.2015 (manchmal erschien es mir, ich schreibe ihn nur deshalb) – in den Synodensprachen übersetzt, via Twitter unter den Hashtags in die Welt gesendet... Und so war es natürlich auch „mein Thema“ im Blog-Eintrag vom 8.4.2016. In AL 123 – derselben Ziffer 123, in der auch in der Summa contra gentiles von Thomas von Aquin das auf Aristoteles zurückgehende Zitat steht – wird die Ehe als „größte Freundschaft“ bezeichnet und in der Folge als „besondere Freundschaft“ (AL 125) charakterisiert.
"Nach der Liebe, die uns mit Gott vereint, ist die eheliche Liebe die » größte Freundschaft «. [Thomas von Aquin, Summa contra Gentiles, III, 123; vgl. ARISTOTELES, Nikomachische Ethik, 8,12 (ed. Bywater, Oxford 1984, S. 174)] Es ist eine Vereinigung, die alle Merkmale einer guten Freundschaft hat: Streben nach dem Wohl des anderen, Gegenseitigkeit, Vertrautheit, Zärtlichkeit, Festigkeit und eine Ähnlichkeit zwischen den Freunden, die sich im Laufe des miteinander geteilten Lebens aufbaut. Doch die Ehe fügt alldem eine unauflösliche Ausschließlichkeit hinzu, die sich in der festen Absicht ausdrückt, das gesamte Leben miteinander zu teilen und aufzubauen.“ (AL 123)
Mit der Wertschätzung der Ehe als einer besonderen Form der Freundschaft (vgl. AL 120, 123, 125, 126, 127, 133, 142, 156, 267) „erfährt die Ehetheologie der katholischen Kirche eine Weiterentwicklung in mehrfacher Hinsicht. Auf diese Weise wird zugleich eine integrale Sicht auf unterschiedliche Formen verschiedener Partnerschaften in einer graduellen Perspektive möglich. Denn neben der besonderen Art Freundschaft ehelicher Liebe vermag es der Freundschaftsgedanke, auch einen wertschätzenden Blick auf weitere eheähnliche Partnerschafts- und neue Familienformen zu ermöglichen, die in der gewählten Perspektive der Analogie der Liebe nun auch wahrnehmbar werden. Mit dem Neuverständnis der Ehe als eine „besondere Form der Freundschaft“ (AL 207) wird die Ehepartnerschaft zugleich als spezifische Ausformung in einem Kontinuum von Freundschafts- und Partnerschaftsbeziehungen gesehen wie hervorgehoben.“ (Dörnemann 2017, 196)
Und dieser Blick ermöglicht in neuer Weise eine "Gradualität in der Seelsorge" (AL 293):
"Der Blick Christi, dessen Licht jeden Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9; Gaudium et spes, 22), leitet die Pastoral der Kirche gegenüber jenen Gläubigen, die einfach so zusammenleben oder nur zivil verheiratet oder geschieden und wieder verheiratet sind. In der Perspektive der göttlichen Pädagogik wendet sich die Kirche liebevoll denen zu, die auf unvollkommene Weise an ihrem Leben teilhaben: […] Wenn eine Verbindung durch ein öffentliches Band offenkundig Stabilität erlangt – und von tiefer Zuneigung, Verantwortung gegenüber den Kindern, von der Fähigkeit, Prüfungen zu bestehen, geprägt ist –, kann dies als Chance gesehen werden, sie zum Ehesakrament zu begleiten, wo dies möglich ist." (AL 78)
Vielleicht bietet ja das Aktionsjahr zu Amoris laetitia, das in das Weltfamilientreffen im Jahr 2022 münden wird, Gelegenheit über die Freundschafts-Kategorie die „Pädagogik der Liebe“ (AL 211) breiter ins Bewusstsein zu heben. Auf dass AL 123 bekannter und theologisch rezipiert werde!