Sonntag, 27. Oktober 2024

Vielleicht werden wir in 10 Jahren sagen: Wir waren dabei!“ oder: Zur Inkraftsetzung der „Synodalität, welche der Weg ist, den Christus sich von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet.“

©Vatican Media
(Abschlussbild mit allen Synodenmüttern und -vätern am 26.10.24)

Mit einem Gottesdienst im Petersdom ist heute die XVI. Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema der Synodalität zu Ende gegangen. Als ein Austauschgremium zwischen den Bischöfen und dem Papst mit dem Motu proprio Apostolica sollicitudo („Mit apostolischer Sorge“) von Papst Paul VI. am 15. September 1965 eingerichtet ist die Bischofssynode Ausdruck der auf dem II. Vatikanischen Konzil beschlossenen Kollegialität der Bischöfe und der Einheit mit dem Bischof von Rom. Sie berät den Papst zu zentralen Themenstellung der Kirche – im Pontifikat von Papst Franziskus zu den Themen Familie (2014/15), Jugend (2018) – in einer außerordentlichen Bischofssynode zu Themen Amazoniens (2019) – und jetzt eben zur Synodalität (2021-2024).

Das Thema der Synodalität – in diesem Blog seit dem 17. Oktober 2015 der Fokus-Begriff beinahe aller Beiträge – ist mit der an diesem Sonntag zu Ende gegangenen Bischofssynode in eine neue Phase eingetreten. War das Anliegen der „heilsamen Dezentralisierung“ bereits seit dem Festakt zu "50 Jahre Bischofssynode" am 17. Oktober 2015  gewissermaßen ausgerufen, dass Synodalität für Papst Franziskus „der Weg ist, den Christus sich für seine Kirche im 3. Jahrtausend erwartet“ und die benannte „heilsame Dezentralisierung“ schon aus dem programmatischen Lehrschreiben Evangelii gaudium (EG 16) aus dem ersten Jahr seines Pontifikats oft zitiert, dauerte es bis zur lange erwarteten und erst am 19. März 2022 veröffentlichten Kurienreform Praedicate Evangelium, die römische Kurie mit all ihren Behörden umzubauen, neu zu ordnen und programmatisch auf die Unterstützung des Sekretariats der Bischofssynode und der Teil- und Ortskirchen auszurichten.

Um aber die gesamte Weltkirche auf den Weg der Synodalität einzustimmen, bedurfte es einer über drei Jahre angelegten Bischofssynode mit Befragungen auf nationaler und Treffen auf kontinentaler Ebene und zweier Weltsynoden im vergangenen und diesem Jahr in Rom. Das von den teilnehmenden Synodalen – und den seit dem letzten Jahr mit ein 25%-Quorum mit Stimmrecht einbezogenen Laiinnen und Laien – beratene und mit großer Einmütigkeit befürwortete Abschlussdokument wurde von Papst Franziskus entsprechend der im Jahr 2018 neugefassten Synodenordnung Episcopalis communio angenommen und in der Weise seiner Approbation – nach EC Art 18 § 1 – nicht nur zur Veröffentlichung und Umsetzung freigegeben, sondern darin zugleich – wie gestern hervorgehoben – zu einem Teil seines ordentlichen Lehramts.

Im Grunde ist mit dem Ausgang dieser Weltsynode Synodalität "auf Dauer" gestellt worden, in der im Sinne der angesprochenen Rekonfiguration der Katholischen Kirche alle Handlungs- und Verantwortungsebenen in der Kirche eine neue Aufgabe erhalten. Das Papsttum ist ausgerichtet auf sein Amt der Wahrung der Einheit, die Kurie in der schon angesprochenen Aufsichts- und Service-Funktion im Sinne der Synodalität bestätigt, kontinentale Versammlungen angeregt, aber nun vor allem auch die Bischofskonferenzen auf nationaler Ebene in neuer Weise aufgefordert, ihre Aufgaben im Sinne der heilsamen Dezentralisierung mit einer neu umrissenen Lehrautorität auszuüben und dafür Sorge zu tragen, dass Synodalität das Leben der Kirche – angefangen in den Gemeinden und übergeordneten pastoralen Bereichen und Diözesen – insgesamt prägt.

Dass das in Kraft gesetzte Abschlussdokument der Weltbischofssynode nun ebenso sehr das Engagement vor Ort und der Rezeption bedarf wie einer Nacharbeit und Inkraftsetzung der kirchenrechtlichen Konsequenzen im Codex Iuris Canonici (der mit allen seinen nunmehr anstehenden Änderungen sicher auch nach der letzten großen Revision von 1983 und dessen Vorgängerversion von 1917 neu herausgegeben werden muss) ist ebenfalls eine Folge der spontanen Inkraftsetzung des Abschlussdokuments am gestrigen Abend. Aber ab jetzt heißt es vor Ort im Verantwortungsbereich der Ortsbischöfe und nationalen Bischofskonferenzen selbst verantwortlich über Themen zu beraten und zu entscheiden, von denen vormals – wie etwa im Rahmen vieler Handlungstexte des Synodalen Wegs – viele an Rom adressiert wurden. Aus dem Bereich der auf der Weltsynode diskutierten Themen wird man hier die Fragen der LGBTIQ-Pastoral wie der Polygamie der nationalen oder kontinentalen Handlungsebene zuordnen können.

Umgekehrt werden römische Behörden (die seit der erwähnten Kurienreform allesamt in Dikasterien umbenannt wurden) auch weiter ihre Verantwortung bei Themen des Glaubens, der Moral und der sakramentalen Disziplin wahrnehmen – wie auch das Amt des Papstes als Garant der Synodalität (nr. 130), als „Garant der Einheit in der Verschiedenheit“ (nr. 132) in neuer Weise hervorgehoben wird. Das Inkraftsetzen des synodal Beratenen gehört darin entsprechend Episcopalis communio zu seinen geborenen Aufgaben (nr. 131). Meine Blog-Berichterstattung neigt sich mit diesem gestern vollzogenen „Ruck“ der Rekonfiguration der Katholischen Kirche dem Ende zu, da alle weiteren kirchenrechtlichen Umsetzungen – auch wenn sie dauern und die Aufnahme der zugewachsenen synodalen Verantwortung vor Ort auch noch ihre Zeit brauchen. Bis hin zur Frage des Frauendiakonats – das auf weltkirchlicher Ebene weiter beraten wird und dank der eingebrachten Änderungsmodi Anfang der Woche ausdrücklich als weiter "offen" hervorgehoben wird (nr. 60) – sind viele weitere Themen ableitbar und vor Ort lösbar, selbst wenn dies seinerseits synodale Kärrnerarbeit bedeuten wird.

Vielleicht, wenn wir uns in zehn Jahren wieder treffen, können wir sagen: Wir waren dabei!“, sagte Kardinal Reinhard Marx vor ziemlich genau 10 Jahren auf die Bedeutung des von Papst Franziskus angestoßenen synodalen Prozesses im Verhältnis zum II. Vatikanischen Konzil angesprochen. Ich persönlich – von Anfang meiner Synoden-Beobachtung seit dem Oktober 2014 getriggert vom "Geist der Synodalität" – bin dankbar über zehn Jahre die Entwicklungen erlebt zu haben. Für mich als Theologe war es die spannendste Zeit seit Ende des II. Vatikanischen Konzils, wie es im Vorwort des 1. Teils des Synodentagebuchs "Synodalität und Kirchenreform" heißt und auch im jetzt zu erstellenden 2. Teil noch einmal heißen wird. Und ebenfalls wird darin noch einmal der in diesem Blog meistzitierte Satz aus der Festansprache von Papst Franziskus aufgenommen sein, dass „Synodalität der Weg ist, den Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet.“ 

Vielleicht werden wir in 10 Jahren sagen: Wir waren dabei!“, werden wir dann vielleicht auch rückblickend auf den 26. Oktober 2024 sagen. In dieser festen Erwartung sage ich allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs über die vergangenen 10 Jahre von Herzen 'Dank' für das Interesse!

Holger Dörnemann


Samstag, 26. Oktober 2024

"Es reicht, was wir beschlossen haben. Ich möchte, dass es veröffentlicht wird.Das Abschlussdokument  "ein Geschenk an das ganze Volk Gottes in seiner Vielfalt– wird ohne nachsynodales Schreiben durch Papst Franziskus in Kraft gesetzt: Eine Sensation für die Katholische Kirche

©Vatican Media
(Papst Franziskus nach der Approbation des Schlussdokuments)

Heute Abend ist der Abend, an dem der auf den 15. September 2018 datierten Apostolischen Konstitution Epicopalis communio eine besondere Aufmerksamkeit zukommt. In dieser Neuregelung zur Vorbereitung und Durchführung von Vollversammlungen der Bischofssynode sind die Art. 17 'Ausarbeitung und Approbation des Schlussdokuments' und Art. 18 'Übergabe des Schlussdokuments an den Papst' heute von Bedeutung. Aus Art. 17 § 3 wird deutlich, warum Papst Franziskus umstrittene bzw. noch nicht ausgereifte Themen in Arbeitsgruppen ausgegliedert hat. Denn nach der Synodenordnung soll das Schlussdokument soweit wie möglich eine konsensuale Beschlussfassung sein, „für die im Rahmen des Möglichen eine moralische Einstimmigkeit“ zu erzielen ist. 

Mit den Worten von Timothy Radcliffe gesagt sollen die Synodalen sich einbringen und „Ich“ sagen, aber später auch in das größere „We“ eines Konsens in Harmonie einstimmen können, um mit den  über vier Wochen, aber auch die Monate und Jahre davor erarbeiteten Ergebnissen gemeinsam voranschreiten zu können. Und dies nicht, um eine sachliche Auseinandersetzung zu unterminieren – diese ist ja engagiert geführt worden, wenn man allein auf die Resonanzen in den öffentlichen Pressekonferenzen blickt – , sondern weil es Bedeutung für die in Art. 18 ausgeführte Übergabe des Schlussdokuments an den Papst hat. Denn wenn die Voraussetzungen von Art. 17 erfüllt sind, hat dies direkten Einfluss auf die Annahme des Schlussdokuments durch Papst Franziskus. Und noch mehr: Ein formell angenommenes Abschlussdokument wird kraft seiner Annahme auch Teil des ordentlichen Lehramtes des amtierenden Papstes. Art. 18 § 1 lautet:

"Wenn das Schlussdokument ausdrücklich vom Papst approbiert wurde, hat es Anteil am ordentlichen Lehramt des Nachfolgers Petri. “ (EC Art. 18 § 1)

M.a.W. das Schlussdokument, das die XVI. Generalversammlung der Bischofssynode heute einmütig beschlossen hat, ist durch die im Beisein der Synodenversammlung um 19:00 Uhr MEZ ausgesprochene Annahme und Approbation durch Papst Franziskus Teil seines ordentlichen Lehramtes. 

"Aus diesem Grund beabsichtige ich nicht, ein 'Nachsynodales Apostolisches Schreiben' zu veröffentlichen. Das, was wir beschlossen haben, reicht. Das Dokument enthält bereits sehr konkrete Hinweise, die eine Orientierungshilfe für die Mission der Kirchen auf den verschiedenen Kontinenten und in den unterschiedlichen Kontexten sein können: Deshalb stelle ich es allen sofort zur Verfügung... Ich möchte auf diese Weise den Wert des abgeschlossenen synodalen Weges anerkennen, den ich mit diesem Dokument dem Heiligen Volk Gottes übergebe." (Vaticannews 26.10.24)

Und das bedeutet, dass die Umsetzung desselben die nächste Phase des synodalen Prozesses ist. Episcopalis communio sieht ja ein nachsynodales Schreiben – im Stile der vorausgegangenen ordentlichen und außerordentlichen Bischofskonferenzen –  auch nicht mehr vor. Und wie ich schon geschrieben hatte wäre es angesichts der heute in Kraft gesetzten Inhalte einer Rekonfiguration der Katholischen Kirche auch selbstwidersprüchlich, wenn Beschlussinhalte nicht schon mit der formellen Annahme Geltung bekämen. Die Rekonfiguration der Katholischen Kirche hat stattgefunden und ist jetzt auf allen Ebenen und sukzessive, wie Papst Franziskus in seiner Ansprache betonte, umzusetzen – inklusive der Arbeitsergebnisse der 10 Arbeitsgruppen, auch wenn diese ihre Ergebnisse erst nach und nach in den nächsten Monaten einbringen werden.

Die formelle Inkraftsetzung – selbst wenn sie nicht mehr als das Regelwerk von Episcopalis communio umsetzt – ist aber nicht weniger als eine Sensation. Es ist die über drei Jahre in den Ortskirchen, in kontinentalen Phasen und auf Ebene der Weltkirche umfassend erarbeitete Neuformation einer synodalen Kirche auf allen ihren Handlungsebenen - die angesprochene Rekonfiguration der Katholischen Kirche im Sinne der Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzils. 

©Vatican Media
(Abschlussbild mit allen Synodenmüttern und -vätern)


Donnerstag, 24. Oktober 2024

"Hitting the reset buttom" – oder: Die Rekonfiguration der Katholischen Kirche auf der XI. Generalversammlung der Bischofssynode und offene Fragen im Synodalen Prozess

@ Vatican Media
(Myriam Wijlens im Pressebriefing am 23.10.24)
""Hitting the reset buttom means that the system, with witch we work is reconfigured. The programms and files on the computer remain the the same, but they are reconfigured in such a way that the working conditions for the task, we really want to achieve, is optimized. With the current synod on synodality Pope Francis invited the church to enter on the guidance of the Holy Spirit into a process of reconfiguation of the acting subjects within the church to optimize the missionary task."(eigene Übertragung Pressekonferenz 23.10.24) 
"Den Reset-Knopf zu drücken bedeutet, dass das System, mit dem wir arbeiten, neu konfiguriert wird. Die Programme und Dateien auf dem Computer bleiben die gleichen, aber sie werden so neu konfiguriert, dass die Arbeitsbedingungen für die Aufgabe, die wir wirklich erreichen wollen, optimiert werden. Mit der aktuellen Synode zur Synodalität hat Papst Franziskus die Kirche eingeladen, unter der Führung des Heiligen Geistes in einen Prozess der Neukonfiguration der handelnden Subjekte innerhalb der Kirche einzutreten, um den missionarischen Auftrag zu optimieren." (eigene Übersetzung)

Mit diesen Worten führte die in Erfurt lehrende Kirchenrechtlerin Prof. Dr. Myriam Wijlens – in von ihr seit dem Jahr 2016 gegenüber australischen Bischöfen verwendeten Begrifflichkeiten – im Pressebriefing vom 23.10.24 in die Bedeutung der anstehenden Beschlussfassung des Ergebnisdokuments ein, das nach Angaben im Pressebriefing vom vorausgegangenen Montag „für seine Ausgewogenheit, seinen Tiefgang und seine Dichte“ im Synodenplenum mit Beifall bedacht worden sei. Dass hinsichtlich konkreter Themen, die unter den Nägeln brennen – wie etwa die Fragen rund um die Einbeziehung von Frauen in Leitungsaufgaben und –ämtern – keine konkreten Ergebnisse zu verzeichnen sein werden, im Gegenteil sogar vermehrt enttäuschende Erfahrungen innerhalb der vergangenen vier Synodenwochen gemacht wurden, gehört zur Hypothek dieser Synode. Aber – mit den Worten von Myriam Wijlens  gesagt – vielleicht ist das neu konfigurierte "Betriebssystem" der Kirche der Schlüssel dafür, in naher Zukunft mit kulturell brennenden Themen anders  umgehen zu können als bisher.

Anzeichen dafür sind bereits im Synodenverlauf angeklungen: Wie Erzbischof Stephen Ameyu Martin Mulla, Juba/Sudan die große seelsorgliche Herausforderung der in Afrika verbreiteten polygamen Lebensformen in den Kontext ähnlich drängender Herausforderungen in anderen Teilkirchen der Welt stellte, hatte Kardinal Obongo bereits im vergangenen Jahr hinsichtlich des pastoralen Umgangs mit LSBTIQ-Themen argumentiert: Dass eine praktizierte Synodalität und ein pastoral-reflektierter Umgang auf der Ebene der Teilkirche einen Lösungsweg darstellen könne, der auch die Einheit im Glauben auf der Ebene der Weltkirche nicht infrage stellt. Kardinal Robert Francis Prevost, OSA unterstrich diesen Gedanken einer dezentral verorteten Pastoral- und  Lehrautorität am Mittwoch im Pressebriefing am Beispiel des in der Weltkirche sehr unterschiedlich aufgenommenen Lehrschreibens Fiducia supplicans, das in einigen Teilen der Welt begrüßt, in anderen aber scharf kritisiert wurde – je nach dem unterschiedlich kulturellem Umgang mit LGBTIQ-Personen in der jeweiligen Kultur.

Dass es in einer Teilkirche grundsätzlich auch das Recht gebe, Vorgaben nicht umzusetzen, ja zurückzuweisen, unterstrich Myriam Wijlens im selben Pressebriefing mit der alten Rechtsnorm des „Ius remonstrandi“, die ebendies ausdrücke. Im Sinne der Rekonfiguration der bisherigen Strukturen wären nun die nationalen Bischofskonferenzen die Orte, Lehrautorität für bestimmte in ihrem jeweiligen kulturellen Kontext wahrzunehmen, wie Kardinal Prevost die Veränderungen auf Zukunft hin beschrieb. Und dass – nach meiner Prognose unter derselben Ziffer des Abschlussdokuments – sowohl der Umgang mit Polygamie wie der LGBTIQ-Thematik angesprochen und in der Verantwortung auf die Handlungsebene der Ortskirche verlagert wird, verändert, ja löst die Blockaden, mit der diese Themen vorab auf weltkirchlicher Ebene entschieden, zurückgewiesen oder aber auf die lange Bank geschoben wurden. Diese über die Jahrzehnte aufgelaufenen „Hypotheken“ könnten nun schnell vor Ort angegangen, aufgelöst werden – nachhaltiger, als es ein allgemeiner, weltkirchlicher Entschluss, der immer wieder gefordert wurde, je sein könnte.

Auch das Thema des Einbezugs von Frauen in Leitungsaufgaben und –ämter wird im Abschlussdokument einen ähnlichen Tenor haben, nachdem es nach der ersten Lesung des Abschlusstextentwurfs sehr enttäuschte Rückmeldungen von Frauen gab. Aber jenseits aller Textoptimierungen – immerhin wurden 951 kollektive Änderungsmodi in den Sprachgruppen eingebracht und ca. 100 individuelle – werden bei diesem Themenkomplex die Enttäuschungen dennoch größer bleiben als alle guten Worte, die hierzu vielleicht noch gefunden werden. Das liegt einerseits daran, dass zu Synodenbeginn alle Erwartungen hinsichtlich eines möglichen Diakonats der Frau zunächst desillusioniert und in einem nachgeschobenen, aber völlig missglückten Austauschformat während der Synode zusätzlich frustriert wurden. Der gerade für den heutigen Tag anberaumte weitere Austauschtermin mit Kardinal Fernández, könnte vielleicht – im Nachhinein – noch Wirkung entfalten. Aber nichtsdestotrotz ist als Rückschritt festzuhalten, dass die zu Synodenbeginn als unwahrscheinlich eingeschätzte Möglichkeit der Einführung eines Frauendiakonats in der Erklärung von Kardinal Fernández zur Arbeit der AG 5 Anfang dieser Woche schon gar nicht mehr als Tractandum der AG 5 bezeichnet, sondern nurmehr auf eine weitere seit dem Jahr 2016 arbeitende Kommission unter der Leitung von Erzbischof Kardinal Guiseppe Petrocchi verwiesen wird. Aber vielleicht – und hoffentlich – hat der Austauschtermin heute mit Kardinal Fernandez hierbei noch etwas verändern können.

Dass selbst die afrikanische Kirche, die ihrerseits selbst den Diakonat für Männer bislang nicht kennt, in der Person des Vorsitzenden der afrikanischen Bischofskonferenzen (SECAM) Kardinal Fridolin Ambongo Besungu OFM Cap auf den synodalen Weg der Kirche verweisend zwei Begründungsweisen für den Diakonat der Frau vorschlägt  – einerseits im Sinne der ersten Stufe des dreistufigen Ordo und andererseits mit einer originären diakonischen Begründung im Sinne eines eigenständigen Amts – mag als beispielhaft dafür gelten, offener und transparenter über das Thema zu sprechen, als die Kommission bislang ohne jedwelche Veröffentlichung gearbeitet hat. Und hierzu gehört auch das Wahrnehmen der Berufungen von Frauen zu diesem Dienst und ihrer Zeugnisse, die Sr. Mary Teresa Barron OLA am deutlichsten in den Pressebriefings ausdrückte, aber auch Kardinal Leonardo Ulrich Steiner OFM  als in Amazonien schon vor Ort gelebt in einer Pressekonferenzen einbrachte.

Für mich persönlich kommt mit der nahenden Abstimmung des Abschlussdokuments der Synode zur Synodalität im Sinne des „Resets“ auch das Ende dieses seit zehn Jahren zur Synodaliät handelnden Blogs nahe an sein Ende. Denn wenn mich nicht alles täuscht, sind die Strukturen der Synodalität im Grundsatz so ins Wort gebracht und nach der Annahme von Papst Franziskus Teil des ordentlichen Lehramts, dass sie jetzt nach und nach umgesetzt werden. Ein nachsynodales Schreiben des Papstes über das Abschlussdokument hinaus erwarte ich nicht (und es wäre beinahe selbstwidersprüchlich), wohl aber kirchenrechtliche Änderungen und diesbezügliche päpstliche Anordnungen im Sinne des im Abschlussdokument vereinbarten „Resets“ bezogen auf die betreffenden Traktanden in den nächsten Wochen und Monaten. 

Kurz vor dem Ende dieser Blog-Berichterstattung freue ich mich am morgigen 25.10.24 in einem Live-Event in einem Rückblick – i.e.S. auf die vier Synodenwochen, aber auch auf den gesamten synodalen Prozess – mit Dr. Jutta Mader-Schömer als Vorsitzender des Netzwerk Frauendiakonat zurückzublicken, die in der vergangenen Woche noch Synodale und Bischöfe im internationalen Netzwerk beeindruckte und berührte, über das für die Kirche in Deutschland obenauf liegende Thema des Frauendiakonats. Mit ihr möchte ich ins Gespräch kommen und darüber auch an einem konkreten Zukunftsthema für die Kirche in Deutschland noch einmal weiter nach vorne ausblicken.


Montag, 21. Oktober 2024

 „Even if you are disappointed by the result of the Synod, God’s providence is at work in this Assembly“ – Einstimmung in die Beratungen des Abschlusstext-Entwurfs und offene Fragen nach dem Einbezug von Frauen in Ämtern und Leitungsaufgaben

© Vatican Media
(Timothy Radcliffe OP / © Vatican Media)

P. Timothy Radcliffe OP gab – wie schon in den Besinnungstagen vor dem Beginn der Synode und zu Beginn der Beratungen des 2. Teils des Instrumentum laboris  – wiederum eine tiefgehende wie den Horizont weitende Einführung in die Bedeutung der anstehenden Beratungen des Entwurfs des Abschlusstexts und stellte dabei die Freiheit als „Doppelhelix der christlichen DNA“ heraus, nachdem der Synodentag bereits zuvor mit einem Gottesdienst im Petersdom begonnen hatte:

„Mit den Worten des heiligen Paulus aus dem Galaterbrief „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal 5,1) ermutigte Radcliffe die Synodenväter und -mütter, sich auf die bevorstehenden Diskussionen mit einem Geist der Offenheit und des Vertrauens einzulassen. (...) Radcliffe räumte jedoch ein, dass die Teilnehmer möglicherweise enttäuscht über einige der bevorstehenden Entscheidungen sein könnten. Es bestehe immer die Gefahr, dass Beschlüsse als unklug oder gar falsch wahrgenommen würden. Dennoch sollten die Teilnehmer die tiefere, innere Freiheit derjenigen bewahren, die fest daran glauben, dass „Gott alles zum Guten für die tut, die ihn lieben“ (Röm 8,28). (Vaticannews 21.10.24)

Mit diesem gewissermaßen paradoxen Appell, eigene Positionen freimütig einzubringen in die anstehende Beratungsphase, aber auch auf die Vorsehung zu vertrauen, dass Gott alles auch dann zum Guten führen werde, wenn eigene Positionen nicht und dafür ggf. andere im Text ihren Niederschlag fänden, rief er die Synodenversammlung dazu auf sich einzubringen und „Ich“ zu sagen, aber später auch in das größere „We“ einstimmen zu können.

„Selbst wenn Sie also vom Ergebnis der Synode enttäuscht sind, ist Gottes Vorsehung in dieser Versammlung am Werk“. 

„Even if you are disappointed by the result of the Synod, God’s providence is at work in this Assembly.“ (Vaticannews 21.10.24)

In der heutigen Pressekonferenz gefragt nach den möglichen Enttäuschungen angesichts des Abschlussdokuments, verwies P. Radcliffe – ohne den Textentwurf des Abschlussdokuments zu dem Zeitpunkt schon gelesen zu haben – auf die entscheidenden Weichenstellungen, die diese Synode – auch in der heutigen geopolitischen, von Konflikten reichen Situation in den verschiedenen Regionen der Welt – vornehme und die er sich als eigentliche Schlagzeilen wünsche. Für Radcliffe zentral sind die Aussagen der Synode, „wie wir zusammen sein können auf neuen Wegen … auf neuen Wege, Kirche sein.“

„How can we be together with new ways. …new ways of being a church“.

Wie sehr die Synode jenseits dieses Metathemas der synodalen Umgestaltung der Kirche auch an ganz konkreten Entwicklungen und Schritten gemessen wird, machte das neuerliche Statement des Präfekten zur Arbeit der AG 5 zu Ämtern und Leitungsaufgaben für Frauen durch Kardinal Víctor Emanuel Fernández vor dem versammelten Synodenplenum deutlich, das auch in der Pressekonferenz vom Leiter des Sekretariats für Kommunikation Paola Ruffini verlesen wurde. Darin entschuldigte Kardinal Fernández sein eigenes Fehlen, aber insbesondere auch die Abwesenheit des eigentlichen Leiters und Sekretärs der Sektion für Glaubensfragen des Glaubensdikasteriums Armando Matteo im Austauschforum am vergangenen Freitag mit einem medizinischen Eingriff, um im Anschluss aber auch noch einmal weiter auszuholen. So kam es auch inhaltlich zu einem neuen Statement über die die Synodenversammlung enttäuschenden Aussagen zum Einbezug der Frauen in Leitungsaufgaben in der ersten Synodenwoche.

„Wir wissen, dass der Heilige Vater zum Ausdruck gebracht hat, dass die Frage des weiblichen Diakonats zum jetzigen Zeitpunkt nicht reif ist, und er hat darum gebeten, dass wir uns jetzt nicht mit dieser Möglichkeit aufhalten. Die Studienkommission zu diesem Thema hat Teilergebnisse, die wir zu gegebener Zeit veröffentlichen werden, aber sie wird weiterarbeiten“, so Ruffini, der den Text des Präfekten des Glaubensdikasteriums verlas, vor den Journalisten.

Allerdings sei die Frage der Rolle der Frauen dem Papst ein großes Anliegen, so dass er bereits vor dem Wunsch der Synode das zuständige Dikasterium gebeten habe, Möglichkeiten einer Beteiligung auszuloten, die sich nicht auf Weiheämter bezögen. Diese Richtungsweisung des Papstes – die Ermittlungen in andere Richtungen ausschließe - teile er persönlich, so Fernández, der dies damit begründete, dass „das Nachdenken über den Diakonat für einige wenige Frauen das Problem der Millionen von Frauen in der Kirche nicht löst“.

 „Immerhin gebe es bisher nicht unternommene Schritte, wie beispielsweise die umfängliche Ausgestaltung des Katechetinnen-Amtes für Frauen, die in der Abwesenheit von Priestern mit der Gemeindeleitung betraut werden könnten – ein Anliegen der Amazonas-Synode von 2019. Die erste Möglichkeit, die das Dikasterium für Glaubenslehre in Zusammenhang mit der Schaffung des neuen Amtes in einem Brief an die Bischofskonferenzen vorgeschlagen habe, sei mit der Leitung der Katechese verbunden gewesen. Die zweite aber griff auf, was der Papst in Querida Amazonia gesagt hatte: Katechetinnen, die Gemeinden in Abwesenheit von Priestern unterstützen, Frauen, die Verantwortung tragen, Gemeinden leiten und verschiedene Funktionen ausüben. Die Bischofskonferenzen konnten diesen zweiten Weg akzeptieren, aber nur sehr wenige haben es tatsächlich getan“, so Fernández.

Dieser Vorschlag sei möglich gewesen, weil der Papst klargestellt habe, dass die „mit den Sakramenten verbundene priesterliche Autorität" sich nicht notwendigerweise in Machtfunktionen übersetzen müsse, ebenso wie es „Formen der Autorität gibt, die keine Priesterweihe erfordern". Diese Texte seien jedoch „nicht aufgegriffen“ worden“.

„Um die Überlegungen zu vertiefen, habe ich darum gebeten, meinem Dikasterium Zeugnisse von Frauen zukommen zu lassen, die wirklich Gemeindeleiterinnen sind oder wichtige Autoritätsfunktionen ausüben. Nicht, weil sie den Gemeinschaften aufgezwungen wurden oder das Ergebnis einer Studie sind, sondern weil sie diese Autorität unter dem Impuls des Geistes angesichts eines Bedürfnisses des Volkes erworben haben.“ Die Realität sei in diesem Sinn „der Idee überlegen“, so Fernández, der ausdrücklich die weiblichen Mitglieder dieser Synode aufforderte, konkrete Beispiele aufzugreifen und weiterzuleiten. 
„Ungeachtet dessen sei auch die ursprüngliche Studien-Kommission zum Frauendiakonat unter der Leitung von L' Aquilas Erzbischof Kardinal Petrocchi weiter aktiv und werde in den kommenden Monaten ihre Arbeit wieder aufnehmen, kündigte Fernández an. Auch an diese Stelle könnten Interessierte ihre Überlegungen weiterleiten. Schritt für Schritt werde man vorankommen und auch „zu sehr konkreten Dingen“ gelangen, um zu verstehen, „dass es nichts in der Natur der Frauen gibt, was sie daran hindert, sehr wichtige Positionen in der Leitung der Kirchen einzunehmen“, so Fernández in seiner von Ruffini verlesenen Erklärung abschließend: 
„Was wirklich vom Heiligen Geist kommt, wird nicht aufgehalten werden“. (Vaticannews 21.10.24)

Ob dieses – im Synodenplenum mit Beifall bedachte – Statement zusammen mit dem Entwurf des Abschlussdokumentes die Gemüter beruhigen und auch die von P. Radcliffe erhoffte Einmütigkeit der Synodalversammlung bei der Schluss-Abstimmung herstellen kann, werden die nächsten Tage zeigen. Alle Synodenteilnehmenden sind aufgerufen sich in den nächsten Tagen bis zum Mittwochmittag in Plenum wie den Sprachgruppen einzubringen. Am Mittwoch sollen nach der fünfzehnten Sitzung der Sprachgruppen („Circuli Minores“) die Stellungnahmen und Änderungswünsche („modi“) zum Entwurf des Schlussberichts eingebracht werden, der am Samstag als Ergebnisdokument zur Abstimmung gestellt werden wird.


Samstag, 19. Oktober 2024

Eklat mit „zahlreichen Unmutsäußerungen“ aufgrund einer „schlimmen Enttäuschung“ und einem „skandalösen Verhalten“ - oder: Reaktionen auf ein misslungenes Treffen mit der 5. Arbeitsgruppe und ein Ausblick auf die letzte Synodenwoche

(Screenshot katholisch.de 19.10.2024)

Bereits gestern Abend war via Social Media und im abendlichen Synodenbericht von Thomas Söding zu lesen, dass das mit 100 Synodalinnen und Synodalen im größten Versammlungsraum der 10 Arbeitsgruppen (in der bis zur Amazonassynode 2019 genutzten Synodenaula) verortete Treffen mit Mitarbeitenden der 5. Arbeitsgruppe weit hinter den Erwartungen zurückblieb. In Anwesenheit von nur zwei Theologen, deren einzige Funktion war, Fragen und Hinweise entgegenzunehmen, unterlief das Setting den eigentlich für heute in Aussicht gestellten bilateralen Austausch, wie er aus anderen gleichzeitig stattfindenden Treffen mit Leitungen der anderen neun Arbeitsgruppen berichtet wurde.

"Die Namen der Studiengruppenmitglieder waren, entgegen der Praxis anderer Gruppen, nicht bekanntgegeben worden. Sie blieben auch jetzt geheim. Es wurden viele kritische Fragen gestellt – ohne Antwort. Der Präfekt war nicht da. Warum fehlten auch andere Mitglieder aus der Leitung? Warum hat man sich nicht an die zugesagten Regeln gehalten, dass die Studiengruppen synodal zusammengesetzt werden und arbeiten?" (zdk.de/sms 18.10.24)

„Enttäuschte Gesichter nach einem verfehlten Austausch zum Thema Frauenweihe bei der im Vatikan tagenden Weltsynode“  gab es  und führten zu „zahlreichen Unmutsäußerungen“.  „Ein asiatischer Bischof habe von 'skandalösem Verhalten' gesprochen, deutschsprachige Teilnehmende von einer "schlimmen Enttäuschung". Während einige Synodenmitglieder bereits kurz danach ankündigten, „mit einer schriftlichen Eingabe an die Synodenleitung gegen das Verhalten der Arbeitsgruppe zum Frauenthema protestieren zu wollen“ (katholisch.de 19.10.24), wurde auch bereits schon eine Reaktion des Präfekten des Glaubensdikasteriums und Leiters der Arbeitsgruppe veröffentlicht, in dem er seine Abwesenheit entschuldigt und auch ein neues Gesprächsformat in der letzten Synodenwoche anbietet.

„Der für die Studiengruppe zum Frauenthema zuständige Leiter der Glaubensbehörde, Kardinal Victor Fernandez, hat am Freitagabend ein weiteres Treffen dazu angekündigt. (...) Er sei gerne bereit, sich am kommenden Donnerstag mit interessierten Synodalen zu treffen, um ihre Überlegungen zu dem Thema zu hören und ihre schriftlichen Unterlagen entgegenzunehmen, schreibt er darin.“(katholisch.de 19.10.24)

Wenn man bedenkt, dass „die Begegnungen mit Experten aus den insgesamt zehn Studiengruppen ja erst vor zwei Wochen von der Synodenleitung eingeräumt worden (waren), nachdem zahlreiche Teilnehmer eine Möglichkeit zum Austausch über strittige Fragen gefordert hatten“ (Ebd.), kann man den Faux-pas des misslungenen Treffens am gestrigen Freitagnachmittag nur als ein Vermeiden der Auseinandersetzung mit dem in der Synode sehr präsenten Thema der stärkeren Einbeziehung von Frauen in Ämter und Leitungsaufgaben verstehen. Dem entspricht, das augenfällige Fehlen dieses Themas und anderer; junge Erwachsene eigentlich nicht minder bewegenden Reformthemen in den abgelesenen Fragen der Studierenden im Dialog-Forum am gestrigen Abend.

Der Protest der Synodalinnen wird Papst Franziskus heute Vormittag bei einem Empfang der an der Synode teilnehmenden Frauen nicht verborgen geblieben sein. Immerhin lassen die ermutigten und ermutigenden Reaktionen der Frauen nach der Audienz wieder hoffen:

„Die Schweizer Synodale Helena Jeppesen-Spuhler äußerte sich im Anschluss gegenüber dem Pfarrblatt Bern positiv über die knapp einstündige Begegnung des Papstes mit den weiblichen Synodalen. Die Frauen hätten offen über ihre Erfahrung in der Synode und ihren Bedenken gesprochen. Papst Franziskus sei sehr aufgeschlossen und zugewandt gewesen.“ (Vaticannews 19.10.24)

Dass im direkten Anschluss an den Empfang der Frauen „zudem Gespräche mit der Führungsspitze des Lateinamerikanischen Bischofsrats Celam und der Bischofskonferenz von Ecuador auf dem Programm des Papstes“ (Ebd.) standen, wird die Auseinandersetzung mit konkreten Reformthemen – insbesondere auch im Hinblick auf den Frauendiakonat und in Verbindung mit dem Votum der Amazonassynode für die Weihe von viri probati – wohl den ganzen Samstagvormittag präsent geblieben sein.
Dass sie auch die nächste und letzte Synodenwoche prägen werden, ist nach der missglückten Kommunikation am gestrigen Tag so gut wie sicher. 


Freitag, 18. Oktober 2024

„Keine Angst vor der Synodalität“: Über den Stand der Beratungen der Weltsynode zum Ende der 3. Synodenwoche, einen Live-Dialog mit Studierenden und warum die Arbeitsgruppe zur Polygamie für die Weltsynode eine so hohe Bedeutung hat  

©Vatican Media
(s. www.youtube.com/@synod-va788)

Gestern Abend ging mit der XII. Plenarversammlung der Austausch der freien Redebeiträge zum abschließenden 3. Teil des Instrumentum laboris unter der Überschrift „Orte“ zu Ende. Die Erarbeitung von Kriterien für eine Definition einer ‚heilsamen Dezentralisierung“ und für die Rolle der Teilkirchen in der Weltkirche wurden vom Präfekten des Dikasteriums für die Kommunikation Paolo Ruffini im heutigen Pressbriefing als zentrale Themen hervorgehoben, die am heutigen Vormittag in den Circuli minori der Sprachgruppen nachgearbeitet und im Ergebnisbericht an das Redaktionsteam des Entwurfstextes für das Abschlussdokument weitergegeben wurden. "Die Kirche in ihrer Einheit in Vielfalt" und "die Fähigkeit, das, was zunächst anders erscheint, in die Einheit aufzunehmen", wurden herausgestellt, deren Ergebnis "keine Bricolage", sondern "ein lebendiger Organismus" sei.

Gefragt nach konkreten Ergebnissen dieser Weltsynode betonte Kardinal Luis José Rueda Aparicio aus Bogota/Kolumbien die Teilnahme von stimmberechtigten Synodalinnen bei dieser Bischofsversammlung, die Diskussion um die Rolle der Frau und das Diakonat und die Einbeziehung von Frauen in Beratungs- und Entscheidungsprozesse als erste Konkretionen der Veränderung. 

„Die Kirche ist keine reine Männersache!“

Eben diese Themen werden heute Nachmittag auch bei der von der Plenarversammlung gewünschten Zusammenkunft der Synodalinnen und Synodalen mit den 10 eingerichteten Arbeitsgruppen und der afrikanischen Ad hoc-Arbeitsgruppe zur Thematik der Polygamie zum Thema werden. Auf der Pressekonferenz wurde heute dann auch bekannt, dass nun tatsächlich alle Synodalinnen und Synodalen, die dies wollten, Gelegenheit haben werden am Nachmittag die gewünschten Arbeitsgruppen zu besuchen, für die sie sich eingetragen hatten. Dieses wechselseitige Gespräch wird sicher Resonanzen für die weitere Arbeit in der nächsten Synodenwoche wie in den Arbeitsgruppen haben. Und man muss kein Prophet sein, dass die bislang reine Männer-Redaktion der AG 5 zu den Themen des stärkeren Einbezugs von Frauen in kirchliche Leitungs- und Ämteraufgaben in Kürze auch um Frauen erweitert werden wird. Ein Schritt in die richtige Richtung – wissend, dass die Weltsynode allenfalls die verschiedenen Möglichkeiten benennen wird, wenn sie die diese ermöglichende Architekturverschiebung im Sinne einer heilsamen Dezentralisierung im Grundsatz beschließen und ihre Umsetzung beauftragen wird.

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Die Resonanzen aus der Begegnung der einzelnen Synodalinnen und Synodalen mit den Arbeitsgruppen werden sicher bald ebenso bekannt und diskutiert werden, wie dies heute Abend bereits ebenso offen in einem erst gestern bekannt gewordenen Live-Format „Dialog mit Jugend“ am heutigen Abend aus Jugendperspektive möglich war. Dass nur zwei der 368 Synoden-Teilnehmenden unter 30 Jahre alt sind, war für Kardinal Mario Grech, Synoden-Generalrelator Kardinal Jean-Claude Hollerich und zusammen mit der US-amerikanischen Ordensfrau Leticia Salazar ODN und Bischof Daniel Flores von Brownsville in Texas (zwei Personen, die aus diesem Blog bereits bekannt sind) Anlass für einen Austausch über die Themen der Synodalität über die Generationengrenzen hinweg.

Aber auch wenn heiße Eisen bei dem Live-Event mit den Studierenden ausgespart wurden, soll der Bericht zum Ende der 3. Synodenwoche nicht enden, ohne auf ein weitere Generationen- aber auch kulturübergreifende Thema zu sprechen zu kommen, an dem der Synodale Prozess konkret wird. Am heutigen Nachmittag bestand für die Synodalinnen und Synodalen über die Wahl der 10 Arbeitsgruppen hinaus auch die Gelegenheit, Mitglieder der Arbeitsgruppe des Verbands der afrikanischen Bischofskonferenzen zum Thema Polygamie zu befragen und ihnen Resonanzen zu geben. Zu diesem Thema heute Mittag in der Pressekonferenz befragt bekannte sich Erzbischof Stephen Ameyu Martin Mulla, Juba/Sudan, zu dieser großen seelsorglichen Herausforderung in Afrika und stellte sie dabei in den Kontext ähnlich drängender Herausforderungen in anderen Teilkirchen der Welt, für die pastorale Lösungen gefunden werden müssen. Auch an diesem Punkt zeigt sich, wie ein gegenseitiges Hören der jeweiligen kulturellen Bedarfe und pastoralen Dringlichkeiten, eine „heilsame Dezentralisierung“ spüren und verwirklichen lässt, ohne dass die Einheit in der Kirche infrage gestellt, aufgegeben oder unterhöhlt wird. 


Donnerstag, 17. Oktober 2024

„Zwischen Polaritäten, ohne Polarisierungen“ – oder: Bei der Frage der Beziehung von Orts- und Weltkirche ist die Stunde der Theologinnen und Theologen gekommen

Ungewöhnlich deutliche Auseinandersetzung über theologische Grundsatzfragen“ und „klare Differenzen“ innerhalb der Weltsynode lauteten gestern Schlagzeilen über den Verlauf der X. Plenarsitzung der Weltsynode mit freien Redebeiträgen, die sich auch auf Änderungen in der geplanten Tagesordnung der Generalkongregation bezogen.

„Wie Synoden-Teilnehmer berichteten, wurde zur Klärung der theologischen Streitfrage über die Grenzen und Möglichkeiten einer dezentralen Autorität ein Theologe zu Rate gezogen. Die Synodenleitung bat den an der renommierten Hochschule "Institut Catholique" in Paris lehrenden Professor Gilles Routhier um Klärung. Der Kanadier versuchte daraufhin, in einem kurzen Vortrag den Begriff der Lehrautorität, an der auch die Bischöfe teilhaben, auf Basis der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zu erklären.“ (katholisch.de 16.10.24)

Auch in der Pressekonferenz des Tages saßen diesmal ausnahmslos Theologinnen und Theologen, die am selben Abend auch die für Synodenmitglieder wie alle Interessierten darüber hinaus offenen theologisch-pastoralen Foren über „Die Ausübung des Primats und die Bischofssynode“ und „Die wechselseitige Beziehung von Ortskirche und Weltkirche“ gestalteten:

„Dort diskutierten Theologen und Kirchenrechtler über das Verhältnis zwischen der Autorität des Bischofs von Rom und der von Paul VI. 1965 gegründeten Bischofssynode. Der renommierte Theologe P. Dario Vitali, Professor für Ekklesiologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana, erläuterte dabei das Verhältnis von Primat und Synodalität.“ Nach zwei Phasen in der Kirchengeschichte, zunächst ohne päpstlichen Primat, dann in einer zweiten, in der die lateinische Kirche von einem starken Primat geprägt war, sieht Prof. P. Dario Vitali, Professor für Ekklesiologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana, die Zeit für eine dritte Phase gekommen, die „durch eine Kombination aus Synodalität und Primat“ geprägt ist." (Vaticannews 17.10.24)

„Das Zweite Vatikanische Konzil brachte einen neuen Ansatz für die Ausübung des Primats, indem es die Kollegialität der Bischöfe betonte. Dennoch blieb das Modell einer universalen Kirche bestehen. Vitali kritisierte, dass die nachkonziliare Praxis nur eine schwache Form der Kollegialität hervorgebracht habe und die affektive Kollegialität letztlich eine verstärkte Form der Primatsausübung bedeutete.“ (Ebd.)

„Der laufende synodale Prozess bietet für Vitali „die Gelegenheit, das Verhältnis von Primat und Synodalität neu zu gestalten. Der Bischof von Rom fungiert hierbei nicht als alleinige Instanz, sondern initiiert und schließt synodale Prozesse im Dienst der Einheit ab. In dieser kreisförmigen Dynamik aus Einheit und Vielfalt wird die Rolle des Papstes als Garant der kirchlichen Gemeinschaft verstanden.“ (Ebd.)

Diese neue Praxis des Primats sei mehr „als eine bloße organisatorische Veränderung; sie stelle die getreue Umsetzung der vom Konzil formulierten Prinzipien dar. Vitali zitierte dabei aus Lumen gentium, wo es heißt, dass „die rechtmäßigen Verschiedenheiten“ innerhalb der Kirche „der Einheit nicht nur nicht schaden, sondern ihr vielmehr dienen“ (Lumen gentium, 13)." (Ebd.)

Die theologischen Foren – wie die Verschränkung der Akteure in den Pressebriefings zeigt – sind nah an den Fragestellungen, die in der Synodenaula obenauf liegen. Die Fragen welche Aufgaben den Teil- und Ortskirchen mit ihren Bischofskonferenzen zukommen, dass sie weniger dazu da seien „neue Dogmen zu verkünden, als in ihrer Weise den Glauben der Kirche zu inkulturieren“ – wie der Präfekt des Dikasteriums für Kommunikation, Paolo Ruffini in der heutigen Pressekonferenz eine Stimme aus dem Synodenplenum wiedergab, beschreiben bereits schon eine vermittelnde Position zwischen Polaritäten. „Diese Polaritäten, die keine Polarisierungen sind“ – in der Formulierung der italienischen Ordensfrau Sr. Samuela Maria Rigon SSM im Pressebriefing  prägten derzeit die Diskussion der freien Redebeiträge der Synodenversammlung.

Dass Spannung zum Leben dazugehöre, wie auch ein gewisser Druck – gleich dem Blutdruck im Körper eines Menschen –zur Vitalität in der Kirche, unterstrich Kardinal Gérald Cyprien Lacroix, Erzbischof von Québec/Kanada, für den der in der theologischen Auseinandersetzung zum Ausdruck kommende Wandel auch mit einer Umkehr zu tun hat, zu der der Herr die Kirche und jeden Einzelnen heute ruft ist. Alle wissen dabei, dass sich abhängig von der Neujustierung des Verhältnisses von Orts- und Weltkirche, einer neuen Verhältnisbestimmung von Lehrautorität den verschiedenen Ebenen, auch viele weitere derzeit in den Arbeitsgruppen beratene Themen bewegen werden. 

"Zuvor war unter anderem gefordert worden, neben oder alternativ zu den bereits bestehenden nationalen Bischofskonferenzen auch kontinentale Beratungs- und Beschluss-Organe mit eigenen Regeln zu errichten. Sie sollten auch in Fragen der Lehre und der Kirchendisziplin eigene Autorität haben. Dazu gehört unter anderem auch die Ehelosigkeit der Priester." (katholisch.de 16.10.24)

Und ich möchte ergänzen: Ebenso die Frage neuer Leitungsämter für Frauen, der Diakonat der Frau, selbst wenn dies nicht überall in der Welt gleichermaßen umgesetzt werden wird.


Dienstag, 15. Oktober 2024

Über die Notwendigkeit lokaler Verwurzelung und die Möglichkeit des Diakonats der Frau und der Weihe von „viri probati“

Nach zwei Synodenwochen geht die Weltsynode mit der Bearbeitung des letzten Moduls des Instrumentum laboris unter der Überschrift "Orte" gewissermaßen schon auf die Zielgeraden.

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(Pressekonferenz vom 15.10.2024)
In seiner Einführung hob Generalrelator Jean-Claude Hollerich zu Beginn der Synodenversammlung heute hervor, dass die Synode nun an einem entscheidenden Punkt angelangt sei“, an dem es nach der Reflexion auf die „Wege“ über Fragen der Bildung, der Entscheidungsverantwortung und Rechenschaftsplicht „nun darum gehe, ‚die Perspektive der Orte‘ einzunehmen und die Vielfalt der Kontexte zu berücksichtigen, in denen der Glaube gelebt werde.“ (Vaticannews 15.10.24)

„Hollerich betonte, dass die Kirche ohne Verwurzelung in einem spezifischen Ort und einer Kultur nicht vollständig verstanden werden könne. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Kirche einem Partikularismus verfallen solle. Vielmehr gelte es, die „Konkretheit zur Geltung zu bringen“, in der der gemeinsame Glaube in Raum und Zeit sichtbar werde. Angesichts der heutigen Realität, in der Zugehörigkeit zunehmend dynamischer und weniger geografisch festgelegt sei, müssten die Kirchenstrukturen überdacht werden, um den missionarischen Auftrag neu zu erfüllen." (Ebd.)

In der Pressekonferenz wurde dieser Gedanke insbesondere von Kardinal Leonardo Ulrich Steiner OFM Erzbischof von Manaus/ Brasilien mit Bezug auf die Amazonasregion hervorgehoben: Das Evangelium müsse in die Kultur aufgenommen werden. Bereits auf der Amazonassynode vor fünf Jahren war dieser Gedanke auch mit konkreten Vorschlägen zum Diakonat der Frau, der Gemeindeleitung und dem Einbezug von viri probati, verheirateter Männer für den priesterlichen Dienst verbunden.

"Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass es in der Vergangenheit einen Frauendiakonat gegeben hat, warum führen wir ihn nicht wieder ein, so wie der ständige Diakonat wieder eingeführt wurde"(katholisch.de 15.10.24)

Auf Nachfrage zu verheirateten Priestern bekannte Kardinal Steiner auch, dass er nach der Amazonassynode enttäuscht gewesen sei, dass der Vorschlag zu den viri probati von Seiten der Synodenversammlung von Papst Franziskus in seinem nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia nicht aufgenommen worden sei. Aber Papst Franziskus "habe sich die Frage offengehalten und agiere mit hoher Sensibilität".  Für Kardinal Steiner sei dies schon beim Thema des Diakonats für die Frau in einigen Regionen der Welt kulturell möglich und gefordert - und in Amazonien in gewisser Weise schon gelebt -, während in anderen diese Veränderungen weder möglich noch an der Zeit seien.

In ähnlicher Weise hatte sich gestern in der Pressekonferenz Bischof der Diözese Cyangugu im Südwesten Ruandas, Edouard Sinayobye geäußert:

„In Afrika haben wir keinen Ständigen Diakonat.(...) Mit Blick auf die Frage nach einem Diakonat von Frauen, ob das kommen wird? (...) - die ganze Welt weiß, dass es diese Frage gibt und sie von verschiedenen Leuten gestellt wird, nicht nur Journalisten. Die Kirche ist dabei, über diese Frage nachzudenken und das tut sie sehr ernsthaft… - auch im Lichte der kirchlichen Lehre." (Vaticannews 14.10.2024)

"Ohne die Einheit der weltweiten katholischen Kirche aufzugeben", biete die Weltsynode mit den Worten von Kardinal Hollerich gesagt, „eine einzigartige Gelegenheit, über institutionelle Grenzen hinauszublicken und den synodalen Weg zu einer treibenden Kraft für die kirchliche Erneuerung zu machen." 

„Unser Ziel ist es, Instrumente vorzuschlagen, die es dem Volk Gottes ermöglichen, an der Dynamik der synodalen Kirche teilzuhaben“. (Vaticannews 15.10.24)


Freitag, 11. Oktober 2024

„Sometimes the most important things happen in silence.“ – Oder: Wie sich über Schweigen und Stille ein „Überfließen“ (desborde) und eine Erneuerung der Kirche ereignen kann

Kardinal Joseph William Tobin, CSsR, Erzbischof von Newark/USA, betonte heute im Pressebriefing mit der Aussage, dass manchmal die meisten Dinge in der Stille passieren, den neuen Stil der Synode über die Synodalität, den gestern bereits von anglikanischer Seite Bischof Martin Warner von Chichester/UK als Brüderlicher Delegierter als beispielhaft für das synodale Arbeiten herausstellte. Kardinal Tobin bezog sich ebenfalls auf die diesen Aspekt des Schweigens und der Stille herausarbeitende Besinnung am gestrigen Nachmittag von P. Timothy Radcliffe, von dem am Anfang dieser Woche bekannt wurde, dass er im Konsistorium am 7. Dezember zu den neu erwählten Kardinälen gehören wird.

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(P. Timothy Radcliffe OP am 10.10.2024)

P. Radcliffe, der bereits die zweitägigen Retreats zu Beginn der Weltsynode in beeindruckender Weise geprägt hatte, stellte die Geschichte von der Jesus bedrängenden kanaanäischen Frau (Mt, 15, 21-28) in den Mittelpunkt seiner Besinnung vor dem Übergang der Arbeit am 3. Modul der Generalkongregation, das mit „Wege“ überschrieben ist. Die Beharrlichkeit der Frau, ihr Drängen, das von den Jüngern abgewiegelt wurde und Jesus zunächst schweigen und dann abweisend antworten lässt, dass er nur zu den Kindern Israels gesandt sei, führt bei Jesus zu einem Prozess des Wandels, zu einer Anerkennung ihres großen Glaubens und der Heilung ihrer Tochter.

Für Radcliffe ist dies eine – bis in die heutige Pressekonferenz hinein zitierte – Analogie für das, was bei dieser Synode passiert und möglich ist:

"Im Mittelpunkt steht das Schweigen Jesu. „Er antwortete ihr nicht.“ Dieses Schweigen ist keine Abfuhr. (…) In dieser Stille hört unser Herr auf die Frau und hört auf seinen Vater. Die Kirche dringt immer tiefer in das Geheimnis der göttlichen Liebe ein, indem sie sich mit tiefen Fragen beschäftigt, auf die wir keine schnellen Antworten haben. Auf dem Konzil von Jerusalem: Wie können die Heiden in die Kirche aufgenommen werden? In Nizäa: Wie können wir bestätigen, dass Jesus wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch war? In Chalcedon: Wie kann Gott wahrhaftig drei und wahrhaftig einer sein? 
Unsere Aufgabe in der Synode ist es, mit schwierigen Fragen zu leben und sie nicht wie die Jünger loszuwerden. Was sind hier unsere? Die Frau kommt wegen ihrer gequälten Tochter. (…) Es gibt auch tiefe Fragen, die so vielen unserer Diskussionen zugrunde liegen. Wie können Männer und Frauen, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sind, gleich und doch verschieden sein? Wir dürfen der Frage nicht ausweichen, wie die Jünger, indem wir entweder die Gleichheit oder den Unterschied leugnen. Und wie kann die Kirche die Gemeinschaft der Getauften sein, die alle gleich sind, und doch der Leib Christi, mit unterschiedlichen Rollen und Hierarchien? Dies sind tiefgreifende Fragen." (Vaticannews 11.10.24)

Im Schweigen und der Stille, die das Gespräch im Geiste in der im vergangenen Jahr neu eingeführten Methode bei der Weltsynode kennzeichnen, soll auch das Überfließen („desborde“) zur kreativen Neuerschließung neuer Wege des Christ- und Kircheseins ermöglichen, wie dies Sondersekretär Giacomo Costa am gestrigen Vormittag mit Zitat aus dem nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia (QA 105) auf den Punkt brachte.

Wie ich diese Gedanken der Besinnung von P. Radcliffe selbst verstehe, lese ich heute auch in einem Blog-Beitrag von Thomas Schwartz, Chef des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis Synodaler aus Deutschland:

Radcliffe (ging) in geradezu prophetischer Ausdeutung genau darauf ein und machte zur Diskussion um die Rolle der Frau in der Kirche und eine wirkliche Gleichberechtigung in allen Bereichen auf den Mut der kanaanitischen Frau aufmerksam. Sie habe sich weder von der Ablehnung der Jünger noch vom Schweigen Jesu von ihrem Ziel abbringen lassen, für ihr krankes Kind Heilung zu erbitten. Manchmal sei das Schweigen der Kirche die Weise, wie sie im Umgang mit einem Thema, das auf den Nägeln brenne, nach vorne gehe, weil im Schweigen auch der Raum zum Suchen und Hören des Willens Gottes gegeben sei, so Radcliffe“. (katholisch.de, 11.10.24)

Die Bedeutung des Schweigens und des Gesprächs im  Geiste betonte auch die Expertin Prof. Giuseppina De Simone aus Italien, dass es darum gehe, „die Fragen zu bewohnen“, die Spannung und die Fragestellungen auszukosten, um sie tiefer zu ergründen. Ein Wandel im Modus der Synodalität ist nur in dieser Weise möglich. Die Stille und das Schweigen, die die synodale Versammlung so sehr kennzeichnen, wird auch heute Abend bei der ökumenischen Gebetswache Ausdruck und Inhalt einer ökumenischen Feier auf der Piazza dei Protomartiri Romani sein, die darin bereits Einheit der Kirchen erlebbar werden lässt – wie die Rolle, wie sie Papst Franziskus in der Ökumene versteht: Ebenfalls ein zentrales Anliegen und Thema der Synode über die Synodalität sowohl im vorausgegangenen Modul über die „Beziehungen“ wie in dem jetzt kommenden Modul des Instrumentum laboris unter der Überschrift „Wege“.

„Sometimes the most important things happen in silence.“