Über den 'Dialog der Kulturen' zum 'Dialog der Generationen': Die Jugendsynode als „Meilenstein auf einem synodalen Weg“ (CV 3). Zur Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens Christus vivit
(Bild: Screenshot https://www.vaticannews.va/it/ vom 2.4.2019)
(Bild: Screenshot https://www.vaticannews.va/it/ vom 2.4.2019) |
Anders
als die Familien-Doppelsynoden der Jahre 2014 und 2015 machte die vom 3. bis
28. Oktober 2018 von Papst Franziskus einberufene XV. Generalversammlung der Bischofssynode mit
dem Titel ‚Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung‘
inklusive des am 25.3.2019 unterschriebenen nachsynodalen Schreibens Christus vivit (CV) kaum die Schlagzeilen, wie das bei den vorausgegangenen beiden
Synoden, der III. Außerordentlichen und der XIV. Ordentlichen Versammlung der
Bischofssynode zu dem Themenkomplex Ehe, Familie, Partnerschaft der Fall war.
Ein Grund dafür war sicher, dass – mit Ausnahme des Themenfeldes LGBT und
Homosexualität – nicht mehr dieselbe Zahl an ‚Heiße Eisen-Themen‘ im
Vordergrund standen, während zeitgleich ein anderes Thema in unvorhergesehener
Weise die Nachrichten beinahe weltweit beherrschte. Denn überlagert wurde die
Berichterstattung durch den gerade zuvor bekannt gewordenen Missbrauchsskandal
und die Ermittlungen in sechs US-amerikanischen Diözesen und in Deutschland
durch die hohe Wellen schlagende MHG-Studie über den sexuellen Missbrauch von
Klerikern an über 3700, vornehmlich männlichen Minderjährigen über alle
Diözesen Deutschlands und mehrere Jahrzehnte hinweg. Und so nahm auch die
Jugendsynode über das Bekenntnis der Beschämung und die Verurteilung des
Missbrauch Schutzbefohlener auch auf den Umgang mit und die Prävention von
sexueller Gewalt Bezug – und gleichermaßen hervorgehoben auch Christus vivit
(CV 95-102).
Behandelt und aufgenommen – bis in das Synodenabschlussdokument
und das nachsynodale Schreiben hinein – wurden ebenso auch viele kontrovers
diskutierte Themenkreise. In der Weise, wie dies geschah, kann die Synode – im
Blick auf ihre Vorbereitung, Durchführung bis zur Weiterführung des
nachsynodalen Prozesses in den Ortskirchen – als „Meilenstein auf einem
synodalen Weg“ (CV 3), auf dem Weg zur synodalen Umgestaltung der katholischen
Kirche bezeichnet werden. Und auf diesen Aspekt möchte ich in Fortsetzung
meiner bisherigen Beiträge* zum synodalen Prozess unter Papst Franziskus meine
folgenden Ausführungen vor allem konzentrieren.
Die
weitere Vorgeschichte der Jugendsynode
Mit
der knapp sechs Monate nach der Veröffentlichung des die Familiensynoden der
Jahre 2014 und 2015 zusammenfassenden, nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia
von Papst Franziskus am 6. Oktober 2016 für das Jahr 2018 einberufenen XV.
Generalversammlung der Bischofssynode begann eine zweijährige Vorbereitungszeit
bis zur Jugendsynode. Stationen waren das erste Vorbereitungsdokument der
Bischofssynode (vom 13. Januar 2017) samt einem Brief von Papst Franziskus an
die Jugendlichen, die Freischaltung einer allen Jugendlichen der Welt
offenstehende Online-Umfrage (die 110.000 Jugendliche vollständig ausfüllten),
ein Expertenseminar im September 2017 und schließlich die Vorsynode mit über
300 Jugendlichen (vom 19. bis 24. März 2018), deren Ergebnisdokument samt der
Umfrageauswertung in das Arbeitspapier der Bischofssynode, das Instrumentum laboris geflossen ist. Was bei den Familiensynoden als Dialog der
unterschiedlichen Kulturen der Ortskirchen weltweit bereits erprobt wurde, wandelt
sich – so wird in dem am 6. Mai 2018 veröffentlichten Vorbereitungsdokument
deutlich – auf der Jugendsynode zu einem Dialog der Generationen.
Kennzeichen des synodalen Weges - oder: Vom Dialog der Kulturen
(Familiensynoden) zum Dialog der Generationen (Jugendsynode)
Dass
und wie die Jugendlichen die wichtige Etappe der Jugendsynode mitbestimmt
haben, bringt das Synodenabschlussdokument ins Wort, in dem die Jugend als
eigener „locus theologicus“ bzw. „theologischer Ort“ (Abschlussdokument Nr. 64)
bezeichnet wird. Das „Hinhören“ der
Kirche auf die Jugend wurde im Synodenverlauf als „pädagogisches Konzept“ und
„theologische Kategorie“ in seiner Bedeutung hervorgehoben. Er wird aber noch
einmal gesteigert in einem über das Vorbereitungsdokument hinausgehenden,
grundsätzlichen Perspektivwechsel. Sie sind nicht mehr nur Objekte einer
methodisch neu zu justierenden Jugendpastoral, sondern werden mehr und mehr
Subjekte derselben. Als „Protagonisten“ (Abschlussdokument Nr. 52, 54, 65; vgl.
CV 174) sind sie Handlungsträger der Kirche und in jeder Hinsicht einzubeziehen
in die Weise, wie Kirche auf Zukunft in dieser Gesellschaft lebendig sein will.
Die
in dieser geänderten Perspektive liegende Dynamik reicht weiter, als das Thema
der Jugendsynode eigentlich absteckt war und rückt auch noch einmal die
grundsätzliche Perspektive in den Mittelpunkt. Noch einmal mit den Worten von
Kardinal Marx im ausführlichen Wortlaut gesagt:
"Es geht nicht so sehr darum, so ist mein Eindruck, dass wir immer neue Methoden suchen für die Jugendpastoral, sondern dass die Kirche sich ändert. Kirche muss anders werden! Die Jugendliche erwarten, so haben sie in der Vorsynode zum Ausdruck gebracht, eine authentische Kirche, eine Kirche, die bereit ist zum Gespräch, eine Kirche, die zuhören kann. All das taucht natürlich in allen Dokumenten wieder auf. Aber das dürfen auch nicht nur Worte bleiben, es muss sich ja auch zeigen in Strukturen, Institutionen, in konkreten Begegnungen." (Pressekonferenz vom 24.10.2018)
Papst
Franziskus rekurriert in seinem nachsynodalen Schreiben darauf, wie sehr „es
den Synodenvätern wichtig [war], die zahlreichen Unterschiede in Kontexten und
Kulturen hervorzuheben, auch innerhalb eines Landes. Es gibt eine Vielzahl von
Jugend-Milieus und das geht so weit, dass man in manchen Ländern dazu neigt,
den Begriff „Jugend“ im Plural zu verwenden.“ (CV 76) Und er sagt sicher ebenso
in Hinblick auf Christus vivit, was er in der Predigt des Synodenschlussgottesdienstes am 28.10.2018 über das Synodenabschlussdokument
ausdrückte:
"Mehr als das Dokument ist es jedoch wichtig, dass eine Art und Weise des Seins und der Zusammenarbeit sich ausbreitet: von Jung und Alt, beim Zuhören und Erkennen, um zu pastoralen Entscheidungen zu gelangen, die auf die Realität reagieren." (eigene Übersetzung)
Der
Anteil der synodalen Kirche am Ordentlichen Lehramt des Papstes
Der
synodale Stil als Weiterführung des Dialogs der Kulturen zu einem Dialog der
Generationen kann tatsächlich als das hervorstechendste Kennzeichen des
zurückliegenden wie des vorausliegenden Weges der katholischen Kirche auf der
Ebene der Weltkirche bezeichnet werden. Und er wird formal noch von einem
wichtigen Schritt darüber hinaus begleitet: Denn mit der im Absatz Nr. 3 des
Abschlussdokumentes einschließenden Aufnahme des Vorbereitungsdokumentes
(Instrumentum laboris) – und damit der von den Jugendlichen aus aller Welt
eingebrachten Fragen, Sicht- und Lebensweisen – und dem Auftrag, die Ergebnisse
der Synode über das eigene Herz in die Welt zu tragen und in verschiedenster
Weise wirksam werden zu lassen, zeigt sich die Jugendsynode als „Meilenstein
auf einem synodalen Weg“ (CV 3), der nicht einfach nur durch ein „weiteres
Papier“ (so drückte sich Papst Franziskus sowohl in seiner Begrüßungsansprache
als auch in der Abschlussansprache aus), sondern durch eine veränderte Haltung
und Praxis des gemeinsam Kircheseins gekennzeichnet ist und vor Ort
weitergeführt werden soll. Der Text müsse in den Herzen aller ankommen, gären,
inkorporiert und inkulturiert werden, in eine erneuerte christliche Praxis
fließen.
Der
synodale Prozess, den Papst mit Beginn seines Pontifikates, seinem bereits im
Jahr 2013 veröffentlichten Lehrschreiben Evangelii gaudium, den Umfragen und
der Beteiligung der Ortskirchen vor den Familiensynoden, der Veröffentlichung
der jeweiligen Synodenergebnisse zu deren Abschluss und die Aufnahme derselben
in seinem Lehrschreiben Amoris laetitia radikalisiert sich bei der Jugendsynode
erstmals dahingehend, dass alle synodal Beteiligten und schlussendlich die
Bischofsversammlung ‚cum et sub Petro‘ über das erarbeitete Abschlussdokument
an der Lehrentwicklung der katholischen Kirche in formeller Weise direkten
Anteil haben. Papst Franziskus hat zwar seinerseits in seinem nachsynodalen
„Wort“ ihm besonders bedeutsame Aspekte der Synode zusammengefasst, das aber
„durch die Tausenden von Stimmen der Gläubigen aus aller Welt bereichert“ (CV 4) werde, die ihrerseits zuvor in das Abschlussdokument geflossen sind. Dieses
ist – nach der Annahme durch die Synodenversammlung, der Übergabe und der
Annahme durch den Papst – Teil an dem vom ihm wahrgenommenen und an das
Gottesvolk rückgebundenen Lehramt. Und auch ein vom 18. bis 22. Juni 2019 in
Rom terminiertes internationales Jugendforum ist in Fortsetzung dieses
Verständnisses Teil eines „wunderbare[n] Polyeder([s], das die Kirche Jesu
Christi bilden muss“. (CV 207) Die Kirche kann für Papst Franziskus „die jungen
Menschen eben deshalb anziehen, weil sie keine monolithische Einheit darstellt,
sondern ein Geflecht unterschiedlicher Gaben, die der Heilige Geist
unaufhörlich in ihr ausgießt.“ (Ebd.)
Die Jugendsynode als "Meilenstein auf dem synodalen Weg" (CV 3)
Die
Kirchenreform wird über den Weg der zurückliegenden drei Bischofssynoden und
über die darin bereits mit Leben gefüllte Synodalität hinaus auch die Kurie –
ihre neustrukturierten oder -geschaffenen Dikasterien und Räte – in das
synodale Selbstverständnis einbegreifen. Die Jugendsynode des Jahres 2018 kann
in einer Chronologie der Ereignisse rückblickend mit vollem Recht als ein
„Meilenstein“ (CV 3) für den synodalen Weg zur Kirchenreform bezeichnet werden.