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Sonntag, 27. Oktober 2024

Vielleicht werden wir in 10 Jahren sagen: Wir waren dabei!“ oder: Zur Inkraftsetzung der „Synodalität, welche der Weg ist, den Christus sich von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet.“

©Vatican Media
(Abschlussbild mit allen Synodenmüttern und -vätern am 26.10.24)

Mit einem Gottesdienst im Petersdom ist heute die XVI. Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema der Synodalität zu Ende gegangen. Als ein Austauschgremium zwischen den Bischöfen und dem Papst mit dem Motu proprio Apostolica sollicitudo („Mit apostolischer Sorge“) von Papst Paul VI. am 15. September 1965 eingerichtet ist die Bischofssynode Ausdruck der auf dem II. Vatikanischen Konzil beschlossenen Kollegialität der Bischöfe und der Einheit mit dem Bischof von Rom. Sie berät den Papst zu zentralen Themenstellung der Kirche – im Pontifikat von Papst Franziskus zu den Themen Familie (2014/15), Jugend (2018) – in einer außerordentlichen Bischofssynode zu Themen Amazoniens (2019) – und jetzt eben zur Synodalität (2021-2024).

Das Thema der Synodalität – in diesem Blog seit dem 17. Oktober 2015 der Fokus-Begriff beinahe aller Beiträge – ist mit der an diesem Sonntag zu Ende gegangenen Bischofssynode in eine neue Phase eingetreten. War das Anliegen der „heilsamen Dezentralisierung“ bereits seit dem Festakt zu "50 Jahre Bischofssynode" am 17. Oktober 2015  gewissermaßen ausgerufen, dass Synodalität für Papst Franziskus „der Weg ist, den Christus sich für seine Kirche im 3. Jahrtausend erwartet“ und die benannte „heilsame Dezentralisierung“ schon aus dem programmatischen Lehrschreiben Evangelii gaudium (EG 16) aus dem ersten Jahr seines Pontifikats oft zitiert, dauerte es bis zur lange erwarteten und erst am 19. März 2022 veröffentlichten Kurienreform Praedicate Evangelium, die römische Kurie mit all ihren Behörden umzubauen, neu zu ordnen und programmatisch auf die Unterstützung des Sekretariats der Bischofssynode und der Teil- und Ortskirchen auszurichten.

Um aber die gesamte Weltkirche auf den Weg der Synodalität einzustimmen, bedurfte es einer über drei Jahre angelegten Bischofssynode mit Befragungen auf nationaler und Treffen auf kontinentaler Ebene und zweier Weltsynoden im vergangenen und diesem Jahr in Rom. Das von den teilnehmenden Synodalen – und den seit dem letzten Jahr mit ein 25%-Quorum mit Stimmrecht einbezogenen Laiinnen und Laien – beratene und mit großer Einmütigkeit befürwortete Abschlussdokument wurde von Papst Franziskus entsprechend der im Jahr 2018 neugefassten Synodenordnung Episcopalis communio angenommen und in der Weise seiner Approbation – nach EC Art 18 § 1 – nicht nur zur Veröffentlichung und Umsetzung freigegeben, sondern darin zugleich – wie gestern hervorgehoben – zu einem Teil seines ordentlichen Lehramts.

Im Grunde ist mit dem Ausgang dieser Weltsynode Synodalität "auf Dauer" gestellt worden, in der im Sinne der angesprochenen Rekonfiguration der Katholischen Kirche alle Handlungs- und Verantwortungsebenen in der Kirche eine neue Aufgabe erhalten. Das Papsttum ist ausgerichtet auf sein Amt der Wahrung der Einheit, die Kurie in der schon angesprochenen Aufsichts- und Service-Funktion im Sinne der Synodalität bestätigt, kontinentale Versammlungen angeregt, aber nun vor allem auch die Bischofskonferenzen auf nationaler Ebene in neuer Weise aufgefordert, ihre Aufgaben im Sinne der heilsamen Dezentralisierung mit einer neu umrissenen Lehrautorität auszuüben und dafür Sorge zu tragen, dass Synodalität das Leben der Kirche – angefangen in den Gemeinden und übergeordneten pastoralen Bereichen und Diözesen – insgesamt prägt.

Dass das in Kraft gesetzte Abschlussdokument der Weltbischofssynode nun ebenso sehr das Engagement vor Ort und der Rezeption bedarf wie einer Nacharbeit und Inkraftsetzung der kirchenrechtlichen Konsequenzen im Codex Iuris Canonici (der mit allen seinen nunmehr anstehenden Änderungen sicher auch nach der letzten großen Revision von 1983 und dessen Vorgängerversion von 1917 neu herausgegeben werden muss) ist ebenfalls eine Folge der spontanen Inkraftsetzung des Abschlussdokuments am gestrigen Abend. Aber ab jetzt heißt es vor Ort im Verantwortungsbereich der Ortsbischöfe und nationalen Bischofskonferenzen selbst verantwortlich über Themen zu beraten und zu entscheiden, von denen vormals – wie etwa im Rahmen vieler Handlungstexte des Synodalen Wegs – viele an Rom adressiert wurden. Aus dem Bereich der auf der Weltsynode diskutierten Themen wird man hier die Fragen der LGBTIQ-Pastoral wie der Polygamie der nationalen oder kontinentalen Handlungsebene zuordnen können.

Umgekehrt werden römische Behörden (die seit der erwähnten Kurienreform allesamt in Dikasterien umbenannt wurden) auch weiter ihre Verantwortung bei Themen des Glaubens, der Moral und der sakramentalen Disziplin wahrnehmen – wie auch das Amt des Papstes als Garant der Synodalität (nr. 130), als „Garant der Einheit in der Verschiedenheit“ (nr. 132) in neuer Weise hervorgehoben wird. Das Inkraftsetzen des synodal Beratenen gehört darin entsprechend Episcopalis communio zu seinen geborenen Aufgaben (nr. 131). Meine Blog-Berichterstattung neigt sich mit diesem gestern vollzogenen „Ruck“ der Rekonfiguration der Katholischen Kirche dem Ende zu, da alle weiteren kirchenrechtlichen Umsetzungen – auch wenn sie dauern und die Aufnahme der zugewachsenen synodalen Verantwortung vor Ort auch noch ihre Zeit brauchen. Bis hin zur Frage des Frauendiakonats – das auf weltkirchlicher Ebene weiter beraten wird und dank der eingebrachten Änderungsmodi Anfang der Woche ausdrücklich als weiter "offen" hervorgehoben wird (nr. 60) – sind viele weitere Themen ableitbar und vor Ort lösbar, selbst wenn dies seinerseits synodale Kärrnerarbeit bedeuten wird.

Vielleicht, wenn wir uns in zehn Jahren wieder treffen, können wir sagen: Wir waren dabei!“, sagte Kardinal Reinhard Marx vor ziemlich genau 10 Jahren auf die Bedeutung des von Papst Franziskus angestoßenen synodalen Prozesses im Verhältnis zum II. Vatikanischen Konzil angesprochen. Ich persönlich – von Anfang meiner Synoden-Beobachtung seit dem Oktober 2014 getriggert vom "Geist der Synodalität" – bin dankbar über zehn Jahre die Entwicklungen erlebt zu haben. Für mich als Theologe war es die spannendste Zeit seit Ende des II. Vatikanischen Konzils, wie es im Vorwort des 1. Teils des Synodentagebuchs "Synodalität und Kirchenreform" heißt und auch im jetzt zu erstellenden 2. Teil noch einmal heißen wird. Und ebenfalls wird darin noch einmal der in diesem Blog meistzitierte Satz aus der Festansprache von Papst Franziskus aufgenommen sein, dass „Synodalität der Weg ist, den Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet.“ 

Vielleicht werden wir in 10 Jahren sagen: Wir waren dabei!“, werden wir dann vielleicht auch rückblickend auf den 26. Oktober 2024 sagen. In dieser festen Erwartung sage ich allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs über die vergangenen 10 Jahre von Herzen 'Dank' für das Interesse!

Holger Dörnemann


Freitag, 15. März 2024

How to be a synodal Church on mission? – Themenstellungen und Arbeitsgruppen der XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode (2.-27. Oktober 2024)

Screenshot Vaticanmedia 14.3.24
Screenshot aus der Pressekonferenz / Vaticanmedia 14.3.24

Mit den in der Pressekonferenz des Sekretariats für die Synode vom 14. März vorgestellten Dokumenten konkretisiert sich der Weg zum zweiten Teil der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode (2.-27.10.24) und weist auch schon darüber hinaus.

Überraschend werden von Papst Franziskus insgesamt zehn in Studiengruppen zu erarbeitende Themenfelder aus dem Synthese-Papier (RdS) benannt, die über das Ende der Weltsynode hinausgehen und so bis mindestens Juni 2025 an Ergebnissen weiterarbeiten sollen. Über die schon im Dezember herausgehobenen Themen sind dies:

1.           Einige Aspekte der Beziehungen zwischen den katholischen Ostkirchen und der lateinischen Kirche (RdS 6)

2.           Das Hören auf den Schrei der Armen (RdS 4 und 16)

3.           Die Mission in der digitalen Welt (RdS 17)

4.           Die Revision der Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis in einer missionarischen synodalen Perspektive (RdS 11)

5.           Einige theologische und kirchenrechtliche Fragen im Zusammenhang mit bestimmten Formen des Dienstes (RdS 8 und 9)

6.           Die Revision der Dokumente, die die Beziehungen zwischen den Bischöfen, dem gottgeweihten Leben und den kirchlichen Gemeinschaften regeln, in einer synodalen und missionarischen Perspektive (RdS 10)

7.           Einige Aspekte der Gestalt und des Dienstes des Bischofs (insbesondere: Kriterien für die Auswahl der Kandidaten für das Bischofsamt, die richterliche Funktion des Bischofs, die Art und Durchführung der Ad limina-Besuche) in einer synodalen und missionarischen Perspektive (RdS 12 und 13)

8.           Die Rolle der Päpstlichen Beauftragten (Nuntien und Ständige Beobachter, Anm.) in einer missionarischen synodalen Perspektive (RdS 13)

9.           Theologische Kriterien und synodale Methoden für eine gemeinsame Unterscheidung von kontroversen lehrmäßigen, pastoralen und ethischen Fragen (RdS 15)

10.         Die Rezeption der Früchte des ökumenischen Weges in der kirchlichen Praxis (RdS 7) (Übersetzung nach Vaticannews vom 14. März 2024)

Aber auch wenn die Laufzeit der Studiengruppen über die Bischofssynode im Herbst hinausgeht, sollen doch schon auch im Herbst bereits Zwischenergebnisse aus den Studiengruppen in die Synodalen Beratungen eingebracht werden, die ihrerseits die Arbeit der Studiengruppen bestimmen werden. Zugeordnet sind diese Arbeitsgruppen – an dieser Stelle die neue Kurienordnung Praedicate Evangelium Nr. 33 umsetzend, worauf eigens hingewiesen wird – einzelnen Dikasterien der Kurie, die vom Synodensekretariat koordiniert werden. 

Auch wenn - wie zuletzt am 11. Februar in diesem Blog angesprochen - aus europäischer Perspektive konkrete Beratungsergebnisse, z.B. zu Fragen des Zugangs zum Priesteramt (vorgesehen in der 4. Studiengruppe), zur Frage des Frauendiakonats (vorgesehen in der 5. Studiengruppe) oder zu drängenden anthropologische Fragestellungen (vorgesehen in der 9. Studiengruppe) als Gradmesser des synodalen Prozess angesehen werden, ist doch schon die synodale Zuarbeit aller Kuriendikasterien der erste Hinweis für die Umgestaltung der Generalversammlung der Bischofssynode in Richtung auf ihr Hauptthema „Für eine synodale Kirche“. Die Statements aller Beteiligten der Pressekonferenz machen dies deutlich, wie es etwa besonders in dem Statement von Sr. Simona Brambilla vom Dikasterium für die Ordensleute herausgestellt wird, das in einem Extra-Kommuniqué des vatikanischen Presseamtes veröffentlicht wurde.

Die parallel zur zweiten Sitzung der XVI. Bischofssynode und darüber hinaus weiterlaufenden Studiengruppen entlasten die Bischofsversammlung zu den vielen aufgeworfenen und vielleicht im Herbst noch neu hinzukommenden Themenstellungen Positionierungen oder gar Entschließungen verabschieden zu müssen. Sie machen es vielmehr möglich, das eigentliche Thema der Synode, die Synodalität auf den unterschiedlichen Ebenen der Kirche im wahrsten Sinn durchzubuchstabieren, das ja die Grundlage für die Umsetzung der o.g. Einzelthemen der Studiengruppen bildet bzw. bilden wird. Ein weiteres in der Pressekonferenz vom 14. März vorgestelltes Papier des Sekretariats der Synode lenkt den Fokus auf diese Fragen unter dem Titel: „How to be a synodal Church on mission?“, aus dem bereits die Struktur und der Ablauf der synodalen Beratungen der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode im Herbst ablesbar werden.

Dieses Dokument macht deutlich, dass in fünf vom Synodensekretariat berufenen Arbeitsgruppen die Rückmeldungen aus den lokalen Bischofskonferenzen – die bis zum 15. Mai 2024 eingehen sollen – für das Vorbereitungsdokument (Instrumentum laboris) der zweiten Synodenrunde aufbereitet werden sollen. Sie verfolgen die folgenden Themen:

- Das synodale missionarische Antlitz der Ortskirche

- Das synodale missionarische Antlitz der kirchlichen Gruppierungen 

- Das synodale missionarische Antlitz der Universalkirche

- Die synodale Methode

- Der „Ort" einer synodalen missionarischen Kirche

Mehr und mehr zeichnet sich das Design einer synodalen Kirche ab, einer „Synodalität, welcher der Weg ist, den
 Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet.  





Dienstag, 26. Juli 2022

Weder "Ohrfeige“  noch „Stoppschild aus Rom" - oder: Über die Chancen der Erklärung des Heiligen Stuhls zum Synodalen Weg vom 21.07.2022

Dichiarazione della Santa Sede, 21.07.2022

Als „
Ohrfeige“ und „Stoppschild aus Rom“ für den Synodalen Weg ist die E
rklärung des Heiligen Stuhls gewertet worden, die die Grenzen und Reichweite der Beschlüsse des Synodalen Wegs in der deutschen Ortskirche „zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten" anmahnt.

Aus meiner Sicht übersieht eine solche Deutung den vergleichsweise wichtigeren Appell, den die Erklärung im zweiten Absatz enthält, 
„dass die Vorschläge des Weges der Teilkirchen in Deutschland in den synodalen Prozess, auf dem die Universalkirche unterwegs ist, einfließen mögen, um zur gegenseitigen Bereicherung beizutragen“. 

Die ebenso irritierte wie pflichtschuldige Antwort der Präsidenten des Synodalen Wegs, Dr. Irme Stetter-Karp und Bischof Dr. Georg Bätzing, fordert zu Recht die direkte Kommunikation zwischen römischen Stellen und dem Präsidium des Synodalen Wegs: ein und beklagt das bisherige Ausbleiben direkter Gespräche. Aber sie verdeckt zugleich auch eine noch offene Stelle der Kommunikation in der deutschen Ortskirche, wie wenig aufeinander abgestimmt die beiden Prozesse - der Synodale Weg in Deutschland  - der  Synodale Prozess auf weltkirchlicher Ebene - derzeit erscheinen müssen. 

Von außen wird nicht ersichtlich, wie beide Prozesse ineinander greifen. Eine veröffentlichte Rückmeldung – anders als in den benachbarten deutschsprachigen Ländern der Schweiz  und Österreich – auf die Umfragen der Diözesen in Deutschland zur Vorbereitung der Weltsynode steht bislang noch aus. Auch wenn sie sicher bald zu erwarten ist, muss sie jetzt noch einmal mehr daraufhin ausgerichtet werden, die Schnittstellen beider synodaler Prozesse auszuweisen. 

Das Pfund, das die deutsche Ortskirche mit ihren Erfahrungen von Synodalität im Zuge des Synodalen Wegs – entstanden aus der Zäsur, den der Missbrauchsskandal für die Kirche in Deutschland bedeutete – in der Hand hat, darf bei aller Kritik an der  namentlich nicht zuordenbaren Erklärung des Heiligen Stuhls nicht verspielt werden und kann auf weltkirchlicher Ebene gerade zum jetzigen Zeitpunkt (der Vorbereitung der Synode zur Synodalität des Jahres 2021-2023 und der Umsetzung der mit Praedicate evangelium auf den Weg gebrachten Kurienreform) zugunsten des weltkirchlichen Prozesses eingebracht werden. Daraufhin ist die Erklärung des Heiligen Stuhls vom 21.07.2022 aufzugreifen und aus meiner Sicht als Chance zu nutzen.




Sonntag, 5. Juni 2022

Synodalität und Kirchenreform auf Dauer gestellt – Zur Inkraftsetzung der Kirchenverfassung Praedicate evangelium und Spekulationen über einen Rücktritt

Papst Franziskus in seiner Predigt am heutigen Pfingstsonntag über das
"Hier und Jetzt […] als Ort der Gnade" (Bild: Screenshot Vatican Media)

Mit dem Inkrafttreten der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium zum diesjährigen Pfingstfest, das auch als „Geburtstag der Kirche“ bezeichnet wird, wird ein lange währender Weg der Reformen vollzogen, der fast ein Jahrzehnt gedauert hat und ebenso als Ziel- wie als neuer Ausgangspunkt einer Kirchenreform bezeichnet werden kann. Am 19.3.2022 – dem neunten Jahrestag seines Pontifikats – angekündigt hat die neue Kirchenverfassung Papst Franziskus und den ihn beratenden Kardinalsrat wie kein zweites Anliegen von Anfang an beschäftigt – auf einem Weg, der bereits in den Diskussionen des Konklaves im Jahr 2013 begonnen hatte.

Wie in vorangegangenen Beiträgen erwähnt folgt die neue Kirchenverfassung auf die von Johannes Paul II. (Pastor Bonus, 1988) eingeführte Reform, die wiederum die von Paul VI. (Universi regimini Ecclesiae, 1967) verkündete modifizierte. In der Priorität der Evangelisierung, der Dezentralisierung und der Rolle der Laien liegen die Hauptmotive, die die neue Kirchenverfassung auch wieder näher mit Motiven des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzil verbinden.

Evangelisierung

"Nach dem Willen von Papst Franziskus tritt die Evangelisierung an die erste und grundlegende Stelle der Zielsetzungen der Römischen Kurie. Die Leitung dieser Super-Behörde übernimmt der Papst selbst. Das Dikasterium für Evangelisierung entsteht aus der Zusammenlegung des Missionskongregation und des Rates für die Neuevangelisierung. Bildungskongregation und Kulturrat verschmelzen zum Dikasterium für Kultur und Bildung." (Vatican News vom 5.6.2022)

Dezentralisierung und Synodalität

Neben der missionarischen Ausrichtung – und mit ihr eng verbunden - liegt der zweite Akzent der Kurienreform in der Dezentralisierung. Dezentralisierung und Evangelisierung sind als zentrale Punkte bereits aus dem programmatischen Schreiben Evangelii Gaudium bekannt, in dem Papst Franziskus kurz nach Amtsantritt seine Vorstellungen einer zeitgenössischen Kirche skizzierte.

"Leitmotivisch zieht sich das Gebot der Zusammenarbeit der einzelnen Kurieneinrichtungen mit den Bischöfen durch die 250 Paragrafen des gut 50 Seiten langen Dokuments. Die Reform ziele auf eine „gesunde Dezentralisierung" der Kirche, die Kurie solle mithin den Bischöfen „die Kompetenz überlassen", als Hirten, Lehrer und Seelsorger „jene Fragen zu lösen, die sie gut kennen", soweit sie „die Einheit der Lehre, der Disziplin und der Gemeinschaft der Kirche nicht beeinträchtigen"(Vatican News vom 5.6.2022)

In Bezug auf das erstmalig in einer Kirchenverfassung erwähnte „Sekretariat der Synode“ (s. Blogbeitrag vom 19.3.22) könnte man sagen, was in der Diskussion um die Einrichtung eines „Synodenrats“ nach Beendigung des Synodalen Wegs auch in Deutschland angedacht wird: dass die Synodalität in der neuen Kirchenverfassung gewissermaßen auch auf weltkirchlicher Ebene „auf Dauer gestellt wird“.

Leitungsämter für Laien unabhängig vom Geschlecht

Von den genannten Hauptmotiven des Reformwerkes wird in der Öffentlichkeit als größte Neuerung aufgenommen, dass der Vorsitz von Kurienämtern – und ebenso fast aller Dikasterien  – nun Laien unabhängig vom Geschlecht offenstehen könnte. Zwar ist ein Pfingstsonntag als Feiertag noch kein Tag der Bekanntmachung von Leitungsämtern egal welcher Art. Doch man kann gespannt sein, wer Paolo Ruffini, dem seit dem Jahr 2018 ernannten Leiter des damals neu eingerichteten Dikasteriums für Kommunikation, als nächste Ernennungen folgen werden. Dass darunter weitere Laien und gewiss auch eine Frau sein könnten, ist seit heute keine bloße Wunschvorstellung mehr.

Evangelisierung, Dezentralisierung und der neugeordnete Zugang zu Leitungsämtern in der Römischen Kurie: Es sind Leitmotive einer Kirchenreform, die miteinander zusammenhängen, einander bedingen und damit auch einen Ausgangspunkt für neue Reformen bilden werden. Die heutige Inkraftsetzung einer erneuerten Kirchenverfassung bildet eine wichtige Wegmarke des derzeitigen Synodalen Prozesses auf weltkirchlicher Ebene, die – ergänzt durch die Ergebnisse des Synodalen Wegs in Deutschland – zur Synode über die Synodalität im September 2023 leiten wird.

Konsistorium und möglicher Papstrücktritt

Zuvor wird allerdings noch Ende August ein außerordentliches Konsistorium, eine Versammlung aller Kardinäle der Weltkirche mit gleich 21 neu ernannten Kardinälen stattfinden, um gemeinsam mit diesen über die neue Apostolische Konstitution über die Römische Kurie Praedicate Evangelium zu beraten.

"Das Konsistorium für die neuen Kardinäle am Samstag, den 27. August, geht somit dem für Montag, 29. und Dienstag, 30. August, geplanten Kardinals-Treffen knapp voraus, so dass auch die neuen Kardinäle bereits an den Beratungen teilnehmen können." (Vatican News vom 29.5.2022)

Nicht wenige Kommentatoren halten den 28. August 2022 – an diesem Tag wird Papst Franziskus aus Anlass der jährlichen auf diesen Tag fallenden Pilgerfahrt  L'Aquila  und die Grabstätte von Papst Coelestin V. (1294) besuchen, der wie Benedikt XVI. als einziger Papst zuvor zu Lebzeiten zurückgetreten ist – für einen möglichen Tag eines neuerlichen Papstrücktritts. Die Inkraftsetzung der neuen Kirchenverfassung lassen das Pontifikat von Papst Franziskus, der seit wenigen Wochen vermehrt Termine im Rollstuhl wahrnehmen muss, bereits heute rund und abgeschlossen erscheinen.


Samstag, 19. März 2022

Praedicate Evangelium! - Papst Franziskus unterschreibt das Herzstück der Kirchenreform und zur Synodalität der Kirche 

Screenshot: Papst Franziskus' historische Ansprache am 17.10.15 über "Synodalität,
welcher der Weg ist, den Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet.

Der 19. März ist im Jahr 2022 einmal mehr ein symbolisches Datum im Pontifikat von Papst Franziskus. Vor sechs Jahren unterschrieb er an ebendiesem Tag das epochale nachsynodale Schreiben Amoris laetitia, mit dem sich eine "Reform der Kirche" bahnbrach. Und heute an eben demselben Tag promulgiert Papst Franziskus dasjenige Schreiben zur Kurienverfassung, das er mit dem von ihm einberufenen K-9 Kardinalsrat seit Beginn seines Pontifikats im Jahr 2013 gewissermaßen an der Kurie vorbei beraten hatte. Es kann als das "Herzstück der Reformen" von Papst Franziskus bezeichnet werden, das ihm als Hauptaufgabe seines Pontifikats mit seiner Wahl im Jahr 2013 auferlegt worden war.

Bereits kurz nach der Jugendsynode des Jahres 2018 deutete bereits ein Mitglied des Kardinalsrates am 31.10.2018 an, dass eine neue Konstitution mit dem Titel Praedicate evangelium (Verkündet das Evangelium) im folgenden Jahr das derzeit noch geltende und in vielfacher Weise in die Jahre gekommene kirchliche Grundgesetz Pastor Bonus aus dem Jahr 1988 ablösen werde. Nach der 29. Sitzung des Kardinalsrates im April 2019 wurde demgegenüber bekannt, dass das Dokument zur Kurienreform seinerseits noch auf den synodalen Weg gehen müsse, indem es an die Bischofskonferenzen, die Synoden der unierten Ostkirchen, die Ordensoberen und Chefs der Kurienbehörden zur Beratung versendet werde. Dabei ging es

"auch um die Verpflichtung, den Prozess der Synodalität in der Kirche auf allen Ebenen zu stärken, hieß es in der Vatikannote. Besonders hervorgehoben wurde die Notwendigkeit einer stärkeren Präsenz der Frauen in Führungsfunktionen in Gremien des Heiligen Stuhls. Es wurde auch wiederholt, dass der Kardinalsrat ein Organ der Kirche sei, das die Aufgabe habe, den Papst „bei der Leitung der Universalkirche zu unterstützen“, und daher ende seine Funktion nicht mit der Veröffentlichung der neuen Apostolischen Verfassung." (Vatican News vom 10.4.2019

Auch in der Weihnachtsansprache des Jahres 2019 wurde der Neuentwurf des kirchlichen Grundgesetzes in Aussicht gestellt, in der weitere Grundzüge der "pastoralen Neuausrichtung" der Kurie, ja der Kirche insgesamt, bereits deutlicher werden: Die Glaubenskongregation wie auch die Kongregation für die Evangelisierung der Völker seien „zu einer Zeit gegründet, in der es einfacher war, zwischen zwei ziemlich klar abgegrenzten Bereichen zu unterscheiden: einer christlichen Welt auf der einen Seite und einer noch zu evangelisierenden Welt auf der anderen." Diese Situation gehöre jedoch der Vergangenheit an: Sie seien entsprechend dem programmatischen Schreiben Evangelii gaudium aus dem Jahr 2013 neu auszurichten.

 "Die Reform der Strukturen, die für eine pastorale Neuausrichtung erforderlich ist, kann nur in diesem Sinne verstanden werden: dafür zu sorgen, dass sie alle missionarischer werden«" (EG 27).

Zwei Jahre später wurde dann am 8. Mai 2021 gemutmaßt, dass das Fest der Heiligen Peter und Paul am 29. Juni 2021 der Tag sein werde, an dem die neue Kirchenverfassung in Kraft treten solle. Nun ist sie knapp ein halbes Jahr danach am heutigen, für das Pontifikat von Papst Franziskus emblematischen 19.3.2022 - dem Tag seiner Amtseinführung -  promulgiert worden - mit der Ankündigung, dass sie am Pfingstsonntag, den 5. Juni 2022 in Kraft treten werde.

Praedicate Evangelium und die Kirchenreform

Tatsächlich löst die heute in italienischer Sprache veröffentlichte Konstitution ein, was seit dem Jahr 2018 mit der Reform der Kirchenverfassung verbunden wurde. Wie bereits von Anfang an von ihr gesagt wurde, dass sie den subsidiären Auftrag der Kurie in Rom stärker herausarbeiten und unterstreichen werde, wird nun die Synodalität der Kirche selbst zum zentralen Thema der Kirchenverfassung:

Die Gemeinschaft der Kirche präge das Antlitz einer Kirche der Synodalität: einer Kirche des gegenseitigen Zuhörens, "in der jeder etwas zu lernen hat: Gläubige, Bischofskollegium, wie der Bischof von Rom." (Präambel 4)

Konkret heißt das für das Zueinander von römischer Kurie und den Teil- und  Ortskirchen eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, die insbesondere die römische Kurie nach Art. 36 zur verbindlichen Transparenz und Zusammenarbeit verpflichtet:

§1. Die Kurieninstitutionen müssen in den wichtigsten Fragen mit den Teilkirchen, den Bischofskonferenzen, ihren regionalen und kontinentalen Unionen und den östlichen hierarchischen Strukturen zusammenarbeiten.

§ 2. Wenn die Frage dies erfordert, sind Dokumente allgemeiner Art von erheblicher Bedeutung oder solche, die bestimmte Teilkirchen in besonderer Weise betreffen, unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Bischofskonferenzen, der regionalen und kontinentalen Union und der beteiligten östlichen hierarchischen Strukturen zu erstellen.

§ 3. Die Kurieneinrichtungen sollen unverzüglich den Eingang der ihnen von den Teilkirchen unterbreiteten Ersuchen bestätigen, sie mit Sorgfalt und Sorgfalt prüfen und so bald wie möglich angemessen antworten. (eigene Übersetzung)

Ebenso sollen die Kurieninstitutionen nach  Art. 37 den Papst bwz. seine Vertreter konsultieren

„in Angelegenheiten, die die Teilkirchen betreffen, (…) die dort ihre Funktion ausüben, und es nicht versäumen, sie sowie die Bischofskonferenzen und die östlichen hierarchischen Strukturen über die getroffenen Entscheidungen zu unterrichten.“ (eigene Übersetzung)

Vor allem aber wird die Synodalität nach Art. 33 unter Einbezug der Ortskirchen Teil der Kirchenverfassung – insbesondere in der Zusammenarbeit mit der Bischofssynode und ihrem Sekretariat:

Die Kurieninstitutionen arbeiten entsprechend ihrer jeweiligen spezifischen Zuständigkeiten an der Tätigkeit des Generalsekretariats der Synode mit, angesichts dessen, was in den der Synode selbst eigenen Normen festgelegt ist, die dem römischen Papst eine wirksame Zusammenarbeit ermöglichen, gemäß den Wegen, die von ihm festgelegt wurden oder in Angelegenheiten von größerer Bedeutung für das Wohl der ganzen Kirche festgelegt werden sollen. (eigene Übersetzung)

Synodalität ist das Thema der nächsten XVI. ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, an deren Vorbereitung nunmehr die gesamte römische Kurie einbezogen bzw. in Dienst genommen ist.

Ebenso bedeutsam wie die Betonung der Dienstfunktion der römischen Kurie ist ihre flächendeckende und einheitliche Neustrukturierung in Dikasterien - nurmehr 16 und untereinander gleichrangige Dikasterien. Dabei wird nicht nur ein neues Dikasterium Evangelisierung unter der Leitung des Papstes geschaffen, das die Missionskongregation und den Rat für die Neuevangelisierung in sich vereinen wird und als erstgenanntes Dikasterium auch den missionarischen Charakter der neuen Kirchenverfassung unterstreicht. Zu den wichtigsten Punkten und großen Neuerungen gehört auch, dass Laien - und damit auch Frauen - im Grundsatz die Möglichkeit eingeräumt, wird die Leitung von zentralen Behörden bis hin zu Dikasterien zu übernehmen – möglicherweise auch das Dikasterium für Glaubensfragen (dass die traditionsreiche Glaubenskongregation nominell ablösen wird.)

Praedicate evangelium ist als neue Kirchenverfassung eine Kurienreform, die diesen Namen verdient. Am 21. März 2022 soll sie in einer Pressekonferenz vorgestellt werden und am 5. Juni in Kraft treten. Warum es nicht das Fest Peter und Paul - wie dies für die vorausgegangenen Jahre vorhergesagt wurde - am 29.6.2022 sein wird, hängt voraussichtlich mit dem Weltfamilientreffen (22.6.-26.6.2022) zusammen, bei dessen Vorbereitung und Durchführung sich die neue Kurienstruktur bereits schon bewähren soll. Angesichts des lähmenden Reformstaus - Papst Franziskus zitierte in der oben erwähnten Weihnachtsansprache des Jahres 2019 Kardinal Martini, dass die Kirche "zweihundert Jahre lang stehen geblieben" sei - kann es nach neun Jahren Vorbereitung der Kurienreform im Kreis des Kardinalsrates nur heißen: Je früher, desto besser.




Samstag, 8. Mai 2021

Wie die #Liebegewinnt – oder: #SynodalerWeg und Kurienreform als letzte Chancen 

Schon vor zwei Jahren habe ich ähnlich geschrieben, wie ich es auch heute noch einmal schreibe: Dass das erstmals schon kurz nach der Jugendsynode unter dem Namen Praedicate evangelium bekannt gewordene Dokument zur Kurienreform nun endlich zum Fest der Heiligen Peter und Paul am 29. Juni diesen Jahres in Kraft gesetzt werden sollte. Wie zuletzt am 3. Januar 2021 in diesem Blog wiederholt, wird die neue Konstitution Praedicate evangelium die derzeit geltende und in vielfacher Weise in die Jahre gekommene Kirchenverfassung Pastor Bonus von 1988 ablösen.  

"Sie wird nach den bisherigen Ankündigungen den subsidiären Auftrag der Kurie in Rom, aber darüber auch die Anteilnahme der Teilkirchen an der Lehrautorität der Kirche herausarbeiten." (4.11.2018)

Es geht dabei auch darum, Papst Franziskus in seinem Reformanliegen der Synodalität zu stärken, das – wie zuletzt im ebenso ansatzlosen wie erratischen Responsum ad dubium vom 15.3.2021 geschehen – von Kongregationen ohne Approbation des Papstes auf den letzten Metern unterlaufen wird: Eben weil Ortskirchen – wie in Deutschland nach der „Zäsur“ des Missbrauchsskandals – Reformanliegen aufgreifen und synodal beraten und gerade diese Synodalität in der Lehrentwicklung im Zentrum des Denkens und Handelns von Papst Franziskus steht. Aber nicht nur die Synodalität  Thema der Weltbischofssynode 2022  wird diskreditiert, sondern auch der Papst als Person beschämt und – wohl bewusst in Kauf genommen oder beabsichtigt - in seiner Amtsführung ebenso massiv beschädigt. Wie er gegenüber Vertrauten über den Vorgang als "sehr verletzt" wahrgenommen wurde, bestätigt ebenfalls, dass das Reformprojekt der Kurienreform jetzt auch wirklich drängt. Und es ist dabei noch immer – oder noch einmal mehr  genau so, wie es Kardinal Oswald Gracias, Mitglied des K7-Kardinalsrats, Ende Oktober 2018 sagte.

"Ohne auf Details einzugehen deutete Kardinal Gracias als Stoßrichtung der Reform einen Dienst an den Ortskirchen, also der Kirche in den einzelnen Ländern, an. 'Die Anfangsidee war es, den Ortskirchen zu helfen, indem wir dem Heiligen Vater helfen', so Gracias. 'Jetzt ist die Idee, dem Heiligen Vater zu helfen, indem die Ortskirchen unterstützt werden.' Das sei 'eine entscheidende Änderung', so der Erzbischof von Mumbai (Bombay) und Vorsitzende der Indischen Bischofskonferenz.“ (KNA vom 31.10.2018)

Letztgültig ist dies auch der Plot im Hintergrund, warum der Vorsitzende der Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing auf den Synodalen Weg verweist, wenn er auf die besagte römische Note der Glaubenskongregation zu sprechen kommt. Denn im Forum „Liebe leben in gelingenden Beziehungen“, das erstmals im September dieses Jahres erste Ergebnisse der dann anderthalbjährigen Beratungen vorlegen wird, geht es genau auch um die Themen der Würdigung unterschiedlicher sexueller Orientierungen und die Möglichkeit von Segensfeiern. Und aus demselben Grund verweist er in Bezug auf die vielen rund um den 10. Mai veranstalteten Segnungsgottesdienste für Liebende auf denselben Zusammenhang, da die synodalen Beratungsthemen ja nur als synodal abgestimmte Vorschläge Chancen haben, in der Weltkirche eingebracht zu werden.

Aber nicht nur die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, dessen Tiefpunkte – wie derzeit gerade die Kölner Ortskirche zeigt – wohl immer noch nicht erreicht sind, sondern auch der Synodale Weg wie die Kurienreform, wegen der Papst Franziskus in sein Amt gewählt wurde, sind je für sich eine ‚Letzte Chance‘. Aber dessen sind sich die Befürworter wie Gegner des Synodalen Wegs wie der Kurienreform gleichermaßen bewusst. Der K7-Kardinalsrat beriet am 6.5.2021 kirchenrechtlich-praktische Konsequenzen, die letztlich auch die kurialen Kongregationen synodal einbinden werden. Kurz vor dem 29. Juni trifft er sich wieder. Es geht um's Ganze!

Alles in der sicheren Hoffnung, dass die #Liebegewinnt! 



Sonntag, 3. Januar 2021

Synodaler Weg 50 Jahre nach der Würzburger Synode- oder: „Letzte Chance“ wider die Unglaubwürdigkeit, in der sich „eine Institution selbst zugrunde“ richtet.

"Die Würzburger Synode war 100 Prozent notwendig und sie lebt bis heute fort. […] Die Bewegung geht nach vorne und die Impulse von damals sind weiterhin sehr stark präsent. Die große Mehrzahl der gläubigen Katholikinnen und Katholiken in unserem Land wollen Veränderung, und darum ist auch der Synodale Weg so notwendig“. (katholisch.de vom 2.1.21)

Mit diesen Worten verweist der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing auf die Notwendigkeit der Würzburger Synode, die auf den Tag genau vor 50 Jahren in Würzburg begann, und ihre Bedeutung für den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland. Jüngere Theolog*innen könnten sich die Augen reiben, dass ebendiese Synode im Schlussdokument in den Beschlüssen ‚Dienste und Ämter‘ und ‚Beteiligung der Laien‘ unter anderem die Zulassung von Frauen zum Diakonat, Zugangswege für verheiratete Männer zum Priestertum und Mitbestimmung der Laien in der Kirche geradeheraus ansprechen und fundiert mit Argumenten begründen, die auch heute wieder zitiert werden. Sie stehen mit anderen wichtigen Themen auch im Rahmen des Synodalen Weges 50 Jahre später weiterhin auf der Tagesordnung und sind für Bischof Bätzing Gradmesser für die Glaubwürdigkeit der Kirche

"Wir gehen diesen Weg mit allen Steinen und Wegweisern aus verschiedensten Richtungen, aber es ist unsere Verantwortung, ihn jetzt zu gehen. Wenn wir uns den drängenden Fragen nicht stellen, werden wir unglaubwürdig.“ (Ebd.)

Als „letzte Chance“ bezeichnet dies auch das oben mit Cover bezeichnete neue Buch “Synodaler Weg“, indem es "Standpunkte zur Zukunft der Kirche" von beteiligten Synodalen der ersten Plenarversammlung veröffentlicht. Dass die Themen und Forderungen – anders als vor 50 Jahren – in Rom mehr Beachtung finden, soll über einen Einbezug desjenigen Sekretariates möglich werden, das für die Weltbischofssynode 2022 das Thema Synodalität insgesamt aufplant. Auch zur Synodalität hatte die Würzburger Synode ein Beschlussvotum verabschiedet, das seiner Zeit ebenfalls keine Beachtung in Rom (und selbstredend daraufhin auch keinen Niederschlag im Codex Iuris Canonici von 1983) gefunden hat, das nun auch für Rom in doppelter Weise interessant, ja zielführend werden könnte.

Die Würzburger Synode bat 1975 in einem bist zum heutigen Tag nicht beantworteten Votum im Beschluss "Räte und Verbände" den Papst:

"a) den Bistümern […] das Recht zu geben, in jedem Jahrzehnt eine gemeinsame Synode durchzuführen; b) ein entsprechendes Statut, das unter Wahrung aller im Statut der Gemeinsamen Synode festgelegten Grundsätze die für weitere gemeinsame Synoden erforderlichen Regelungen zu treffen und von der Deutschen Bischofskonferenz mit der Bitte um Genehmigung vorgelegt wird, zu approbieren bzw. in Kraft zu setzen; c) die Bischöfe unserer Diözesen rechtzeitig zu ermächtigen, die für die Durchführung der nächsten gemeinsamen Synode erforderlichen Maßnahmen gemeinsam vorzubereiten und für ihre Diözesen anzuordnen." (Beschluss: Räte und Verbände, Teil IV, 2)

 

Die Veröffentlichung des seit dem Frühjahr 2019 erwarteten Dokuments Praedicate evangelium, das die alte Konstitution zur Kirchenverfassung Pastor Bonus von 1988 ablösen wird, ist nunmehr für einen Termin vor Ostern dieses Jahres angekündigt. Sie wird nach den bisherigen Ankündigungen den subsidiären Auftrag der Kurie in Rom, aber darüber auch die Anteilnahme der Teilkirchen an der Lehrautorität der Kirche herausarbeiten. Zu ebendieser Verantwortung gehören auch Partikularkonzilien, die heute eine andere Zusammensetzung erfordern, als sie der CIC als kirchliches Rechtsbuch Anfang der 1980er Jahre für notwendig hielt. Und als Paradebeispiel zeitgemäßer Synodalität ist der „Synodale Weg“ – auch wenn für ihn keine Rechtsnorm im CIC existiert – über alle inhaltlichen Eingaben für die Zukunft der Kirche hinweg bestes Beispiel für das, was Ziel der Bischofssynode 2022 sein soll: eine Synodale Kirche, deren Verwirklichung ihrerseits nicht nur dasjenige ist, was "Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet", sondern auch die Erfüllung desjenigen Auftrags, den das Konklave Papst Franziskus im Jahr 2013 mit der Aufgabe der Kurien- und Kirchenreform mitgegeben hat.


Bis dahin ist freilich noch ein langer Weg. Und jenseits allen Optimismus' im Blick auf den vor Augen stehenden Zukunftsweg in Deutschland und der Weltkirche, muss schnellstmöglich alles getan werden, dass nicht aufgrund eines mangelhaften Umgangs mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, der den Synodalen Weg überhaupt erst ausgelöst hat, die Kirche in Deutschland schon auf dem Weg alle Glaubwürdigkeit verloren hat und sich “eine Institution selbst zugrunde“ richtet. Auch und gerade hier gilt: 

"Die Zeit läuft uns weg!"

Montag, 24. August 2020

„Synodale Kirche ist etwas anderes als das, was wir jetzt erlebt haben.“ - oder: Wie auf dem Synodalen Weg auf die Instruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“ der Kleruskongregation reagiert wird.
(Screenshot: Vaticannews vom 24.8.2020)
„Wenn man von der Behörde wegen unkonventioneller Seelsorgemethoden einen mahnenden Brief erhalte, sollte man den höflich beantworten, dann aber weitermachen wie bisher“, so lautete Papst Franziskus‘ Empfehlung bereits im Jahr 2015 auf Briefe seiner Behörden. Man könnte auch fünf Jahre danach über diese Äußerung von Papst Franziskus noch schmunzeln, wenn sie nicht auch die Entfernung vatikanischer Behörden – jetzt aktuell der Kleruskongregation – von den Ortskirchen der Welt spiegeln würde. Dass selbst Mitglieder der Kommission daselbst von der auf den Tag Peter und Paul, dem 29. Juni 2020 datierten, aber tatsächlich am 20. Juli 2020 veröffentlichten Instruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“  nichts wussten, lässt ihre Kommunikation zusätzlich erratisch erscheinen. Auf denselben Tag ‚Peter und Paul‘ vor einem Jahr war schon die neue Konstitution zur Vatikanverfassung ‚Praedicate evangelium‘ erwartet worden, die die alte Verfassung „Pastor bonus“ ablösen sollte und deren Erscheinen mit der Instruktion erst einmal in noch größere Fernen gerückt zu sein scheint, als von ersterer die subsidiäre Arbeit vatikanischer Behörden zugunsten der Ortskirche erwartet worden war. Was auch immer deren endgültige Abstimmung und Veröffentlichung verhindert: Die Instruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde…“  scheint allein in der Weise der Kommunikation und des Gebarens eine Kultur des Zentralismus zu zementieren, der nur durch ein konsequentes Durchhalten auf dem Synodalen Weg und in seinem Ernstnehmen zu widerstehen ist. 
"Synodale Kirche ist etwas anderes als das, was wir jetzt erlebt haben."
So lautete mit den Worten von Kardinal Marx schon vor genau einem Monat nur eine der vielen kritischen Stimmen von Bischöfen und Laien in den deutschsprachigen Ortskirchen.
Eine paradoxe und beinahe schizophrene Situation auch fünf Jahre nach dem zu Beginn zitierten Bonmot des damals noch in den ersten Jahres seines Pontifikates amtierenden Reformpapstes: Gegen eine mindestens mit einer doppelten und auseinander gehenden Botschaft aus dem Hause des Papstes mit dem Papst und seinem Anliegen der Synodalität die Anliegen der Ortskirchen zugunsten der Weltkirche insgesamt einzubringen. Würde das Thema der auf das Jahr 2022 Corona-bedingt verschobenen Bischofssynode in Rom nicht Synodalität heißen, könnte man sich auf dem Synodalen Weg in Deutschland schon auf einem Weg ins Leere fühlen. 

Dass dieser Weg aber nicht ins Leere gehen kann, gehört zu einer inneren Glaubensgewissheit, dass die Kirche schon um ihrer selbst und der Verheutigung des Glaubens in die jeweilige Kultur und Zeit hinein weiter- und vorangehen muss. Und so ist auch heute die Erklärung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz zu werten, dass 
"[d]er Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, […] daher das vom Präfekten der Kongregation für den Klerus, Kardinal Beniamino Stella, übermittelte Gesprächsangebot annehmen [wird]. Er wird der Kongregation vorschlagen, das Gespräch mit dem Präsidium des Synodalen Weges zu führen, da Bischöfe, Priester, Diakone und Laien in der Instruktion gleichermaßen angesprochen werden. Die Instruktion kann nur der Anlass und Anfang eines Gesprächs sein, damit daraus eine echte Hilfe für die differenzierten Situationen in den Ortskirchen wird. Grundlage für die Ausrichtung der pastoralen Arbeit sind nach wie vor die beiden Grundlagendokumente der Deutschen Bischofskonferenz „Zeit zur Aussaat. Missionarisch Kirche sein“ (2000) und „Gemeinsam Kirche sein. Wort der deutschen Bischöfe zur Erneuerung der Pastoral“ (2015).“ (Presseerklärung der DBK vom 24.8.2020)
Diesem offensichtlich mit dem Präsidium des Synodalen Weges abgestimmten Statement ist an Deutlichkeit nichts hinzuzufügen. Und es darf – analog zu dem oft bekundeten Reformanliegen – den Papst an seiner Seite fühlen. Papst Franziskus selbst wird ggf. nicht der Papst sein können, der die Umsetzung aller der von ihm angestoßenen Reformanliegen in seiner aktiven Amtszeit erleben wird – das Wirken von Franziskus sei eher als „ein Pontifikat der Aussaat, nicht der Ernte“ zu verstehen, wie der Jesuit und Papstvertraute Antonio Spadaro unlängst betonte: 
"Der Papst hat sehr viel gesät in den letzten Jahren. Sein Nachfolger kann das nicht ignorieren, er wird nicht zurückkönnen. Er wird weiter vorangehen." 
Die „pastorale Neuausrichtung“ seiner ‚Behörde‘ wird Papst Franziskus auch fünf Jahre nach dem Eingangs-Bonmot nicht müde zu betonen. Und wenn die Sache als solche nicht zu ernst wäre – und in Deutschland traditionsgemäß mit noch größerem Ernst wahrgenommen würde als irgendwo sonst in der Welt –, wäre es fast schon Anlass sich auf die nächste Weihnachtsansprache zu freuen, in der Papst Franziskus alle Jahre wieder seiner Kurie die Leviten lesen wird. Eine baldige Veröffentlichung einer neuen Kirchenverfassung wäre demgegenüber allerdings noch wünschenswerter.

Samstag, 7. März 2020

„Für  eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ – oder: Über die heute veröffentlichte Themenstellung der XVI. Bischofssynode im Jahr 2022

Mit einer knappen Ankündigung des Sekretärs der Bischofssynode Kardinal Lorenzo Baldisseri wird heute das Thema der XVI. Bischofssynode für das Jahr 2022 von Seiten des Vatikanischen Presseamtes bekannt gegeben, das zuletzt im Blog-Beitrag vom 12.2.20 als Markenkern des Pontifikats von Papst Franziskus bezeichnet worden ist. 
Der Dreizeiler im italienischen Original birgt dabei alle Sprengkraft das Antlitz der Kirche mit ihren beinahe 1,3 Milliarden Gläubigen auf Zukunft hin zu verändern. Er ist eine Sensation und zugleich der deutlichste Hinweis darauf, wie Papst Franziskus als Reformpapst in die Geschichte der katholischen Kirche eingehen wird.  "Synodalität und Kirchenreform" – zugleich Buchtitel dieses Blogs – werden über die in Kürze erscheinende Konstitution zur Kurienreform Praedicate evangelium die Kirche nicht nur in Deutschland rund um den Synodalen Weg beschäftigen, sondern die katholische Kirche als ganze bestimmen… und weiter im Sinne ihrer Zukunftsfähigkeit verändern. 

Wie bereits im Blog-Beitrag vom 8. Februar 2016 und seitdem immer wieder als ‚ceterum censeo‘  hervorgehoben wird „sich die Kirche auf dem synodalen Weg an dem Gleichgewicht, an der Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung messen müsse[n], wenn sie die Herausforderung der heutigen Zeit annehmen wolle. Diese formale Feststellung ist tatsächlich aus meiner Sicht das Hauptergebnis des […bisherigen] synodalen Prozesses. Und es markiert noch nicht einmal ein Ergebnis im eigentlichen Sinn, sondern einen Zwischenstand, wie Papst Franziskus in seiner als historisch bezeichneten Rede am Ende der zweiten Synodenwoche am 16. Oktober 2015 andeutete:
"Wir sind auf halbem Weg, auf einem Teil des Weges. Wie ich bereits gesagt habe, ist es in einer synodalen Kirche 'nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen. In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen 'Dezentralisierung' voranzuschreiten' (Evangelii gaudium 16)." (Ebd.)
Nach der Jugendsynode im Jahr 2018 und der Amazonassynode des Jahres 2019, in deren Vorlauf am 2. März 2018 auch eine in der öffentlichen Diskussion bislang völlig unbeachtete und in der deutschen Schriftfassung 100 Seiten umfassende Stellungnahme der Internationalen Theologischen Kommission über „Die Synodalität im Leben und Sendung der Kirche“ und die im selben Jahr am 15. September in Kraft getretene Apostolische Konstitution Episcopalis Communio  (nach der laut Art. 18 Synodenabschlussdokumente bereits mit der Annahme durch Papst Franziskus Teil des ordentlichen Lehramtes geworden sind) erschienen sind, wird nun die synodale Kirche, die Synodalität als solche im Jahr 2022 zum Thema der Generalversammlung der Bischofssynode. Im Blick auf das Pontifikat von Papst Franziskus wird es damit quasi die Aufgipfelung der Ausrichtung seines Pontifikates und die Manifestierung der „Bekehrung" des Papstamtes“ (vgl. EG 32), von der Papst Franziskus seit seinem ersten im Jahr 2013 veröffentlichten Lehrschreiben Evangelii gaudium gesprochen hat.

Und im Blick auf den Synodalen Weg der deutschen Ortskirche ist das Motto „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ schon jetzt eine stärker nicht zu wünschende Bekräftigung und die beste Bestätigung auf dem Weg!
"Es ist dieser Weg der Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet." (Papst Franziskus am 17.10.2015)