Praedicate
Evangelium! - Papst Franziskus unterschreibt das Herzstück der Kirchenreform und zur Synodalität der Kirche
Der
19. März ist im Jahr 2022 einmal mehr ein symbolisches Datum im Pontifikat von
Papst Franziskus. Vor sechs Jahren unterschrieb er an ebendiesem Tag das
epochale nachsynodale Schreiben Amoris laetitia, mit dem sich eine "Reform der Kirche" bahnbrach. Und heute an eben
demselben Tag promulgiert Papst Franziskus dasjenige Schreiben zur Kurienverfassung, das er
mit dem von ihm einberufenen K-9 Kardinalsrat seit Beginn seines Pontifikats im Jahr 2013 gewissermaßen an der Kurie vorbei beraten hatte. Es kann als das "Herzstück der Reformen" von Papst
Franziskus bezeichnet werden, das ihm als Hauptaufgabe seines Pontifikats mit
seiner Wahl im Jahr 2013 auferlegt worden war.
Bereits
kurz nach der Jugendsynode des Jahres 2018 deutete bereits ein Mitglied des
Kardinalsrates am 31.10.2018 an, dass
eine neue Konstitution mit dem Titel Praedicate evangelium (Verkündet das Evangelium) im folgenden Jahr das derzeit noch
geltende und in vielfacher Weise in die Jahre gekommene kirchliche Grundgesetz Pastor Bonus aus dem Jahr 1988 ablösen werde. Nach der 29. Sitzung des Kardinalsrates im April 2019 wurde demgegenüber bekannt, dass das Dokument zur Kurienreform seinerseits noch auf den synodalen Weg gehen müsse, indem es an die Bischofskonferenzen, die Synoden der unierten Ostkirchen, die Ordensoberen und Chefs der Kurienbehörden zur Beratung versendet werde. Dabei ging es
"auch um die Verpflichtung, den Prozess der Synodalität in der Kirche auf allen Ebenen zu stärken, hieß es in der Vatikannote. Besonders hervorgehoben wurde die Notwendigkeit einer stärkeren Präsenz der Frauen in Führungsfunktionen in Gremien des Heiligen Stuhls. Es wurde auch wiederholt, dass der Kardinalsrat ein Organ der Kirche sei, das die Aufgabe habe, den Papst „bei der Leitung der Universalkirche zu unterstützen“, und daher ende seine Funktion nicht mit der Veröffentlichung der neuen Apostolischen Verfassung." (Vatican News vom 10.4.2019)
Auch in der
Weihnachtsansprache des Jahres 2019 wurde der Neuentwurf des kirchlichen Grundgesetzes in Aussicht gestellt, in der weitere Grundzüge der "pastoralen Neuausrichtung" der Kurie, ja der Kirche insgesamt, bereits deutlicher werden: Die Glaubenskongregation wie auch die Kongregation für die Evangelisierung der Völker seien „zu einer Zeit gegründet, in der es einfacher war, zwischen zwei ziemlich
klar abgegrenzten Bereichen zu unterscheiden: einer christlichen Welt auf der
einen Seite und einer noch zu evangelisierenden Welt auf der anderen." Diese
Situation gehöre jedoch der Vergangenheit an: Sie
seien entsprechend dem programmatischen Schreiben Evangelii gaudium aus dem
Jahr 2013 neu auszurichten.
"Die
Reform der Strukturen, die für eine pastorale Neuausrichtung erforderlich ist,
kann nur in diesem Sinne verstanden werden: dafür zu sorgen, dass sie alle
missionarischer werden«" (EG 27).
Zwei
Jahre später wurde dann am 8. Mai 2021 gemutmaßt, dass das Fest der Heiligen Peter und Paul
am 29. Juni 2021 der Tag sein werde, an dem die neue Kirchenverfassung in Kraft
treten solle. Nun
ist sie knapp ein halbes Jahr danach am heutigen, für das Pontifikat von Papst
Franziskus emblematischen 19.3.2022 - dem Tag seiner Amtseinführung - promulgiert worden - mit der Ankündigung,
dass sie am Pfingstsonntag, den 5. Juni 2022 in Kraft treten werde.
Praedicate Evangelium und die Kirchenreform
Tatsächlich
löst die heute in italienischer Sprache veröffentlichte Konstitution ein, was
seit dem Jahr 2018 mit der Reform der Kirchenverfassung verbunden wurde. Wie bereits von Anfang an von ihr gesagt wurde, dass
sie den subsidiären Auftrag der Kurie in Rom stärker herausarbeiten und unterstreichen werde, wird nun die
Synodalität der Kirche selbst zum zentralen Thema der Kirchenverfassung:
Die Gemeinschaft der Kirche präge das Antlitz einer Kirche der Synodalität: einer Kirche des gegenseitigen Zuhörens, "in der jeder etwas zu lernen hat: Gläubige, Bischofskollegium, wie der Bischof von Rom." (Präambel 4)
Konkret
heißt das für das Zueinander von römischer Kurie und den Teil- und Ortskirchen eine
Zusammenarbeit auf Augenhöhe, die insbesondere die römische Kurie nach Art. 36 zur
verbindlichen Transparenz und Zusammenarbeit verpflichtet:
§1.
Die Kurieninstitutionen müssen in den wichtigsten Fragen mit den Teilkirchen,
den Bischofskonferenzen, ihren regionalen und kontinentalen Unionen und den
östlichen hierarchischen Strukturen zusammenarbeiten.
§
2. Wenn die Frage dies erfordert, sind Dokumente allgemeiner Art von
erheblicher Bedeutung oder solche, die bestimmte Teilkirchen in besonderer
Weise betreffen, unter Berücksichtigung der Stellungnahme der
Bischofskonferenzen, der regionalen und kontinentalen Union und der beteiligten
östlichen hierarchischen Strukturen zu erstellen.
§
3. Die Kurieneinrichtungen sollen unverzüglich den Eingang der ihnen von den
Teilkirchen unterbreiteten Ersuchen bestätigen, sie mit Sorgfalt und Sorgfalt
prüfen und so bald wie möglich angemessen antworten. (eigene Übersetzung)
Ebenso
sollen die Kurieninstitutionen nach Art. 37 den Papst bwz. seine Vertreter
konsultieren
„in
Angelegenheiten, die die Teilkirchen betreffen, (…) die dort ihre Funktion
ausüben, und es nicht versäumen, sie sowie die Bischofskonferenzen und die
östlichen hierarchischen Strukturen über die getroffenen Entscheidungen zu
unterrichten.“ (eigene Übersetzung)
Vor allem aber wird die
Synodalität nach Art. 33 unter Einbezug der Ortskirchen Teil der Kirchenverfassung –
insbesondere in der Zusammenarbeit mit der Bischofssynode und ihrem Sekretariat:
Die
Kurieninstitutionen arbeiten entsprechend ihrer jeweiligen spezifischen
Zuständigkeiten an der Tätigkeit des Generalsekretariats der Synode mit,
angesichts dessen, was in den der Synode selbst eigenen Normen festgelegt ist,
die dem römischen Papst eine wirksame Zusammenarbeit ermöglichen, gemäß den
Wegen, die von ihm festgelegt wurden oder in Angelegenheiten von größerer
Bedeutung für das Wohl der ganzen Kirche festgelegt werden sollen. (eigene Übersetzung)
Synodalität
ist das Thema der nächsten XVI. ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, an deren
Vorbereitung nunmehr die gesamte römische Kurie einbezogen bzw. in Dienst
genommen ist.
Ebenso
bedeutsam wie die Betonung der Dienstfunktion der römischen Kurie ist ihre
flächendeckende und einheitliche Neustrukturierung in Dikasterien - nurmehr 16 und untereinander gleichrangige Dikasterien. Dabei wird nicht nur ein
neues Dikasterium Evangelisierung unter der Leitung des Papstes geschaffen, das die Missionskongregation und den Rat für die Neuevangelisierung in sich vereinen wird und als erstgenanntes Dikasterium auch den missionarischen Charakter der neuen Kirchenverfassung unterstreicht. Zu den wichtigsten Punkten und großen Neuerungen gehört auch, dass Laien - und damit auch Frauen - im Grundsatz die Möglichkeit eingeräumt, wird die Leitung von zentralen Behörden bis hin zu Dikasterien zu übernehmen – möglicherweise auch das Dikasterium für Glaubensfragen (dass die traditionsreiche Glaubenskongregation
nominell ablösen wird.)
Praedicate evangelium ist als neue Kirchenverfassung eine Kurienreform, die diesen Namen verdient. Am 21. März 2022 soll sie in einer Pressekonferenz vorgestellt werden und am 5. Juni in Kraft treten. Warum es nicht das Fest Peter und Paul - wie dies für die vorausgegangenen Jahre vorhergesagt wurde - am
29.6.2022 sein wird, hängt voraussichtlich mit dem Weltfamilientreffen
(22.6.-26.6.2022) zusammen, bei dessen Vorbereitung und Durchführung sich die neue Kurienstruktur bereits schon
bewähren soll. Angesichts des lähmenden Reformstaus - Papst Franziskus zitierte in der oben erwähnten Weihnachtsansprache des Jahres 2019 Kardinal Martini, dass die Kirche "zweihundert Jahre lang stehen geblieben" sei - kann es nach neun Jahren Vorbereitung der Kurienreform im Kreis des Kardinalsrates nur heißen: Je früher, desto besser.