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Sonntag, 4. November 2018

SYNODALITÄT und KIRCHENREFORM – oder: „Kirche muss anders werden!“
Eine Woche nach Abschluss der Jugendsynode wirken die Eindrücke – mittlerweile konnotiert von ersten Kommentaren – nach und ‚setzen‘ sich in meiner Perspektive noch einmal mehr über die aufwändige Aktualisierung der Register für die Printfassung des Synodenblogs. Und ich merke, dass der nach der Veröffentlichung von Amoris laetitia im Rückblick auf den synodalen Prozess stimmige Titel der 3. Auflage des Synodentagebuches „Pädagogik der Liebe“ (AL 211) sich wieder verändern muss, weil in den Inhalten und der Art und Weise der Abstimmung und Annahme des Abschlussdokumentes sich ein neuer Notenschlüssel des zurückliegenden wie des vorausliegenden synodalen Weges zeigt:

Denn mit der im Absatz Nr. 3 einschließenden Aufnahme des Vorbereitungsdokumentes (Instrumentum laboris) – und damit der von den Jugendlichen aus aller Welt eingebrachten Fragen, Sicht- und Lebensweisen – und dem Auftrag, die Ergebnisse der Synode über das eigene Herz in die Welt zu tragen und in verschiedenster Weise wirksam werden zu lassen, zeigt sich die Jugendsynode weniger als Abschluss eines Prozesses, sondern als eine wichtige Wegmarke auf dem synodalen Weg, der nicht einfach nur durch ein weiteres Papier (das sagte Papst Franziskus sowohl in seiner Begrüßungsansprache als auch in der Abschlussansprache), sondern durch eine veränderte Haltung und Praxis des gemeinsam Kircheseins gekennzeichnet ist.

Synodalität

Im Gespräch mit Thomas Andonie heute – eine Woche nach dem letzten und jetzt wieder in Deutschland – ist es auch eine meiner ersten Fragen, wie er sich die überraschend vielen Gegenstimmen zu den die Synodalität betreffenden Abschnitten im Abschlussdokument (vgl. Blog-Beitrag vom 28.10.2018) erklären würde. Thomas Andonie vermutet Ängste bei manchen Bischöfen, dass das Lehramt verraten werde, das Lehramt nicht mehr die Bedeutung haben könne. Und ich denke mir im Anschluss, dass Papst Franziskus sein Papst- und Lehramt ja sehr bewusst in Kontinuität und Weiterführung zu einer auf dem II. Vatikanischen Konzil aufbauenden Tradition wahrnimmt, das in der synodalen Rückbindung allen seines Tuns, Handelns und Lehrens an die Bischofsversammlungen seinen Ausweis hat. Synodalität: das Wahrnehmen von Wirklichkeit, das Deuten der Zeichen der Zeit im Licht des Glaubens und das in der Unterscheidung neu mögliche Tun und Handeln in der Begegnung mit den konkreten Menschen ist der Weg der Kirche. Und mit dieser 'Maßgabe' verändert sich Kirche, relativieren sich alle Strukturen und wird deutlich: „Kirche muss anders werden!“

(Cover-Ausschnitt des Synodentagebuch in der 640 S.-Printversion;
erweiterte 4. Auflage vom 16.11.2018 ; s. https://bit.ly/2qQlkvJ)

Kirchenreform

Wie sehr das Zueinander von Papstamt und Ortskirchen gerade in Bewegung ist, macht eine Pressemeldung mit Aussagen des Synodenvaters Kardinal Oswald Gracias deutlich, der zugleich Mitglied des K9-Gremiums ist, das sich seit dem Jahr 2013 mit der zentralen Aufgabe der Kurienreform befasst. Und der Erzbischof von Bombay deutet nicht nur an, dass das geplante Dokument zur Kurienreform als neue Apostolische Konstitution mit dem Arbeitstitel "Praedicate Evangelium" (Verkündet das Evangelium) „im Dezember oder Februar veröffentlicht werden“ könnte (und damit die Konstitution "Pastor Bonus" zur Kurienreform Johannes Pauls II. aus dem Jahr 1988 ersetzen würde), sondern auch, dass sich in den zurückliegenden Monaten auch die Bedeutung der Redaktionsarbeit des K9-Rates entscheidend geändert habe.

„Ohne auf Details einzugehen deutete Kardinal Gracias als Stoßrichtung der Reform einen Dienst an den Ortskirchen, also der Kirche in den einzelnen Ländern, an. 'Die Anfangsidee war es, den Ortskirchen zu helfen, indem wir dem Heiligen Vater helfen', so Gracias. 'Jetzt ist die Idee, dem Heiligen Vater zu helfen, indem die Ortskirchen unterstützt werden.' Das sei 'eine entscheidende Änderung', so der Erzbischof von Mumbai (Bombay) und Vorsitzende der Indischen Bischofskonferenz.“ (KNA vom 31.10.2018)


Und diese Zuarbeit – das macht ja die Aussage von Kardinal Gracias gerade deutlich – beginnt vor Ort: in den Ortskirchen. Für Thomas Andonie und den BDKJ bedeutet dies die konkrete Zusammenarbeit mit den 27 Diözesanverbänden und den weiteren 16 Mitgliedsverbänden und Jugendorganisationen und in der kommenden Woche auch die Teilnahme an der Jahrestagung der Arbeitsstelle für Jugendpastoral (afj) der Deutschen Bischofskonferenz, bei der auch Jugendbischof Stefan Oster anwesend sein wird. Über alle Strukturen und Verbände, die für Thomas Andonie über das Zentralkomitee der Katholiken in Deutschland (ZDK) in bester Weise eingebunden sind, seien nun die Wege zu finden, Kirche in neuer Weise als Hörende, Begleitende und die Berufung jedes Menschen unterstützend, in unserer Kultur vor Ort zu entdecken. Dass dies in Lateinamerika mit den Herausforderungen des Drogenmissbrauchs, in Ortskirchen in Kriegsgebieten und überhaupt in jeder Teilkirche der Welt mit je unterschiedlichen Problemen und Herausforderungen andere Handlungsoptionen erfordere, sei für ihn eine der zentralen Schlussfolgerungen aus der Synode. Am Beispiel des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker festgemacht, kann es für ihn nicht sein, dass sich Jugendliche jede Woche für andere Jugendliche engagieren und ihre Arbeit durch das Fehlverhalten und den Machtmissbrauch von Klerikern unter Generalverdacht gestellt sehen. Ohne in einen Aktionismus zu verfallen, seien die auf der Synode angemahnten – und zumal von der Deutschen Sprachgruppe geforderten – konkreten Maßnahmen und Strukturveränderungen bis zu der ebenso deutlich artikulierten Forderung nach einer stärkeren administrativen Einbeziehung von Frauen in kirchlichen Leitungs- und Amtsstrukturen sukzessive umzusetzen oder die Prozesse daraufhin in Gang zu bringen.

Mit der Jugend, durch die Jugend

Dass und wie die Jugendlichen die wichtige Etappe des zurückliegenden synodalen Weges in Rom während der XV. Generalversammlung der Bischofssynode mitbestimmt haben, bringt das Synodenabschlussdokument ins Wort - und Thomas Andonie unterstreicht, wie die Jugend als eigener 'locus theologicus' bezeichnet wurde.  Das 'Hinhören' der Kirche auf die Jugend als „pädagogisches Konzept“ und „theologische Kategorie“ nimmt diesen Gedanken auf. Er wird aber noch einmal gesteigert, in der den Verlauf der Synode kennzeichnenden Änderung der Perspektive auf die Jugendlichen. Sie sind nicht mehr nur Objekte einer methodisch neu zu justierenden Jugendpastoral, sondern selbst Subjekte derselben. Als Protagonisten der Kirche sind sie Handlungsträger der Kirche und in jeder Hinsicht einzubeziehen in die Weise, wie Kirche auf Zukunft in dieser Gesellschaft lebendig sein will. Im Synodenabschlussdokument kann diese neue Perspektive auch stilistisch aufgemerkt werden: indem im II. Teil: 'Interpretieren‘ die Jugend selbst als Subjekt ins Wort kommen, während in den Teilen I: 'Erkennen' (oder besser: „Wahrnehmen“ – wie die Deutsche Sprachgruppe einstimmig als Übersetzungsvorschlag des italienischen „riconoscere“ forderte; vgl. Blog-Beitrag vom 9.10.2018) und III. 'Wählen' die Kirche als ganze Handlungsträger sei.

"Damit allerdings wechseln im Dreischritt des Gedankengangs die Akteure. Das Erkennen und Hören ist der Synode bzw. der Kirche aufgetragen, während es die jungen Menschen selbst sind, die ihrer Berufung in Unterscheidungsprozessen auf die Spur kommen müssen. Damit befindet sich der Gedankengang auf einer sachlich anderen Ebene als das vorausgehende Hören (und das nachfolgende Wählen). (…) Bei der zurückliegenden Synode fällt somit im Durchgang durch das Erkennen, Interpretieren und Wählen der zweite Schritt aus dem Rahmen." (Eva-Maria Faber, in: feinschwarz.net vom 3.11.2018)


Für Eva-Maria Faber „lassen die Bruchstellen des Textes positiv die Dynamik des Synodenprozesses erkennen.“ Diese Dynamik reicht weiter als das Thema der Jugendsynode eigentlich absteckt war und rückt auch noch einmal die grundsätzliche Perspektive in den Mittelpunkt. Oder noch einmal mit den Worten von Kardinal Marx  im ausführlichen Wortlaut gesagt:

„Es geht nicht so sehr darum, so ist mein Eindruck, dass wir immer neue Methoden suchen für die Jugendpastoral, sondern dass die Kirche sich ändert. Kirche muss anders werden! Die Jugendliche erwarten, so haben sie in der Vorsynode zum Ausdruck gebracht, eine authentische Kirche, eine Kirche, die bereit ist zum Gespräch, eine Kirche, die zuhören kann. All das taucht natürlich in allen Dokumenten wieder auf. Aber das dürfen auch nicht nur Worte bleiben, es muss sich ja auch zeigen in Strukturen, Institutionen, in konkreten Begegnungen. Und im Grunde ist das eine Botschaft, die für die ganze Kirche gilt. Nicht nur, wie begegnen Bischöfe Jugendlichen, sondern wie begegnen wir einander, im ganzen Volk Gottes.“   (eigene Übertragung der Pressekonferenz vom 24.10.2018)

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Erste Lesung der Relatio finalis – „Wir können nicht einfach 'Familiaris consortio' wiederholen.“

Ein Mitglied der zehnköpfigen Synodenkommission, die für die Fertigstellung des Abschlussdokuments zuständig ist, der indische Kardinal Oswald Gracias (Erzbischof von Mumbai), verriet heute in der Pressekonferenz, dass es der ursprüngliche Plan gewesen sei, die den Synodalen heute Nachmittag vorgelegte Relatio vorzulesen. Stattdessen führte der Generalrelator Kardinal Péter Erdö in die Grundgedanken und Struktur der Textvorlage der Relatio finalis ein, nachdem der Generalsekretär der Bischofssynode, Kardinal Baldisseri, zuvor die Arbeitsweise der zehnköpfigen Textkommission erläutert hatte. Das eingehende Studieren des um die 100 Paragraphen umfassenden Abschlussdokumentes ist damit in der 1. Lesung der privaten Lektüre am heutigen Donnerstagabend bzw. dieser Nacht vorbehalten, bevor der Text morgen Vormittag in der Generalversammlung in einer offenen Debatte zur Diskussion gestellt wird.

Synodale der XIV. Ordentlichen Bischofssynode bei der Lektüre (Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk)


Samstag, 8. Mai 2021

Wie die #Liebegewinnt – oder: #SynodalerWeg und Kurienreform als letzte Chancen 

Schon vor zwei Jahren habe ich ähnlich geschrieben, wie ich es auch heute noch einmal schreibe: Dass das erstmals schon kurz nach der Jugendsynode unter dem Namen Praedicate evangelium bekannt gewordene Dokument zur Kurienreform nun endlich zum Fest der Heiligen Peter und Paul am 29. Juni diesen Jahres in Kraft gesetzt werden sollte. Wie zuletzt am 3. Januar 2021 in diesem Blog wiederholt, wird die neue Konstitution Praedicate evangelium die derzeit geltende und in vielfacher Weise in die Jahre gekommene Kirchenverfassung Pastor Bonus von 1988 ablösen.  

"Sie wird nach den bisherigen Ankündigungen den subsidiären Auftrag der Kurie in Rom, aber darüber auch die Anteilnahme der Teilkirchen an der Lehrautorität der Kirche herausarbeiten." (4.11.2018)

Es geht dabei auch darum, Papst Franziskus in seinem Reformanliegen der Synodalität zu stärken, das – wie zuletzt im ebenso ansatzlosen wie erratischen Responsum ad dubium vom 15.3.2021 geschehen – von Kongregationen ohne Approbation des Papstes auf den letzten Metern unterlaufen wird: Eben weil Ortskirchen – wie in Deutschland nach der „Zäsur“ des Missbrauchsskandals – Reformanliegen aufgreifen und synodal beraten und gerade diese Synodalität in der Lehrentwicklung im Zentrum des Denkens und Handelns von Papst Franziskus steht. Aber nicht nur die Synodalität  Thema der Weltbischofssynode 2022  wird diskreditiert, sondern auch der Papst als Person beschämt und – wohl bewusst in Kauf genommen oder beabsichtigt - in seiner Amtsführung ebenso massiv beschädigt. Wie er gegenüber Vertrauten über den Vorgang als "sehr verletzt" wahrgenommen wurde, bestätigt ebenfalls, dass das Reformprojekt der Kurienreform jetzt auch wirklich drängt. Und es ist dabei noch immer – oder noch einmal mehr  genau so, wie es Kardinal Oswald Gracias, Mitglied des K7-Kardinalsrats, Ende Oktober 2018 sagte.

"Ohne auf Details einzugehen deutete Kardinal Gracias als Stoßrichtung der Reform einen Dienst an den Ortskirchen, also der Kirche in den einzelnen Ländern, an. 'Die Anfangsidee war es, den Ortskirchen zu helfen, indem wir dem Heiligen Vater helfen', so Gracias. 'Jetzt ist die Idee, dem Heiligen Vater zu helfen, indem die Ortskirchen unterstützt werden.' Das sei 'eine entscheidende Änderung', so der Erzbischof von Mumbai (Bombay) und Vorsitzende der Indischen Bischofskonferenz.“ (KNA vom 31.10.2018)

Letztgültig ist dies auch der Plot im Hintergrund, warum der Vorsitzende der Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing auf den Synodalen Weg verweist, wenn er auf die besagte römische Note der Glaubenskongregation zu sprechen kommt. Denn im Forum „Liebe leben in gelingenden Beziehungen“, das erstmals im September dieses Jahres erste Ergebnisse der dann anderthalbjährigen Beratungen vorlegen wird, geht es genau auch um die Themen der Würdigung unterschiedlicher sexueller Orientierungen und die Möglichkeit von Segensfeiern. Und aus demselben Grund verweist er in Bezug auf die vielen rund um den 10. Mai veranstalteten Segnungsgottesdienste für Liebende auf denselben Zusammenhang, da die synodalen Beratungsthemen ja nur als synodal abgestimmte Vorschläge Chancen haben, in der Weltkirche eingebracht zu werden.

Aber nicht nur die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, dessen Tiefpunkte – wie derzeit gerade die Kölner Ortskirche zeigt – wohl immer noch nicht erreicht sind, sondern auch der Synodale Weg wie die Kurienreform, wegen der Papst Franziskus in sein Amt gewählt wurde, sind je für sich eine ‚Letzte Chance‘. Aber dessen sind sich die Befürworter wie Gegner des Synodalen Wegs wie der Kurienreform gleichermaßen bewusst. Der K7-Kardinalsrat beriet am 6.5.2021 kirchenrechtlich-praktische Konsequenzen, die letztlich auch die kurialen Kongregationen synodal einbinden werden. Kurz vor dem 29. Juni trifft er sich wieder. Es geht um's Ganze!

Alles in der sicheren Hoffnung, dass die #Liebegewinnt! 



Donnerstag, 14. März 2019

In Deutschland angekommen: Bischöfe beschließen "synodalen Weg"

(Screenshot: katholisch.de vom 14.3.2018)
Nach der zentralen Etappe der Jugendsynode des Jahres 2018 auf dem Weg zur synodalen Umgestaltung der katholischen Kirche folgten in den letzten Februartagen und Mitte März 2019 weitere lang erwartete Bischofszusammenkünfte auf weltkirchlicher wie auch nationaler, bundesdeutscher Ebene: das Treffen der Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen der Welt zur Bekämpfung des Missbrauches (vom 21. bis 24. Februar 2019), das diesem ebenfalls in Rom vorausgehende Treffen des K9-Kardinalsrates vom 18.-21.2.2019 und in Deutschland die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 10.-14.3.2019 in Lingen. Und alle drei Versammlungen nehmen die Hauptmotive ‚Synodalität und Kirchenreform‘ auf.

Auf der 28. Sitzung seit seiner Einberufung im Jahr 2013 hat der Papst Franziskus beratende Kardinalsrat das Dokument 'Praedicate Evangelium' in einer finalen Fassung beraten, mit dem die Kurienreform nach bereits vorausgegangener kirchenrechtlicher Überarbeitung besiegelt werden soll. Bekannt wurde im abschließenden Pressebriefing vom 21.2.2019 ebenfalls, dass der Papst
"'im Zeichen der Synodalität' die Verantwortlichen der lokalen Bischofskonferenzen, die Synoden der Ostkirchen, die Dikasterien der römischen Kurie, die Ordensoberenkonferenzen sowie einige Päpstliche Universitäten um ihre Anmerkungen bitten" wolle. (Vaticannews vom 21.2.2019)
Und wie nicht anders zu erwarten, spielte der Themenkomplex von Synodalität und Kollegialität auch auf der Kinderschutzkonferenz Ende Februar 2019 ebenfalls eine zentrale Rolle. Die nicht nur zeitliche Verknüpfung mit dem Treffen des unmittelbar vorangehenden Kardinalsrats wurde auch durch die Anwesenheit des Moderators der Kinderschutzkonferenz Pater Federico Lombardi bei ihren dreitägigen Beratungen unterstrichen – wie umgekehrt durch die Teilnahme aller Mitglieder des K9-Kardinalrates am Kinderschutz-Kongress.

Als Mitglied des Kardinalsrates brachte der Erzbischof von Bombay Kardinal Gracias die Anliegen der Kurienreform auf der Kinderschutzkonferenz ein:
"Alleine könne kein Bischof das Problem lösen. Die Verantwortung gehöre allen Bischöfen gemeinsam, Kollegialität sei der Kontext, in dem mit Missbrauch umgegangen werden müsse. (…) Synodalität in der Kirche und Kollegialität unter den Bischöfen zu leben habe ganz praktische Auswirkungen, so Gracias. Es bedeute zunächst ganz einfach, sich gegenseitig auch zu kritisieren, in der christlichen Tradition correctio fraterna genannt, brüderliche bzw. geschwisterliche Zurechtweisung.“ (Vaticannews vom 22.2.2019)
Der Gedanke der Synodalität als Beteiligung aller Getauften auf allen Ebenen an der Reform der Kirche bildete auch den Ausgangspunkt des Vortrages des Erzbischofs von Chicago, Kardinal Blase J. Cupich. Er sprach direkt im Anschluss nach dem indischen Kardinal Oswald Gracias beim Kinderschutz-Kongress im Vatikan. 
"Eine solche innere Reform der Kirche sei nötig. Nur die Richtlinien zu ändern reiche nicht aus, so der langjährige Vorsitzende des Kinderschutz-Komitees der US-Bischofskonferenz…. (…) Wahre Synodalität ruft uns dazu auf, in dem Zeugnis der Laien eine Stärkung und Beschleunigung unserer Mission“ zu sehen, so Cupich. (Vaticannews vom 22.2.2019)
Auf denselben synodalen Weg hat sich heute auch die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 10.-14.3.2019 gemacht. Anknüpfend an die Vorstellung der MHG-Studie  „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ auf der vorausgegangenen Herbst-Vollversammlung am 25. September 2018 wurden einerseits nunmehr die konkreten Umsetzungen aus den in Fulda beschlossenen Punkten und insbesondere auch ein Vorschlag zu Spezialgerichten für Strafverfahren bei sexuellem Missbrauch an Minderjährigen und die Erarbeitung Ordnung für Verwaltungsgerichte im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz vorgestellt.

Die Zäsur, die die MHG-Studie in Deutschland darstellt, wurde auf einem Studientag zu „übergreifenden Fragen, die sich gegenwärtig stellen“, deutlich, die darüber hinaus auch den neuen synodalen Aufbruch markiert. 
"Erschütterungen verlangen besondere Vorgehensweisen. Die Missbrauchsstudie und in ihrer Folge die Forderung Vieler nach Reformen zeigen: Die Kirche in Deutschland erlebt eine Zäsur. Der Glaube kann nur wachsen und tiefer werden, wenn wir frei werden von Blockierungen des Denkens, der freien und offenen Debatte und der Fähigkeit, neue Positionen zu beziehen und neue Wege zu gehen. 
Die Kirche braucht ein synodales Voranschreiten. Papst Franziskus macht dazu Mut. Und wir fangen nicht am Nullpunkt an. Die Würzburger Synode (1972 bis 1975) und auch der Gesprächsprozess der vergangenen Jahre haben den Boden bereitet, auch für viele Herausforderungen von heute. Einstimmig haben wir beschlossen, einen verbindlichen synodalen Weg als Kirche in Deutschland zu gehen, der eine strukturierte Debatte ermöglicht und in einem verabredeten Zeitraum stattfindet und zwar gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Wir werden Formate für offene Debatten schaffen und uns an Verfahren binden, die eine verantwortliche Teilhabe von Frauen und Männern aus unseren Bistümern ermöglichen. Wir wollen eine hörende Kirche sein. Wir brauchen den Rat von Menschen außerhalb der Kirche. 
Drei Punkte benannte Kardinal Marx in seinem heutigen Pressestatement, um die es ab jetzt in synodaler Arbeitsweise gehen wird: 

o Wir wissen um die Fälle klerikalen Machtmissbrauchs. Er verrät das Vertrauen von Menschen auf der Suche nach Halt und religiöser Orientierung. Was getan werden muss, um den nötigen Machtabbau zu erreichen und eine gerechtere und rechtlich verbindliche Ordnung aufzubauen, wird der synodale Weg klären. Der Aufbau von Verwaltungsgerichten gehört dazu. 
o Wir wissen, dass die Lebensform der Bischöfe und Priester Änderungen fordert, um die innere Freiheit aus dem Glauben und die Orientierung am Vorbild Jesu Christi zu zeigen. Den Zölibat schätzen wir als Ausdruck der religiösen Bindung an Gott. Wie weit er zum Zeugnis des Priesters in unserer Kirche gehören muss, werden wir herausfinden. 
o Die Sexualmoral der Kirche hat entscheidende Erkenntnisse aus Theologie und Humanwissenschaften noch nicht rezipiert. Die personale Bedeutung der Sexualität findet keine hinreichende Beachtung. Das Resultat: Die Moralverkündigung gibt der überwiegenden Mehrheit der Getauften keine Orientierung. Sie fristet ein Nischendasein. Wir spüren, wie oft wir nicht sprachfähig sind in den Fragen an das heutige Sexualverhalten. (DBK-Pressemitteilung vom 14.3.2019)

In den kommenden Monaten sollen gemeinsam mit dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZDK) geeignete Formate zur Klärung von Neuausrichtung und Veränderung bei der Vorbereitung des synodalen Prozesses gesucht werden:
"Dazu gehören bereits jetzt auf der Vollversammlung verabredete Foren, die sich den zuvor genannten drei Punkten widmen werden: Das Forum „Macht, Partizipation, Gewaltenteilung“ wird von Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann (Speyer) verantwortet, das Forum „Sexualmoral“ von Bischof Dr. Franz-Josef Bode (Osnabrück) und das Forum „Priesterliche Lebensform“ von Bischof Dr. Felix Genn (Münster)." (Ebd.)
Der synodale Weg in Deutschland nimmt Fahrt auf und wird mit der angekündigten Beratschlagung der neuen Konstitution zur Kurienrefom ‚Praedicate Evangelium‘ , dem ebenfalls in Kürze erscheinenden nachsynodalen Schreiben zur Jugendsynode sowie deren nachsynodaler Nachbereitung auf einer bereits im letzten Jahr für Juni 2019 einberufenen Konferenz im Rom auch von weltkirchlicher Ebene sekundiert. 


"Die Kirche braucht ein synodales Voranschreiten."  (Ebd.)


Dienstag, 9. Oktober 2018

Über die Anerkennung der Rolle der Frau in Gesellschaft und Kirche, die soziologische Analyse als theologischer Akt und die Relatio der Deutschen Sprachgruppe

Die im Arbeitspapier der Synode (Instrumentum Laboris, nr. 70) angesprochene „Anerkennung der Rolle der Frau in Gesellschaft und Kirche“ war bereits gestern in der Pressekonferenz von Weihbischof Gobilliard gefordert worden. Die neue Synodenordnung würde ihnen zwar schon eine größere Rolle einräumen, aber im Grundsatz sollten ihnen auch Positionen in den administrativen Strukturen der Kirche offenstehen, wie dies auf der Ebene vieler Ortskirchen schon zum Teil der Fall sei. Dies bekräftigte heute auch Kardinal Oswald Gracias, Erzbischof von Bombay: „Papst Franziskus wolle keine kosmetischen Veränderungen, sondern Verantwortung und Entscheidungspositionen in der Kirche für Frauen.“ Die als Expertin der französischen Bischofskonferenz an der Synode teilnehmende Sr. Nathalie Becquart betonte, wie sehr das ‚Thema Frauen‘ von jungen Menschen eingebracht wurde, die in einer Welt leben, in der sich die Beziehungen zwischen Männern und Frauen verändert haben.
Wie die Frauen das bisherige Synodenerleben aus seiner Sicht bereichern, unterstreicht auch der kanadische Erzbischof von Quebec, Kardinal Gérald Cyprien Lacroix. Beindruckt hat ihn, wie die weiblichem Synodenteilnehmenden in der Versammlung „frei und mit Autorität sprechen“:
"They aren't spectators, they're part of the parade."
Eine weitere, ganz neue Erfahrung sei für ihn wie die jungen Auditor*innen auf ihnen zusagende Beiträge zum Teil sehr emotional reagieren.

"They express themselves with explosive joy!"

Als Mitglied der an der Vorbereitung der Synode beteiligten Arbeitsgruppe ist es Kardinal Gracias, der auch bei den Familiensynoden 2014 und 2015 eine zentrale Rolle an entscheidenden Stellen des jeweiligen synodalen Prozesses gespielt hat, der betont, wie sehr bereits im Vorfeld der Synode auf die Beteiligung der Jugendlichen wert gelegt wurde, wie bereits am 3.10.2018 in diesem Blog beschrieben. Die Pressekonferenz heute markiert zugleich die Zäsur des Endes der Bearbeitung des I. Teils des Instrumentum laboris. Alle Arbeits- und Sprachgruppen haben nicht nur Überarbeitungsvorschläge zu den einzelnen Absätzen des Arbeitsdokumentes eingereicht, sondern auch jeweils eine zusammenfassende Relatio der jeweiligen Arbeitsgruppe veröffentlicht. Die deutsche Sprachgruppe schlägt vor, den I. Teil in der deutschen Übersetzung mit einem dem deutschen Sprachgefühl besser entsprechenden Wort zu überschreiben:

"Wir plädieren dafür, dass in der deutschen Übersetzung des Instrumentum laboris der Begriff „erkennen“ besser durch den Begriff „wahrnehmen“ ausgetauscht wird. Er entspricht besser dem italienischen „riconoscere“."

Auf die Frage in der Pressekonferenz, ob in den Beratungen zum I. Teil neben den soziologischen Analysen auch die wesentlichen Inhalte des Glaubens, die Sakramente usw. Angesprochen worden seien – für mich der wichtigste Moment dieser Pressekonferenz – ist es mit Sr. Nathalie Becquart eine Frau, die die Bedeutung des gerade abgeschlossenen Teils der Arbeit verteidigt und in seiner theologischen Qualität herausarbeitet. Das wahrnehmende Verstehen sei ein theologischer Akt und das Zuhören nicht einfach ‘nur’ soziologisch, sondern eine aufmerksame Weise des Nachvollziehens, wie Gott handelt. Die Erfahrungen der Menschen von heute sei es, wie Jesus mit den Emmaus-Jüngern zu gehen.

“Das Wahrnehmen ist bereits eine theologische Kategorie.”

Dieses eindrucksvolle Statement, das auch noch einmal die Bedeutung aller Phasen des Unterscheidungsfindungsprozesses, den diese Synode bedeutet unterstreicht, findet sich der Sache nach auch am Beginn der Relatio der deutschen Sprachgruppe:
„Wir sind bewegt davon, dass das Hören ein theologisches und nicht nur ein pädagogisches Konzept ist – und wollten uns noch besser einüben ins Hören. Deshalb haben wir uns in unserer Gruppe gegenseitig von unseren Erfahrungen mit jungen Menschen erzählt, auch von unserem Scheitern im Umgang mit ihnen. Wir spüren, dass es wichtig ist aus konkreter Erfahrung zu urteilen und nicht nur theoretisch oder abstrakt zu sprechen. Aus diesem Grund plädieren wir auch dafür, das Kapitel 5 des ersten Teils des Instrumentum laboris ganz an den Anfang zu stellen: Wir hören die Jugendlichen und schauen auf sie – mit den Ohren und Augen eines Jüngers Jesu.
 
Die Relatio der Deutschen Sprachgruppe (Relatio – Circulus Germanicus) in der vollständigen Länge (Moderator: Bischof Felix Genn, Münster; Relator: Bischof Stefan Oster, Passau)
Wir haben in unserer Gruppe alle gestaunt über die großen Unterschiede der konkreten Situationen junger Menschen in den vielen Ländern, aus denen die Bischöfe und die Jugendlichen in der Synode berichtet haben. Vor allem spüren wir, dass der europäische Kontext in den Hintergrund tritt zugunsten einer weltweiten, pluralen Perspektive. Wir haben aber gleichzeitig festgestellt, dass einige Themen und Probleme an den verschiedenen Orten dennoch sehr häufig wiederkehren: Die Herausforderungen der Sexualität, die Thematik des Missbrauchs, die Schwierigkeit den Glauben zu vermitteln, die Digitalisierung, die Frage nach einer attraktiven Liturgie und Predigt, die Flucht und Migration, der Wunsch der Jugendlichen in Freiheit und zugleich authentisch begleitet zu werden, die Frage nach der aktiven Beteiligung der Jugendlichen, die Frage nach der Gerechtigkeit für Frauen in der Kirche und anderes mehr.
Wir sind bewegt davon, dass das Hören ein theologisches und nicht nur ein pädagogisches Konzept ist – und wollten uns noch besser einüben ins Hören. Deshalb haben wir uns in unserer Gruppe gegenseitig von unseren Erfahrungen mit jungen Menschen erzählt, auch von unserem Scheitern im Umgang mit ihnen. Wir spüren, dass es wichtig ist, aus konkreter Erfahrung zu urteilen und nicht nur theoretisch oder abstrakt zu sprechen. Aus diesem Grund plädieren wir auch dafür, das Kapitel 5 des ersten Teils des Instrumentum ganz an den Anfang zu stellen: Wir hören die Jugendlichen und schauen auf sie - mit den Ohren und Augen eines Jüngers Jesu.
Wir plädieren dafür, dass in der deutschen Übersetzung des Instrumentum der Begriff „erkennen“ besser durch den Begriff „wahrnehmen“ ausgetauscht wird. Er entspricht besser dem italienischen „riconoscere“.
In der Wahrnehmung der Situation im ersten Teil des Instrumentum haben wir mehrfach gespürt, dass ein eigener Abschnitt eingefügt werden sollte, in dem der Druck thematisiert wird, dem Jugendliche in vielfacher Hinsicht ausgesetzt sind: z.B. der Druck durch die Schule und Ausbildung, durch die Kirche, durch die Erwartung der Eltern, der Familien, der Gesellschaft, der Druck durch die Selbstinszenierung in sozialen Medien, der Druck durch die Moden der Gesellschaft, durch die Moden und Meinungen der Peer-Group oder auch der Druck, der entsteht, wenn sich ein Jugendlicher als Katholik bekennt. Uns scheint, dass es Jugendlichen heute schwerer fällt, sie selbst zu werden – und nicht so zu werden, wie sie meinen unter dem Druck von außen sein zu müssen.
Wir sehen und betonen, dass im Pontifikat von Papst Franziskus zwei Begriffe immer wiederkehren: die Freude und die Unterscheidung – und wir spüren auch, wie kostbar und zugleich wie herausfordernd beide für unseren eigenen Umgang mit jungen Menschen sind.
Wir meinen auch zu verstehen, was mit dem Wort „die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“ gemeint ist: Wir wollen mit den liebenden „Augen des Jüngers“ (Nr 2) auf die konkreten Menschen und ihre konkreten Situationen schauen und verstehen lernen, wie darin Gottes Gegenwart aufleuchtet – z.B. auch dann, wenn diese konkrete Wirklichkeit nicht oder noch nicht einem Ideal christlichen Lebens entspricht.
Wir glauben, dass die digitale Wirklichkeit in ihren positiven Möglichkeiten aber auch in ihren destruktiven Gefahren noch konkreter beschrieben werden soll (z.B. Einstiegsalter in das Betrachten harter Pornographie und Gewalt bei Jungen ist durchschnittlich 11 Jahre). Wir sind dankbar, dass viele Jugendliche Pluralismus und Multikulturalität positiv verstehen, wir glauben aber, dass es auch nicht wenige Jugendliche gibt, die sich dem verschließen aus Angst vor dem Verlust von Identität.
Wir würden gerne festhalten, dass die Distanzierung von jungen Menschen von Glauben und Kirche bei uns neben dem erwähnten generellen Misstrauen gegen Institutionen drei weitere Hauptursachen hat: erstens die für Jugendliche scheinbare Unvereinbarkeit zwischen einem modernen, wissenschaftlichen Weltbild und dem Glauben, zweitens die Themen, die direkt oder indirekt mit der Sexualität und dem Geschlechterverhältnis zu tun haben (etwa die Sexualmoral allgemein, die Bewertung von Scheidung und Wiederheirat, der Zölibat, Frauen und Weiheamt, die Missbrauchsskandale), drittens der scheinbare oder auch oft bestätigte Zusammenhang zwischen Religion einerseits und Gewalt oder Krieg andererseits.
Wir sehen, dass die Pfarrei oftmals kein Ort mehr für das Glaubensleben junger Menschen ist und sehen das als Herausforderung für die Suche nach anderen oder neuen Orten und Gemeinschaftsformen in und außerhalb von Pfarreien.
Im Kapitel IV des Instrumentum haben wir mehrere große Herausforderung für die Kirche identifiziert. Wir fragen uns, was genauer mit der „Metamorphose“ der conditio humana (Nr 51) gemeint ist. Ist es nicht nötig, tiefer zu verdeutlichen, was wir als Christen heute meinen, wenn wir vom Menschsein sprechen? Was meinen wir etwa, wenn wir vom Menschen als Person sprechen oder von gelingendem Menschsein? Was ist der Weg eines gläubigen Menschen heute, was ist sein Ziel? Was ist eigentlich Freiheit? Wie findet man Identität? Welches sind anthropologisch unsere größten Herausforderungen heute? Und wie verhalten wir uns dazu?
Die Frage nach Körperlichkeit und Sexualität, nach der digitalen Welt, nach der Unfähigkeit sich zu entscheiden, die Sehnsucht nach Spiritualität sind Phänomene, die eine anthropologische Vertiefung brauchen, wenn wir Jugendlichen den Glauben als Weg zu einem auch menschlich gelingenden Leben vorschlagen wollen. Einer unserer Synodenväter meinte: Wenn wir keine klare Diagnose der conditio humana haben, haben wir auch keine Therapie dafür. In jedem Fall sind wir der Meinung, dass angesichts der Bedeutung des Themas Sexualität für die Jugendlichen die bloße Beschreibung des Phänomens und einiger Probleme in den Abschnitten 52 und 53 für den Text nicht genügt. Wir plädieren für eine anthropologische Vertiefung und Orientierung für diese Dimension – mit dem Akzent auf die Qualität der menschlichen Beziehungen.
Wir sind auch der Meinung, dass in einem späteren Kapitel auch Positives zur Kirche als Institution gesagt werden soll, wenngleich junge Menschen das Recht haben die Institution kritisch zu sehen und nicht selten haben sie mit dieser Kritik auch Recht. Positiv aber ist zum Beispiel die Verlässlichkeit in einer sich wandelnden Welt, ihre Objektivität etwa in der Sakramentenspendung oder im Urteil des Glaubens und über charismatische Phänomene, oder die Möglichkeit innerhalb einer objektiven Rechtsprechung auch subjektiv erfahrenes Unrecht anzuzeigen und anderes mehr.
Der Abschnitt über die Digitalisierung erscheint uns insgesamt der Komplexität des Phänomens nicht gerecht zu werden. Selbstverständlich erkennen wir die ungeahnten positiven Möglichkeiten dieser Medienwelt für uns alle an – und auch die Fähigkeit junger Menschen, sich selbstverständlich darin zu bewegen. Das wollen wir ihnen auch nicht nehmen. Aber andererseits wissen wir zum Beispiel nicht, welche Auswirkungen langfristig der fortwährende Aufenthalt in digitalen Welten für junge Menschen hat (Vgl. die medizinische Rede von „digitaler Demenz“ oder von neuen Süchten oder von fehlender Konzentrationsfähigkeit, von schwindender Fähigkeit komplexere Texte zu lesen, von Mangel an Beziehungsfähigkeit oder ähnlichem); wir wissen noch nicht, ob und wie die digitale Welt Gesellschaften wirklich besser macht oder nicht eher zersetzt und radikalisiert. Wir wissen z.B. noch nicht, wie wir den totalitären Zügen von mächtigen Internetriesen etwas entgegensetzen können. Wir wissen noch nicht, was durch die immer stärker mögliche Verschmelzung von digitaler und realer Welt mit dem Menschen auf Dauer passiert. Hier spüren wir eine Überforderung, die womöglich nicht nur für die Kirche, sondern für die gesamte Menschheit besteht. Auch diese Überforderung müsste deutlicher benannt werden.


Montag, 22. Oktober 2018

Key words of the draft document / Parole chiavi della bozza del documento finale / Schlüsselwörter des Entwurfs des Abschlussdokumentes

Während für alle anderen Synodenteilnehmer heute ein freier Tag ist, arbeitet eine insgesamt 12 Personen umfassende Kommission auf Hochtouren, die am morgigen Dienstag den ersten Entwurf des Abschlussdokumentes vorstellen wird und heute bei ihren abschließenden Beratungen auch von Papst Franziskus besucht wurde.

Papst Franziskus zwischen den Sondersekretären Giacomo Costa (links) und Rossano Sala (rechts)
Zur Kommission gehören diejenigen Redakteure, die bereits für das Vorbereitungspapier der Synode verantwortlich waren: Neben Kardinal Lorenzo Baldisseri, dem Generalsekretär der Bischofssynode, und Kardinal Sergio da Rocha, Erzbischof von Brasilia und Generalrelator der Jugendsynode, sind dies als Sondersekretäre der brasilianische Jesuit Giacomo Costa und der Professor für Jugendpastoral an der Päpstlichen Salesianeruniversität in Rom, Rossano Sala.

Die Schlussredaktion umfasst weitere acht Personen, von denen drei vom Papst ernannt wurden: Hierzu gehören neben dem aus der Pressekonferenz bereits bekannten brasilianischen Priester Alexandre Awi Mello, Sekretär des Dikasteriums für die Laien, die Familie und das Leben, Großerzbischof Swiatoslaw Schewtschuk, Oberhaupt der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, und Eduardo Gonzalo Redondo, Leiter der Berufungspastoral der Kubanischen Bischofskonferenz.
Entsprechend den fünf Kontinenten wurden von der Synodenversammlung am 5.10. aus ihren Reihen weitere fünf Redaktionsmitglieder gewählt. Kardinal Carlos Aguiar Retes, Erzbischof von Mexiko, Erzbischof Peter Comensoli von Melbourne vertreten, Kardinal Peter Turkson, Präfekt des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen, Kardinal Oswald Gracias, Erzbischof von Bombay aus Europa Erzbischof Bruno Forte von Chieti-Vasto, der bereits in der Redaktionsarbeit der  Familiensynoden der Jahre 2014 und 2015 Verantwortung trug.

Alle der letztgenannten gewählten Mitglieder haben bereits im Rahmen der Pressekonferenzen von ihren Eindrücken und Eingaben im Rahmen der Synode berichtet und lassen mit den vielen Statements und Eingaben der Sprach- und Arbeitsgruppen zu den drei Teilen des Vorbereitungspapiers einen Entwurf erwarten, der sich an den ‚Schlüsselwörtern‘ orientiert, die heute der Apostolische Vikar Anatoliens und Titularbischof von Tabe (Türkei), Paolo Bizzeti SJ, aus den "tausenden von Eingaben und Statements" mit den Ausdrücken ‚Aufeinander Hören‘, ‚Miteinander sprechen und handeln‘ und ‚Einander begleiten‘ kurzfasst. 

Alle drei genannten Schlüsselwörter ‚Aufeinander Hören‘, ‚Miteinander sprechen und handeln‘ und ‚Einander begleiten‘ kennzeichnen tatsächlich die Rückmeldungen, wie sie auch hier in diesem Blog festgehalten wurden. Neu oder verstärkt wahrgenommen habe ich heute einen Gedanken zum letztgenannten Punkt der ‚Begleitung‘, als der Erzbischof von Bridgeport (Connecticut/USA), Frank J. Caggiano, die Möglichkeit der „Begleitung der Jugendlichen durch Jugendliche“ anspricht, die bereits von Thomas Andonie in seinem Synodenstatement (vgl. Blog-Beitrag vom 10.10.2018) als Erfahrung aus Deutschland eingebracht wurde:
Bischof Caggiano berichtet, dass junge Menschen einen einzigartigen Beitrag leisten, in der Weise, wie sie die digitalen Technologien nutzen. Junge Menschen verfügen über eine Expertise auf dem "digitalen Kontinent", das ein neues Missionsgebiet sei und in dem junge Menschen andere Jugendlichen am besten evangelisieren.

„Meine Hoffnung ist, dass wir in der Kirche diese Energie sich entfesseln lassen. Denn junge Leute sind diejenigen, die am besten dazu imstande sind, andere junge Leute zu evangelisieren.“

Und Bischof Frank J. Caggiano ist es dann auch, der die strukturellen Vorschläge nach der Synode – unabhängig davon, wieviel das Schlussdokument vorgibt oder nicht –  noch einmal ins Wort bringt. Die große Frage sei es, was in jeder Diözese weltweit vorangebracht werde. Er wolle die Jugendlichen in seiner Diözese zusammenbringen, damit Sie „die Köpfe zusammenstecken und einen Weg nach vorne finden“ können: eine Diözesansynode oder ein Kongress könnten Möglichkeiten sein, die Synode weiterzutragen.

„There was a general agreement that synodality doesn't end here. But that is a need to congretize what we do here in our local area. So I think everybody bishop who is here will come away with this." (eigene Übertragung)



Samstag, 14. Februar 2015

Freundschaft - ein weiterer Schlüsselbegriff für die Familiensynode 2015

Papst Franziskus mutet seiner Kirche bei der Vorbereitung der kommenden Familiensynode im Oktober dieses Jahres viel zu. Wie im Blog vom 19.1.15 beschrieben, soll in einer ‚Kultur der Begegnung‘ von den ‚existentiellen Peripherien‘ aus die Lehre von Ehe und Familie erschlossen werden. Ein abermalig an alle Ortskirchen versandter Fragebogen dekliniert diesen Spannungsbogen in 46 Einzelfragen. Was hier systematisch, Punkt für Punkt, mit großem Ernst reflektiert wird, klingt rund um den Valentinstag in aller Leichtigkeit in den verschiedensten Liebesbeziehungen an.

Valentinstag, Hohenzollernbrücke, Köln (© Holger Dörnemann)
Ob mit Blumen, einem Schloss oder in einem Liebesgruß via Brief oder Snap-Chat ausgedrückt, wird in kleinen oder größeren Liebeszeichen spürbar, dass schon in der Liebe des Anfangs viel von dem enthalten ist, was in biblischer Zeit hinsichtlich der Liebe zwischen Mann und Frau als Analogie von göttlicher und menschlicher Liebe beschrieben wird (vgl. Eph 5,32). In der Liebe von Ehepartnern – so sagt es dann auch knapp anderthalb Jahrtausende später das Trienter Konzil – spiegelt sich die Liebe Christi zu den Menschen und seiner Kirche. Der hier zugrunde liegende Gedanke lässt sich heute noch tiefer ausloten. Denn wenn man die durch Christus möglich gewordene Gottesbeziehung (im Einklang mit einer ganz breiten und doch nicht wirklich rezipierten Traditionslinie über Augustinus, Thomas von Aquin, Teresa von Avila etc.) als Gottesfreundschaft bezeichnet, kann man die diese in unvollkommener Weise abbildende Partnerschaft zweier Eheleute ebenfalls mit der Kategorie der Freundschaft bezeichnen und sie – wie es etwa schon Thomas von Aquin tat – sogar als eine Art ‚größte Freundschaft‘ (Summa contra Gentiles III, 123 n.6) bezeichnen. Orientiert an der aristotelischen Freundschaftslehre wird dabei das Versprechen der Dauer, der Exklusivität wie der Intimität zur Qualifizierung einer besten Freundschaft von Ehepartnern angeführt. Aber auch neben dieser besonderen Art Freundschaft ehelicher Liebe vermag der Freundschaftsgedanke auch einen wertschätzenden Blick auf weitere eheähnliche Partnerschafts- und neue Familienformen zu ermöglichen, die in der gewählten Perspektive der Analogie der Liebe nun auch wahrnehmbar werden.

Die Ehe als besondere Art der Freundschaft. So mancher und manche wird fürchten, dass der religiöse Grundwasserspiegel sich mit dieser auf Facebook-Niveau beinahe zur Beliebigkeit verkommen zu sein scheinenden Kategorie noch einmal mehr senkt und verflacht. Aber tatsächlich ist das Gegenteil der Fall, wenn ernst genommen wird, dass biblisch gerade Gottes Selbsthingabe am Kreuz mit dem Freundschaftsgedanken erklärt wird (…weil es keine größere Liebe gibt, wie wenn jemand sein Leben für seine Freunde hingibt; vgl. Joh 15,13) und seine Selbstmitteilung gerade darin gipfelt (insofern er uns Freunde genannt hat; vgl. Joh 15,15). Auch das II. Vatikanische Konzil erwähnte schon einmal die Bezeichnung ‚Freundschaft‘ (Gaudium et spes 49) innerhalb seines, das reine Vertragsdenken überwindenden Verständnisses der Ehe als ‚Bund‘. Diese Entwicklung, die das bis vor fünfzig Jahre allein geltende ‚Vertragsdenken‘ in Hinblick auf die Ehe vertiefte, kann heute mit dem Freundschaftsverständnis in neuer Weise erschlossen werden. Wie sehr Freundschaft an der Zeit ist, unterstreichen die verschiedensten Jugend- und Wertestudien mit dem Hinweis auf die hohe Übereinstimmung der nachwachsenden Generation in der Sehnsucht nach ‚wahrer Freundschaft‘ und der ‚Liebe des Lebens‘ (welchen Trend die Sozialen Netzwerke sensibel aufnehmen). Wenn am diesjährigen Valentinstag wieder zahllose Paare ein Schloss auf einer Brücke festschließen, den Schlüssel ‚für immer‘ hinter sich werfen und durch einen Kuss besiegeln, legen sie Zeugnis ab für die Entwicklungsrichtung ihrer Freundschaft, die auf eine ‚beste Freundschaft‘ zielt, wie es auch Kardinal Woelki in einem Wort des Bischofs zum diesjährigen Valentinstag ausdrückt.

Freundschaft ist heilig! Und dies entfaltet über den gesamten Spannungsbogen: angefangen bei den Freundschaftserfahrungen von Kindern und Jugendlichen, den Freund- und Partnerschaften Erwachsener bis hin zur ehelichen Freundschaft. Vielleicht ist das einer der Schlüsselgedanken, nach denen Papst Franziskus zur Vorbereitung der Familiensynode 2015 fragt?!


(Der Gedankengang findet sich auch in 'Christ & Welt 7/2015, 6' und ausführlich in 'Ehe und Familie. Lernorte des Glaubens, Würzburg 2014, 11-36.)


Montag, 7. Oktober 2024

Friedensgebete und der Vorschlag, von den Bedarfen der Mission her neu zu denken – oder: weiterführende Perspektiven zu Beginn der 2. Synodenwoche

Dem Frieden in den verschiedenen Kriegsgebieten der Erde waren heute die Gebete und auch eine Einladung zum Fasten gewidmet – ein Friedensansinnen, das nach den einleitenden Worten des Generalrelators Kardinal Jean-Claude Hollerich bis hinein in die Beratungen in der Synodenaula wirken solle, die diese Woche unter dem Oberbegriff „Beziehungen“ stehen. Bis einschließlich Mittwoch geht es ab dem heutigen Montagmorgen – nach der Beratung der einleitenden „Grundlagen“ in der Vorwoche - um den 1. Teil des Instrumentum laboris, der mit ebendiesem Kurztitel „Beziehungen“ überschrieben ist.

Wieder in denselben Sprachgruppen, aber innerhalb derselben in neu gemischten Tischgruppen, wird analog zur Vorwoche das Gespräch im Geiste zu den in diesem Kapitel angesprochenen Themenkreisen den ersten Tag der 2. Synodenwoche prägen, bevor am Dienstag – nach der Wahl der Mitglieder für die Redaktionskommission für das Abschlussdokument – bereits die Vorstellung der Zusammenfassungen der Sprachtische angesetzt ist und die Diskussion freier Redebeiträge am Dienstagnachmittag und Mittwochvormittag folgt. Kardinal Hollerich steckt in seiner Einführung einen Rahmen für diese Beiträge ab:

„Die Diskussionen der Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmer in den kommenden Tagen sollen sich auf die folgenden vier Aspekte konzentrieren, die den verschiedenen Ebenen kirchlicher Beziehungen gewidmet seien - Kardinal Hollerich zählte auf: „Die Beziehung zu Gott: Ausdruck dieser grundlegenden Verbindung ist die christliche Initiation, die den Weg der Gläubigen in die Gemeinschaft mit Christus darstellt; Die Beziehungen unter den Gläubigen: Diese betreffen die vielfältigen Charismen und Ämter, die jedem Gläubigen durch die Taufe geschenkt werden und die Kirche bereichern; Die Harmonie zwischen den geweihten Amtsträgern und den Laien: Diese Beziehungen sollen die Gemeinschaft und Gegenseitigkeit innerhalb der Kirche fördern und bewahren und die Beziehungen zwischen den Kirchen und zur Welt: Dieser Bereich befasst sich mit dem Austausch der Gaben zwischen den verschiedenen Kirchen und der Konkretheit der kirchlichen Gemeinschaft in der Welt.“ (Vaticanews, 20.10.2024)

Kardinal Hollerich hofft, dass die synodale Arbeit wie die Diskussion in den kommenden Tagen „nicht nur auf theoretischer Ebene bleiben dürfe“, sondern „konkrete Schritte“ (in den Blick nehme; HD), um das synodale Leben der Kirche greifbar zu machen.“ (Ebd.)  Genau diese auf die Praxis abzielende Perspektive sei der eigentliche Unterschied und Auftrag dieses 2. Teils der Weltsynode nach dem vorausgegangen 1. Teil im vorausgegangenen Jahr.

Vor dem Hintergrund der ersten Synodenwoche muss man kein Prophet sein, wenn unter dem Aspekt der „Beziehungen“ auch die Fragen nach der Beteiligung von Frauen in der Kirche eine zentrale Rolle spielen wird. Auch wenn die Pressekonferenzen nicht direktes Abbild der Beratungen der Synodenaula sind, wird die Frage nach Leitungsaufgaben und Ämtern für Frauen bis zum Diakonat der Frau sicher auch immer wieder in den freien Beiträgen neu angesprochen werden.

Im Presse-Briefing vom 7.10.24 wurde gleich fünfmal die Rückfrage nach dem Einbezug von Frauen in Leitung und Ämtern an die Gäste der hochkarätig besetzten Pressekonferenz gerichtet. Und den Antworten – es beteiligten sich alle Podiums-TN mit unterschiedlichen Akzentsetzungen daran – war abzulesen, wie sehr dieses Thema gerade alle und damit auch viele Synodenväter und –mütter beschäftigt. Die größten Hoffnungen in die jetzt hierzu arbeitende Arbeitsgruppe 5 legte in der Pressekonferenz Sr. Mary Teresa Barron, OLA., Vorsitzende der Internationalen Vereinigung der Ordensoberinnen (U.I.S.G.), die von den bereits unter Papst Franziskus eingesetzten Arbeitsgruppen zu dieser Frage berichtete und auch unterstrich, dass Papst Franziskus dieser Idee gegenüber aufgeschlossen sei. Kardinal Oswald Gracias pflichtet ihr als Mitglied des Kardinalsrates bei, welcher sich in diesem Frühjahr bereits aus den verschiedenen Perspektiven mit dem Thema eingehend auseinandergesetzt habe. Auch wenn es im Teil 2 des Instrumentum laboris unter dem Titel der Beziehungen auch um viele andere Themen geht, ist doch das in der Pressekonferenz ebenfalls benannte „main topic“ Frauendiakonat weiterhin das Thema, das in der Luft liegt:

Vatican Media

In der letzten Viertelstunde der Pressekonferenz wurde Sr. Mary Teresa Barron auf eine weitere interessierte Nachfrage hinsichtlich der Ämterfrage für Frauen am deutlichsten, dass es auch darum gehe, nicht ignorant zu sein gegenüber den vielen Möglichkeiten, die es bereits gibt und in verschiedenen kulturellen Kontexten je unterschiedlich möglich wären. Zur Frage nach dem Weiheamt für Frauen trug sie aus dem Stegreif eine für die synodale Beratung weiterführende Argumentation vor, deren "call" hoffentlich auch in der Synodenaula gehört wird:

Dass sich die Synode lösen müsse von der Frage, ob die Weihe von Frauen aus biblisch-kirchengeschichtlichen oder kanonischen Erwägungen zu Diakoninnen oder Priesterinnen möglich sei oder nicht, sondern die Perspektive wechsele und einbeziehe, dass der Heilige Geist Frauen heute in den Dienst ruft, ihnen heute eine Berufung zum Priestertum oder Diakonat schenkt. Es gelte über eine  Pro-Contra-Diskussion hinaus diese Frage vor dem Hintergrund der Bedarfe der Mission neu in den Blick zu nehmen.

Da diese Fragen von Teilhabe, Gemeinschaft und Mission – so der Untertitel des Synodentitels – im Zentrum der Beratungen des 2. Teils der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode stehen und sie dankbar auch auf das Treffen mit den Arbeitsgruppen am 18.10.24 hofft, schließt Sr. Mary Barron:

„We have to trust in the process!“

 

Dienstag, 1. Oktober 2024

„Not lock us inside our little churchy world“ - oder: Wie in den Besinnungstagen und in der Bußvigil das Fundament für die morgen beginnende Weltsynode bereitet wurde

© Vatican Media

Bereits mit dem gestrigen Tag begann im Grunde der offiziell am morgigen 2.10.24 mit einer Eucharistiefeier ansetzende und abschließende Teil der bereits seit dem Jahr 2021 laufenden und bis zum 27.10.24 dauernden XVI. Generalversammlung der Bischofssynode. Dass dies nicht nur mein subjektiver Eindruck, sondern auch die Wahrnehmung des Sekretärs der Bischofsynode Kardinal Mario Grech ist, unterstrich dieser in seiner Einführungsrede zu der zweitätigen Besinnungsphase: „Diese Einkehrtage, so Grech, seien nicht nur eine Vorbereitung, sondern ein integraler Bestandteil der Synode“.  

Wie bereits im Vorjahr führten Pater Timothy Radcliffe OP und Sr. Maria Grazia Angelini OSB mit geistlichen Impulsen eingerahmt in Gebetszeiten des Stundengebets und des persönlichen Gebets in die Themenstellung der Synode ein. Lag im vergangenen Jahr der Fokus auf dem Einander Hören sind die Besinnungsimpulse dieses Jahr der Frage gewidmet, wie es gelingt eine missionarische Kirche zu sein (How to be a missionary synodal Church).

Vor allem die vier Beiträge von Pater Radcliffe zu vier Auferstehungsszenen aus dem Johannesevangelium „Die Suche im Dunkeln“, „Der verschlossene Raum“, „Der Fremde am Strand“ und „Frühstück mit dem Herrn“ erreichten eine Tiefe und atmeten doch auch eine Leichtigkeit, die eine Ahnung geben, „wie wir eine missionarische synodale Kirche in unserer gekreuzigten Welt sein können“. (Vaticannews vom 30.09.24)

© Vaticanmedia

Timothy Radcliffe bezog die Suche im Dunkeln auch auf die Erwartungen an die bevorstehende Synode:

"We too may even feel in the dark. Since the last Assembly, so many people, including participants in this Synod, have expressed their doubts as to whether anything is going to be achieved. Like Mary Magdalene, some say, ‘Why have they taken away our hope? We expected so much from the Synod, but perhaps there will be just more words."

"Auch wir mögen uns im Dunkeln tappend fühlen. Seit der letzten Vollversammlung haben viele Menschen, auch die Teilnehmer dieser Synode, ihre Zweifel daran geäußert, ob überhaupt etwas erreicht werden kann. Wie Maria Magdalena sagen einige: „Warum haben sie uns die Hoffnung genommen? Wir haben so viel von der Synode erwartet, aber vielleicht sind es nur mehr Worte."   (Vaticannews vom 30.09.24 eigene Übersetzung)

"Die Suche nach dem Herrn im Dunkeln" brauche all diese Zeugen (die Skeptischen, Enttäuschten, sich ausgeschlossen Fühlenden, HD) sowie die Synode all die Arten braucht, in denen wir den Herrn lieben und suchen, so wie wir die Suchenden unserer Zeit brauchen, auch wenn sie unseren Glauben nicht teilen."

„Wenn wir den Fragen der anderen mit Respekt und ohne Angst zuhören, werden wir einen neuen Weg finden, im Geist zu leben. (…) Diese Synode wird ein Moment der Gnade sein, wenn wir uns gegenseitig mit Mitgefühl betrachten und Menschen sehen, die wie wir auf der Suche sind. (...) Wenn wir uns für die unendliche Sehnsucht des anderen öffnen, werden wir das Boot der Mission zu Wasser lassen.“ 
If we listen to each other’s questions with respect and without fear, we shall find a new way to live in the Spirit. (...) This synod will be a moment of grace if we look at each other with compassion, and see people who are like us, searching. (...) If we open ourselves to each other’s infinite yearning, we shall launch the boat of mission.   (Vaticannews vom 30.09.24eigene Übersetzung)

Im Blick auf Vorjahr des 1. Teils der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode erinnert Timothy Radcliffe hinter dem gemeinsamen Sehnen und gemeinsamen Suchen und Ringen auch das Aufeinandertreffen der interkulturellen Besonderheiten und Unterschiede: 

„Als ich letztes Jahr zur Synode kam, dachte ich, dass die große Herausforderung darin besteht, den giftigen Gegensatz zwischen Traditionalisten und Progressiven zu überwinden. Wie können wir diese Polarisierung heilen, die dem Katholizismus so fremd ist? Doch als ich zuhörte, schien es eine noch grundlegendere Herausforderung zu geben: Wie kann die Kirche all die verschiedenen Kulturen unserer Welt einbeziehen? Wie können wir das Netz mit seinen Fischen aus allen Kulturen der Welt einholen? Wie kann das Netz nicht zerrissen werden?“ (Vaticannews 1.10.24 eigene Übersetzung)

Ein neues Pfingsten

Radcliffs Hoffnung ist es für die kommenden Synodenwochen, „die Grundlage unserer Mission in unserer zerrissenen und geteilten Welt“ und „ein neues Pfingsten“ zu erleben, „bei dem jede Kultur in ihrer eigenen Muttersprache spricht und verstanden wird.“:

„Zuallererst sollten wir erkennen, dass wir einander brauchen, wenn wir katholisch sein wollen. Die verschiedenen Kulturen, die auf dieser Vollversammlung versammelt sind, bieten einander Heilung an, stellen gegenseitig ihre Vorurteile in Frage und rufen sich gegenseitig zu einem tieferen Verständnis der Liebe auf.“ (…)  Keiner kann das Ganze erfassen; die unzähligen Erkenntnisse bilden eine Art Mosaik, das ihre Komplementarität und Wechselbeziehung zeigt. Um ganz zu sein, braucht jeder den anderen. Der Mensch nähert sich der Einheit und Ganzheit seines Wesens nur in der Gegenseitigkeit aller großen Kulturleistungen.“ (Vaticannews 1.10.24 eigene Übersetzung)

Gegenseitiges Vertrauen ist Grundlage für einen lebendigen Austausch, in denen Verletzungen aushaltbar und auch die Bereitschaft vorhanden sind, eigene Fehler einzugestehen und zu bekennen. Vertrauen und Glaubwürdigkeit brauchen das gegenseitige Vertrauen und lassen auch die tiefe Einheit erlebbar werden, die alle verbindet:

"This ist the foundation of our unity, gracious shared forgiveness."  
„Dies ist die Grundlage unserer Einheit, die gemeinsame und gnadenhaft geteilte Vergebung.“(Vaticannews 1.10.24 eigene Übersetzung)

Von seinem Redemanuskript abweichend zitierte Pater Radcliffe aus einem Beitrag zuvor von Sr. Maria Grazia Angelini:

"Wie sagte Schwester Maria Grazia so schön heute Morgen: Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir heute Abend mit einem Bußgottesdienst beginnen. Denn das ist es, was uns miteinander verbindet."

"Sr. Maria Grazia said so beautiful this morning.  That why is ist so right that we begin with service of repentence this evening. Because that ist what binds us together.

Bußvigil im Petersdom

Mit dieser Hinführung von Pater Timothy und Sr. Maria Grazia klang die abendliche Bußfeier, die von Papst Franziskus im Petersdom geleitet wurde, bereits während der Besinnungstage zuvor an. Die Vigil wurde eingeleitet durch Zeugnisse eines Missbrauchsopfers aus Südafrika, dann von einer Italienerin, die vom Leiden von Bootsflüchtlingen und Migranten, und von einer syrischen Ordensfrau, die von den Schrecken des Kriegs in ihrer Heimat berichteten. Die Zeugnisse leiteten über zum Höhepunkt des Ritus der Bußvigil mit den zuvor und seitdem auch an verschiedenen anderen Stellen in Zweifel gezogenen sieben Vergebungsbitten, die eigens und bewusst von Kardinälen der römischen Kurie sowie aus verschiedenen Ortskirchen weltweit vorgetragen wurden.


"Der Inder Oswald Gracias bat unter anderem um Vergebung dafür, dass Katholiken in der Vergangenheit oft das Leben missachtet und sich nicht um Frieden bemüht haben; der kanadische Jesuit Michael Czerny bat um Verfehlungen gegen die Schöpfung und drückte Scham für Kolonialismus aus, US-Kardinal Seán O’Malley brachte die Vergebungsbitte zu Gehör, die sich auf Missbrauch bezog. Der frühere Erzbischof von Boston leitet die päpstliche Kommission für Kinderschutz. (...) 
Eine eigene Vergebungsbitte, die der irisch-amerikanische Kuriale Kevin Farrell vortrug, zielte unter anderem auf die Missachtung der Würde von Frauen. Der oberste Glaubenshüter im Vatikan, der Argentinier Víctor Fernández, bat unter anderem um Vergebung für Verfehlungen gegen die „Einheit des christlichen Glaubens und die echte Geschwisterlichkeit der ganzen Menschheit“. Der Spanier Cristóbal López Romero, der Erzbischof der marokkanischen Hauptstadt Rabat ist, verlas eine Vergebungsbitte für Verfehlungen und Unterlassungen den Armen gegenüber, und dem Wiener Erzbischof Christoph Schönborn kam es zu, in seinem Text die „Hindernisse für den Aufbau einer wahrhaft synodalen, gemeinsamen Kirche“ zu beklagen." (Vaticannews 1.10.2024)

Auf der Grundlage der Besinnungstage und des Bußgottesdienstes ist das Fundament für einen achtsamen, bewussten Beginn und hoffentlich auch für den weiteren Verlauf der Weltsynode gelegt. Für ein „neues Pfingsten“ kommt es auf die Präsenz aller an. „For today is the only day we have. Carpe Diem!“, wie Pater Radcliffe seine Besinnungsimpulse beendete und positiv auf den Synodenbeginn ausblickt:

"...not lock us inside our little churchy world. (...) God is revealed on mountain tops with unbounded horizons and outside the camp." (Vaticannews 1.10.24)