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Sonntag, 27. Oktober 2024

Vielleicht werden wir in 10 Jahren sagen: Wir waren dabei!“ oder: Zur Inkraftsetzung der „Synodalität, welche der Weg ist, den Christus sich von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet.“

©Vatican Media
(Abschlussbild mit allen Synodenmüttern und -vätern am 26.10.24)

Mit einem Gottesdienst im Petersdom ist heute die XVI. Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema der Synodalität zu Ende gegangen. Als ein Austauschgremium zwischen den Bischöfen und dem Papst mit dem Motu proprio Apostolica sollicitudo („Mit apostolischer Sorge“) von Papst Paul VI. am 15. September 1965 eingerichtet ist die Bischofssynode Ausdruck der auf dem II. Vatikanischen Konzil beschlossenen Kollegialität der Bischöfe und der Einheit mit dem Bischof von Rom. Sie berät den Papst zu zentralen Themenstellung der Kirche – im Pontifikat von Papst Franziskus zu den Themen Familie (2014/15), Jugend (2018) – in einer außerordentlichen Bischofssynode zu Themen Amazoniens (2019) – und jetzt eben zur Synodalität (2021-2024).

Das Thema der Synodalität – in diesem Blog seit dem 17. Oktober 2015 der Fokus-Begriff beinahe aller Beiträge – ist mit der an diesem Sonntag zu Ende gegangenen Bischofssynode in eine neue Phase eingetreten. War das Anliegen der „heilsamen Dezentralisierung“ bereits seit dem Festakt zu "50 Jahre Bischofssynode" am 17. Oktober 2015  gewissermaßen ausgerufen, dass Synodalität für Papst Franziskus „der Weg ist, den Christus sich für seine Kirche im 3. Jahrtausend erwartet“ und die benannte „heilsame Dezentralisierung“ schon aus dem programmatischen Lehrschreiben Evangelii gaudium (EG 16) aus dem ersten Jahr seines Pontifikats oft zitiert, dauerte es bis zur lange erwarteten und erst am 19. März 2022 veröffentlichten Kurienreform Praedicate Evangelium, die römische Kurie mit all ihren Behörden umzubauen, neu zu ordnen und programmatisch auf die Unterstützung des Sekretariats der Bischofssynode und der Teil- und Ortskirchen auszurichten.

Um aber die gesamte Weltkirche auf den Weg der Synodalität einzustimmen, bedurfte es einer über drei Jahre angelegten Bischofssynode mit Befragungen auf nationaler und Treffen auf kontinentaler Ebene und zweier Weltsynoden im vergangenen und diesem Jahr in Rom. Das von den teilnehmenden Synodalen – und den seit dem letzten Jahr mit ein 25%-Quorum mit Stimmrecht einbezogenen Laiinnen und Laien – beratene und mit großer Einmütigkeit befürwortete Abschlussdokument wurde von Papst Franziskus entsprechend der im Jahr 2018 neugefassten Synodenordnung Episcopalis communio angenommen und in der Weise seiner Approbation – nach EC Art 18 § 1 – nicht nur zur Veröffentlichung und Umsetzung freigegeben, sondern darin zugleich – wie gestern hervorgehoben – zu einem Teil seines ordentlichen Lehramts.

Im Grunde ist mit dem Ausgang dieser Weltsynode Synodalität "auf Dauer" gestellt worden, in der im Sinne der angesprochenen Rekonfiguration der Katholischen Kirche alle Handlungs- und Verantwortungsebenen in der Kirche eine neue Aufgabe erhalten. Das Papsttum ist ausgerichtet auf sein Amt der Wahrung der Einheit, die Kurie in der schon angesprochenen Aufsichts- und Service-Funktion im Sinne der Synodalität bestätigt, kontinentale Versammlungen angeregt, aber nun vor allem auch die Bischofskonferenzen auf nationaler Ebene in neuer Weise aufgefordert, ihre Aufgaben im Sinne der heilsamen Dezentralisierung mit einer neu umrissenen Lehrautorität auszuüben und dafür Sorge zu tragen, dass Synodalität das Leben der Kirche – angefangen in den Gemeinden und übergeordneten pastoralen Bereichen und Diözesen – insgesamt prägt.

Dass das in Kraft gesetzte Abschlussdokument der Weltbischofssynode nun ebenso sehr das Engagement vor Ort und der Rezeption bedarf wie einer Nacharbeit und Inkraftsetzung der kirchenrechtlichen Konsequenzen im Codex Iuris Canonici (der mit allen seinen nunmehr anstehenden Änderungen sicher auch nach der letzten großen Revision von 1983 und dessen Vorgängerversion von 1917 neu herausgegeben werden muss) ist ebenfalls eine Folge der spontanen Inkraftsetzung des Abschlussdokuments am gestrigen Abend. Aber ab jetzt heißt es vor Ort im Verantwortungsbereich der Ortsbischöfe und nationalen Bischofskonferenzen selbst verantwortlich über Themen zu beraten und zu entscheiden, von denen vormals – wie etwa im Rahmen vieler Handlungstexte des Synodalen Wegs – viele an Rom adressiert wurden. Aus dem Bereich der auf der Weltsynode diskutierten Themen wird man hier die Fragen der LGBTIQ-Pastoral wie der Polygamie der nationalen oder kontinentalen Handlungsebene zuordnen können.

Umgekehrt werden römische Behörden (die seit der erwähnten Kurienreform allesamt in Dikasterien umbenannt wurden) auch weiter ihre Verantwortung bei Themen des Glaubens, der Moral und der sakramentalen Disziplin wahrnehmen – wie auch das Amt des Papstes als Garant der Synodalität (nr. 130), als „Garant der Einheit in der Verschiedenheit“ (nr. 132) in neuer Weise hervorgehoben wird. Das Inkraftsetzen des synodal Beratenen gehört darin entsprechend Episcopalis communio zu seinen geborenen Aufgaben (nr. 131). Meine Blog-Berichterstattung neigt sich mit diesem gestern vollzogenen „Ruck“ der Rekonfiguration der Katholischen Kirche dem Ende zu, da alle weiteren kirchenrechtlichen Umsetzungen – auch wenn sie dauern und die Aufnahme der zugewachsenen synodalen Verantwortung vor Ort auch noch ihre Zeit brauchen. Bis hin zur Frage des Frauendiakonats – das auf weltkirchlicher Ebene weiter beraten wird und dank der eingebrachten Änderungsmodi Anfang der Woche ausdrücklich als weiter "offen" hervorgehoben wird (nr. 60) – sind viele weitere Themen ableitbar und vor Ort lösbar, selbst wenn dies seinerseits synodale Kärrnerarbeit bedeuten wird.

Vielleicht, wenn wir uns in zehn Jahren wieder treffen, können wir sagen: Wir waren dabei!“, sagte Kardinal Reinhard Marx vor ziemlich genau 10 Jahren auf die Bedeutung des von Papst Franziskus angestoßenen synodalen Prozesses im Verhältnis zum II. Vatikanischen Konzil angesprochen. Ich persönlich – von Anfang meiner Synoden-Beobachtung seit dem Oktober 2014 getriggert vom "Geist der Synodalität" – bin dankbar über zehn Jahre die Entwicklungen erlebt zu haben. Für mich als Theologe war es die spannendste Zeit seit Ende des II. Vatikanischen Konzils, wie es im Vorwort des 1. Teils des Synodentagebuchs "Synodalität und Kirchenreform" heißt und auch im jetzt zu erstellenden 2. Teil noch einmal heißen wird. Und ebenfalls wird darin noch einmal der in diesem Blog meistzitierte Satz aus der Festansprache von Papst Franziskus aufgenommen sein, dass „Synodalität der Weg ist, den Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet.“ 

Vielleicht werden wir in 10 Jahren sagen: Wir waren dabei!“, werden wir dann vielleicht auch rückblickend auf den 26. Oktober 2024 sagen. In dieser festen Erwartung sage ich allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs über die vergangenen 10 Jahre von Herzen 'Dank' für das Interesse!

Holger Dörnemann


Sonntag, 22. September 2024

 „Wider die Sünde gegen die Synodalität“ – Zur Vorstellung der Methodologie, Regeln und der Teilnehmenden der Weltsynode und warum es jetzt ums Ganze geht.

"Der gesamte Prozess der Synode 2021-2024 lässt sich von einer grundlegenden Frage leiten: „Wie verwirklicht sich heute auf den verschiedenen Ebenen (von der lokalen bis zur universalen Ebene) jenes ‚gemeinsame Gehen‘, das die Kirche befähigt, das Evangelium gemäß der ihr anvertrauten Sendung zu verkünden, und zu welchen Schritten lädt uns der Geist ein, um als synodale Kirche zu wachsen“ (Vorbereitungsdokument, Nr. 2)."

© Synod.va

Mit diesem Zitat beginnt das am 16. September 2024 auch in deutscher Sprache veröffentlichte Dokument zur Methodologie des zweiten Teils der  vom 2. bis 27. Oktober 2024 in Rom tagenden Weltbischofssynode. In fünf Modulen – einem einführenden zu Grundlagen, drei zu den im Instrumentum laboris grundgelegten Aspekten "Beziehungen, Wege und Orte" und einem abschließenden zum gesamten, erarbeiteten Textentwurf – wird eine über 36 Tischgruppen in der bereits eingeführten Methode des Gesprächs im Heiligen Geist erarbeitete Arbeitsweise bereits detailliert verteilt auf die vier Synodenwochen vorgestellt, die sicherstellen soll, dass alle Teilnehmenden gleichermaßen an der Texterarbeitung beteiligt werden und das spezifische geistliche Element der Unterscheidung auch zum Tragen kommt. Entsprechend ihrer jeweiligen Rolle - so führen der Sekretär der Bischofssynode Kardinal Mario Grech und Generalrelator Kardinal Jean-Claude Hollerich in einer Pressekonferenz aus - haben die insgesamt 368 Teilnehmenden eine spezifische Aufgabe, für die jeweils besondere Regeln gelten. Rein formal soll auf diese Weise sichergestellt werden, dass wirklich alle unter der Führung des Heiligen Geistes in einem lebendigen Miteinander gehen, beten und beraten und so in einer von allen mitgetragenen Bewegung die Zukunft der Kirche gestaltet und fortgeschrieben wird. Dabei steht die Geltung der Synodalität selber im Mittelpunkt der weltkirchlichen Beratungen, insofern sich – unbeschadet von einzelnen Themen, die auf diese Weise in den Vordergrund rücken – am gelingenden Verlauf auch die Implementierung des Selbstverständnisses der Katholischen Kirche als einer synodalen Kirche unter Beweis stellt. Darum und um nichts weniger geht es: Es geht ums Ganze, um die in den vergangenen Jahren sukzessive vorangetriebene synodale Ausgestaltung der katholischen Kirche – seit der Doppelsynode zur Familie 2014/15, mit der dieser Synodenblog begann.

In Kürze ist es zehn Jahre her, dass Papst Franziskus zu Beginn der ersten Weltsynode zur Familie am 6. Oktober 2014 dazu einlud, die Beratungen „im Geist der Synodalität“ zu führen und wenig später am 17. Oktober 2015 in einer Ansprache aus Anlass der Feier von 50 Jahre Bischofssynode Kollegialität und Synodalität als Wesensvollzüge einer sich erneuernden Kirche beschrieb – mit dem oft zitierten Spitzensatz zur „Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet." Die Reflexion auf die Bedeutung von Synodalität gehört seitdem bis zur Kurienreform zum ceterum censeo der Kirchenentwicklung. Wenn aber heute nicht nur über dieses oder jenes Einzelthema debattiert und gerungen wird – so etwa die Ämterfrage, den Zölibat oder Fragen der Geschlechtergerechtigkeit –, sondern die synodale Verfasstheit der Kirche insgesamt infrage gestellt wird, zielt eine solche Kritik nicht nur auf das Vermächtnis des derzeitigen Pontifikats, sondern zentral auf den Markenkern der im II. Vatikanischen Konzil gewandelten katholischen Kirche. So ist die Gegenrede des nicht erst seit seiner Entlassung vor sieben Jahren aus dem Amt des Vorsitzenden der ehemaligen Glaubenskongregation (seit der Kurienreform 2022: Dikasterium für die Glaubenslehre) notorisch papstkritisch auffallenden Kardinals Gerhard Ludwig Müller wider eine Sünde gegen die Synodalität nicht weniger als ein kirchenspalterischer Versuch eine vorsynodale Kirche zu restaurieren, den synodalen Prozess zu unterlaufen und zu diskreditieren. Die beißende Kritik des 76 jährigen Kurienkardinals macht sich diesmal an einer Bußliturgie im Anschluss an die Besinnungstage am Vorabend vor dem Synodenbeginn am 1. Oktober fest:

© Synod.va

„Bei der Bußfeier im Petersdom, die von Papst Franziskus geleitet wird, werden (…) auch eine Reihe von Sünden gebeichtet. Dabei geht es nicht darum, die Sünde der anderen anzuprangern, sondern sich selbst als Mitglied derer zu bekennen, die durch Unterlassung oder Handlung zur Ursache des Leids werden und für das Böse verantwortlich sind, das Unschuldigen und Wehrlosen zugefügt wird. Wer die Bitte um Vergebung ausspricht, tut dies im Namen aller Getauften und bekennt die folgenden Verfehlungen:

- die Sünde gegen den Frieden
- die Sünde gegen die Schöpfung, gegen die einheimische Bevölkerung, gegen die Migranten
- die Sünde des Missbrauchs
- die Sünde gegen Frauen, Familie, Jugend
- die Sünde, die Lehre als Stein des Anstoßes zu benutzen
- die Sünde gegen die Armut
- die Sünde gegen die Synodalität / den Mangel an Zuhören, Gemeinschaft und Beteiligung aller“

Wenn es bei einer Bußandacht nicht auch um die persönlichsten Gefühle aller Synodalinnen und Synodalen ginge, würde die Polemik, Gefühllosigkeit und Niveaulosigkeit der Argumentation auf den Autor selbst zurückfallen, die Kardinal Müller am 20. September 2024 in einer Presseveröffentlichung über ein einschlägiges österreichisches Nachrichtenmagazin verbreitet:

„Der vorgelegte Katalog mit angeblichen Sünden gegen die als Wurfgeschoss missbrauchte Lehre der Kirche oder gegen die Synodalität, was man auch immer darunter verstehen mag, liest sich wie eine Checkliste der christlich etwas mühsam verbrämten Woke- und Gender-Ideologie, abgesehen von einigen Missetaten, die zum Himmel schreien. (…) Es gibt auch keine Sünde gegen eine Art von Synodalität, die als Mittel zur Gehirnwäsche gebraucht wird“. (kath.net, 21.09.2024)

Diese beißende Gegenrede gegen Form, Inhalt und Zielrichtung der Weltsynode mit dem Titel „Für eine synodale Kirche“ trägt diabolische, kirchenspalterische Züge und hat das Potenzial zerstörerisch Kreise über den deutschen Sprachraum zu ziehen. Sie zündelt diesmal – wie ähnlich schon zu Beginn des ersten Teils der Weltsynode und wie bei den Synoden davor immer wieder erlebt und in diesem Blog festgehalten – nicht nur am Ansehen und der Leitung von Papst Franziskus, sondern nunmehr am Markenkern der Katholischen Kirche. Es geht bei der Weltsynode gleich zu Beginn gegen restaurative Kräfte innerhalb der katholischen Kirche diesmal um nichts weniger als ums Ganze!



Donnerstag, 25. Oktober 2018

Synodality is the keyword - oder: über Pilger, Protagonisten und die Pseudopresse
Die Idee einer Wallfahrt war erst im Rahmen der Jugendsynode entstanden und hätte dem Ambiente die Zueinanders der Synodalen, Expert*innen und der jungen Auditor*innen wahrscheinlich schon früher gut getan, schreibt Clemens Blattert SJ in seinem persönlichen Synodenblog: “So etwas hätte es eigentlich schon nach den ersten drei Sitzungstagen gebraucht, um uns auch abseits des Protokolls besser kennen zu lernen": Der 6 km lange Weg entlang der Via Francigena, der mit einem Gottesdienst mit einer beeindruckenden Predigt Kardinal Rino Fisichellas, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung, abgeschlossen wurde:
Die Auslegung der Evangeliums-Textstelle Johannes 21,15-22 über dem Petrusgrab war zugleich eine Predigt über eine über 30 Jahre währende Berufungsentwicklung von Petrus, den in Jugendjahren die Berufung Jesu ereilte, aber erst etwa 30 Jahre später den Ruf der Letzthingabe in der Liebe ganz gehen konnte. Ohne es direkt auszusprechen, war auf die jungen Erwachsenen wie die älteren Synodalen hin gesagt, dass die Berufungsentwicklung ein Weg ist, der in jungen Jahren beginnt und auch mit ergrauten Haaren noch nicht abgeschlossen ist. Der Glaube als ein Weg. Zeugnisse der Hingabe, davon waren die synodalen Tage voll – und zuweilen schienen die Jugendlichen die Bischöfe nicht nur durch Kreativität und einen „Wasserfall“ (so Kardinal Bassetti heute) an Lebensenergie, sondern auch mit ihren Lebenszeugnissen in der Synodenaula zu beeindrucken, ja mit ihrem Lebenszeugnis tief zu berühren. Kardinal Tagle erwähnte nach Momenten einer Tränenrührung die Beispiele des 23jährigen Safa aus dem Irak (s. Blog-Beitrag vom 23.10.2018) und des 26jährigen Daniel aus Pakistan, die allen Synodenteilnehmer*innen eindrucksvoll mit ihrer bezeugten Glaubenserfahrung in Erinnerung bleiben werden. In dieser Erfahrung des ‚Gemeinsam-auf-dem-Weg-Seins‘ stand am Ende das immer wieder zu hörende ‚Wir‘, das ‚Gemeinsam‘ und ‚Zusammen‘ von Jung und Alt, Bischöfen und Auditor*innen und Expert*innen und die Erfahrung des gemeinsam voranschreitenden Volkes Gottes – wie es Kardinal Marx gestern sagte, am Ende der dreieinhalb Wochen Jugendsynode: eine Erfahrung gelebter Synodalität.
Synodalität – von der Wortbedeutung meint es ebendieses ‚Miteinander Gehen und Unterwegssein‘ – ist auch heute der meistgebrauchte Begriff in der Pressekonferenz. Kardinal Gualtiero Bassetti, Erzbischof von Perugia und Präsident der Italienischen Bischofskonferenz (CEI), den ich persönlich auf einer CEI-Tagung zur Rezeption von Amoris laetitia Ende des Jahres 2017 und auf dem diesjährigen Weltfamilientreffen in seiner weisen und theologisch-dichten Denkart schätzen gelernt habe, berichtet in seinem ersten öffentlichen Statement überhaupt während der Synode von dem „Camminare insieme‘, das die intensiven Tage dieser Synode prägte:

"Il Sinodo è stato 'una policromia di colori e una polifonia di lingue', la presenza dei giovani ci ha fatto 'sperimentare il vento della Pentecoste'”.  
"Die Synode sei 'ein Polychrom von Farben und eine Polyphonie der Sprachen' gewesen, die Anwesenheit junger Menschen hat uns 'den Wind von Pfingsten' erleben lassen." (Vatican News vom 25.10.2018; eigene Übertragung)


Synodality is a Keyword
Für den heute ebenfalls zur Pressekonferenz erschienenen Kardinal Arlindo Gomes Furtado, Erzbischof von Santiago (Kap Verde), war diese Synode eine tiefe Erfahrung von “Gemeinschaft”, eines “Zusammen Gehens’, das auch für den jungen, brasilianischen Auditor der Schönstattbewegung Lucas Barboza Galhardo als Prozess weitergehen werde. Und gleichermaßen äußert sich auch Erzbischof Hector Miguel Cabrejos Vidarte OFM (Trujillo/ Peru), der von der Erfahrung einer außerordentlichen Zusammenarbeit spricht: Das Verständnis der Kirche von Synodalität habe sich entscheidend weiterentwickelt:

"He said that synodality is a keyword and that in these days it has been a true gift of the Holy Spirit. He said that he Church must work on this and practice it more so that it grows.”

"Er sagte, dass die Synodalität ein Schüsselwort und dass sie in diesen Tagen ein wahres Geschenk des Heiligen Geistes gewesen sei. Er sagte, dass die Kirche daran arbeiten und sie praktizieren müsse, damit Sie weiter wachse. "  (Vatican News vom 25.10.2018; eigene Übertragung)


Dass Synodalität aber nicht nur ein Thema der der reflektierenden Pressekonferenzen, sondern ein Herzthema in der Synodenaula selbst gewesen ist, davon gibt auch ein Retweet des jungen amerikanischen Auditors Jonathan Lewis Zeugnis, den ich heute mehr durch Zufall eingefangen habe und davon berichtet, dass in den zurückliegenden Wochen kein Statement eines Bischofs größeren Beifall in der Synodenaula erhalten habe, als ein Bekenntnis zur Synodalität, die dieser auch als Weg zur Demokratisierung der Kirche verstand.
Synodalität ist für Papst Franziskus der „Weg der Kirche (…), den Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet.“ (Vgl. Blog-Beitrag vom 17.10.2015) Und wir haben es bereits auf den vergangenen Familiensynoden erlebt – und erleben es auf dieser Jugendsynode aufgrund der neuen Geschäftsordnung bzw. der Apostolischen Konstitution Episcopalis communio noch einmal mehr –, wie der synodale Weg von dem Einbezug des Gottesvolkes und einer breit angelegten Vorbereitung, über die Synode selbst bis zur Fertigstellung des Abschlusstextes und der Annahme durch den Papst ein Voranschreiten des gesamten Gottesvolkes ist, bei dem in der gewählten Methode bis zum synodal erarbeiteten Ergebnis deutlich wird, dass der Papst „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ ist und zugleich die „Notwendigkeit, in einer heilsamen 'Dezentralisierung' voranzuschreiten" (EG 16) Berücksichtigung findet. (s. Blog-Beitrage vom 17.10.2015 und 18.10.2015; vgl. den Beitrag vom 8.07.2017)




Der synodale Weg der letzten Jahre hat nicht minder einzelne Gegner und Lobbygruppen, die sich vornehmlich an Fragen der Sexualität und insbesondere dem Umgang mit dem Thema der Homosexualität verbeißen, „als wäre es der Kern der Botschaft Jesu“ (wie dies Kardinal Marx gestern ausdrückte). An einem aktuellen Beispiel festgemacht, ist es derselbe von ultrakonservativen, selbsternannten katholischen Nachrichtenmagazinen immer wieder zitierte ‚Vatikanist‘ Sandro Magister, der in unseriöser Weise nicht nur – wie bereits in diesem Blog zuletzt vor ein paar Tagen am 5.10.2018 erwähnt – einen internen Brief von Kardinälen während der Familiensynode 2015 und einen Vorentwurf der Enzyklika ‚Laudato Si‘‘ wenig zuvor ‚durchgestochen‘ hat, sondern auch während der Pressekonferenzen dieser Jugendsynode vornehmlich nur durch Fragen im Blick auf eine Änderung von Lehrmeinungen zur Homosexualität, LGBT, homosexuelle Priesteranwärter, eine gelenkte Synodenführung und heute dann im Blick auf eine Einflussnahme des Papstes auf das synodale Dokument aufgefallen ist: eine Frage, die dem Präsidenten der Kommission für die Information, Dr. Paolo Ruffini, dann auch – schon weil der Hinweis darauf bereits am Dienstag gegeben wurde – für eine Beantwortung schlicht zu dumm war. Heute wird derselbe ‚Vatikanist‘ als ‚Doyen‘ auf dem unsäglichen Magazin ‚www.katholisches.info‘ zitiert, in dem er sich auch noch erdreistet, den von ihm selbst geleakten Brief aus dem Jahr 2015 noch einmal für die Unterstellung einer gelenkten Synode zu zitieren. Dass „der Papst zurückrudere“ im Blick auf das eigentliche Thema der Homosexualität, „für das die Jugendsynode einberufen sei“, heißt es angesichts der Aussagen von Kardinal Marx gestern und Kardinal Cupich vor bald einer Woche. So bescheiden lässt sich die katholische Schattenwelt punktieren, wie sie nicht minder auf den zuletzt gestern zitierten Seiten von kath.net nachzulesen ist, wo ebenfalls Homosexualität und die Aufnahme des LGBT-Akronyms zum Gradmesser der Jugendsynode erhoben wird. Und wenn die heutige Frage Sandro Magisters im Rahmen der Pressekonferenz nicht täuscht, wird seine nächste Schlagzeile in den benannten Magazinen und Medien ähnlicher Güte lauten, dass der Papst bei seinem Besuch der Redaktion am Montag, den 23.10.2018 Einfluss auf den Entwurf des Abschlussdokumentes der Jugendsynode genommen habe.


Und dennoch: Die Synodalität, welche „der Weg der Kirche ist“ und die damit einhergehende Synodalität vor Ort und die Dezentralisierung und Inkulturierung des Glaubens in den Ortskirchen wird mit der Jugendsynode weiter voranschreiten. Und angesichts der heutigen Messfeier der Synodenversammlung am Petrusgrab möchte ich hinzufügen: "...die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. (Mt 16,18)



Samstag, 19. März 2022

Praedicate Evangelium! - Papst Franziskus unterschreibt das Herzstück der Kirchenreform und zur Synodalität der Kirche 

Screenshot: Papst Franziskus' historische Ansprache am 17.10.15 über "Synodalität,
welcher der Weg ist, den Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet.

Der 19. März ist im Jahr 2022 einmal mehr ein symbolisches Datum im Pontifikat von Papst Franziskus. Vor sechs Jahren unterschrieb er an ebendiesem Tag das epochale nachsynodale Schreiben Amoris laetitia, mit dem sich eine "Reform der Kirche" bahnbrach. Und heute an eben demselben Tag promulgiert Papst Franziskus dasjenige Schreiben zur Kurienverfassung, das er mit dem von ihm einberufenen K-9 Kardinalsrat seit Beginn seines Pontifikats im Jahr 2013 gewissermaßen an der Kurie vorbei beraten hatte. Es kann als das "Herzstück der Reformen" von Papst Franziskus bezeichnet werden, das ihm als Hauptaufgabe seines Pontifikats mit seiner Wahl im Jahr 2013 auferlegt worden war.

Bereits kurz nach der Jugendsynode des Jahres 2018 deutete bereits ein Mitglied des Kardinalsrates am 31.10.2018 an, dass eine neue Konstitution mit dem Titel Praedicate evangelium (Verkündet das Evangelium) im folgenden Jahr das derzeit noch geltende und in vielfacher Weise in die Jahre gekommene kirchliche Grundgesetz Pastor Bonus aus dem Jahr 1988 ablösen werde. Nach der 29. Sitzung des Kardinalsrates im April 2019 wurde demgegenüber bekannt, dass das Dokument zur Kurienreform seinerseits noch auf den synodalen Weg gehen müsse, indem es an die Bischofskonferenzen, die Synoden der unierten Ostkirchen, die Ordensoberen und Chefs der Kurienbehörden zur Beratung versendet werde. Dabei ging es

"auch um die Verpflichtung, den Prozess der Synodalität in der Kirche auf allen Ebenen zu stärken, hieß es in der Vatikannote. Besonders hervorgehoben wurde die Notwendigkeit einer stärkeren Präsenz der Frauen in Führungsfunktionen in Gremien des Heiligen Stuhls. Es wurde auch wiederholt, dass der Kardinalsrat ein Organ der Kirche sei, das die Aufgabe habe, den Papst „bei der Leitung der Universalkirche zu unterstützen“, und daher ende seine Funktion nicht mit der Veröffentlichung der neuen Apostolischen Verfassung." (Vatican News vom 10.4.2019

Auch in der Weihnachtsansprache des Jahres 2019 wurde der Neuentwurf des kirchlichen Grundgesetzes in Aussicht gestellt, in der weitere Grundzüge der "pastoralen Neuausrichtung" der Kurie, ja der Kirche insgesamt, bereits deutlicher werden: Die Glaubenskongregation wie auch die Kongregation für die Evangelisierung der Völker seien „zu einer Zeit gegründet, in der es einfacher war, zwischen zwei ziemlich klar abgegrenzten Bereichen zu unterscheiden: einer christlichen Welt auf der einen Seite und einer noch zu evangelisierenden Welt auf der anderen." Diese Situation gehöre jedoch der Vergangenheit an: Sie seien entsprechend dem programmatischen Schreiben Evangelii gaudium aus dem Jahr 2013 neu auszurichten.

 "Die Reform der Strukturen, die für eine pastorale Neuausrichtung erforderlich ist, kann nur in diesem Sinne verstanden werden: dafür zu sorgen, dass sie alle missionarischer werden«" (EG 27).

Zwei Jahre später wurde dann am 8. Mai 2021 gemutmaßt, dass das Fest der Heiligen Peter und Paul am 29. Juni 2021 der Tag sein werde, an dem die neue Kirchenverfassung in Kraft treten solle. Nun ist sie knapp ein halbes Jahr danach am heutigen, für das Pontifikat von Papst Franziskus emblematischen 19.3.2022 - dem Tag seiner Amtseinführung -  promulgiert worden - mit der Ankündigung, dass sie am Pfingstsonntag, den 5. Juni 2022 in Kraft treten werde.

Praedicate Evangelium und die Kirchenreform

Tatsächlich löst die heute in italienischer Sprache veröffentlichte Konstitution ein, was seit dem Jahr 2018 mit der Reform der Kirchenverfassung verbunden wurde. Wie bereits von Anfang an von ihr gesagt wurde, dass sie den subsidiären Auftrag der Kurie in Rom stärker herausarbeiten und unterstreichen werde, wird nun die Synodalität der Kirche selbst zum zentralen Thema der Kirchenverfassung:

Die Gemeinschaft der Kirche präge das Antlitz einer Kirche der Synodalität: einer Kirche des gegenseitigen Zuhörens, "in der jeder etwas zu lernen hat: Gläubige, Bischofskollegium, wie der Bischof von Rom." (Präambel 4)

Konkret heißt das für das Zueinander von römischer Kurie und den Teil- und  Ortskirchen eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, die insbesondere die römische Kurie nach Art. 36 zur verbindlichen Transparenz und Zusammenarbeit verpflichtet:

§1. Die Kurieninstitutionen müssen in den wichtigsten Fragen mit den Teilkirchen, den Bischofskonferenzen, ihren regionalen und kontinentalen Unionen und den östlichen hierarchischen Strukturen zusammenarbeiten.

§ 2. Wenn die Frage dies erfordert, sind Dokumente allgemeiner Art von erheblicher Bedeutung oder solche, die bestimmte Teilkirchen in besonderer Weise betreffen, unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Bischofskonferenzen, der regionalen und kontinentalen Union und der beteiligten östlichen hierarchischen Strukturen zu erstellen.

§ 3. Die Kurieneinrichtungen sollen unverzüglich den Eingang der ihnen von den Teilkirchen unterbreiteten Ersuchen bestätigen, sie mit Sorgfalt und Sorgfalt prüfen und so bald wie möglich angemessen antworten. (eigene Übersetzung)

Ebenso sollen die Kurieninstitutionen nach  Art. 37 den Papst bwz. seine Vertreter konsultieren

„in Angelegenheiten, die die Teilkirchen betreffen, (…) die dort ihre Funktion ausüben, und es nicht versäumen, sie sowie die Bischofskonferenzen und die östlichen hierarchischen Strukturen über die getroffenen Entscheidungen zu unterrichten.“ (eigene Übersetzung)

Vor allem aber wird die Synodalität nach Art. 33 unter Einbezug der Ortskirchen Teil der Kirchenverfassung – insbesondere in der Zusammenarbeit mit der Bischofssynode und ihrem Sekretariat:

Die Kurieninstitutionen arbeiten entsprechend ihrer jeweiligen spezifischen Zuständigkeiten an der Tätigkeit des Generalsekretariats der Synode mit, angesichts dessen, was in den der Synode selbst eigenen Normen festgelegt ist, die dem römischen Papst eine wirksame Zusammenarbeit ermöglichen, gemäß den Wegen, die von ihm festgelegt wurden oder in Angelegenheiten von größerer Bedeutung für das Wohl der ganzen Kirche festgelegt werden sollen. (eigene Übersetzung)

Synodalität ist das Thema der nächsten XVI. ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, an deren Vorbereitung nunmehr die gesamte römische Kurie einbezogen bzw. in Dienst genommen ist.

Ebenso bedeutsam wie die Betonung der Dienstfunktion der römischen Kurie ist ihre flächendeckende und einheitliche Neustrukturierung in Dikasterien - nurmehr 16 und untereinander gleichrangige Dikasterien. Dabei wird nicht nur ein neues Dikasterium Evangelisierung unter der Leitung des Papstes geschaffen, das die Missionskongregation und den Rat für die Neuevangelisierung in sich vereinen wird und als erstgenanntes Dikasterium auch den missionarischen Charakter der neuen Kirchenverfassung unterstreicht. Zu den wichtigsten Punkten und großen Neuerungen gehört auch, dass Laien - und damit auch Frauen - im Grundsatz die Möglichkeit eingeräumt, wird die Leitung von zentralen Behörden bis hin zu Dikasterien zu übernehmen – möglicherweise auch das Dikasterium für Glaubensfragen (dass die traditionsreiche Glaubenskongregation nominell ablösen wird.)

Praedicate evangelium ist als neue Kirchenverfassung eine Kurienreform, die diesen Namen verdient. Am 21. März 2022 soll sie in einer Pressekonferenz vorgestellt werden und am 5. Juni in Kraft treten. Warum es nicht das Fest Peter und Paul - wie dies für die vorausgegangenen Jahre vorhergesagt wurde - am 29.6.2022 sein wird, hängt voraussichtlich mit dem Weltfamilientreffen (22.6.-26.6.2022) zusammen, bei dessen Vorbereitung und Durchführung sich die neue Kurienstruktur bereits schon bewähren soll. Angesichts des lähmenden Reformstaus - Papst Franziskus zitierte in der oben erwähnten Weihnachtsansprache des Jahres 2019 Kardinal Martini, dass die Kirche "zweihundert Jahre lang stehen geblieben" sei - kann es nach neun Jahren Vorbereitung der Kurienreform im Kreis des Kardinalsrates nur heißen: Je früher, desto besser.




Montag, 8. Februar 2016

Ecclesia semper reformanda – oder über das doppelte Paradox der Familiensynode und seine Bedeutung für die Erneuerung der Kirche




Vom 4. bis 25. Oktober 2015 trat die XIV. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode unter dem Thema "Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute" zusammen. Sie führte die nach einem über zweijährigen synodalen Prozess – mit den Zwischenstationen zweier Umfragen und der vorausgegangenen Außerordentlichen Bischofssynode des Jahres 2014 – den theologischen Neuansatz der Wertschätzung familialer Lebensformen in einer Vervollkommnungsperspektive göttlicher Pädagogik weiter. Sie machte andererseits aber auch die Grundsatzfrage und Herausforderung in diesem Zentralbereich menschlicher Lebenswirklichkeit deutlich, wie man "angesichts der Vielfalt von Kulturen bei einem Thema wie Ehe, Familie und Sexualität eine gemeinsame Sprache finden" könne (Kardinal Marx am 19.10.2014). Papst Franziskus brachte es in einem vielzitierten Absatz in seiner Abschlussansprache am 24. Oktober 2015 in folgender Weise auf den Punkt:
"Und – obwohl die dogmatischen Fragen durch das Lehramt der Kirche klar definiert schienen – sahen wir, dass das, was dem einen Bischof von einem Kontinent normal war, den anderen befremdete und fast wie ein Skandal vorkam [...]; was in einer Gesellschaft als ein Verstoß gegen das Gesetz gilt, kann ein unantastbares Gebot in einer anderen sein; was für manche Teil der Gewissensfreiheit ist, gilt anderen nur als Verwirrung. In der Tat sind Kulturen sehr unterschiedlich und jedes generelle Prinzip bedarf der Inkulturation, um beachtet und angewendet werden zu können."
Noch bei der Abschlusspressekonferenz der Bischofssynode am 24. Oktober 2015 stand neben den mit deutlicher (oder knapperer) Zweidrittelmehrheit verabschiedeten Beratungsergebnissen genau dieser Zusammenhang im Mittelpunkt, als die "Diversität und Einheit in der Synodalität " als Kennzeichen der katholischen Kirche mit weltweit 1,3 Milliarde Gläubigen bezeichnet wurde. Deutlich wurde betont, dass sich die Kirche auf dem synodalen Weg an dem Gleichgewicht, an der Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung messen müsse, wenn sie die Herausforderung der heutigen Zeit annehmen will. Neben dem Abschlussdokument der ‚Relatio Synodi‘ mit seinen vielen, z.T. sehr weiterführenden Einzelvoten ist diese formale Feststellung tatsächlich aus meiner Sicht das Hauptergebnis des zweijährigen synodalen Prozesses. Und es markiert noch nicht einmal ein Ergebnis im eigentlichen Sinn, sondern einen Zwischenstand, wie Papst Franziskus in einer als historisch bezeichneten Rede am Ende der zweiten Synodenwoche – im Rahmen eines Festaktes anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Bischofssynode – am 17. Oktober 2015 ausführte:
"Wir sind auf halbem Weg, auf einem Teil des Weges. Wie ich bereits gesagt habe, ist es in einer synodalen Kirche 'nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen. In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen 'Dezentralisierung' voranzuschreiten' (Evangelii gaudium 16)."

Das doppelte Paradox der Familiensynode

Synodalität ist der Weg der Kirche im dritten Jahrtausend“, so die deutliche Ansage von Papst Franziskus während der Versammlung der Bischofssynode im vergangenen Oktober, die hohe Wellen geschlagen hat. Sie ist in dreifacher Weise paradox. In Hinblick auf das noch ausstehende Synodenergebnis, kommt es nämlich zunächst – Paradox dieser Synode – auf das nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus an, das für Ende des ersten Quartals dieses Jahres erwartet wird. Dass nach der derzeitigen Kirchenverfassung nicht nur Fragen der Lehrverkündigung und -entwicklung, sondern auch alle Veränderungen in Hinblick auf eine Änderung der Kirchenverfassung – das bedeutet eine ‚Dezentralisierung‘ –, nur ‚top down‘ erfolgen können, ist das zweite, damit verbundene Paradox. Nicht minder paradox ist aber, dass gerade die vermeintliche Ergebnislosigkeit der Synode mit ihren teilweise konträren und zuweilen entgegengesetzten Positionen im Abschlussdokument dafür eine Argumentationsbasis bietet. Schon in seinem ersten apostolischen Schreiben Evangelii gaudium des Jahres 2013 hatte Papst Franziskus das päpstliche Dienstamt als zu einer Umgestaltung herausgefordert beschrieben, in der Kollegialität und Synodalität Wesensvollzüge einer sich erneuernden Kirche sind. In dem Willen, in Richtung einer "heilsamen Dezentralisierung" voranzuschreiten, spricht Papst Franziskus in dem o.g. Lehrschreiben von einer "Bekehrung" des Papstamtes (vgl. EG 32). Er bezieht sich dabei auf Papst Johannes Paul II., der schon 1995 in seiner Ökumene-Enzyklika dieses Neuverständnis andeutet, dass es notwendig sei "eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet" (Ut unum sint 95).

Wenn Papst Franziskus im direkten Anschluss bereits seinen "Blick auch auf die ganze Menschheit" richtet, ist das die weitere Perspektive (die etwa auch schon in seinem Plädoyer in der Enzyklika 'Laudato si' für die Schöpfungsverantwortung und -sorge im 'gemeinsamen Haus' deutlich geworden ist), die sich zunächst an den Herausforderungen innerhalb der katholischen Kirche zu bewähren hat: in dem Abwägen gemeinsamer pastoraler Leitlinien angesichts der in den Teilkirchen und Kulturen dieser Welt sehr unterschiedlichen Herausforderungen im Bereich von Ehe und Familie. Das Abschlussdokument der diesjährigen Synode vor Augen, das die Synodalen dem Papst als Beratungsergebnis übergeben haben, wird es das Amt des Papstes sein, seinem auf dem II. Vatikanischen Konzil konkretisierten und von ihm selbst noch einmal in derselben Jubiläumsansprache zitierten Selbstverständnis zu genügen, nämlich "das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen" (Lumen gentium 23, vgl. 1. Vatikanisches Konzil, Pastor Aeternus) zu repräsentieren.
 
Erwartungen an das nachsynodale Schreiben

Die erwartete Antwort von Papst Franziskus wird deshalb aus zwei Teilen bestehen: Einerseits wird er sich zu dem Beratungsergebnis des vorausgegangenen, zweijährigen synodalen Prozesses in einem nachsynodalen Schreiben verhalten und inhaltlich die ausgezogene Argumentation bündeln und orientieren. Dabei wird er sowohl pastorale Leitlinien ausziehen, die hinsichtlich des Synodenthemas "Berufung und Mission der Familie in der Kirche in der modernen Welt" die Einheit in der Weltkirche beschreiben, als auch die notwendige 'Symphonie der Verschiedenheit', die die Inkulturation der Thematik weltweit erfordert, unterstreichen. Es ist dabei zu erwarten, dass das Lehrschreiben den theologischen Grundgedanken der ‚barmherzigen Liebe Gottes’ aufnimmt und weiterführt und auch viele umstrittene Einzelthemen in neuer Weise anspricht. In einem "Fluss der barmherzigen Liebe", der aus der Erfahrung gespeist ist, selbst zuerst von Gott geliebt zu sein, erscheinen bereits im Abschlussdokument der Synode die zu Beginn angesprochenen 'heißen Eisen' in einem anderen Licht. Auch wenn Aussagen zu gelebter Homosexualität fehlen, finden sich statt verurteilender Einschätzungen in Hinblick auf vor- und nichteheliche Familienformen nunmehr einfühlsame und wertschätzende Worte bis dahin, dass selbst die Möglichkeit der Wiederherstellung der vollen Sakramentsgemeinschaft für wiederverheiratet Geschiedene im Wortlaut angesprochen wird.


Diese Gedanken werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in dem nachsynodalen Schreiben aufgenommen sein. Nicht zuletzt wegen der in diesen Themenstellungen sich dokumentierenden Pluralität wird Papst Franziskus daneben – angesprochen in demselben Schreiben oder einem darauf bezogenen Schreiben zur Kirchenverfassung – die Voraussetzungen für die Übernahme von Lehrverantwortung auf der Ebene der Teil- und Ortskirche schaffen müssen, indem er die synodale Verfasstheit der katholischen Kirche als gestufte Teilhabe an der Ausübung des kirchlichen Lehramtes erklärt, in Kraft setzt und mit ebendiesem Auftrag versieht. Der vermeintlich revolutionäre Neuansatz knüpft dabei an Gedanken an, die weit über das Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils für heute hinausgehen. Dass Synodalität der Kirche – gerade bezogen auf die Vergangenheit – nicht fremd sei, sagte der emeritierte Dogmatiker Peter Hünermann im Gespräch mit Radio Vatikan (s. Pressemeldung vom 17.12.2015) anlässlich eines Kongresses zum 50jährigen Jubiläum des Endes des II. Vatikanischen Konzils in Rom im November 2015:
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Donnerstag, 8. Dezember 2016

Amoris laetitia und der „Weg der Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet“


(Nr. 3 von 16 Kartenmotiven; hier AL 131 © www.amoris-laetitia.de)

Vor einem Jahr, am 8.12.2015, begann das 'Jahr der Barmherzigkeit' nicht zufällig am 50. Jahrestag des Endes des II. Vatikanischen Konzils. Der Jahrestag fällt dieses Jahr zusammen mit  Presseberichten zu einem bald erscheinenden Schreiben über „das Prinzip der Synodalität und seine theologische Bedeutung“, das „Abstimmen in Versammlungen“ sowie „das Einbeziehen von allen in pastorale Entscheidungsprozesse“, das von Papst Franziskus bereits im Januar dieses Jahres in Auftrag gegeben wurde. Wie in einem eigenen Beitrag vor dem Erscheinen des nachsynodalen Schreibens ‚Amoris laetitia‘ angedeutet, wird Papst Franziskus mit der Inkraftsetzung einer solchen Erklärung
„die Voraussetzungen für die Übernahme von Lehrverantwortung auf der Ebene der Teil- und Ortskirche schaffen müssen, indem er die synodale Verfasstheit der katholischen Kirche als gestufte Teilhabe an der Ausübung des kirchlichen Lehramtes erklärt, in Kraft setzt und mit ebendiesem Auftrag versieht.“ (ZDK Salzkörner  21. Jg., Nr. 6 (2015), 9)
Implizit sind diese Gedanken zur ‚synodalen Verfasstheit der katholischen Kirche als einer gestuften Teilhabe an der Ausübung des kirchlichen Lehramtes‘ – diese Selbstvergewisserung markierte auf der Feier des Synodenjubiläums den unvergesslichen Höhepunkt der Familiensynode des Jahres 2015 – bereits ganz zu Beginn und konkret im nachsynodalen Lehrschreiben ‚Amoris laetitia‘ aufgenommen, ja vorausgesetzt, indem der Papst darauf hinweist, 
„…dass nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden müssen. Selbstverständlich ist in der Kirche eine Einheit der Lehre und der Praxis notwendig; das ist aber kein Hindernis dafür, dass verschiedene Interpretationen einiger Aspekte der Lehre oder einiger Schlussfolgerungen, die aus ihr gezogen werden, weiterbestehen. […] Außerdem können in jedem Land oder jeder Region besser inkulturierte Lösungen gesucht werden, welche die örtlichen Traditionen und Herausforderungen berücksichtigen. Denn » die Kulturen [sind] untereinander sehr verschieden, und jeder allgemeine Grundsatz […] muss inkulturiert werden, wenn er beachtet und angewendet werden soll «. (AL 3)
In jeder Ortskirche wird konkret durchzubuchstabieren und auszuführen sein –  auch für die Deutsche Bischofskonferenz ist ein solches Wort der Bischöfe ja nun angekündigt –, was in der über drei Jahre synodal erarbeiteten Lehre zu Ehe und Familie auf einer obersten Ebene der Weltkirche – eben in dem am 8.4.2016 veröffentlichten nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia – beschrieben wurde. Gegen eine den synodalen Prozess im Grundsatz konterkarierende Infragestellung durch einzelne Stimmen der Weltkirche erklärt Papst Franziskus in einem gerade veröffentlichten Interview: 
„Sein postsynodales Schreiben „Amoris laetitia“ sei ein Ergebnis des gesamten synodalen Prozesses, „interessanterweise“ hätten dem, was da drinstehe, mehr als zwei Drittel der Väter zugestimmt. „Und das ist eine Garantie!“  (Radio Vatikan vom 7.12.2016) 

Das nachsynodale Schreiben  sei "das Ergebnis zweier Synoden, auf denen die ganze Kirche gearbeitet hat, und das der Papst sich angeeignet hat".  Nach zwei weltweiten Umfragen ist das Apostolische Schreiben bereits in der Weise seiner Entstehung wie im Inhalt – auf beinahe paradoxe Weise – ein  entscheidender Markstein auf dem Weg der Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet.“ (Vgl. Blog-Beitrag vom 17.10.2015). "‚Amoris laetitia‘ ist Vorbild der Synodalität" und Beispiel für eine  
synodale Kirche, in der Petrus Petrus ist, aber die Kirche begleitet, sie wachsen lässt, sie anhört, von dieser Realität lernt und sozusagen harmonisiert.“ Eine solche „synodale Kirche“ sei die, die ihm [Papst Franziskus] vorschwebe. „Das ist Einheit in der Vielfalt. Das ist Synodalität.“ (Radio Vatikan vom 7.12.2016) 
Wie schon geschrieben, werden wir es erleben: "Das angesprochene […]  Paradox der Familiensynode – die medial sowohl nach der Synode 2014 als auch 2015 beklagte Umstrittenheit der Synodenergebnisse  [und selbst noch die vereinzelte Infragestellung des nachsynodalen Schreibens] – wird rückblickend als Motor für die Erneuerung der Kirche gedeutet werden können: sowohl hinsichtlich der Lehrentwicklung als auch in Hinblick auf die Kirchenverfassung. 'Synodalität ist der Weg der Kirche im dritten Jahrtausend', denn: „Zeitgemäße Erneuerung […] heißt ständige Rückkehr zu den Quellen […] und zum Geist des Ursprungs." (Vgl. Blog-Beitrag vom 8.2.2016)

 
Lesen Sie in diesem Blog auch den nachfolgenden Blog-Beitrag vom 17.12.2016 anlässlich des 80. Geburtstages von Papst Franziskus oder erfahren Sie mehr unter www.amoris-laetitia.de: mit einigen der schönsten Kurzzitate aus dem nachsynodalen Schreiben sowie Erläuterungen, vertiefenden Informationen, Veranstaltungshinweisen im Rheinland und zahlreichen Linktipps darüber hinaus. 

Donnerstag, 14. März 2019

In Deutschland angekommen: Bischöfe beschließen "synodalen Weg"

(Screenshot: katholisch.de vom 14.3.2018)
Nach der zentralen Etappe der Jugendsynode des Jahres 2018 auf dem Weg zur synodalen Umgestaltung der katholischen Kirche folgten in den letzten Februartagen und Mitte März 2019 weitere lang erwartete Bischofszusammenkünfte auf weltkirchlicher wie auch nationaler, bundesdeutscher Ebene: das Treffen der Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen der Welt zur Bekämpfung des Missbrauches (vom 21. bis 24. Februar 2019), das diesem ebenfalls in Rom vorausgehende Treffen des K9-Kardinalsrates vom 18.-21.2.2019 und in Deutschland die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 10.-14.3.2019 in Lingen. Und alle drei Versammlungen nehmen die Hauptmotive ‚Synodalität und Kirchenreform‘ auf.

Auf der 28. Sitzung seit seiner Einberufung im Jahr 2013 hat der Papst Franziskus beratende Kardinalsrat das Dokument 'Praedicate Evangelium' in einer finalen Fassung beraten, mit dem die Kurienreform nach bereits vorausgegangener kirchenrechtlicher Überarbeitung besiegelt werden soll. Bekannt wurde im abschließenden Pressebriefing vom 21.2.2019 ebenfalls, dass der Papst
"'im Zeichen der Synodalität' die Verantwortlichen der lokalen Bischofskonferenzen, die Synoden der Ostkirchen, die Dikasterien der römischen Kurie, die Ordensoberenkonferenzen sowie einige Päpstliche Universitäten um ihre Anmerkungen bitten" wolle. (Vaticannews vom 21.2.2019)
Und wie nicht anders zu erwarten, spielte der Themenkomplex von Synodalität und Kollegialität auch auf der Kinderschutzkonferenz Ende Februar 2019 ebenfalls eine zentrale Rolle. Die nicht nur zeitliche Verknüpfung mit dem Treffen des unmittelbar vorangehenden Kardinalsrats wurde auch durch die Anwesenheit des Moderators der Kinderschutzkonferenz Pater Federico Lombardi bei ihren dreitägigen Beratungen unterstrichen – wie umgekehrt durch die Teilnahme aller Mitglieder des K9-Kardinalrates am Kinderschutz-Kongress.

Als Mitglied des Kardinalsrates brachte der Erzbischof von Bombay Kardinal Gracias die Anliegen der Kurienreform auf der Kinderschutzkonferenz ein:
"Alleine könne kein Bischof das Problem lösen. Die Verantwortung gehöre allen Bischöfen gemeinsam, Kollegialität sei der Kontext, in dem mit Missbrauch umgegangen werden müsse. (…) Synodalität in der Kirche und Kollegialität unter den Bischöfen zu leben habe ganz praktische Auswirkungen, so Gracias. Es bedeute zunächst ganz einfach, sich gegenseitig auch zu kritisieren, in der christlichen Tradition correctio fraterna genannt, brüderliche bzw. geschwisterliche Zurechtweisung.“ (Vaticannews vom 22.2.2019)
Der Gedanke der Synodalität als Beteiligung aller Getauften auf allen Ebenen an der Reform der Kirche bildete auch den Ausgangspunkt des Vortrages des Erzbischofs von Chicago, Kardinal Blase J. Cupich. Er sprach direkt im Anschluss nach dem indischen Kardinal Oswald Gracias beim Kinderschutz-Kongress im Vatikan. 
"Eine solche innere Reform der Kirche sei nötig. Nur die Richtlinien zu ändern reiche nicht aus, so der langjährige Vorsitzende des Kinderschutz-Komitees der US-Bischofskonferenz…. (…) Wahre Synodalität ruft uns dazu auf, in dem Zeugnis der Laien eine Stärkung und Beschleunigung unserer Mission“ zu sehen, so Cupich. (Vaticannews vom 22.2.2019)
Auf denselben synodalen Weg hat sich heute auch die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 10.-14.3.2019 gemacht. Anknüpfend an die Vorstellung der MHG-Studie  „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ auf der vorausgegangenen Herbst-Vollversammlung am 25. September 2018 wurden einerseits nunmehr die konkreten Umsetzungen aus den in Fulda beschlossenen Punkten und insbesondere auch ein Vorschlag zu Spezialgerichten für Strafverfahren bei sexuellem Missbrauch an Minderjährigen und die Erarbeitung Ordnung für Verwaltungsgerichte im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz vorgestellt.

Die Zäsur, die die MHG-Studie in Deutschland darstellt, wurde auf einem Studientag zu „übergreifenden Fragen, die sich gegenwärtig stellen“, deutlich, die darüber hinaus auch den neuen synodalen Aufbruch markiert. 
"Erschütterungen verlangen besondere Vorgehensweisen. Die Missbrauchsstudie und in ihrer Folge die Forderung Vieler nach Reformen zeigen: Die Kirche in Deutschland erlebt eine Zäsur. Der Glaube kann nur wachsen und tiefer werden, wenn wir frei werden von Blockierungen des Denkens, der freien und offenen Debatte und der Fähigkeit, neue Positionen zu beziehen und neue Wege zu gehen. 
Die Kirche braucht ein synodales Voranschreiten. Papst Franziskus macht dazu Mut. Und wir fangen nicht am Nullpunkt an. Die Würzburger Synode (1972 bis 1975) und auch der Gesprächsprozess der vergangenen Jahre haben den Boden bereitet, auch für viele Herausforderungen von heute. Einstimmig haben wir beschlossen, einen verbindlichen synodalen Weg als Kirche in Deutschland zu gehen, der eine strukturierte Debatte ermöglicht und in einem verabredeten Zeitraum stattfindet und zwar gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Wir werden Formate für offene Debatten schaffen und uns an Verfahren binden, die eine verantwortliche Teilhabe von Frauen und Männern aus unseren Bistümern ermöglichen. Wir wollen eine hörende Kirche sein. Wir brauchen den Rat von Menschen außerhalb der Kirche. 
Drei Punkte benannte Kardinal Marx in seinem heutigen Pressestatement, um die es ab jetzt in synodaler Arbeitsweise gehen wird: 

o Wir wissen um die Fälle klerikalen Machtmissbrauchs. Er verrät das Vertrauen von Menschen auf der Suche nach Halt und religiöser Orientierung. Was getan werden muss, um den nötigen Machtabbau zu erreichen und eine gerechtere und rechtlich verbindliche Ordnung aufzubauen, wird der synodale Weg klären. Der Aufbau von Verwaltungsgerichten gehört dazu. 
o Wir wissen, dass die Lebensform der Bischöfe und Priester Änderungen fordert, um die innere Freiheit aus dem Glauben und die Orientierung am Vorbild Jesu Christi zu zeigen. Den Zölibat schätzen wir als Ausdruck der religiösen Bindung an Gott. Wie weit er zum Zeugnis des Priesters in unserer Kirche gehören muss, werden wir herausfinden. 
o Die Sexualmoral der Kirche hat entscheidende Erkenntnisse aus Theologie und Humanwissenschaften noch nicht rezipiert. Die personale Bedeutung der Sexualität findet keine hinreichende Beachtung. Das Resultat: Die Moralverkündigung gibt der überwiegenden Mehrheit der Getauften keine Orientierung. Sie fristet ein Nischendasein. Wir spüren, wie oft wir nicht sprachfähig sind in den Fragen an das heutige Sexualverhalten. (DBK-Pressemitteilung vom 14.3.2019)

In den kommenden Monaten sollen gemeinsam mit dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZDK) geeignete Formate zur Klärung von Neuausrichtung und Veränderung bei der Vorbereitung des synodalen Prozesses gesucht werden:
"Dazu gehören bereits jetzt auf der Vollversammlung verabredete Foren, die sich den zuvor genannten drei Punkten widmen werden: Das Forum „Macht, Partizipation, Gewaltenteilung“ wird von Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann (Speyer) verantwortet, das Forum „Sexualmoral“ von Bischof Dr. Franz-Josef Bode (Osnabrück) und das Forum „Priesterliche Lebensform“ von Bischof Dr. Felix Genn (Münster)." (Ebd.)
Der synodale Weg in Deutschland nimmt Fahrt auf und wird mit der angekündigten Beratschlagung der neuen Konstitution zur Kurienrefom ‚Praedicate Evangelium‘ , dem ebenfalls in Kürze erscheinenden nachsynodalen Schreiben zur Jugendsynode sowie deren nachsynodaler Nachbereitung auf einer bereits im letzten Jahr für Juni 2019 einberufenen Konferenz im Rom auch von weltkirchlicher Ebene sekundiert. 


"Die Kirche braucht ein synodales Voranschreiten."  (Ebd.)