Dienstag, 1. Oktober 2024

„Not lock us inside our little churchy world“ - oder: Wie in den Besinnungstagen und in der Bußvigil das Fundament für die morgen beginnende Weltsynode bereitet wurde

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Bereits mit dem gestrigen Tag begann im Grunde der offiziell am morgigen 2.10.24 mit einer Eucharistiefeier ansetzende und abschließende Teil der bereits seit dem Jahr 2021 laufenden und bis zum 27.10.24 dauernden XVI. Generalversammlung der Bischofssynode. Dass dies nicht nur mein subjektiver Eindruck, sondern auch die Wahrnehmung des Sekretärs der Bischofsynode Kardinal Mario Grech ist, unterstrich dieser in seiner Einführungsrede zu der zweitätigen Besinnungsphase: „Diese Einkehrtage, so Grech, seien nicht nur eine Vorbereitung, sondern ein integraler Bestandteil der Synode“.  

Wie bereits im Vorjahr führten Pater Timothy Radcliffe OP und Sr. Maria Grazia Angelini OSB mit geistlichen Impulsen eingerahmt in Gebetszeiten des Stundengebets und des persönlichen Gebets in die Themenstellung der Synode ein. Lag im vergangenen Jahr der Fokus auf dem Einander Hören sind die Besinnungsimpulse dieses Jahr der Frage gewidmet, wie es gelingt eine missionarische Kirche zu sein (How to be a missionary synodal Church).

Vor allem die vier Beiträge von Pater Radcliffe zu vier Auferstehungsszenen aus dem Johannesevangelium „Die Suche im Dunkeln“, „Der verschlossene Raum“, „Der Fremde am Strand“ und „Frühstück mit dem Herrn“ erreichten eine Tiefe und atmeten doch auch eine Leichtigkeit, die eine Ahnung geben, „wie wir eine missionarische synodale Kirche in unserer gekreuzigten Welt sein können“. (Vaticannews vom 30.09.24)

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Timothy Radcliffe bezog die Suche im Dunkeln auch auf die Erwartungen an die bevorstehende Synode:

"We too may even feel in the dark. Since the last Assembly, so many people, including participants in this Synod, have expressed their doubts as to whether anything is going to be achieved. Like Mary Magdalene, some say, ‘Why have they taken away our hope? We expected so much from the Synod, but perhaps there will be just more words."

"Auch wir mögen uns im Dunkeln tappend fühlen. Seit der letzten Vollversammlung haben viele Menschen, auch die Teilnehmer dieser Synode, ihre Zweifel daran geäußert, ob überhaupt etwas erreicht werden kann. Wie Maria Magdalena sagen einige: „Warum haben sie uns die Hoffnung genommen? Wir haben so viel von der Synode erwartet, aber vielleicht sind es nur mehr Worte."   (Vaticannews vom 30.09.24 eigene Übersetzung)

"Die Suche nach dem Herrn im Dunkeln" brauche all diese Zeugen (die Skeptischen, Enttäuschten, sich ausgeschlossen Fühlenden, HD) sowie die Synode all die Arten braucht, in denen wir den Herrn lieben und suchen, so wie wir die Suchenden unserer Zeit brauchen, auch wenn sie unseren Glauben nicht teilen."

„Wenn wir den Fragen der anderen mit Respekt und ohne Angst zuhören, werden wir einen neuen Weg finden, im Geist zu leben. (…) Diese Synode wird ein Moment der Gnade sein, wenn wir uns gegenseitig mit Mitgefühl betrachten und Menschen sehen, die wie wir auf der Suche sind. (...) Wenn wir uns für die unendliche Sehnsucht des anderen öffnen, werden wir das Boot der Mission zu Wasser lassen.“ 
If we listen to each other’s questions with respect and without fear, we shall find a new way to live in the Spirit. (...) This synod will be a moment of grace if we look at each other with compassion, and see people who are like us, searching. (...) If we open ourselves to each other’s infinite yearning, we shall launch the boat of mission.   (Vaticannews vom 30.09.24eigene Übersetzung)

Im Blick auf Vorjahr des 1. Teils der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode erinnert Timothy Radcliffe hinter dem gemeinsamen Sehnen und gemeinsamen Suchen und Ringen auch das Aufeinandertreffen der interkulturellen Besonderheiten und Unterschiede: 

„Als ich letztes Jahr zur Synode kam, dachte ich, dass die große Herausforderung darin besteht, den giftigen Gegensatz zwischen Traditionalisten und Progressiven zu überwinden. Wie können wir diese Polarisierung heilen, die dem Katholizismus so fremd ist? Doch als ich zuhörte, schien es eine noch grundlegendere Herausforderung zu geben: Wie kann die Kirche all die verschiedenen Kulturen unserer Welt einbeziehen? Wie können wir das Netz mit seinen Fischen aus allen Kulturen der Welt einholen? Wie kann das Netz nicht zerrissen werden?“ (Vaticannews 1.10.24 eigene Übersetzung)

Ein neues Pfingsten

Radcliffs Hoffnung ist es für die kommenden Synodenwochen, „die Grundlage unserer Mission in unserer zerrissenen und geteilten Welt“ und „ein neues Pfingsten“ zu erleben, „bei dem jede Kultur in ihrer eigenen Muttersprache spricht und verstanden wird.“:

„Zuallererst sollten wir erkennen, dass wir einander brauchen, wenn wir katholisch sein wollen. Die verschiedenen Kulturen, die auf dieser Vollversammlung versammelt sind, bieten einander Heilung an, stellen gegenseitig ihre Vorurteile in Frage und rufen sich gegenseitig zu einem tieferen Verständnis der Liebe auf.“ (…)  Keiner kann das Ganze erfassen; die unzähligen Erkenntnisse bilden eine Art Mosaik, das ihre Komplementarität und Wechselbeziehung zeigt. Um ganz zu sein, braucht jeder den anderen. Der Mensch nähert sich der Einheit und Ganzheit seines Wesens nur in der Gegenseitigkeit aller großen Kulturleistungen.“ (Vaticannews 1.10.24 eigene Übersetzung)

Gegenseitiges Vertrauen ist Grundlage für einen lebendigen Austausch, in denen Verletzungen aushaltbar und auch die Bereitschaft vorhanden sind, eigene Fehler einzugestehen und zu bekennen. Vertrauen und Glaubwürdigkeit brauchen das gegenseitige Vertrauen und lassen auch die tiefe Einheit erlebbar werden, die alle verbindet:

"This ist the foundation of our unity, gracious shared forgiveness."  
„Dies ist die Grundlage unserer Einheit, die gemeinsame und gnadenhaft geteilte Vergebung.“(Vaticannews 1.10.24 eigene Übersetzung)

Von seinem Redemanuskript abweichend zitierte Pater Radcliffe aus einem Beitrag zuvor von Sr. Maria Grazia Angelini:

"Wie sagte Schwester Maria Grazia so schön heute Morgen: Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir heute Abend mit einem Bußgottesdienst beginnen. Denn das ist es, was uns miteinander verbindet."

"Sr. Maria Grazia said so beautiful this morning.  That why is ist so right that we begin with service of repentence this evening. Because that ist what binds us together.

Bußvigil im Petersdom

Mit dieser Hinführung von Pater Timothy und Sr. Maria Grazia klang die abendliche Bußfeier, die von Papst Franziskus im Petersdom geleitet wurde, bereits während der Besinnungstage zuvor an. Die Vigil wurde eingeleitet durch Zeugnisse eines Missbrauchsopfers aus Südafrika, dann von einer Italienerin, die vom Leiden von Bootsflüchtlingen und Migranten, und von einer syrischen Ordensfrau, die von den Schrecken des Kriegs in ihrer Heimat berichteten. Die Zeugnisse leiteten über zum Höhepunkt des Ritus der Bußvigil mit den zuvor und seitdem auch an verschiedenen anderen Stellen in Zweifel gezogenen sieben Vergebungsbitten, die eigens und bewusst von Kardinälen der römischen Kurie sowie aus verschiedenen Ortskirchen weltweit vorgetragen wurden.


"Der Inder Oswald Gracias bat unter anderem um Vergebung dafür, dass Katholiken in der Vergangenheit oft das Leben missachtet und sich nicht um Frieden bemüht haben; der kanadische Jesuit Michael Czerny bat um Verfehlungen gegen die Schöpfung und drückte Scham für Kolonialismus aus, US-Kardinal Seán O’Malley brachte die Vergebungsbitte zu Gehör, die sich auf Missbrauch bezog. Der frühere Erzbischof von Boston leitet die päpstliche Kommission für Kinderschutz. (...) 
Eine eigene Vergebungsbitte, die der irisch-amerikanische Kuriale Kevin Farrell vortrug, zielte unter anderem auf die Missachtung der Würde von Frauen. Der oberste Glaubenshüter im Vatikan, der Argentinier Víctor Fernández, bat unter anderem um Vergebung für Verfehlungen gegen die „Einheit des christlichen Glaubens und die echte Geschwisterlichkeit der ganzen Menschheit“. Der Spanier Cristóbal López Romero, der Erzbischof der marokkanischen Hauptstadt Rabat ist, verlas eine Vergebungsbitte für Verfehlungen und Unterlassungen den Armen gegenüber, und dem Wiener Erzbischof Christoph Schönborn kam es zu, in seinem Text die „Hindernisse für den Aufbau einer wahrhaft synodalen, gemeinsamen Kirche“ zu beklagen." (Vaticannews 1.10.2024)

Auf der Grundlage der Besinnungstage und des Bußgottesdienstes ist das Fundament für einen achtsamen, bewussten Beginn und hoffentlich auch für den weiteren Verlauf der Weltsynode gelegt. Für ein „neues Pfingsten“ kommt es auf die Präsenz aller an. „For today is the only day we have. Carpe Diem!“, wie Pater Radcliffe seine Besinnungsimpulse beendete und positiv auf den Synodenbeginn ausblickt:

"...not lock us inside our little churchy world. (...) God is revealed on mountain tops with unbounded horizons and outside the camp." (Vaticannews 1.10.24)

 

 

Sonntag, 22. September 2024

 „Wider die Sünde gegen die Synodalität“ – Zur Vorstellung der Methodologie, Regeln und der Teilnehmenden der Weltsynode und warum es jetzt ums Ganze geht.

"Der gesamte Prozess der Synode 2021-2024 lässt sich von einer grundlegenden Frage leiten: „Wie verwirklicht sich heute auf den verschiedenen Ebenen (von der lokalen bis zur universalen Ebene) jenes ‚gemeinsame Gehen‘, das die Kirche befähigt, das Evangelium gemäß der ihr anvertrauten Sendung zu verkünden, und zu welchen Schritten lädt uns der Geist ein, um als synodale Kirche zu wachsen“ (Vorbereitungsdokument, Nr. 2)."

© Synod.va

Mit diesem Zitat beginnt das am 16. September 2024 auch in deutscher Sprache veröffentlichte Dokument zur Methodologie des zweiten Teils der  vom 2. bis 27. Oktober 2024 in Rom tagenden Weltbischofssynode. In fünf Modulen – einem einführenden zu Grundlagen, drei zu den im Instrumentum laboris grundgelegten Aspekten "Beziehungen, Wege und Orte" und einem abschließenden zum gesamten, erarbeiteten Textentwurf – wird eine über 36 Tischgruppen in der bereits eingeführten Methode des Gesprächs im Heiligen Geist erarbeitete Arbeitsweise bereits detailliert verteilt auf die vier Synodenwochen vorgestellt, die sicherstellen soll, dass alle Teilnehmenden gleichermaßen an der Texterarbeitung beteiligt werden und das spezifische geistliche Element der Unterscheidung auch zum Tragen kommt. Entsprechend ihrer jeweiligen Rolle - so führen der Sekretär der Bischofssynode Kardinal Mario Grech und Generalrelator Kardinal Jean-Claude Hollerich in einer Pressekonferenz aus - haben die insgesamt 368 Teilnehmenden eine spezifische Aufgabe, für die jeweils besondere Regeln gelten. Rein formal soll auf diese Weise sichergestellt werden, dass wirklich alle unter der Führung des Heiligen Geistes in einem lebendigen Miteinander gehen, beten und beraten und so in einer von allen mitgetragenen Bewegung die Zukunft der Kirche gestaltet und fortgeschrieben wird. Dabei steht die Geltung der Synodalität selber im Mittelpunkt der weltkirchlichen Beratungen, insofern sich – unbeschadet von einzelnen Themen, die auf diese Weise in den Vordergrund rücken – am gelingenden Verlauf auch die Implementierung des Selbstverständnisses der Katholischen Kirche als einer synodalen Kirche unter Beweis stellt. Darum und um nichts weniger geht es: Es geht ums Ganze, um die in den vergangenen Jahren sukzessive vorangetriebene synodale Ausgestaltung der katholischen Kirche – seit der Doppelsynode zur Familie 2014/15, mit der dieser Synodenblog begann.

In Kürze ist es zehn Jahre her, dass Papst Franziskus zu Beginn der ersten Weltsynode zur Familie am 6. Oktober 2014 dazu einlud, die Beratungen „im Geist der Synodalität“ zu führen und wenig später am 17. Oktober 2015 in einer Ansprache aus Anlass der Feier von 50 Jahre Bischofssynode Kollegialität und Synodalität als Wesensvollzüge einer sich erneuernden Kirche beschrieb – mit dem oft zitierten Spitzensatz zur „Synodalität, welcher der Weg ist, den Gott von seiner Kirche im 3. Jahrtausend erwartet." Die Reflexion auf die Bedeutung von Synodalität gehört seitdem bis zur Kurienreform zum ceterum censeo der Kirchenentwicklung. Wenn aber heute nicht nur über dieses oder jenes Einzelthema debattiert und gerungen wird – so etwa die Ämterfrage, den Zölibat oder Fragen der Geschlechtergerechtigkeit –, sondern die synodale Verfasstheit der Kirche insgesamt infrage gestellt wird, zielt eine solche Kritik nicht nur auf das Vermächtnis des derzeitigen Pontifikats, sondern zentral auf den Markenkern der im II. Vatikanischen Konzil gewandelten katholischen Kirche. So ist die Gegenrede des nicht erst seit seiner Entlassung vor sieben Jahren aus dem Amt des Vorsitzenden der ehemaligen Glaubenskongregation (seit der Kurienreform 2022: Dikasterium für die Glaubenslehre) notorisch papstkritisch auffallenden Kardinals Gerhard Ludwig Müller wider eine Sünde gegen die Synodalität nicht weniger als ein kirchenspalterischer Versuch eine vorsynodale Kirche zu restaurieren, den synodalen Prozess zu unterlaufen und zu diskreditieren. Die beißende Kritik des 76 jährigen Kurienkardinals macht sich diesmal an einer Bußliturgie im Anschluss an die Besinnungstage am Vorabend vor dem Synodenbeginn am 1. Oktober fest:

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„Bei der Bußfeier im Petersdom, die von Papst Franziskus geleitet wird, werden (…) auch eine Reihe von Sünden gebeichtet. Dabei geht es nicht darum, die Sünde der anderen anzuprangern, sondern sich selbst als Mitglied derer zu bekennen, die durch Unterlassung oder Handlung zur Ursache des Leids werden und für das Böse verantwortlich sind, das Unschuldigen und Wehrlosen zugefügt wird. Wer die Bitte um Vergebung ausspricht, tut dies im Namen aller Getauften und bekennt die folgenden Verfehlungen:

- die Sünde gegen den Frieden
- die Sünde gegen die Schöpfung, gegen die einheimische Bevölkerung, gegen die Migranten
- die Sünde des Missbrauchs
- die Sünde gegen Frauen, Familie, Jugend
- die Sünde, die Lehre als Stein des Anstoßes zu benutzen
- die Sünde gegen die Armut
- die Sünde gegen die Synodalität / den Mangel an Zuhören, Gemeinschaft und Beteiligung aller“

Wenn es bei einer Bußandacht nicht auch um die persönlichsten Gefühle aller Synodalinnen und Synodalen ginge, würde die Polemik, Gefühllosigkeit und Niveaulosigkeit der Argumentation auf den Autor selbst zurückfallen, die Kardinal Müller am 20. September 2024 in einer Presseveröffentlichung über ein einschlägiges österreichisches Nachrichtenmagazin verbreitet:

„Der vorgelegte Katalog mit angeblichen Sünden gegen die als Wurfgeschoss missbrauchte Lehre der Kirche oder gegen die Synodalität, was man auch immer darunter verstehen mag, liest sich wie eine Checkliste der christlich etwas mühsam verbrämten Woke- und Gender-Ideologie, abgesehen von einigen Missetaten, die zum Himmel schreien. (…) Es gibt auch keine Sünde gegen eine Art von Synodalität, die als Mittel zur Gehirnwäsche gebraucht wird“. (kath.net, 21.09.2024)

Diese beißende Gegenrede gegen Form, Inhalt und Zielrichtung der Weltsynode mit dem Titel „Für eine synodale Kirche“ trägt diabolische, kirchenspalterische Züge und hat das Potenzial zerstörerisch Kreise über den deutschen Sprachraum zu ziehen. Sie zündelt diesmal – wie ähnlich schon zu Beginn des ersten Teils der Weltsynode und wie bei den Synoden davor immer wieder erlebt und in diesem Blog festgehalten – nicht nur am Ansehen und der Leitung von Papst Franziskus, sondern nunmehr am Markenkern der Katholischen Kirche. Es geht bei der Weltsynode gleich zu Beginn gegen restaurative Kräfte innerhalb der katholischen Kirche diesmal um nichts weniger als ums Ganze!



Sonntag, 14. Juli 2024

Wenn Frauen sich in Kirche unwohl fühlen, haben wir versagt.“ – Zur Veröffentlichung des Instrumentum laboris zur zweiten Sitzung der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode in Rom und allenthalben drängenden Reformerwartungen

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Mit dem im Titel benannten Zitat äußerte sich Kardinal Jean-Claude Hollerich, Generalrelator der Bischofssynode, in einem Interview drei Tage nach der Veröffentlichung des Vorbereitungsdokumentes (Instrumentum laboris) der Weltsynode. Auch wenn „die theologische Reflexion“ über „die Zulassung von Frauen zum diakonischen Dienst … nicht im Rahmen der Zweiten Sitzung thematisiert werden“ soll, wie es in dem Vorbereitungsdokument ausdrücklich heißt, ist doch das Instrumentum laboris durchzogen von vielen Vorschlägen zur stärkeren Einbeziehung von Frauen an Entscheidungsprozessen und in Leitungsfunktionen der Kirche. Die Beratung über alle Fragen rund um das Diakonat der Frau ist an eine Arbeitsgruppe unter der Federführung des Dikasteriums für die Glaubenslehre delegiert worden. Aber es ist aus meiner Sicht davon auszugehen, dass spätestens über einen vorgesehenen Zwischenbericht aus dieser Arbeitsgruppe Resonanzen aus dem Synodenplenum das Thema doch in gewisser Weise wieder auf die Tagesordnung der Weltsynode setzen werden.

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Sekretär der Bischofssynode Kardinal Maria Grech

In ähnlicher Weise ist es zu erwarten, dass auch über das überraschender Weise in das Instrumentum laboris (vgl. IL Einleitung) – und nach Ausführung des Sekretärs der Bischofssynode Kardinal Mario Grech in der Pressekonferenz Pressekonferenz auch ausdrücklich im Rahmen der Beratungen der Bischofssynode – aufgenommene Thema der Polygamie, das von Seiten des Verbands der afrikanischen Bischofskonferenzen (SECAM) nach der Behandlung in der ersten Sitzungsperiode der Bischofssynode in einer Arbeitsgruppe der Konferenz vorbereitet wird, auch themenübergreifend den kulturverschiedenen Umgang mit Fragen im Themenfeld der Sexualität einbringen wird. Ich gehe davon aus, dass schon die Weise der Befassung im synodalen Prozess bereits Hinweise auf die zukünftigen Verantwortungsebenen in einer synodalen Kirche geben wird. Ähnliches erwarte ich auch hinsichtlich der in einer Arbeitsgruppe beratenen Bedingungen der Ausbildungsordnung zum Zugang zum Priesterberuf eine ebenfalls mehr auf die ortskirchliche Ebene verweisende Argumentation. Streng genommen hatte Papst Franziskus mit der Annahme des Synodenabschlussdokuments bei der Amazonassynode am 27.10.2019 nach Episcopalis communio (Art. 18 § 1) ja bereits die Möglichkeit der Weihe von „viri probati“ (erfahrenen, verheirateten Männern) zum Teil des Ordentlichen Lehramts erklärt, auch wenn er selbst in seinem Nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia darauf keinen ausdrücklichen Bezug genommen hat. Jetzt könnten die Vorschläge in den Beratungen der Generalversammlung der Bischofssynode ad hoc wieder aufgerufen bzw. zitiert werden.

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Generalrelator Kardinal Jean-Claude Hollerich

Die vorgenannten Einzelthemen gehören inhaltlich zu den im Februar 2024 inhaltlich beschriebenen zehn Studiengruppen, deren Mitglieder mit dem Instrumentum laboris ebenso veröffentlicht wurden wie die Mitglieder von fünf Arbeitsgruppen für das Studium der fünf Perspektiven, die im Hinblick auf die zweite Tagung der XVI. ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode theologisch zu untersuchen sind: Wie am 15. März in diesem Blog beschrieben bedarf eine synodale Kirche auf allen Ebenen der Ortskirche (1), ihrer Zusammenschlüsse (2) und auf weltkirchlicher Ebene (2) ein Gesicht, Transparenz und einer Rechenschaftspflicht, ein geteiltes Verständnis der synodalen Methode (4) und immer wieder neu konkreter Orte (5). In diesen dem Synodensekretariat direkt zuarbeitenden Arbeitsgruppen wird deutlich, wie sehr im Mittelpunkt der Weltsynode das Thema der Synodalität der Kirche selbst steht: Wie können wir eine synodale Kirche der Sendung sein? Zu diesem Zweck untergliedert das Instrumentum laboris nach einer Einleitung und einem Grundlagenteil die zu beratenden Themen unter drei Aspekten: Beziehungen – Wege – Räume, unter denen die Themen der o.g. zehn Studiengruppen aufgeführt sind.

© Deutsche Bischofskonferenz / Ewelina Sowa
Dr. Irme Stetter-Karp und Bischof Dr. Georg Bätzing

Die ersten Stellungnahmen von Vertreter:innen der Kirche in Deutschland waren am Tag der Veröffentlichung des Instrumentum laboris deshalb auch optimistisch, „dass die Kirche in Bewegung ist“, wie es die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Dr. Irme Stetter-Karp ausdrückte.

Das Instrumentum laboris für Oktober gibt zwei zentrale Signale: Die Kirche will sich tiefgreifend verändern, sie will synodal werden. Und sie ringt in diesem Prozess mit der Transformation ihrer Tradition.“ (ZdK 9.7.2024)

Die Einschätzung, dass „das Dokument inhaltlich für eine gute Grundlage für die anstehenden Beratungen“ gehalten werden kann, teilt auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Wie Irme Stetter-Karp mahnt er aber auch konkrete Reformschritte an und zitiert in einem DBK-Statement hierzu aus der Nr. 71 des Instrumentum laboris:

„Ohne konkrete Veränderungen wird die Vision einer synodalen Kirche nicht glaubwürdig sein, und dies wird jene Mitglieder des Gottesvolkes entfremden, die aus dem synodalen Weg Kraft und Hoffnung geschöpft haben.“ (Nr. 71


Sonntag, 16. Juni 2024

"Bekehrung des Papsttums" und "Synodalität" - oder: "Die Menschen müssen sehen können, dass sich das Handeln der Kirche vor Ort verändert."

Die drei in der vergangenen Woche herausragenden Nachrichten aus katholischer (und deutscher) Perspektive waren die Veröffentlichung eines theologischen Konsens- und Reformpapiers für ein Neuverständnis des päpstlichen Primats, die Teilnahme und der Beitrag des Papstes beim G7-Gipfel der führenden Regierungschefs der Welt und die Fortsetzung des Synodalen Wegs mit der zweiten Zusammenkunft des Synodalen Ausschusses an diesem Wochenende. Alle drei Themen führen zurück auf eine – in diesem Blog wohl meistzitierte – Rede Papst Franziskus‘ vom 17. Oktober 2015 bei der abgekürzt als Familiensynode bekannten XIV. Generalversammlung der Bischofssynode, die auf alle Aspekte zu sprechen kommt. 

ogy.de/Synod24

Bereits bei dieser Rede im Rahmen eines Festakts aus Anlass von 50 Jahren Bischofssynode reflektierte Papst Franziskus mit Eigenzitaten aus seinem ersten Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium auf ein Neuverständnis des Papsttums (EG 32), das er nun in noch deutlicheren Worten als „Bekehrung des Papsttums“ bezeichnet. Die auch im jetzt neu vorgelegten Konsenspapier „Der Bischof von Rom“ des Dikasteriums für die Einheit der Christen an zentraler Stelle aufgenommenen Zitate aus der Ökumene-Enzyklika Johannes Pauls II. finden sich bereits auch hier:

„Als Bischof von Rom weiß ich sehr wohl, und habe das in der vorliegenden Enzyklika erneut bestätigt, dass die volle und sichtbare Gemeinschaft aller Gemeinschaften, in denen kraft der Treue Gottes sein Geist wohnt, der brennende Wunsch Christi ist. Ich bin überzeugt, diesbezüglich eine besondere Verantwortung zu haben, vor allem wenn ich die ökumenische Sehnsucht der meisten christlichen Gemeinschaften feststelle und die an mich gerichtete Bitte vernehme, eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet“ (Ut unum sint 95).

Und im direkten Anschluss der Rede findet sich die Ausweitung der sozialethischen Verantwortung des Papstamtes für die gesamte Menschheit ausgedrückt, mit welcher auch die Teilnahme von Papst Franziskus beim G7-Gipfel und sein Beitrag zu den Chancen und Gefahren künstlicher Intelligenz einzuordnen ist.

„Unser Blick weitet sich auch auf die ganze Menschheit. (…) Als Kirche, die gemeinsam mit den Menschen unterwegs ist, die an den Mühen der Geschichte Anteil hat, pflegen wir den Traum dass die Wiederentdeckung der unverletzlichen Würde der Völker und der Dienstcharakter der Autorität auch den Gesellschaften helfen kann, um sich auf Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit zu stützen, um eine bessere und würdigere Welt für die Menschheit zu bauen und für die Generationen, die nach uns kommen (EG 186-192, Laudato Si’ 156-162).

Verbunden ist dieses neue Selbstverständnis des Papsttums mit einem diesem zugrundeliegenden synodalen Verständnis der Kirche, das Franziskus in derselben Rede aus Anlass von 50 Jahren Bischofssynode zuvor ausführt und mit denselben Worten des Blog-Beitrags vom 17.10.2015 widergegeben werden soll:

Papst Franziskus hebt am Ende des Festaktes (…) die Bedeutung und Charakteristika der 'Synodalität' auf den drei Ebenen der Orts-, Teil- und Weltkirche heraus. Für die Umsetzung (...) wird von besonderer Bedeutung sein, dass Papst Franziskus die von ihm bereits im Lehrschreiben Evangelii Gaudium (...) angesprochene stärkere Bedeutung der Teilkirchen 'cum et sub Petro' auf Zukunft hin noch höher einschätzt. Man müsse noch weiter darüber nachdenken, jene Strukturen, die Zwischenebenen der Kollegialität gemäß der frühkirchlichen Ordnung zu erneuern. Mit dem Hinweis, dass die Hoffnung des Konzils, dass solche Einrichtungen helfen, den Geist der bischöflichen Kollegialität zu erhöhen, noch nicht vollständig realisiert seien, kommt er zu einer zentralen Stelle seiner Rede, die mit anhaltendem Applaus bedacht wurde:

„Wir sind auf halbem Weg, auf einem Teil des Weges. Wie ich bereits gesagt habe, ist es in einer synodalen Kirche "nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen. In diesem Sinn spüre ich die Notwendigkeit, in einer heilsamen 'Dezentralisierung' voranzuschreiten" (EG 16).“ (Radio Vatikan 17.10.2015)

Um ebendiese Formen der Dezentralisierung und die Wahrnehmung des synodalen Auftrags vor Ort geht es auch beim Synodalen Weg der Kirche in Deutschland. Beim zweiten Treffen des Synodalen Ausschusses, der einen für das Jahr 2026 vorgesehenen Synodalen Rat vorbereiten soll, wurden drei Kommissionen gewählt, die sich mit der „Synodalität als Strukturprinzip der Kirche“, der „Evaluation und Monitoring der Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weges“ und der „Weiterentwicklung der Initiativen des Synodalen Weges beschäftigen.

Gradmesser für den Erfolg der synodalen Neuausrichtung der Kirche in Deutschland wird sein, was Bischof Bätzing im Rahmen dieser Zusammenkunft des Synodalen Ausschusses wie schon nach der letzten V. Synodalversammlung im März vergangenen Jahres sagte:

"Die Menschen müssen sehen können, dass sich das Handeln der Kirche vor Ort verändert."


 

Mittwoch, 22. Mai 2024

Ohne die Begriffe „Segen“ oder „Synodaler Rat“ explizit zu verwenden, „wäre eine größere Entscheidungsbefugnis der jeweiligen Ortskirchen hilfreich. – Die Eingabe der Deutschen Bischofskonferenz zum 2. Teil der Weltsynode zur Synodalität im Oktober 2024

Screenshot Katholisch.de vom 22.5.2024
(Screenshot katholisch.de vom 22.5.24)
Unter Einbeziehung der Rückmeldungen aller 27 Diözesen Deutschlands, des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (allerdings ohne Zitat) und eines explizit zitierten Verbandes (der KDFB) wurde heute die bereits vor einer Woche an das Synodensekretariat zurückgesandte Eingabe der Deutschen Bischofskonferenz zum 2. Teil der Weltsynode zur Synodalität veröffentlicht. Sie konstatiert einerseits das – von der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) dieses Jahr offen gelegte – erschreckende Resümee der geringen Glaubwürdigkeit der Katholischen Kirche wie der fortschreitenden Entkirchlichung der Gesellschaft in Deutschland und – am deutlichsten in dem Zitat aus der Rückmeldung der Diözese Mainz –, dass im Sinne der vielfach geteilten Reformanliegen Synodalität als „Entscheidungsbefugnis der jeweiligen Ortskirchen hilfreich“ wäre. Ohne den wohl von Seiten des Vatikans mit der Erklärung Fiducia supplicans aus der Diskussion der Weltsynode herausgezogenen Begriffs des „Segens“, aber auch ohne die auf dem Synodalen Weg gewählte Begrifflichkeit eines „Synodalen Ausschuss“ oder des „Synodalen Rates“ zu verwenden, wiederholt die Eingabe der DBK „die auf dem Synodalen Weg erarbeiteten Positionen“, die einen von der breiten Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken geteilten Reformbedarf feststellen. Hierbei werden benannt:

- der verantwortungsvolle und synodal rückgebundene Umgang mit Leitungsvollmacht;

- die Stärkung des Aspekts der Gewaltenteilung in der Kirche; 

- die stärkere Implementierung von Rechenschaftspflichten der Amtsträger;

- die stärkere Beteiligung des Volkes Gottes an der Auswahl von Amtsträgern;

- die Zulassung von Laien zum Predigtdienst;

- die Überprüfung der Zölibatsverpflichtung von Priestern;

- der Zugang von Frauen zu Leitungspositionen;

- die bessere Einbindung von Frauen in der theologischen und pastoralen Ausbildung;

- die Öffnung des Diakonats für Frauen;

- die Diskussion über die Festlegungen im Lehrschreiben Ordinatio sacerdotalis;

- die Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre zur Anthropologie;

- die Weiterentwicklung der kirchlichen Sexuallehre;

- die Integration von LGBTQ+ -Personen in die Kirche.

Die ebenfalls heute veröffentlichte Stellungnahme des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (erarbeitet vom Hauptausschuss des ZDKs) ist – wie gesagt – überraschender Weise nicht in der Eingabe der Deutschen Bischofskonferenz explizit zitiert. Und auch in dieser fehlen die Begriffe und Reformanliegen des „Segens“ oder der Praxis von „Segensfeiern“, die andererseits in einer von der Gemeinsamen Konferenz von DBK und ZDK bereits seit Monaten – wider Erwarten ohne  Rückbindung an den zwischenzeitlich ja bereits im November vergangenen Jahres eingerichteten Synodalen Ausschusseingesetzten Arbeitsgruppe beraten werden.

Es bleibt die Hoffnung, dass die Weltsynode im Sinne der Eingabe der DBK „eine größere Entscheidungsbefugnis der jeweiligen Ortskirchen“ im Sinne der Synodalität der Katholischen Kirche festschreiben möge und auf diesem Wege sowohl die Formen des Segens wie der konkreten synodalen Strukturen innerhalb der Bischofskonferenzen freigeben möge. Dass auch das heiße Eisen des Frauendiakonats dazugehören könnte, ist seit einem gestern veröffentlichten Interview von Papst Franziskus wohl ebenso unwahrscheinlich geworden, wie dies schon im Februar hinsichtlich der etwaigen Thematisierung des Segensthemas prognostiziert wurde.


Donnerstag, 2. Mai 2024

 „Wir müssen die Kunst der geistlichen Unterscheidung ständig verfeinern“ – Im Zugehen auf die 2. Sitzung der Weltsynode ein Resümee des Priestertreffens vom 29. April bis 2. Mai in Sacrofano / Rom


Über 300 Priester aus aller Welt – drei davon aus Deutschland – waren zum Priestertreffen im Zugehen auf die zweite Sitzung der XVI. Versammlung der Bischofssynode im Oktober 2024 eingeladen. Und das obige Zitat aus einem Beitrag des tschechischen Theologen und Priesters Tomáš Halík scheint mir tatsächlich eine Art Resümee dieser Tage zu sein, das auf Ebene der Weltkirche gilt, aber in den Pfarreien vor Ort seinen Anfang nehmen muss. Papst Franziskus hob die geistliche Unterscheidung und das über die erste Sitzung der Weltsynode im Oktober des vergangenen Jahres eingeübte „Gespräch im Heiligen Geist“ auch in seinem heute veröffentlichten Schreiben an die teilnehmenden Priester hervor.
 

"Ich empfehle euch von ganzem Herzen, die Kunst der gemeinschaftlichen Unterscheidung zu erlernen und zu praktizieren und dafür die Methode des „Gesprächs im Heiligen Geist“ zu nutzen, die uns im Verlauf der Synode und bei der Durchführung der Vollversammlung selbst so hilfreich war. Ich bin sicher, dass ihr damit nicht nur in den Gemeinschaftsstrukturen, wie dem Pastoralrat der Pfarrei, sondern auch in zahlreichen anderen Bereichen viele Früchte ernten könnt. Wie der Synthese-Bericht in Erinnerung ruft, ist die Unterscheidung ein Schlüsselelement des pastoralen Wirkens einer synodalen Kirche: »Es ist wichtig, dass die Praxis der Unterscheidung auch im pastoralen Bereich in einer den jeweiligen Kontexten angemessenen Weise umgesetzt wird, um die Konkretheit des kirchlichen Lebens zu erhellen. Sie wird es ermöglichen, die in der Gemeinschaft vorhandenen Charismen besser zu erkennen, Aufgaben und Ämter weise zu übertragen und pastorale Wege im Licht des Geistes zu planen, die über die bloße Planung von Aktivitäten hinausgehen« (2, l)."

Neben der Bezugnahme auf den Synthese-Bericht sticht ein weiteres Mal das Zitat hervor, das auch am Ende des vorausgegangenen Blog-Beitrags stand und das seit dem Jahr 2015 mehr und mehr zu einem ceterum censeo des derzeitigen Pontifikats geworden ist, „den Weg der Synodalität einzuschlagen, der»das [ist], was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet«.



Freitag, 15. März 2024

How to be a synodal Church on mission? – Themenstellungen und Arbeitsgruppen der XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode (2.-27. Oktober 2024)

Screenshot Vaticanmedia 14.3.24
Screenshot aus der Pressekonferenz / Vaticanmedia 14.3.24

Mit den in der Pressekonferenz des Sekretariats für die Synode vom 14. März vorgestellten Dokumenten konkretisiert sich der Weg zum zweiten Teil der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode (2.-27.10.24) und weist auch schon darüber hinaus.

Überraschend werden von Papst Franziskus insgesamt zehn in Studiengruppen zu erarbeitende Themenfelder aus dem Synthese-Papier (RdS) benannt, die über das Ende der Weltsynode hinausgehen und so bis mindestens Juni 2025 an Ergebnissen weiterarbeiten sollen. Über die schon im Dezember herausgehobenen Themen sind dies:

1.           Einige Aspekte der Beziehungen zwischen den katholischen Ostkirchen und der lateinischen Kirche (RdS 6)

2.           Das Hören auf den Schrei der Armen (RdS 4 und 16)

3.           Die Mission in der digitalen Welt (RdS 17)

4.           Die Revision der Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis in einer missionarischen synodalen Perspektive (RdS 11)

5.           Einige theologische und kirchenrechtliche Fragen im Zusammenhang mit bestimmten Formen des Dienstes (RdS 8 und 9)

6.           Die Revision der Dokumente, die die Beziehungen zwischen den Bischöfen, dem gottgeweihten Leben und den kirchlichen Gemeinschaften regeln, in einer synodalen und missionarischen Perspektive (RdS 10)

7.           Einige Aspekte der Gestalt und des Dienstes des Bischofs (insbesondere: Kriterien für die Auswahl der Kandidaten für das Bischofsamt, die richterliche Funktion des Bischofs, die Art und Durchführung der Ad limina-Besuche) in einer synodalen und missionarischen Perspektive (RdS 12 und 13)

8.           Die Rolle der Päpstlichen Beauftragten (Nuntien und Ständige Beobachter, Anm.) in einer missionarischen synodalen Perspektive (RdS 13)

9.           Theologische Kriterien und synodale Methoden für eine gemeinsame Unterscheidung von kontroversen lehrmäßigen, pastoralen und ethischen Fragen (RdS 15)

10.         Die Rezeption der Früchte des ökumenischen Weges in der kirchlichen Praxis (RdS 7) (Übersetzung nach Vaticannews vom 14. März 2024)

Aber auch wenn die Laufzeit der Studiengruppen über die Bischofssynode im Herbst hinausgeht, sollen doch schon auch im Herbst bereits Zwischenergebnisse aus den Studiengruppen in die Synodalen Beratungen eingebracht werden, die ihrerseits die Arbeit der Studiengruppen bestimmen werden. Zugeordnet sind diese Arbeitsgruppen – an dieser Stelle die neue Kurienordnung Praedicate Evangelium Nr. 33 umsetzend, worauf eigens hingewiesen wird – einzelnen Dikasterien der Kurie, die vom Synodensekretariat koordiniert werden. 

Auch wenn - wie zuletzt am 11. Februar in diesem Blog angesprochen - aus europäischer Perspektive konkrete Beratungsergebnisse, z.B. zu Fragen des Zugangs zum Priesteramt (vorgesehen in der 4. Studiengruppe), zur Frage des Frauendiakonats (vorgesehen in der 5. Studiengruppe) oder zu drängenden anthropologische Fragestellungen (vorgesehen in der 9. Studiengruppe) als Gradmesser des synodalen Prozess angesehen werden, ist doch schon die synodale Zuarbeit aller Kuriendikasterien der erste Hinweis für die Umgestaltung der Generalversammlung der Bischofssynode in Richtung auf ihr Hauptthema „Für eine synodale Kirche“. Die Statements aller Beteiligten der Pressekonferenz machen dies deutlich, wie es etwa besonders in dem Statement von Sr. Simona Brambilla vom Dikasterium für die Ordensleute herausgestellt wird, das in einem Extra-Kommuniqué des vatikanischen Presseamtes veröffentlicht wurde.

Die parallel zur zweiten Sitzung der XVI. Bischofssynode und darüber hinaus weiterlaufenden Studiengruppen entlasten die Bischofsversammlung zu den vielen aufgeworfenen und vielleicht im Herbst noch neu hinzukommenden Themenstellungen Positionierungen oder gar Entschließungen verabschieden zu müssen. Sie machen es vielmehr möglich, das eigentliche Thema der Synode, die Synodalität auf den unterschiedlichen Ebenen der Kirche im wahrsten Sinn durchzubuchstabieren, das ja die Grundlage für die Umsetzung der o.g. Einzelthemen der Studiengruppen bildet bzw. bilden wird. Ein weiteres in der Pressekonferenz vom 14. März vorgestelltes Papier des Sekretariats der Synode lenkt den Fokus auf diese Fragen unter dem Titel: „How to be a synodal Church on mission?“, aus dem bereits die Struktur und der Ablauf der synodalen Beratungen der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode im Herbst ablesbar werden.

Dieses Dokument macht deutlich, dass in fünf vom Synodensekretariat berufenen Arbeitsgruppen die Rückmeldungen aus den lokalen Bischofskonferenzen – die bis zum 15. Mai 2024 eingehen sollen – für das Vorbereitungsdokument (Instrumentum laboris) der zweiten Synodenrunde aufbereitet werden sollen. Sie verfolgen die folgenden Themen:

- Das synodale missionarische Antlitz der Ortskirche

- Das synodale missionarische Antlitz der kirchlichen Gruppierungen 

- Das synodale missionarische Antlitz der Universalkirche

- Die synodale Methode

- Der „Ort" einer synodalen missionarischen Kirche

Mehr und mehr zeichnet sich das Design einer synodalen Kirche ab, einer „Synodalität, welcher der Weg ist, den
 Gott von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet.  





Montag, 12. Februar 2024

Beginn einer „Reformation im Geist der Synodalität“ – Aus Anlass der Ankündigung des Rücktritts von Papst Benedikt XVI. am Rosenmontag vor 11 Jahren

Heute am Rosenmontag vor elf Jahren machte der damalige Papst Benedikt XVI. zur Überraschung aller seinen Rücktritt vom Papstamt bekannt. Und niemand hätte erwartet, dass er mit der dadurch ermöglichten Wahl seines Nachfolgers Papst Franziskus, die sich am 14. März dieses Jahres ebenfalls zum elften Mal jährt, eine „Reformation im Geist der Synodalität“ einleiten würde. 

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Karneval–Motivwagen des Kölner Rosenmontagszugs 2024 über die Blindheit der
Kirche im Umgang mit Missbrauchsfällen, der mit konkreten Vorwürfen auch Papst
emeritus Benedikt XVI. bis in sein Sterbejahr nachging.     (© XChristophxHardtx) 

Auch wenn der Reformstau in der Katholischen Kirche insbesondere im Zuge der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals deutlich größer ist, als die mit der Wahl von Franziskus synodal seit den beiden Familiensynoden der Jahre 2014/15 bereits in Angriff genommenen Reformvorhaben ausweisen, können sich die Ergebnisse sehen lassen:

Schon zwei bzw. drei Jahre nach seiner Wahl und der besagten Doppelsynode konnte man von keinem Paar der Welt mehr sagen, dass es in einem Zustand der Todsünde lebe (wodurch die Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten möglich wurde). Und seit Ende des vergangenen Jahres kann hinzugefügt werden, dass entsprechend der Erklärung Fiducia supplicans alle Paare in vormals sogenannten 'irregulären' Situationen“ (AL 297), ja ausdrücklich auch gleichgeschlechtliche Paare vom Segen der Kirche nicht mehr ausgeschlossen sind. Darüber hinaus sind zahlreiche andere „Heiße-Eisen-Themen“ ebenfalls angegangen worden: Ein Ausgleich hinsichtlich der noch bis vor einem Jahrzehnt die katholische Welt wie keine zweite beschäftigende Frage hinsichtlich der Fragen der Empfängnisregelung (AL 222), die Thematisierung der Fragen des Zugangs von viri probati (im Leben erfahrenen und verheirateten Männern) zum Priesteramt auf der Amazonassynode 2019, die nun auch im zweiten Teil der XVI. ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode dieses Jahres in der Beratung auf weltkirchlicher Ebene wiederaufgenommen werden. Sensationeller Weise könnte auch die Möglichkeit des Frauendiakonats auf der Tagesordnung stehen, die zuletzt vor einer Woche vom 5.7. Februar auch den Kardinalsrat beschäftigte. Alle diese „Themen größter Relevanz“ wurden bereits am 11. Dezember 2023 von Seiten des Vatikans hervorgehoben. Sie sollen mit besonderer Vorbereitung des Synodalbüros, der Dikasterien und externer Expertinnen und Experten in die Beratungen des zweiten Teil der Weltsynode zur Synodalität im Oktober einfließen :

„Es handelt sich um Themen von großer Bedeutung, von denen einige auf der Ebene der Gesamtkirche und in Zusammenarbeit mit den Dikasterien der Römischen Kurie behandelt werden müssen, wie zum Beispiel die Vorstudie im Hinblick auf die Aktualisierung des CIC und des CCEO (Synthesebericht, Kap. 1 Buchst. r), der Ratio fundamentalis über die Ausbildung der geweihten Amtsträger (Kap. 11 Buchst. j), des Dokuments Mutuae relationes (Kap. 10 Buchst. g); oder die Vertiefung der theologischen und pastoralen Forschungen über den Diakonat und insbesondere über den Zugang der Frauen zum Diakonat (Kap. 9 Buchst. n), usw.“(Ebd.) 

Nicht (mehr) zur Diskussion steht hingegen dasjenige Thema, das – zumindest in jeder Pressekonferenz des ersten Teils der Weltsynode (mehrheitlich von außen an die Synodenversammlung herangetragen) – immer wieder auch im Mittelpunkt stand: das Thema des Umgangs mit LGBTIQ-Personen und die oben schon angesprochene Frage der Möglichkeit eines Segens. Diese Fragestellungen hatte das Dikasterium für die Glaubenslehre bereits mit einem Handstreich mit der am 18. Dezember 2023 veröffentlichten Erklärung Fiducia supplicans weltkirchlich in gewisser Weise abgeräumt – nicht ohne weltweit ein nicht breiter zu denkendes und auseinandergehendes Echo zu erzeugen. 

Nach den teils auch strikt ablehnenden Äußerungen aus einigen Teilen der Weltkirche wie z.B. von Seiten des Verbands der afrikanischen Bischofskonferenzen (SECAM) nehmen sich die zu Beginn überschwänglich positiven Reaktionen deutscher Bischöfe vor dem Hintergrund einer intensiveren Lektüre der Erklärung und den am 4. Januar 2024 nachgeschobenen erläuternden Hinweisen derzeit deutlich zurückgenommener oder verhalten aus, wenn etwa darauf gehofft wird, dass die nun erneuerte pastorale Praxis auch zu einer Weiterentwicklung der Lehre führt – waren doch die Neubewertung der Homosexualität und die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt neben dem Segensthema Hauptanliegen des Synodalen Wegs in Deutschland in gleich drei Handlungstexten.

Eine weitere Thematisierung dieser Fragen steht nun im Herbst 2024 auf weltkirchlicher Ebene aller Voraussicht nach nicht mehr an. Dafür ist der Weg umso freier für einige weitere Themen, die nach dem im Dezember veröffentlichten Fahrplan im März diesen Jahres – einhergehend mit dem 11-jährigen Jubiläum des Pontifikats von Papst Franziskus – feststehen bzw. endgültig bestätigt werden. Alle diese Reformvorhaben 'im Geist der Synodalität' hätte Papst em. Benedikt XVI. mit der Ankündigung seines Rücktritts am Rosenmontag des Jahres 2013 sicher nicht absehen können. Ausgelöst hat sie der erst Ende des vorletzten Jahres verstorbene Papst em. Benedikt XVI. dadurch zweifellos dennoch  insbesondere durch den mit Papst Franziskus neu einziehenden schöpfungstheologischen Ansatz in Lehrverkündigung und -entwicklung, der bis in die jüngste Erklärung Fiducia supplicans als Wasserzeichen seines Pontifikats wahrzunehmen ist.